LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 23.03.2017 - 9 SO 538/16
Höhere Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung
Teilweise Anrechnung des für die Tätigkeit im Bundesfreiwilligendienst gezahlten Taschengeldes als Einkommen
Kein Grundfreibetrag
1. Taschengeld für die Tätigkeit im Bundesfreiwilligenverdienst ist dem Grunde nach anrechenbares Einkommen i.S.d. § 82 Abs. 1 Satz 1 SGB XII, denn es handelt sich um eine Einnahme in Geld oder Geldeswert.
2. Ein Grundfreibetrag nach § 82 Abs. 3 Satz 4 SGB XII kann nicht in Anspruch genommen werden, weil es sich bei dem Taschengeld aus dem Bundesfreiwilligendienst nicht um Bezüge
oder Einnahmen handelt, die nach § 3 Nr. 12, 26, 26a oder 26b EStG steuerfrei sind (Aufwandsentschädigungen als Bezüge aus einer Bundes- oder Landeskasse; Einnahmen aus nebenberuflichen Tätigkeiten
als Übungsleiter, Ausbilder, Erzieher, Betreuer oder bei vergleichbaren nebenberuflichen Tätigkeiten; Einnahmen aus nebenberuflichen
Tätigkeiten im Dienst oder Auftrag einer juristischen Person des öffentlichen Rechts, die in einem Mitgliedstaat der EU oder
des EWR belegen ist und sog. Ehrenamtsfreibetrag; Aufwandsentschädigungen des Vormunds).
Normenkette: SGB XII § 82 Abs. 1 S. 1
,
SGB XII § 82 Abs. 3 S. 4
,
Vorinstanzen: SG Dortmund 09.08.2016 S 41 SO 441/14
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom 09.08.2016 wird zurückgewiesen. Die Beklagte trägt
die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Klägers auch im Berufungsverfahren. Die Revision wird zugelassen.
Entscheidungstext anzeigen:
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die Gewährung höherer Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nach dem
Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch - Sozialhilfe - (SGB XII).
Der am 00.00.1949 geborene, seinerzeit mit seiner Ehefrau zusammenlebende Kläger steht bei der Beklagten im Leistungsbezug
nach dem Vierten Kapitel des SGB XII. Mit Bescheid vom 01.08.2014 bewilligte die Beklagte dem Kläger Grundsicherungsleistungen in Höhe von 345,47 EUR für den
Monat August 2014, wobei sie bei der Berechnung der Leistungshöhe neben der Regelaltersrente des Klägers in Höhe von 18,08
EUR das monatliche Taschengeld in Höhe von 200,00 EUR, welches der Kläger aufgrund des von ihm in der Zeit vom 01.08.2013
bis 31.01.2015 geleisteten Bundesfreiwilligendienstes erhielt, vollständig als Einkommen anrechnete. Zudem wies sie in dem
Bescheid darauf hin, dass der ausführliche Bewilligungsbescheid noch folge, und hielt fest, dass das Taschengeld auch zukünftig
in voller Höhe als Einkommen anzurechnen sei.
Mit Schreiben vom 26.08.2014 legte der Kläger Widerspruch gegen den Bescheid vom 01.08.2014 ein. Zur Begründung machte er
im Wesentlichen geltend, dass es für ihn nicht nachvollziehbar sei, warum das o.a. Taschengeld als Einkommen berücksichtigt
würde, obwohl dies im vorausgegangenen Leistungsbezug nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch - Grundsicherung für Arbeitsuchende - (SGB II) nicht der Fall gewesen sei. Die demnach erfolgte Schlechterstellung von Personen über 65 Jahre und solchen, die SGB XII-Leistungen bezögen, sei ungerecht und diskriminierend. Bei Anrechnung des Taschengeldes als Einkommen sei er nicht in der
Lage, den Bundesfreiwilligendienst weiter auszuüben, da er dann die ihm dienstbedingt entstehenden Kosten nicht decken könne.
Die Beklagte zahlte dem Kläger die oben genannte Grundsicherungsleistung auch für September 2014 aus.
Mit Widerspruchsbescheid vom 24.09.2014 wies die Beklagte den Widerspruch nach beratender Beteiligung sozial erfahrener Dritter
als unbegründet zurück. Im SGB XII gebe es keine Regelung wie im Anwendungsbereich des SGB II, nach der ein im Rahmen des Bundesfreiwilligendienstes gewährtes Taschengeld nicht als Einkommen zu berücksichtigen sei.
Auch handele es sich bei der Ausübung des Bundesfreiwilligendienstes um eine ehrenamtliche Tätigkeit, nicht um eine Erwerbstätigkeit.
Mit Bescheid vom 30.09.2014 bewilligte die Beklagte dem Kläger Leistungen in der oben genannten Höhe für den Zeitraum August
2014 bis Juli 2015. Hinsichtlich des bewilligten Leistungsbetrags ging die Beklagte von einem Bedarf bestehend aus dem maßgeblichen
Regelsatz (353,00 EUR), einem Mehrbedarf für Warmwasser (8,12 EUR) sowie den hälftigen Kosten für Unterkunft und Heizung (202,43
EUR), mithin von einem Bedarf in Höhe von insgesamt 563,55 EUR aus. Auf diesen Bedarf rechnete sie das Altersruhegeld des
Klägers in Höhe von 18,08 EUR und das o.a. Taschengeld in Höhe von 200,00 EUR in vollem Umfang an.
Am 21.10.2014 hat der Kläger Klage bei dem Sozialgericht Dortmund erhoben.
Zur Begründung hat er im Wesentlichen geltend gemacht, dass die Berücksichtigung des Taschengeldes als Einkommen gegen das
Altersdiskriminierungsverbot verstoße. Bei Empfängern von Leistungen nach dem SGB II würde das Taschengeld nicht als Einkommen berücksichtigt. Es gebe keinen sachlichen Grund, Personen, die im Leistungsbezug
nach dem SGB XII stünden, gegenüber Personen, die im Leistungsbezug nach dem SGB II stünden, bezüglich der Frage der Anrechnung eines im Rahmen des Bundesfreiwilligendienstes gewährten Taschengeldes zu benachteiligen.
