Kostenübernahme für eine Clear-Lensektomie
Neue Untersuchungs- und Behandlungsmethode
Umfang der Leistungspflicht von Krankenkassen
Tatbestand:
Die Klägerin begehrt die Übernahme der Kosten durch die Beklagte für eine am 07.06.2012 und am 21.06.2012 durchgeführte Clear-Lensektomie
an beiden Augen in Höhe von insgesamt 4.285,99 EUR.
Die 1963 geborene Klägerin ist bei der Beklagten krankenversichert. Am 25.10.2011 beantragte sie die Kostenübernahme für die
oben genannte Operation. Sie sei als Pflegehilfskraft im ambulanten Pflegedienst tätig und habe eine Verschlechterung des
Sehvermögens bemerkt. Sie leide unter Augendruck und Kopfschmerzen. Die Fehlsichtigkeit lasse sich nicht mehr mit einer Brille
ausgleichen, Kontaktlinsen würden ständig verrutschen. Beigelegt hat sie einen Kostenvoranschlag vom Facharzt für Augenheilkunde
Dr. med. Z ... vom 07.09.2011 für eine bei den Diagnosen Myopie, Astigmatismus, Brillen- und Kontaktlinsenunverträglichkeit,
Cephalgien indizierte Clear-Lensektomie mit Behandlungskosten von 1.600 EUR pro Auge.
Mit Bescheid vom 01.11.2011 lehnte die Beklagte den Antrag ab. Die Clear-Lensektomie-Operation gehöre nicht zum Leistungsspektrum
der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV), so dass sie sie nur als individuelle Gesundheitsleistung (IGEL) auf eigene Rechnung
durchführen lassen könne.
Die Klägerin legte gegen diesen Bescheid am 02.12.2011 Widerspruch ein unter Vorlage eines Befundberichtes von Dr. Z ... vom
21.11.2011. Darin stellte Dr. Z ... die Diagnosen hohe Myopie und hoher Astigmatismus beidseitig fest mit einer subjektiven
Refraktion rechts Sph - 7; Zyl - 5,00 Achse 30°, Visus = 0,60 und links Sph -10,00; Zyl - 3,50 Achse 5°, Visus = 0,60. Aufgrund
des Untersuchungsbefundes seien die Behandlungen der Myopie mittels Clear-Lensektomie und des Astigmatismus mittels Excimer-Laser
Therapie möglich. Die Klägerin sei Mutter von sechs Kindern und arbeite im ambulanten Pflegedienst. Durch ihre Fehlsichtigkeit
an beiden Augen sei sie in ihrem Beruf massiv behindert und besonders beim Autofahren fühle sie sich zunehmend unsicher. Die
Klägerin sei stark belastet, da sie aufgrund der Verschlechterung ihrer Sehfähigkeit Angst habe, ihre Arbeit nicht mehr ausführen
zu können und den Arbeitsplatz zu verlieren. Durch die Versorgung mit Brille oder Kontaktlinsen könne keine weitere Verbesserung
der Sehkraft erreicht werden. Nur ein operativer Eingriff könne die Fehlsichtigkeit an beiden Augen reduzieren. Für die Clear-Lensektomie
entstünden Behandlungskosten von ca. 2.100 EUR pro Auge und für den nachfolgend geplanten Excimer-Laser Eingriff ca. 1.600
EUR pro Auge.
