Tatbestand:
Umstritten ist die Verpflichtung der Klägerin, einen Antrag auf vorzeitige Altersrente zu stellen.
Die am ... 1951 geborene Klägerin und Berufungsklägerin (im Folgenden: Klägerin) bezog seit dem 1. Januar 2005 vom Beklagten
und Berufungsbeklagten (im Folgenden: Beklagter) Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II). Die Klägerin ist Eigentümerin eines freistehenden Einfamilienhauses, welches mit Öl beheizt wird.
Der Beklagte schloss mit der Klägerin am 21. September 2012 eine Eingliederungsvereinbarung. Diese hatte eine Gültigkeit bis
zum 29. September 2014, sofern keine neue Eingliederungsvereinbarung im Gültigkeitszeitraum geschlossen werde. In dieser war
festgelegt, dass der Beklagte bei der Aufnahme einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung bei vorheriger Antragstellung
Zuschüsse gewähren und bei Bedarf Umzugskosten oder Mittel für die getrennte Haushaltsführung bereitstellen könne. Auch könne
eine Arbeitsaufnahme durch die Gewährung eines Eingliederungszuschusses an den Arbeitgeber bei Erfüllung der gesetzlichen
Voraussetzungen und vorheriger Antragstellung durch den Arbeitgeber unterstützt werden.
Mit Bescheid vom 15. Mai 2013 und zahlreichen Änderungsbescheiden (wegen der Gewährung weiterer Kosten der Unterkunft und
Heizung zum Fälligkeitszeitpunkt) gewährte der Beklagte der Klägerin Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes für den
Zeitraum vom 1. Juli 2013 bis 30. Juni 2014. Im gesamten Zeitraum fand keine Anrechnung von Erwerbseinkommen statt, da die
Klägerin keiner Erwerbstätigkeit nachging.
Mit Schreiben vom 30. Januar 2014 forderte der Beklagte die Klägerin auf, bis zum 28. Februar 2014 eine Bescheinigung des
Rentenversicherungsträgers vorzulegen, ab wann die Klägerin frühestens eine Rente beziehen könnte. Dieses Schreiben enthielt
zusätzlich den Hinweis, dass die Klägerin verpflichtet sei, einen Antrag zu stellen, wenn sie das 63. Lebensjahr vollendet
habe und ab diesem Zeitpunkt eine geminderte Altersrente beziehen könne. Am 31. Januar 2014 fand ein Gespräch zwischen der
Klägerin und dem Beklagten in den Geschäftsräumen des Beklagten statt. In diesem wies der Beklagte die Klägerin auf die Altersrente
mit 63 Jahren hin und händigte ihr das Schreiben vom vorherigen Tage aus. Er wies darauf hin, dass nach der Einreichung der
Bescheinigung und deren Prüfung eine gesonderte Aufforderung ergehen werde.
Am 20. Februar 2014 reichte die Klägerin eine am 18. Februar 2014 erstellte Rentenauskunft der Deutschen Rentenversicherung
Bund (DRV Bund) ein. Danach werde die Regelaltersgrenze am 21. August 2016 erreicht. Die voraussichtliche Regelaltersrente
betrage 767,44 Euro bei Zugrundelegung der bisher bereits gezahlten Beiträge, bzw. 796,68 Euro, sollten die Beiträge der letzten
fünf Jahre weitergezahlt werden (ohne Rentenanpassungen). Die Klägerin könne ebenfalls eine Altersrente wegen Arbeitslosigkeit
oder nach Altersteilzeitarbeit bzw. für Frauen in Anspruch nehmen. Dies wäre ohne Abschläge ab 1. April 2016 und mit einer
Minderung von 18 % der Rente bereits ab dem 1. April 2011 möglich. Eine Altersrente für langjährige Versicherte könne ebenfalls
mit Abschlägen in Höhe von 8,7 % ab dem 1. April 2014 bezogen werden.
Daraufhin forderte der Beklagte die Klägerin mit Bescheid vom 21. Februar 2014 auf, bis zum 10. März 2014 einen Antrag auf
vorzeitige Altersrente beim zuständigen Rentenversicherungsträger zu stellen. Nach den vorliegenden Unterlagen könne sie einen
Anspruch auf Altersrente haben und sie sei verpflichtet einen Antrag zu stellen, wenn sie das 63. Lebensjahr vollendet und
einen Anspruch auf geminderte Altersrente habe. Auch sei er berechtigt, diesen Antrag selber nach § 5 Abs. 3 SGB II zu stellen, sollte die Klägerin dies ihrerseits unterlassen. Mit Schreiben vom selben Tage meldete der Beklagte einen Erstattungsanspruch
gegenüber der Deutschen Rentenversicherung Bund an.
Mit Schreiben vom 5. März 2021 teilte die Deutsche Rentenversicherung Bund dem Beklagten mit, dass sie die Voranmeldung bzgl.
eines Erstattungsanspruchs erhalten habe, aber bisher noch kein Rentenantrag seitens der Klägerin gestellt worden sei.
Mit Schreiben vom 19. März 2014 teilte die Klägerin mit, sie werde keinen Rentenantrag stellen. Mit Schreiben vom gleichen
Tage legte sie Widerspruch gegen die Aufforderung ein: Die Zwangsverrentung sei ihr nicht zuzumuten, da diese eine besondere
Härte für sie darstellen würde, denn die Abschläge hierfür seien zu hoch. Auch wolle sie weiterhin ihre Arbeitskraft dem Arbeitsmarkt
zur Verfügung stellen und sich weiterhin um Arbeit bemühen. Die abgeschlossene Eingliederungsvereinbarung laufe bis zum 29.