Der Gesetzgeber habe die unterschiedliche Anrechnungspraxis nicht bedacht.
Der Kläger hat beantragt,
unter Abänderung des Bescheids vom 01.08.2014 sowie des durch Zahlung konkludent erlassenen Bescheids vom 01.09.2014 betreffend
die Monate August 2014 und September 2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 24.09.2014 sowie unter Abänderung des Bescheids
vom 30.09.2014 die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch in Höhe von weiteren
840,00 EUR für den Zeitraum August 2014 bis Januar 2015 zu gewähren.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat auf ihre Ausführungen im Widerspruchsbescheid Bezug genommen. Ergänzend hat sie ausgeführt, dass keine planwidrige
Regelungslücke vorliege. Eine Tätigkeit im Rahmen des Bundesfreiwilligendienstes diene entsprechend der Zielsetzung im SGB II auch der Eingliederung in den Arbeitsmarkt. Dagegen dienten die Leistungen der Grundsicherung im Alter nur der Sicherstellung
des Lebensunterhalts. Die unterschiedlichen Zielsetzungen des SGB II und des SGB XII würden eine unterschiedliche Berücksichtigung von Einkommen rechtfertigen. Dies sei vom Gesetzgeber so hingenommen worden.
Im Übrigen sei sie im Bereich der Grundsicherungsleistungen an die entsprechenden Weisungen des Bundesministeriums für Arbeit
und Soziales (BMAS) gebunden.
Mit Schriftsatz vom 12.02.2015 hat die Beklagte mitgeteilt, dass für die Zeit vom 01.08.2014 bis 31.01.2015 anstelle des angerechneten
Taschengeldbetrages in Höhe von 200,00 EUR ein um 30 Prozent gekürzter Betrag in Höhe von 140,00 EUR berücksichtigt werde,
weshalb dem Kläger Leistungen in Höhe von 360,00 EUR nachgezahlt werden würden. Auf Nachfrage des Sozialgerichts hat die Beklagte
mit Schriftsatz vom 01.08.2016 ferner mitgeteilt, dass die Nachzahlung zusammen mit den laufenden Grundsicherungsleistungen
für April 2015 ausgezahlt wurde, ohne dass ein Änderungsbescheid erlassen worden sei.
Mit Urteil vom 09.08.2016 hat das Sozialgericht die Beklagte unter Abänderung der streitbefangenen Bescheide verurteilt, dem
Kläger Leistungen nach dem SGB XII in Höhe von weiteren 840,00 EUR betreffend den Zeitraum August 2014 bis Januar 2015 zu zahlen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen
das Folgende ausgeführt:
Die zulässige Klage sei begründet. Streitgegenständlich seien der ausdrücklich angefochtene Bescheid vom 01.08.2014, der durch
Auszahlung der Leistung für September 2014 konkludent im Widerspruchsverfahren erlassene Bescheid vom 01.09.2014 (§ 86 SGG analog), jeweils in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24.09.2014 sowie der nach Erlass des Widerspruchsbescheides, aber
vor Klageerhebung ergangene Bescheid vom 30.09.2014 (§ 96 SGG entsprechend). Der Kläger habe ferner sein Klagebegehren ausdrücklich auf insgesamt 840 EUR sowie auf den Zeitraum vom 01.08.2014
bis 31.01.2015 beschränkt.
Die angefochtenen Bescheide seien teilweise rechtswidrig und verletzten den Kläger i.S.d. § 54 Abs. 2 SGG in seinen Rechten. Er habe gegen die Beklagte Anspruch auf Gewährung weiterer Grundsicherungsleistungen in Höhe von insgesamt
840,00 EUR. Denn jedenfalls in dieser Höhe habe die Beklagte dem Kläger im streitgegenständlichen Zeitraum zu viel Einkommen
angerechnet. Zwar habe sie ausgehend von der für den Kläger maßgeblichen Regelbedarfsstufe 2, den hälftigen Kosten der Unterkunft
sowie einem Mehrbedarf für Warmwasser den Bedarf zutreffend ermittelt sowie das Altersruhegeld des Klägers als Einkommen (§
82 Abs. 1 Satz 1 SGB XII) zu Recht angerechnet. Das im Rahmen des Bundesfreiwilligendienstes erzielte Taschengeld sei hingegen nicht anzurechnen gewesen.
Zwar falle dieses weder unter § 83 SGB XII, noch unter § 82 Abs. 3 Satz 4 SGB XII. Denn das im Rahmen des Bundesfreiwilligendienstes gezahlte Taschengeld sei weder zweckbestimmt, noch handele es sich um
Bezüge oder Einnahmen, die nach § 3 Nr. 12, 26, 26a oder 26b des Einkommensteuergesetzes ( EStG) steuerfrei seien. Zwar sei das entsprechende Taschengeld steuerfrei; dies folge jedoch nicht aus den in § 82 Abs. 3 Satz 4 SGB XII genannten Normen des EStG, deren Aufzählung abschließend sei.
Dass das entsprechende Taschengeld - abweichend von der Grundregel des § 82 Abs. 3 Satz 1 SGB XII - gleichwohl hier in voller Höhe nicht als Einkommen anzurechnen sei, ergebe sich aus § 82 Abs. 3 Satz 3 SGB XII. Es liege zum einen ein sog. begründeter Fall vor. Zum anderen sei das von dieser Norm der Beklagten eingeräumte Ermessen,
bei Vorliegen eines begründeten Falls einen anderen als den in § 82 Abs. 3 Satz 1 SGB XII genannten Betrag vom Einkommen abzusetzen, hier auf die Entscheidung der Nichtanrechnung des Taschengeldes in Höhe von 200,00
EUR und damit in voller Höhe auf Null reduziert.