Die Beklagte holte ein Gutachten der Fachärztin für Augenheilkunde Dr. med. Y ... im Medizinischen Dienst der Krankenkassen
(MDK) vom 15.05.2012 ein. Bei der Clear-Lensektomie handele es sich um einen Austausch der klaren Linse gegen eine genau auf
das Auge abgestimmte Kunstlinse, die auf der Technik der Katarakt-Chirurgie (Grauer Star-OP) beruhe. Diese Operation werde
zur Korrektur der höheren Myopie (Kurzsichtigkeit) und der höheren Hyperopie (Weitsichtigkeit) angewandt. Damit solle erreicht
werden, dass Versicherte postoperativ entweder keine oder nur eine sehr schwache Fernbrille benötigen. Anschließend solle
die Behandlung des Astigmatismus mittels Excimer-Laser Korrektur erfolgen. Von der Kommission Refraktive Chirurgie (KRC) der
Deutschen Ophthalmologischen Gesellschaft und des Berufsverbandes der Augenärzte Deutschlands e. V. würden sowohl die Clear-Lensektomie
als auch die Excimer-Laser Korrektur von Brechkraftfehlern als refraktiv-chirurgische Eingriffe aufgeführt. Diese Verfahren
der refraktären Augenchirurgie stellten neue Untersuchungs- und Behandlungsmethoden dar, die der Rechtsvorgänger des Gemeinsame
Bundesausschusses (G-BA) bereits durch Beschlüsse vom 11.05.1993 und 10.12.1999 von der vertragsärztlichen Versorgung zu Lasten
der GKV ausgeschlossen und in der Anlage B unter Nr. 13 der Richtlinien über neue Untersuchungs- und Behandlungsmethoden als
Behandlungsmethoden aufgeführt habe, deren therapeutischer Nutzen nicht festgestellt werden könne. Grundsätzlich sei eine
Korrektur des Brechkraftfehlers mit einer Sehhilfe (Brille, Kontaktlinsen) zur Verbesserung der Sehschärfe möglich. Aufgrund
der bei der Versicherten bestehenden Myopie und Astigmatismus sei die Versorgung mit Kontaktlinsen medizinisch sinnvoll und
solle aus dem erweiterten Angebot erprobt werden. Da die Sehfähigkeit der Klägerin zwar hochgradig beeinträchtigt sei, aber
nicht einer Erblindung entsprechen würde, sei von einer notstandsähnlichen Extremsituation nicht auszugehen.
Mit Widerspruchsbescheid vom 08.03.2012 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Bei der geplanten Operation handle es sich
um eine neue Untersuchungs- und Behandlungsmethode. Diese könne nur dann zu Lasten der GKV erbracht werden, wenn der Gemeinsame
Bundesausschuss (G-BA) eine positive Empfehlung dazu abgegeben habe. Die Implantation von Intraokularlinsen hätte nur zur
Behandlung des sog. Grünen oder Grauen Stars Eingang in den Einheitlichen Bewertungsmaßstab für vertragsärztliche Leistungen
(EBM-Ä) gefunden. Zur Behandlung von Myopie und Astigmatismus zähle sie als Verfahren der refraktären Augenchirurgie zu den
neuen Untersuchungs- und Behandlungsmethoden, die vom GB-A von der vertragsärztlichen Versorgung ausgeschlossen worden seien
und deshalb nicht zu Lasten der GKV abgerechnet werden können. Mithin komme es nicht darauf an, ob die Therapie im Einzelfall
von den behandelnden Ärzten empfohlen werde oder nach eigener Einschätzung positiv verlaufen sei. Ein Ausnahmefall liege nicht
vor, da die Myopie und der Astigmatismus keine lebensbedrohliche oder regelmäßig tödlich verlaufende oder zumindest wertungsmäßig
damit vergleichbare Erkrankung sei. Es stünden etablierte Behandlungsmethoden wie Brille und Kontaktlinsen zur Verfügung,
die medizinisch indiziert und ausreichend seien. Es liege auch im Falle der Klägerin kein Seltenheitsfall vor, bei dem eine
Ausnahme erwogen werden könne.
Hiergegen hat die Klägerin am 21.03.2012 Klage vor dem Sozialgericht Chemnitz (SG) erhoben. Die Clear-Lensektomie an beiden Augen sei notwendig, da sie für Alltag und Berufsleben dringend eine gute Sehleistung
benötige. Augenarzt und Optiker könnten ihre Sehleistung nicht mehr optimal korrigieren, weshalb bei ihr ein außergewöhnliches
Krankheitsbild vorliege. Sie hat augenärztliche Befundberichte der Fachärztin für Augenkrankheiten Dipl.-med. X ... vom 07.04.2009
und vom 06.06.2013 beigelegt, in dem diese einen Visus von Ferne rechts 0,7 und links 0,6 sowie eine grenzwertige Fahrtauglichkeit
bescheinigt hat. Es bestünde eine hohe Myopie, die sich durch Brillenkorrektur nur unzureichend habe ausgleichen lassen. Das
Sehvermögen sei deshalb stark vermindert und habe durch Kontaktlinsen wegen Unverträglichkeit nicht verbessert werden können.