Gemäß § 1 Abs. 7 Satz 1 der Verordnung zur Berechnung von Einkommen sowie zur Nichtberücksichtigung von Einkommen und Vermögen
beim Arbeitslosengeld Il/Sozialgeld (Alg II-VO) in der bis Ende Juli 2016 gültigen Fassung habe gegolten, dass bei erwerbsfähigen
Leistungsberechtigten, die an einem Bundesfreiwilligendienst teilnehmen, anstelle der Beträge nach § 11b Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 bis 5 SGB II vom Taschengeld nach § 2 Nr. 4 des Bundesfreiwilligendienstgesetzes - (BFDG) ein Betrag von insgesamt 200,00 EUR monatlich abzusetzen sei; seit August 2016 ergebe sich dies aus § 11b Abs. 2 Satz 6 SGB II. Im Anwendungsbereich des SGB II seien demnach grundsätzlich 200,00 EUR an bei der Teilnahme am Bundesfreiwilligendienst gezahltem Taschengeld anrechnungsfrei.
Gemäß § 11b Abs. 2 Satz 3 SGB II gelte dies - wie nach § 82 Abs. 3 Satz 4 SGB XII im Anwendungsbereich des SGB XII - grundsätzlich auch für Bezüge oder Einnahmen, die nach § 3 Nr. 12, 26, 26a oder 26b EStG steuerfrei seien. Demnach würden die Einkommensanrechnung und Freibeträge betreffend Bezüge oder Einnahmen, die nach § 3 Nr. 12, 26, 26a oder 26b EStG steuerfrei seien, vom Grundsatz her im SGB II und im SGB XII gleichbehandelt, die Frage der Anrechnung von im Rahmen des Bundesfreiwilligendienstes gezahltem Taschengeld mangels entsprechender
Freibetragsregelung im SGB XII hingegen unterschiedlich. Grundsätzlich seien jedoch unter Beachtung des allgemeinen Gleichheitssatzes (Art. 3 Abs. 1 GG) Bezieher von Leistungen nach dem SGB II und solche nach dem SGB XII gleich zu behandeln, soweit kein sachlicher Grund für die Ungleichbehandlung - bspw. in Form eines Bezugs des ungleich behandelten
Punktes zu der dem SGB II immanenten Erwerbsbezogenheit - erkennbar sei. Fehle es an einem sachlichen Grund, streite dies wie auch die allgemein angestrebte
Harmonisierung der Leistungssysteme nach dem SGB II und dem SGB XII für einen Rückgriff auf die allgemeine Härtefallregel des § 82 Abs. 3 Satz 3 SGB XII.
Es liege kein sachlicher Grund vor, der die aufgezeigte Ungleichbehandlung rechtfertige. Insbesondere stelle allein der Umstand,
dass der Gesetzgeber offensichtlich die Schlechterstellung von Beziehern von SGB XII-Leistungen gegenüber Beziehern von SGB Il-Leistungen so hingenommen habe, keinen rechtfertigenden Grund dar. Gleiches gelte
auch für den Umstand, dass hilfebedürftige Teilnehmer am Bundesfreiwilligendienst regelmäßig nach dem SGB II leistungsberechtigt sein dürften. Denn Art. 3 Abs. 1 GG binde auch den Gesetzgeber (vgl. Art. 1 Abs. 3 GG), und ein rein quantitatives Argument vermöge eine Ungleichbehandlung nicht zu rechtfertigen. Im Bundesfreiwilligendienst
engagierten sich Männer und Frauen für das Allgemeinwohl (§ 1 Satz 1 BFDG). Es handele sich um eine besondere Form des bürgerschaftlichen Engagements (Hinweis auf BT-Drucks. 18/4140, S. 16) außerhalb
eines Arbeitsverhältnisses. Aufgrund von Letzterem stelle das gezahlte Taschengeld auch kein Einkommen im Sinne eines Gehalts,
sondern eine Art Aufwandsentschädigung dar (Hinweis auf BT-Drucks. 17/14333, S. 79). Der Bundesfreiwilligendienst solle zudem
das lebenslange Lernen fördern (§ 1 Satz 2 BFDG). Dementsprechend stehe er allen Altersgruppen (§ 2 Nr. 2 BFDG) und also auch hilfebedürftigen Personen offen, die - wie der Kläger - aufgrund ihres Alters nicht nach dem SGB II, sondern dem SGB XII leistungsberechtigt seien. Vor diesem Hintergrund biete die Zielsetzung bzw. der Zweck des Bundesfreiwilligendienstes keinen
Anknüpfungspunkt, zwischen jüngeren, regelmäßig nach dem SGB II leistungsberechtigten Personen und nach dem SGB XII leistungsberechtigten Personen zu differenzieren. Sowohl Bedeutung als auch Motivation einer Teilnahme am Bundesfreiwilligendienst
seien für alle Teilnehmenden und mithin für beide vorgenannten Personengruppen als gleich zu beurteilen.
Auch der Umstand, dass die entsprechende Freibetragsregelung im SGB II seinerzeit eingeführt worden sei, um die Motivation von Beziehern von SGB Il-Leistungen zu stärken, am Bundesfreiwilligendienst
teilzunehmen (Hinweis auf BT-Drucks. 17/4803, S. 21), rechtfertige die Ungleichbehandlung nicht. Denn auch den Freibetragsregeln
des § 82 Abs. 3 SGB XII liege die sozialpolitische Funktion zugrunde, einen Anreiz zu schaffen, eine Tätigkeit aufzunehmen und den Tätigkeitswillen
zu erhalten (Hinweis auf BSG, Urt. v. 23.03.2010 - B 8 SO 17/09 R -). Zwar sei das SGB II entgegen dem SGB XII von seiner Konzeption und Zielsetzung her auf einen nur vorübergehenden Leistungsbezug angelegt, weshalb es insoweit grundsätzlich
zulässig sein dürfte, die Arbeitsmotivation von Beziehern von SGB Il-Leistungen durch höhere Freibeträge als im SGB XII zu stärken. Indes knüpften sowohl die Konzeption als auch die Zielsetzung des SGB II dabei immer an eine auf Erwerb ausgerichtete und damit eine entlohnte Tätigkeit an, die dazu diene, Hilfebedürftigkeit zu
beseitigen oder deren Umfang zu verringern. Entsprechend seien nach § 3 Abs. 1 Satz 3 SGB II vorrangig Maßnahmen zu ergreifen, die die unmittelbare Aufnahme einer Erwerbstätigkeit ermöglichten. Bei einer Teilnahme
am Bundesfreiwilligendienst handele es sich aber nicht um eine auf Erwerb ausgerichtete bzw. entlohnte Beschäftigung, denn
weder handele es sich dabei um ein Arbeitsverhältnis, noch stelle das Taschengeld ein Gehalt dar. Insoweit sei eine Teilnahme
am Bundesfreiwilligendienst nicht erwerbsbezogen, sondern allgemeinwohlbezogen. Auch dauere eine Teilnahme am Bundesfreiwilligendienst
regelmäßig maximal 18, in Ausnahmefällen maximal 24 Monate, sodass sie schon von Beginn an keine auf Dauer ausgelegte Tätigkeit
darstelle und im Gegensatz zu befristeten Arbeitsverhältnissen auch nicht einmal die Möglichkeit einer Fortsetzung der Tätigkeit
nach Frist- bzw. Zeitablauf beinhalte. Das Gericht verkenne dabei nicht, dass das gezahlte Taschengeld faktisch Hilfebedürftigkeit
zumindest verringern könne. Diese Faktizität alleine vermöge jedoch angesichts der im SGB II normierten Freibetragsregelung und der Höhe des Freibetrags, die regelmäßig der Höhe des Taschengeldes entspreche oder diese
gar übersteige, eine Ungleichbehandlung nicht zu rechtfertigen.
Liege nach alledem eine nicht gerechtfertigte Ungleichbehandlung vor, sei dieser durch einen Rückgriff auf § 82 Abs. 3 Satz 3 SGB XII zu begegnen. Diese Regelung sei (auch) als eine generelle Härtefallregelung zu verstehen, um eine für die Leistungsberechtigten
nach dem SGB XII im Vergleich zum SGB II ohne sachlichen Grund ungünstigere Rechtslage auszugleichen (Hinweis u.a. auf BSG, Urt. v. 09.06.2011 - B 8 SO 20/09 R -). Liege ein entsprechender Härtefall und damit ein begründeter Fall vor, müsse eine
abweichende Festlegung erfolgen; das Ermessen sei dann auf die eine richtige Entscheidung, die zu einer Gleichbehandlung führe,
reduziert (Hinweis auf BSG, Urt. v. 23.03.2010 - B 8 SO 17/09 R -). Dies habe im vorliegenden Fall zur Folge, dass das Taschengeld aus dem Bundesfreiwilligendienst
entsprechend der Freibetragsregelung im SGB II in Höhe von 200,00 EUR und damit in voller Höhe nicht als Einkommen zu berücksichtigen sei. Dem Kläger sei demnach insgesamt
Einkommen in Höhe von jedenfalls 840 EUR zu viel angerechnet worden (August 2014 bis Januar 2015 = sechs Monate; 6 x 200,00
EUR = 1.200 EUR; 840,00 EUR ( 1.200,00 EUR). Unter Berücksichtigung der im April 2015 erfolgten Nachzahlung in Höhe von 360,00
EUR für die Monate August 2014 bis Januar 2015 bzw. dem diese Nachzahlung berücksichtigenden und insoweit der Höhe nach ausdrücklich
beschränkten Klagebegehren habe der Kläger demnach für den vorgenannten Zeitraum einen Anspruch auf weitere Grundsicherungsleistungen
in Höhe von insgesamt 840,00 EUR (1.200,00 EUR - 360,00 EUR).