Durch die Linsenoperation habe die Sehleistung wie folgt gesteigert werden können: Visus vor der Operation am 14.03.2011 mit
Brille R= 0,5 pp, L= 0,7 pp; Visus nach der Operation am 13.07.2012 mit Brille R = 1,0 und L= 1,0. Ferner hat die Klägerin
eine Bescheinigung des Augenoptikers W ... vom 06.06.2013 beigefügt, worin dieser mitgeteilt hat, bei bestmöglicher Brillenkorrektur
sei nur eine Sehleistung am rechten Auge in Höhe von 50 % erzielt worden. Binokular passe sich das linke Auge dem rechten
an. Dabei werde nur ein binokularer Visus von 0,5 erreicht, was 50 % entspreche. Durch veränderte Brillenglaswerte könne die
Sehleistung nicht verbessert werden. Spezielle Kontaktlinsenanpassungen bzw. die seit 2003 wiederholten Korrekturen mit verschiedenen
Kontaktlinsenmaterialien und mit optischen Parametern erfolgte Sonderanfertigungen hätten aufgrund einer Hornhautunverträglichkeit
und damit verbundenem starkem Schmerzempfinden der Klägerin keine Verbesserungen gebracht. Eine optimale Korrektur des starken
Hornhaut-Astigmatismus bei sehr hoher Myopie sei mit diesen Mitteln somit nicht möglich und die Operation deshalb unbedingt
notwendig gewesen.
Die Klägerin hat am 07.06.2012 und 21.06.2012 an beiden Augen eine Excimer-Laser Behandlung durchführen und jeweils eine faltbare
Hinterkammerlinse einsetzen lassen. Dr. Z ... hat dafür am 21.06.2012 insgesamt 4.146,33 EUR in Rechnung gestellt. Für die
Leistungen der bei den Operationen am 07.06. und 21.06.2012 assistierenden Fachärzte für Anästhesiologie hat die Klägerin
126,02 EUR aufgewandt und für den Befundbericht von Dipl.-med. X ... 13,64 EUR.
Mit Urteil vom 27.06.2013 hat das Sozialgericht Chemnitz (SG) die Klage abgewiesen und zur Begründung auf die Ausführungen des Widerspruchsbescheids vom 08.03.2012 Bezug genommen. Der
Klägerin stünde kein Anspruch auf Übernahme der Kosten für die Clear-Lensektomie gemäß §
13 Abs.
3 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (
SGB V) zu.
Gegen dieses der Klägerin am 04.07.2013 zugestellte Urteil hat sie am 22.07.2013 Berufung eingelegt. Ihr Sehvermögen habe
sich in den letzten zwei bis drei Jahren vor der streitgegenständlichen Operation stark verschlechtert. Die Brille habe ihr
Sehvermögen nicht mehr ausreichend ausgleichen können und eine Korrektur durch Kontaktlinsen sei nicht möglich gewesen, da
sie aufgrund einer erhöhten Krümmung der Hornhaut immer wieder aus den Augen gefallen seien und sich beim Tragen ein erhöhter
Tränenfluss entwickelt habe. Außerdem habe es sich bei dieser Augenoperation nicht um eine neue, sondern eine bereits seit
Jahren etablierte Behandlungsmethode gehandelt.
Die Klägerin hat unter Bezugnahme auf den Schriftsatz ihres Prozessbevollmächtigten vom 26.03.2018 die Einholung eines Sachverständigengutachtens
beantragt.
Ferner beantragt die Klägerin,
unter Aufhebung des Urteils des Sozialgerichts Chemnitz vom 27.06.2013 und Aufhebung des Bescheides vom 01.11.2011 in Gestalt
des Widerspruchsbescheides vom 08.03.2012 ihr die Kosten für die Clear-Lensektomie in Höhe von insgesamt 4.285,99 EUR zu erstatten.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie nimmt Bezug auf die Urteilsgründe des Sozialgerichts und die Ausführungen in ihrem Widerspruchsbescheid. Sie hält das
Urteil des Sozialgerichts für zutreffend.