Gegen dieses ihr am 16.09.2016 zugestellte Urteil wendet sich die Beklagte mit der am 07.10.2016 eingelegten Berufung, die
sie im Wesentlichen wie folgt begründet:
Das BMAS sei ausweislich seines Rundschreibens vom 13.02.2014 der Auffassung, dass der erwerbsgeprägte Einkommensbegriff im
SGB XII vor dem Hintergrund des nur eingeschränkten Leistungsvermögens des Leistungsberechtigten auch das Taschengeld nach dem BFDG umfasse. Deshalb greife nach Auffassung des BMAS die allgemeine Freibetragsregelung in § 82 Abs. 3 Satz 1 SGB XII und könne nur nach einer Einzelfallprüfung in begründeten Fällen ein anderer Betrag nach § 82 Abs. 3 Satz 3 SGB XII abgesetzt werden. § 82 Abs. 3 Satz 4 SGB XII finde hingegen keine Anwendung. Die Schlechterstellung gegenüber Leistungsberechtigten im SGB II sei vom Bundesgesetzgeber so hingenommen worden. Unter Berücksichtigung dieses Rundschreibens habe die Beklagte im Rahmen
des Gerichtsverfahrens dem Klagebegehren insoweit abgeholfen, als sie nachträglich das Taschengeld um einen Freibetrag von
30% bereinigt und den entsprechenden Differenzbetrag nachgezahlt habe. Eine weitergehende Freibetragsgewährung könne die Beklagte
nicht vornehmen, zumal sie im Bereich der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung der Fachaufsicht durch den Bund
unterliege. Auch folge die Beklagte in der Sache den Hinweisen des BMAS. Es werde weiterhin davon ausgegangen, dass der Gesetzgeber
gezielt unterschiedliche Regelungen für die anspruchsberechtigten Personenkreise nach dem SGB II und dem SGB XII getroffen habe und nur die Leistungsberechtigten nach dem SGB II durch § 1 Abs. 7 Satz 1 Alg II-VO habe begünstigen wollen. Auch sei § 82 SGB XII mit Wirkung zum 01.01.2016 geändert worden. Hätte der Gesetzgeber eine Gleichstellung mit Leistungsberechtigten nach dem
SGB II beabsichtigt, wäre dies in der Neufassung der Vorschrift umgesetzt worden. Auch nach den Entwürfen zum Bundesteilhabegesetz
- (BTHG) und RBEG sei eine Angleichung an die Freibetragsregelung im SGB II nicht vorgesehen. Nach alledem mangele es auch für eine analoge Anwendung der Freibetragsregelung des § 1 Abs. 7 Alg II-VO
offensichtlich an einer planwidrigen Gesetzeslücke. Im Übrigen sei dem angefochtenen Urteil des Sozialgerichts durch die Entscheidung
des BSG vom 26.07.2016 - B 4 AS 54/15 R - die Grundlage entzogen worden. Danach seien das Taschengeld aus dem Bundesfreiwilligendienst als Einkommen zu berücksichtigen,
jedoch Absetzungen von Freibeträgen für die Ausübung einer Erwerbstätigkeit ausgeschlossen, denn es handele sich bei dem Bundesfreiwilligendienst
nicht um eine Erwerbstätigkeit. Da aber § 82 Abs. 3 SGB XII ausschließlich die Berechnung von Freibeträgen bei Einkünften aus Erwerbstätigkeit regele, finde die Vorschrift bei einer
Tätigkeit im Rahmen des Bundesfreiwilligendienstes von vornherein keine Anwendung.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom 09.08.2016 abzuändern und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er verteidigt das erstinstanzliche Urteil. Das Sozialgericht habe überzeugend ausgeführt, warum hier aus Gründen der Gleichbehandlung
mit Leistungsberechtigten nach dem SGB II ein Fall des § 82 Abs. 3 Satz 3 SGB XII vorliege und dass bei Zugehörigkeit zu dieser Gruppe eine von der Beklagten reklamierte Einzelfallprüfung nicht mehr stattfinde,
wie auch das BSG im Anwendungsbereich dieser Regelung ("intendiertes Ermessen") festgestellt habe.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte sowie die Verwaltungsvorgänge der Beklagten
Bezug genommen. Diese Unterlagen haben vorgelegen und sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige, insbesondere statthaft und fristgerecht eingelegte Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts
ist unbegründet. Das Sozialgericht hat der Klage zu Recht stattgegeben, weil sie begründet ist. Die angegriffenen Bescheide
der Beklagten sind insoweit rechtswidrig und beschweren den Kläger daher i.S.d. § 54 Abs. 2 SGG, als ihm die Beklagte im hier allein streitigen Zeitraum von August 2014 bis Januar 2015 weitere Leistungen der Grundsicherung
im Alter in Höhe von insgesamt 840,00 EUR wegen zuletzt teilweiser Anrechnung des für die Tätigkeit im Bundesfreiwilligendienst
gezahlten Taschengeldes als Einkommen auf den Bedarf vorenthalten hat.
1.) Streitgegenstand ist - teilweise entgegen den Ausführungen des Sozialgerichts - nur noch der Bescheid der Beklagten vom
30.09.2014 in der Fassung des im Klageverfahren ergangenen Bescheides vom 12.02.2015. Wie das Sozialgericht insoweit zutreffend
ausgeführt hat, ist der auf die Monate August 2014 bis Juli 2015 (s. § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB XII a.F.) bezogene Bescheid der Beklagten vom 30.09.2014, der nach Erlass des Widerspruchsbescheides vom 24.09.2014, aber vor
Klageerhebung am 21.10.2014 ergangen ist, entsprechend § 96 SGG (i.d.F. seit 01.04.2008) Gegenstand des Klage- und damit auch des Berufungsverfahrens geworden (vgl. hierzu BSG, Urt. v. 28.02.2013 - B 8 SO 12/11 R -, [...] Rn. 10). Dieser Bescheid hat wiederum den ursprünglichen Bescheid der Beklagten
vom 01.08.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24.09.2014, der die Monate August und (konkludent) September
2014 erfasst hat, vollständig ersetzt und insoweit erledigt, § 39 Abs. 2 SGB X (s. BSG, a.a.O.). Allerdings ist der Bescheid vom 30.09.2014 für die Zeit vom 01.08.2014 bis 31.01.2015 wiederum insoweit abgeändert
worden, als die Beklagte mit Bescheid vom 12.02.2015 anstelle des zunächst vollständig angerechneten Taschengeldbetrages in
Höhe von monatlich 200,00 EUR nur noch einen um 30% gekürzten Betrag in Höhe von 140,00 EUR monatlich als Einkommen des Klägers
berücksichtigt und dem Klagebegehren insoweit abgeholfen hat. Hierbei handelt es sich, was das Sozialgericht im Ergebnis offengelassen
hat, nicht bloß um eine unverbindliche Mitteilung der Beklagten, sondern einen Bescheid, der den Bescheid vom 30.09.2014 für
den o.a. Zeitraum abgeändert hat und der deshalb gemäß § 96 SGG Gegenstand des Klageverfahrens geworden ist. Es handelt sich insbesondere um einen Verwaltungsakt i.S.d. § 31 SGB X, da die entsprechenden Ausführungen aus der maßgeblichen objektiven Sicht eines verständigen Adressaten (§§ 133, 157 BGB analog) nur als Verfügung und damit (verbindliche) Regelung verstanden werden können. Denn indem die Beklagte ausgeführt
hat,
" ändert daher ihren Bescheid vom 31.07.2014 [bei dem falschen Datum handelt es sich um eine offenkundige Falschbezeichnung,
die im Hinblick auf die eindeutige Benennung des Regelungszeitraums sowie des Gegenstandes unschädlich ist] für den Zeitraum
vom 01.08.2014 bis zum 31.01.2015 dahingehend, dass anstelle des angerechneten Taschengeldbetrages in Höhe von monatlich 200,00
EUR lediglich ein um 30% gekürzter Betrag in Höhe von 140,00 EUR berücksichtigt wird. Für den vorgenannten Zeitraum werden
Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung in Höhe von insgesamt 360,00 EUR nachgezahlt. Dem Klagebegehren
wird insoweit abgeholfen.",
hat sie eine Regelung nicht nur angekündigt, sondern diese mit einem insoweit eindeutigen Verfügungssatz (" ändert ab ") bereits
erlassen. Dies hat der Kläger in seinem Schriftsatz vom 16.03.2015 im Übrigen auch so verstanden und durfte es auch. Dass
der entsprechende Schriftsatz der Beklagten nur an das Sozialgericht gerichtet war, welcher mit Verfügung des Gerichts vom
20.02.2015 an den Kläger als Adressaten weitergeleitet worden ist, ist in diesem Zusammenhang ebenso unerheblich wie die Mitteilung
der Beklagten im Schriftsatz vom 01.08.2016, dass ein formeller Änderungsbescheid nicht ergangen sei. Dass die Beklagte meint,
keinen Änderungsbescheid unter dem 12.02.2015 erlassen zu haben, ist unbeachtlich, weil es, wie bereits ausgeführt, hierfür
nur auf den objektiven Empfängerhorizont (§§ 133, 157 BGB) und damit den Adressaten ankommt.