Dem Senat haben die Verwaltungsakten der Beklagten sowie die Gerichtsakten beider Instanzen sowie die Gerichtsakte des SG S 15 KR 242/12 ER vorgelegen. Hierauf und auf die in den Gerichtsakten enthaltenen Schriftsätze der Beteiligten sowie den übrigen Akteninhalt
wird zur Ergänzung des Tatbestandes Bezug genommen. Diese sind Gegenstand der Entscheidung gewesen.
Entscheidungsgründe:
I.
Die zulässige Berufung der Klägerin ist nicht begründet. Zu Recht hat das SG mit Urteil vom 27.06.2013 die Klage abgewiesen. Der Bescheid der Beklagten vom 01.11.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids
vom 08.03.2012 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Sie hat keinen Anspruch darauf, dass die Beklagte
ihr die Clear-Lensektomie und Excimer-Laser Korrektur als Sachleistung gewährt, weil die gesetzlichen Voraussetzungen einer
Leistungsgewährung nicht vorliegen. Gegenstand der Klage ist eine kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage (§
54 Abs.
1 Satz 1, 1. Alt., Abs.
4 Sozialgerichtsgesetz (
SGG) gerichtet auf die Kostenübernahme einer Clear- Lenssektomie und Excimer-Laser Korrektur. Anspruchsgrundlage für den geltend
gemachten Kostenerstattungsanspruch ist §
13 Abs.
3 Satz 1 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (
SGB V). Grundsätzlich erhalten Versicherte die Leistungen der Krankenkassen als Sach- und Dienstleistungen (§
2 Abs.
1 Satz 1, Abs.
2 SGB V). Die Krankenkasse darf anstelle der Sach- oder Dienstleistung (§
2 Abs.
2 SGB V) Kosten nur erstatten, soweit es das
SGB V oder das Neuntes Buch Sozialgesetzbuch (
SGB IX) vorsieht (§
13 Abs.
1 SGB V). Nach §
13 Abs.
3 Satz 1
SGB V sind, wenn die Krankenkasse eine unaufschiebbare Leistung nicht rechtzeitig erbringen konnte oder sie eine Leistung zu Unrecht
abgelehnt hat und dadurch Versicherten für die selbstbeschaffte Leistung Kosten entstanden sind, diese von der Krankenkasse
in der entstandenen Höhe zu erstatten, soweit die Leistung notwendig war. Mit dieser Regelung wird der Grundsatz des Sach-
und Dienstleistungsanspruchs nach §
2 Abs.
2 Satz 1
SGB V für die Fälle ergänzt, in denen die Krankenkasse eine geschuldete Leistung nicht oder nicht rechtzeitig zur Verfügung stellen
kann (BSG, Urteil vom 02.11.2007, B 1 KR 14/07 R, BSGE 99, 180 = SozR 4-2500 § 13 Nr. 15; BSG, Urteil vom 17. Dezember 2009 - B 3 KR 20/08 R -, BSGE 105, 170-188, SozR 4-2500 § 36 Nr. 2, SozR 4-2500 § 33 Nr. 28, Rn. 10, juris). Jedoch besteht ein Anspruch auf Kostenerstattung grundsätzlich
nach beiden Tatbeständen des §
13 Abs.
3 S. 1
SGB V nur dann, wenn die Voraussetzungen des primären Sachleistungsanspruchs vorliegen, d. h., dass die selbst beschaffte Behandlung
zu den Leistungen gehört, welche die Krankenkassen allgemein in Natur als Sach- oder Dienstleistung zu erbringen haben. Der
Erstattungsanspruch reicht nicht weiter als ein entsprechender - primärer - Sachleistungsanspruch (st. Rspr.; vgl. BSG, Urteil vom 11. Mai 2017 - B 3 KR 17/16 R -, Rn. 15, juris, m. w. N.). Daran fehlt es in dem zu entscheidenden Fall. Die streitgegenständliche Clear-Lensektomie und
Excimer-Laser Korrektur gehört nicht zu den von der GKV zu erbringenden Leistungen. Nach §