Soweit der Kläger weitere Leistungen der Grundsicherung in Höhe von 840,00 EUR begehrt hat, wendet er sich statthaft mit der
kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage (§§ 54 Abs. 1 Satz 1, Abs. 4 i.V.m. § 56 SGG) gegen die Beklagte. In zeitlicher Hinsicht hat der Kläger sein Begehren ausweislich seines erstinstanzlichen Antrags auf
die von dem Bescheid vom 12.02.2015 erfasste Zeit vom 01.08.2014 bis 31.01.2015 beschränkt, was zulässig ist (s. hierzu BSG, Urt. v. 24.03.2015 - B 8 SO 5/14 R -, [...] Rn. 10).
2.) Der 1949 geborene, als Bezieher einer Regelaltersrente zum nach dem Vierten Kapitel des SGB XII anspruchsberechtigten Personenkreis (§§ 19 Abs. 2, 41 ff. SGB XII) gehörende, hilfebedürftige Kläger hat gegen die sachlich und örtlich zuständige Beklagte im streitigen Zeitraum (01.08.2014
bis 31.01.2015) nach Gegenüberstellung von Bedarf und - anrechenbarem - Einkommen einen Anspruch auf Gewährung weiterer Leistungen
der Grundsicherung in Höhe von insgesamt 840,00 EUR (1.200,00 EUR [6x 200,00 EUR] abzüglich der im April 2015 erfolgten Nachzahlung
in Höhe von 360,00 EUR), weil das im Rahmen des Bundesfreiwilligendienstes von dem Kläger erzielte Taschengeld in Höhe von
200,00 EUR monatlich von der bedarfsmindernden Einkommensanrechnung nach § 82 Abs. 3 Satz 3 SGB XII vollständig auszunehmen war.
Zur Begründung sowie zur Vermeidung unnötiger Wiederholungen schließt sich der Senat nach eigener Überprüfung den insoweit
in jeder Hinsicht überzeugenden Ausführungen des Sozialgerichts im angefochtenen Urteil an und nimmt auf sie Bezug (§ 153 Abs. 2 SGG).
Das Berufungsvorbringen der Beklagten vermag keine ihr günstigere Entscheidung herbeizuführen, weil es rechtlich nicht überzeugt.
a) Das dem Kläger (auch) im streitigen Zeitraum gezahlte Taschengeld i.H.v. monatlich 200,00 EUR für die Tätigkeit im Bundesfreiwilligenverdienst
ist dem Grunde nach anrechenbares Einkommen i.S.d. § 82 Abs. 1 Satz 1 SGB XII, denn es handelt sich um eine Einnahme in Geld oder Geldeswert (vgl. zu § 11 Abs. 1 Satz 1 SGB II BSG, Urt. v. 26.07.2016 - B 4 AS 54/15 R -, [...] Rn. 23). Das Sozialgericht hat ferner zu Recht ausgeführt, dass es sich bei dem Taschengeld auch nicht um eine
nach öffentlich-rechtlichen Vorschriften zu erbringende Leistung handelt, die zu einem ausdrücklich genannten Zweck erbracht
wird (§ 83 Abs. 1 SGB XII), zumal bereits die Bezeichnung als "Taschengeld" für eine offene Zweckverwendung spricht. Auch lässt sich weder dem BFDG noch einer anderen gesetzlichen Regelung ein besonderer Verwendungszweck für diese Einkommensart entnehmen (BSG, a.a.O.). Ebenso zutreffend hat das Sozialgericht ausgeführt, dass der Kläger keinen Grundfreibetrag nach § 82 Abs. 3 Satz 4 SGB XII in Anspruch nehmen kann, weil es sich bei dem Taschengeld aus dem Bundesfreiwilligendienst nicht um Bezüge oder Einnahmen
handelt, die nach §§ 3 Nr. 12, 26, 26a oder 26b EStG steuerfrei sind (Aufwandsentschädigungen als Bezüge aus einer Bundes- oder Landeskasse; Einnahmen aus nebenberuflichen Tätigkeiten
als Übungsleiter, Ausbilder, Erzieher, Betreuer oder bei vergleichbaren nebenberuflichen Tätigkeiten; Einnahmen aus nebenberuflichen
Tätigkeiten im Dienst oder Auftrag einer juristischen Person des öffentlichen Rechts, die in einem Mitgliedstaat der EU oder
des EWR belegen ist und sog. Ehrenamtsfreibetrag; Aufwandsentschädigungen des Vormunds).
b) Ferner ist der Beklagten - auch wenn sie sich insoweit in Widerspruch zu ihrer sonstigen Argumentation sowie ihrer Teilabhilfe
mit Bescheid vom 12.02.2015 gesetzt hat - noch darin zuzustimmen, dass § 82 Abs. 3 Satz 1 SGB XII auf das Taschengeld des Klägers aus Bundesfreiwilligendienst keine Anwendung findet, sodass dem Kläger der allgemeine Freibetrag
nicht zu Gute kommt. Danach ist bei der Hilfe zum Lebensunterhalt und Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung ein
Betrag in Höhe von 30% des Einkommens aus selbständiger und nichtselbständiger Tätigkeit der Leistungsberechtigten abzusetzen,
höchstens jedoch 50% der Regelbedarfsstufe 1 nach der Anlage zu § 28 SGB XII. Bei dem Bundesfreiwilligendienst handelt sich jedoch nicht um eine Erwerbstätigkeit. Nach seiner Zweckrichtung ist dieser
Dienst einem Ehrenamt jedenfalls ähnlich. Es handelt sich um eine freiwillige Betätigung von Personen für das Allgemeinwohl,
insbesondere im sozialen, ökologischen und kulturellen Bereich, sowie in den Bereichen des Sports, der Integration und des
Zivil- und Katastrophenschutzes (§ 1 BFDG). Dagegen handelt es sich nicht um eine Beschäftigung (§ 7 Abs. 1 SGB IV), insbesondere auch nicht in einem Arbeitsverhältnis (BSG, Urt. v. 26.07.2016 - B 4 AS 54/15 R -, [...] Rn. 26).
c) Soweit die Beklagte hieraus allerdings den Schluss zieht, dass aus den vorgenannten Gründen insbesondere auch § 82 Abs. 3 Satz 3 SGB XII von vornherein keine Anwendung auf das Taschengeld des Klägers findet, irrt sie. Nach dieser Vorschrift kann in begründeten
Fällen ein anderer als in Satz 1 festgelegter Betrag vom Einkommen abgesetzt werden. Nach mittlerweile ständiger Rechtsprechung
des für das Sozialhilferecht zuständigen 8. Senats des BSG, auf die sich das Sozialgericht bezieht und der auch der erkennende Senat folgt, ist § 82 Abs. 3 Satz 3 SGB XII trotz seiner Bezugnahme auf Satz 1 der Vorschrift als allgemeine Öffnungsklausel oder Auffangtatbestand zu verstehen, die
es dem Sozialhilfeträger insbesondere zur Vermeidung einer Ungleichbehandlung ermöglicht, von einer Einkommensanrechnung ganz
oder teilweise abzusehen. § 82 Abs. 3 Satz 3 SGB XII ist dabei als generelle Härteklausel für alle denkbaren Einkommen zu verstehen, weil nur so den Gerichten und der Verwaltung
die Möglichkeit eingeräumt wird, unbillige Ergebnisse zu vermeiden und bei Leistungen nach unterschiedlichen Grundsicherungssystemen
eine Harmonisierung zu erreichen. Es ist auch kein Grund erkennbar, weshalb ein nach § 82 Abs. 3 Satz 3 SGB XII begründeter Fall, der ein Abweichen von der Regel des § 82 Abs. 3 Satz 1 SGB XII rechtfertigt, um unbillige Ergebnisse zu vermeiden, nur bei Einkommen aus selbstständiger und nichtselbständiger Tätigkeit
des Leistungsberechtigten denkbar sein sollte (so BSG, Urt. v. 09.06.2011 - B 8 SO 20/09 R -, [...] Rn. 24; s. auch BSG, Urt. v. 30.06.2016 - B 8 SO 3/15 R -, [...] Rn. 23; offengelassen, aber schon mit deutlicher Tendenz ["was nahe liegt"]
noch von BSG, Urt. v. 23.03.2010 - B 8 SO 17/09 R -, [...] Rn. 32). Liegt ein solcher Härtefall vor, ist die nach § 82 Abs. 3 Satz 3 SGB XII zu treffende Ermessensentscheidung ("kann") in dem Sinne vorgezeichnet, dass im Regelfall der Einsatz des betreffenden Einkommens
nicht verlangt werden kann (sog. intendiertes Ermessen), was im Ergebnis bedeutet, dass in einem begründeten Fall die vollständige
Nichtanrechnung des Einkommens meist die einzig rechtmäßige Entscheidung wäre, sprich das Ermessen sogar auf Null reduziert
ist (so BSG, Urt. v. 23.03.2010 - B 8 SO 17/09 R -, [...] Rn. 35 zum Ausbildungsgeld im Vergleich zum Werkstatteinkommen [Ermessensreduzierung
auf Null]; vgl. auch BSG, Urt. v. 30.06.2016 - B 8 SO 3/15 R -, [...] Rn. 30 zur sog. DEMO-Leistung für Überlebende der Leningrader Blockade [sog.
intendiertes Ermessen]).