27 Abs.
1 Satz 1
SGB V haben Versicherte Anspruch auf Krankenbehandlung, wenn sie notwendig ist, um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre
Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern. Krankheit im Sinne dieser Norm ist ein regelwidriger, vom
Leitbild des gesunden Menschen abweichender Körper- oder Geisteszustand, der ärztlicher Behandlung bedarf oder den Betroffenen
arbeitsunfähig macht (st. Rspr, vgl. z. B. BSG, Urteil vom 28. Februar 2008 - B 1 KR 19/07 R -, BSGE 100, 119-124, SozR 4-2500 § 27 Nr. 14, Rn. 10). Unzweifelhaft ist die Diagnose Myopie (Kurzsichtigkeit) und Astigmatismus (Stabsichtigkeit)
eine Krankheit. Der Anspruch eines Versicherten auf Behandlung nach §
27 Abs.
1 Satz 2 Nr.
1 SGB V unterliegt den sich aus §
2 Abs.
1 und §
12 Abs.
1 SGB V ergebenden Einschränkungen. Er erfasst nur solche Leistungen, die zweckmäßig und wirtschaftlich sind und deren Qualität und
Wirksamkeit dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprechen. Hieran hat es im Falle der Klägerin
gefehlt, denn Krankenkassen sind nicht bereits dann leistungspflichtig, wenn die streitige Therapie im konkreten Fall nach
Einschätzung des Versicherten oder seiner behandelnden Ärzte positiv verlaufen ist bzw. wenn einzelne Ärzte die Therapie befürwortet
haben (BSG, Urteil vom 04. April 2006 - B 1 KR 12/05 R -, SozR 4-2500 § 27 Nr. 8, Rn. 15, juris). Die betreffende Therapie ist bei neuen Untersuchungs- und Behandlungsmethoden
in der vertragsärztlichen Versorgung gemäß §
135 Abs.
1 Satz 1
SGB V (ambulante Versorgung) vielmehr nur dann von der Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung umfasst, wenn der
GB-A in Richtlinien nach §
92 Abs.
1 Satz 2 Nr.
5 SGB V eine positive Empfehlung über den diagnostischen und therapeutischen Nutzen der Methode abgegeben hat (BSG, Urteil vom 04. April 2006 - B 1 KR 12/05 R -, SozR 4-2500 § 27 Nr. 8, Rn. 15). Durch Richtlinien nach §
92 Abs.
1 Satz 2 Nr.
5 i. V. m. §
135 Abs.
1 SGB V wird nicht nur geregelt, unter welchen Voraussetzungen die zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassenen Leistungserbringer
neue Untersuchungs- und Behandlungsmethoden zulasten der Krankenkasse erbringen und abrechnen dürfen. Vielmehr wird durch
diese Richtlinien auch der Umfang der den Versicherten von den Krankenkassen geschuldeten ambulanten Leistung verbindlich
festgelegt (st. Rspr; BSG, Urteil vom 07. November 2006 - B 1 KR 24/06 R -, BSGE 97, 190-203, SozR 4-2500 § 27 Nr 12; juris). Mit anderen Worten: Solange der GB-A zur Behandlung von Mypopie und Astigmatismus durch
refraktäre Augenchirurgie keine positive Richtlinienempfehlung abgegeben hat, kann nur bei Vorliegen eines Ausnahmefalls ein
Anspruch darauf bestehen. Der Gesetzgeber hat im Hinblick auf die Sicherung von Nutzen und Wirtschaftlichkeit von bis dahin
noch nicht im Einheitlichen Bewertungsmaßstab für vertragsärztliche Leistungen (EBM-Ä) aufgeführten Behandlungsmethoden und
ärztlichen Leistungen das Prüfungsverfahren beim GB-A vorgeschaltet. Das gilt auch für Behandlungsmethoden, deren diagnostische
bzw. therapeutische Wirkungsweise, Anwendungsgebiete, mögliche Risiken und/oder Wirtschaftlichkeitsaspekte im Vergleich zu
bereits anerkannten Methoden eine wesentliche Änderung oder Erweiterung erfahren. Insoweit erfasst die Sperrwirkung des durch
§
135 Abs.
1 Satz 1
SGB V begründeten Leistungsverbots mit Erlaubnisvorbehalt jegliche Maßnahme im Rahmen einer bei einem bestimmten Krankheitsbild
systematisch angewandten Methode (st. Rspr; vgl. BSG, Urteil vom 11. Mai 2017 - B 3 KR 17/16 R -, Rn. 25, 29, m. w. N., juris). Der in §
92 Abs.1 Satz 2 Nr. 5 und §
135 Abs.1
SGB V verwendete Begriff der "Behandlungsmethode" beschreibt eine medizinische Vorgehensweise, der ein eigenes theoretisch-wissenschaftliches
Konzept zugrunde liegt, das sie von anderen Therapieverfahren unterscheidet, und das ihre systematische Anwendung in der Behandlung
bestimmter Krankheiten rechtfertigen soll (BSG, Urteil vom 11. Mai 2017 - B 3 KR 17/16 R -, Rn. 31, juris). "Neu" ist eine Methode, wenn sie nicht als abrechnungsfähige ärztliche Leistung im EBM-Ä enthalten ist
(vgl. BSG, Urteil vom 05. Mai 2009 - B 1 KR 15/08 R -, SozR 4-2500 § 27 Nr. 16, Rn. 11, juris).
Bei den bei der Klägerin wegen der achsensymmetrischen und astigmatischen Fehlsichtigkeiten Myopie und Astigmatismus an beiden
Augen durchgeführten Clear-Lensektomien und Excimer-Laser Korrekturen handelt es sich um Verfahren der refraktiven Linsen-
und Hornhautchirurgie (https://www.aerzteblatt.de/archiv/59160/Basiswissen-refraktive-Chirurgie). Diese sind nicht als abrechnungsfähige
ärztliche Leistungen im EBM-Ä enthalten und stellen daher neue Behandlungsmethoden dar. Eine positive Empfehlung des GB-A
zu diesen Methoden liegt nicht vor. Als Verfahren der refraktären Augenchirurgie sind sie nach Ziffer 13 der Anlage B (vor
1999: Anlage II) der Richtlinie Methoden vertragsärztliche Versorgung des GB-A von der vertragsärztlichen Versorgung ausgeschlossen
(siehe dazu Beschluss des GB-A vom 10.12.1999, gültig seit dem 22.03.2000, veröffentlicht im Bundesanzeiger Nr. 56 am 21.03.2000).
An diese Entscheidungen des Bundesausschusses über den Ausschluss bestimmter Methoden sind Verwaltung und Gerichte im Grundsatz
ebenso gebunden, wie wenn die Entscheidung vom Gesetzgeber selbst getroffen worden wäre (BSG, Urteil vom 04. April 2006 - B 1 KR 12/05 R -, SozR 4-2500 § 27 Nr 8, Rn. 22, juris). Die Methode darf nicht als vertragsärztliche Leistungen zu Lasten der Krankenkassen
erbracht werden (http://www.kbv.de/html/2665.php). Laut der Kommission Refraktäre Chirurgie (KRC) -Bewertung und Qualitätssicherung
refraktiv-chirurgischer Eingriffe durch die DOG und den BVA - KRC-Empfehlungen -, Stand Oktober 2016, Seite 14, sind die refraktiv-chirurgische
Versorgung und eventuell zusätzliche, damit in Zusammenhang stehende vorangehende und nachfolgende ärztliche Leistungen grundsätzlich
keine Kassenleistung. Die refraktive Chirurgie ist von der Kassenärztlichen Bundesvereinigung in den Katalog der individuell
zu finanzierenden Gesundheitsleistungen (IGEL) aufgenommen worden (http://aad.to/krc/qualit.pdf). Dies bestätigt auch die
Sachverständige des MDK Dr. med. Y ... in ihrem Gutachten vom 15.05.2012.