d) Auf dieser rechtsmaßstäblichen Grundlage hat das Sozialgericht mit ausführlicher Begründung zu Recht die Anwendung des
§ 82 Abs. 3 Satz 3 SGB XII auf das im Rahmen des Bundesfreiwilligendienstes erzielte Taschengeld des Klägers mit dem Ergebnis bejaht, dass der gesamte
monatliche Verdienst von 200,00 EUR in entsprechender Anwendung des § 1 Abs. 7 Satz 1 Alg II-VO i.d.F. vom 01.01.2013 bis
31.07.2016, ab dem 01.08.2016 § 11b Abs. 2 Satz 6 SGB II, von der Beklagten als Freibetrag vollständig zu berücksichtigen war, ohne dass eine andere rechtmäßige Entscheidung ersichtlich
gewesen wäre. Da in § 82 SGB XII oder in der Verordnung zur Durchführung des § 82 SGB XII keine besonderen Freibeträge für den Bundesfreiwilligendienst vorgesehen sind, gebietet es der Gleichbehandlungsgrundsatz
des Art. 3 Abs. 1 GG, die insoweit unterschiedlichen Regelungen in den Grundsicherungssystemen des SGB II und SGB XII im Sinne der entsprechenden Anwendung der Freibetragsregelung des SGB II bzw. der Alg II-VO auch bei im Bundesfreiwilligendienst tätigen Leistungsberechtigten nach dem Vierten Kapitel des SGB XII aufzulösen, weil entgegen der Argumentation der Beklagten sachliche Gründe für eine Ungleichbehandlung von Leistungsberechtigten
nach dem SGB II und dem SGB XII nicht ersichtlich sind (ebenso im Ergebnis jurisPK-SGB XII/Schmidt, § 82 Rn. 94.2).
Soweit die Beklagte unter Bezugnahme auf das Rundschreiben des BMAS vom 13.02.2014, das für die Sozialgerichte nicht verbindlich
ist, geltend macht, dass die Schlechterstellung von Leistungsberechtigten nach dem SGB XII gegenüber solchen nach dem SGB II vom Gesetzgeber bewusst hingenommen worden sei, ist dies schon deswegen zweifelhaft, weil der Gesetzgeber (im Gegenteil)
offensichtlich gar nicht bedacht hat, dass aufgrund fehlender Altersgrenzen im BFDG (s. § 2) auch ältere Personen, die bereits - wie der Kläger - eine Altersrente beziehen, eine Tätigkeit im Bundesfreiwilligendienst
aufnehmen können. Ungeachtet dessen beruht das Rundschreiben des BMAS bereits auf der falschen rechtlichen Grundannahme, dass
die allgemeine Freibetragsregelung des § 82 Abs. 3 Satz 1 SGB XII auf das Taschengeld im Bundesfreiwilligendienst Anwendung findet und im Fall des § 82 Abs. 3 Satz 3 SGB XII stets eine Einzelfallprüfung verlangt wird (s.o.). Da das Ministerium somit die Rechtslage, wie sie sich mit der dargestellten
Rechtsprechung des BSG bereits vor 2014 entwickelt hat, offensichtlich verkennt, ist die dort vertretene (ohnehin für die Gerichte unverbindliche)
Rechtsauffassung bereits im Ansatz verfehlt. Aber auch ungeachtet dessen ist eine mit der Einkommensanrechnung des Taschengeldes
entgegen der Rechtslage nach dem SGB II verbundene Ungleichbehandlung von Leistungsberechtigten nach dem SGB XII nicht gerechtfertigt. Dies wäre nur dann der Fall, wenn die sog. Erwerbszentriertheit des SGB II einen sachlichen Grund für die Schlechterstellung von Leistungsberechtigten nach dem SGB XII darstellen könnte (vgl. zum Aspekt der Erwerbszentriertheit als Unterscheidungsmerkmal zwischen beiden Grundsicherungssystemen
Senat, Beschl. v. 04.08.2014 - L 9 SO 279/14 B ER -, [...] Rn. 26). Eine solche Erwerbszentriertheit kann jedoch beim Bundesfreiwilligendienst
gerade nicht festgestellt werden. Zwar dient auch eine Tätigkeit nach dem Bundesfreiwilligendienst, da sie u.a. dazu beiträgt,
den Alltag sinnvoll zu strukturieren, die Sozialkompetenz zu stärken und die Arbeitsmotivation zu erhöhen, der Rückkehr von
erwerbsfähigen Leistungsberechtigten nach dem SGB II in eine Erwerbstätigkeit. Dabei handelt es sich jedoch nur um einen Rechtsreflex. Denn der Bundesfreiwilligendienst ist,
wie auch das Sozialgericht zutreffend hervorgehoben hat, nicht auf eine Erwerbstätigkeit mit entsprechender Entlohnung ausgerichtet,
sondern dient ähnlich einem Ehrenamt dem Gemeinwohl und fördert insbesondere das lebenslange Lernen (§ 1 BDFG). Damit löst
sich der Bundesfreiwilligendienst vollständig von einer Erwerbsbezogenheit ab und bezieht beinahe sämtliche Personengruppen
als Freiwillige mit ein (§ 2 BDFG). Nach dieser gesetzlichen Konzeption wird mithin gerade nicht zwischen jungen, erwerbsfähigen
Personen und älteren Personen im Rentenalter unterschieden, auch wenn der Gesetzgeber offensichtlich davon ausgegangen ist,
dass typischerweise junge und damit erwerbsfähige Personen den Bundesfreiwilligendienst ausüben. Dies ändert aber nichts daran,
dass dieser Dienst prinzipiell allen Personengruppen unabhängig vom Lebensalter offensteht (s. auch BT-Drs. 18/9191, S. 48
u. BT-Drs. 18/9295, S. 24), so dass schon aus Gründen gesamtsystematischer Folgerichtigkeit aufgrund dieser gesetzgeberischen
Konzeption eine Ungleichbehandlung zwischen Leistungsberechtigten nach dem SGB II und solchen nach dem SGB XII aufgrund des mit dem SGB II verknüpften Ziels einer Förderung in die Erwerbstätigkeit nicht sachlich gerechtfertigt werden kann.
Da auch sonstige Gründe, die eine Ungleichbehandlung des Klägers mit Leistungsberechtigten nach dem SGB II sachlich rechtfertigen könnten, nicht ersichtlich sind, war dem Rechtsmittel der Beklagten der Erfolg zu versagen.
3.) Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 SGG.
4.) Der Senat hat die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG) zugelassen.
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