Es liegt schließlich auch kein Ausnahmefall vor, in dem eine Behandlungsmethode ausnahmsweise ohne positive Empfehlung des
GB-A zur Versorgung in der GKV zuzulassen ist. Eine solche Ausnahme regelt mit Wirkung vom 01.01.2012 §
2 Abs.
1a SGB V, wonach Versicherte mit einer lebensbedrohlichen oder regelmäßig tödlichen Erkrankung oder mit einer zumindest wertungsmäßig
vergleichbaren Erkrankung, für die eine allgemein anerkannte, dem medizinischen Standard entsprechende Leistung nicht zur
Verfügung steht, auch eine von §
2 Abs.
1 S. 3
SGB V abweichende Leistung (und damit eine Leistung, deren Qualität und Wirksamkeit entsprechend dem allgemein anerkannten Stand
der medizinischen Erkenntnisse noch nicht feststeht) beanspruchen können, wenn eine nicht ganz entfernt liegende Aussicht
auf Heilung oder auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf besteht. Damit hat der Gesetzgeber die Rechtsprechung
des BVerfG im "Nikolaus"-Beschluss vom 6.12.2005 (BVerfGE 115, 25 = SozR 4-2500 § 27 Nr. 5, juris) aufgegriffen und gesetzlich fixiert (vgl. zusammenfassend BSG SozR 4-2500 § 27 Nr. 16 Rn. 12 ff m. w. N., juris). Ferner ist eine Ausnahme für sog Seltenheitsfälle anerkannt, die sich einer systematischen
Erforschung entziehen (vgl. etwa BSGE 93, 236 = SozR 4-2500 § 27 Nr. 1 m. w. N.; BSGE 100, 104 = SozR 4-2500 § 31 Nr. 9, Rn. 30; BSGE 111, 168 = SozR 4-2500 § 31 Nr. 22, Rn. 19 f m. w. N., juris). Gleiches gilt schließlich für den Fall des sog. Systemversagens, d.
h. dann, wenn der GB-A dem in §
135 Abs.
1 SGB V vorausgesetzten Auftrag nicht gerecht geworden ist, selbst für eine Aktualisierung der Richtlinien Sorge zu tragen (vgl.
BSGE 97, 190 = SozR 4-2500 § 27 Nr. 12, Rn. 17 ff; BSG SozR 4-2500 § 33 Nr. 47 Rn. 44; vgl. zum Ganzen: BSG, Urteil vom 11. Mai 2017 - B 3 KR 17/16 R -, Rn. 53, juris)
Derartige Ausnahmefälle liegen hier nicht vor.
Die verfassungskonforme Auslegung setzt u. a. voraus, dass eine lebensbedrohliche oder regelmäßig tödlich verlaufende (vgl.
BSG, Urteil vom 04. April 2006 - B 1 KR 7/05 R -, BSGE 96, 170-182, SozR 4-2500 § 31 Nr 4, Rn. 21, 29 mwN - Tomudex, juris) oder eine zumindest wertungsmäßig damit vergleichbare Erkrankung
vorliegt (vgl. BSG, Urteil vom 04. April 2006 - B 1 KR 12/04 R -, BSGE 96, 153-161, SozR 4-2500 § 27 Nr 7, Rn. 31 - 32 - D-Ribose, juris). Daran fehlt es. Die Klägerin hat zwar zweifellos an einer nachhaltigen,
die Lebensqualität auf Dauer beeinträchtigenden Krankheit gelitten. Diese Erkrankung ist aber - anders als vom BVerfG vorausgesetzt
(BVerfG, Beschluss vom 10. November 2015 - 1 BvR 2056/12 -, Rn. 18 m. w. N., juris) - nicht lebensbedrohlich oder gar regelmäßig tödlich verlaufend. Vielmehr ist ihre Sehfähigkeit
erheblich beeinträchtigt. Ihre hochgradige Sehstörung kann auch von ihrer Schwere und dem Ausmaß der aus ihr folgenden Beeinträchtigungen
her solchen Krankheiten in der Bewertung nicht gleichgestellt werden (BSG, Urteil vom 05. Mai 2009 - B 1 KR 15/08 R -, SozR 4-2500 § 27 Nr. 16, Rn. 13, juris). Die Myopie von -7,0 dpt rechts und -10,00 dpt links, kombiniert mit Astigmatismus
von rechts -5,00 dpt und links -3,5 dpt sowie einer Kontaktlinsenunverträglichkeit beeinträchtigen die Sehfähigkeit der Klägerin
zwar hochgradig, entsprechen aber nicht einer Erblindung. Dies entnimmt der Senat der ausführlichen Stellungnahme der Gutachterin
des MDK vom 15.12.2012, die für eine derartige Feststellung die erforderliche Sachkunde besitzt. Der Senat kann diese Stellungnahme,
die den Beteiligten bekannt ist, zur Grundlage seiner Entscheidung machen. Der Einholung eines weiteren Sachverständigengutachtens,
wie von der Klägerin beantragt, bedarf es für diese Feststellung nicht. Einen Antrag auf Einholung eines Gutachtens nach §
109 SGG hat die Klägerin nicht gestellt. Obwohl die Folgen der hochgradigen Sehstörung im Alltag und bei der Ausübung der beruflichen
Tätigkeit durchaus gravierend sind, wie die Klägerin anschaulich vorträgt, führen sie doch keine notstandsähnliche Extremsituation
herbei, in der das Leistungsrecht der GKV aus verfassungsrechtlichen Gründen gegenüber den allgemein geltenden Regeln zu modifizieren
wäre (vgl. BSG, Urteil vom 05. Mai 2009 - B 1 KR 15/08 R -, SozR 4-2500 § 27 Nr. 16, Rn. 17, juris).
Für die Annahme eines Seltenheitsfalles, bei dem eine Ausnahme von diesem Erfordernis erwogen werden könnte, ist nichts ersichtlich.
Darüber hinaus kann die Klägerin einen Erstattungsanspruch für die Kosten der Clear-Lenssektomie und der Excimer-Laser Korrektur
auch nicht auf ein Systemversagen, in dem es keiner Empfehlung des GB-A bedarf, stützen. Ein sogenanntes Systemversagen unter
dem Aspekt, dass der GB-A zu der fraglichen Methode noch keine Empfehlung abgegeben hat und das vorgesehene Anerkennungsverfahren
für neue Untersuchungs- und Behandlungsmethoden trotz Anhaltspunkten für eine therapeutische Zweckmäßigkeit der Methode aus
willkürlichen oder sachfremden Erwägungen heraus nicht oder nicht rechtzeitig durchgeführt wurde bzw. eine Aktualisierung
der Richtlinien unterblieben ist (BSG 07.11.2006, B 1 KR 24/06 R, BSGE 97, 190 = SozR 4-2500 § 27 Nr. 12, Rn.17 ff, juris), liegt nicht vor. Für die Beurteilung des Vorliegens eines Systemversagens ist
auf den Zeitpunkt der Selbstbeschaffung der Leistung im Juni 2012 abzustellen, denn es geht um die Erstattung der durch die
Selbstbeschaffung entstandenen Kosten (BSG, Urteil vom 11. Mai 2017 - B 3 KR 17/16 R -, Rn. 16, juris). Dass die anderen Behandlungsmethoden, wie Brille oder Kontaktlinsen, aus Sicht der Klägerin nicht optimal
sind, bleibt ohne Belang. Denn die gesetzlichen Krankenkassen sind von Verfassungs wegen nicht gehalten, alles zu leisten,
was an Mitteln zur Erhaltung oder Wiederherstellung der Gesundheit überhaupt verfügbar ist. Der Maßstab für die Leistungspflicht
nach dem
SGB V besteht nämlich nicht in der Gewährleistung von "Spitzenmedizin um jeden Preis" bis an ihre medizinisch-technischen Grenzen,
sondern hat sich stets an den zentralen Prinzipien der §§
2,
12 SGB V zu orientieren. Das bedeutet, dass jeweils zu beachten und sicherzustellen ist, dass nur solche Leistungen von den Krankenkassen
gewährt werden, die wirtschaftlich sind und insbesondere dem "allgemein" anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse
entsprechen (BSG, Urteil vom 04. April 2006 - B 1 KR 12/05 R -, SozR 4-2500 § 27 Nr 8, Rn. 29). Wenn der GB-A eine neue Behandlungsmethode geprüft und den nicht anerkannten Methoden
zugeordnet hat, ist hierdurch ein Systemversagen ausgeschlossen (vgl. Landessozialgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 30.
September 2014 - L 11 KR 2864/13 -, Rn. 23, m. w. N., juris, zur Implantation einer intraokularen Kontaktlinse).
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf §
193 SGG.
IV.
Gründe, die nach §
160 Abs.
2 SGG eine Zulassung der Revision rechtfertigen, sind nicht ersichtlich.