September 2014. Eine vorzeitige Beendigung sei daher nicht möglich. Da die monatliche Rente voraussichtlich geringer sein
werde als ihr SGB II-Leistungsanspruch, sei sie ein Härtefall.
Mit Bescheid vom 27. Mai 2014 bewilligte der Beklagte der Klägerin Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes für den
Zeitraum vom 1. Juli 2014 bis 31. Dezember 2014.
Mit Schreiben vom 27. Mai 2014, zugegangen am 30. Mai 2014, forderte der Beklagte die Klägerin erneut auf, umgehend nach Zugang
dieses Schreibens einen Antrag auf vorzeitige Altersrente zum frühestmöglichen Zeitpunkt nach Vollendung des 63. Lebensjahres
zu stellen und dies bis zum 30. Juni 2014 mitzuteilen. Der erste Teil des Schreibens enthielt die wortgleiche Formulierung
wie der Bescheid vom 21. Februar 2014. Zusätzlich führte der Beklagte aus: "Im Rahmen der pflichtgemäßen Ermessensausübung
konnte ich nach Prüfung Ihres Einzelfalls keine Gründe feststellen, wonach von einer Aufforderung zur Rentenantragstellung
abzusehen wäre. Es liegen weder die in der Verordnung vom 14. April 2008 zur Vermeidung unbilliger Härten bei der Inanspruchnahme
einer vorgezogenen Altersrente (Unbilligkeitsverordnung - UnbilligkeitsV) genannten Gründe vor, noch sind andere unbillige
Gründe bezogen auf Ihren Einzelfall erkennbar." Ansonsten beabsichtige der Beklagte selbst einen Antrag nach § 5 Abs. 3 SGB II beim zuständigen Rentenversicherungsträger zu stellen.
Noch mit Schreiben vom selben Tage stellte der Beklagte einen Antrag nach § 5 Abs. 3 SGB II für die Klägerin auf Altersrente bei der Deutschen Rentenversicherung (DRV) Bund und machte gleichzeitig einen Anspruch auf
Erstattung nach § 5 SGB II in Verbindung mit den §§ 103, 104 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz (SGB X) geltend.
Gegen die erneute Aufforderung zur Rentenantragstellung legte die Klägerin am 5. Juni 2014 ebenfalls Widerspruch ein, da sie
bereits einen Widerspruch gegen eine solche Aufforderung eingelegt habe. Dessen Bescheidung sei vor einer erneuten Aufforderung
abzuwarten.
Mit Schreiben vom 20. August 2014 teilte die DRV Bund dem Beklagten mit, dass sie mit Bescheid vom 20. August 2014 den Antrag
auf vorzeitige Altersrente des Beklagten für die Klägerin abgelehnt habe. Die Ablehnung erfolge, weil die Berechtigte ihren
Mitwirkungspflichten nicht nachgekommen sei. Die übersandten Rentenformanträge und die dazugehörigen Nachweise seien trotz
Erinnerung nicht eingesandt worden. Hiergegen legte der Beklagte am 17. September 2014 Widerspruch ein.
Mit Widerspruchsbescheid vom 28. August 2014 wies der Beklagte die Widersprüche der Klägerin als unbegründet zurück. Die Entscheidung
beruhe auf § 12a Abs. 1 SGB II. Die Widerspruchsführerin habe am 22. März 2014 ihr 63. Lebensjahr vollendet. Seitdem bestehe die Verpflichtung, vorrangig
die mögliche vorzeitige Altersrente in Anspruch zu nehmen. Auch genieße sie keinen Bestandschutz, da sie nicht vor dem 1.
Januar 2008 das 58. Lebensjahr vollendet habe. Auch seien die Voraussetzungen der Unbilligkeitsverordnung nicht gegeben. Die
Klägerin habe keinen Anspruch auf Arbeitslosengeld I. Eine abschlagsfreie Altersrente sei erst ab dem 1. April 2016 möglich,
mithin nicht innerhalb der nächsten drei Monate. Die Klägerin übe auch keine Erwerbstätigkeit aus und erziele auch kein Einkommen.
Auch habe die Klägerin nicht mitgeteilt, dass sie beabsichtige, in nächster Zukunft eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung
aufzunehmen. Darüber hinaus sehe der Beklagte auch keine besondere Härte. Denn selbst im Falle einer mit Abschlägen versehenen
Altersrente würde keine Hilfebedürftigkeit der Klägerin bestehen. Sie falle dauerhaft aus dem Grundsicherungssystem und nicht
erst durch den Bezug der Regelaltersrente. Auch könnte sie gegebenenfalls Wohngeld beantragen, eine private Rentenversicherung
nutzen oder die Rente mittels Zuverdienstes aufstocken. Das Interesse der Klägerin an einer abschlagsfreien Rentenzahlung
sei nachrangig hinter dem Interesse der Allgemeinheit, keine weiteren steuerfinanzierten Leistungen nach dem SGB II zu erbringen.
Hiergegen hat die Klägerin am 9. September 2014 Klage am Sozialgericht Halle (SG) erhoben. Zur Begründung hat sie ausgeführt, der vorzeitige Rentenbezug wäre für sie mit unzumutbaren finanziellen Nachteilen
verbunden. Die Beantragung würde zu einem dauerhaften Abschlag von 8,7 Prozent führen. Auch sei sie als Rentnerin von den
Leistungen nach §§ 16 ff. SGB II ausgeschlossen. Es sei nicht ausgeschlossen, dass eine berufliche Eingliederung innerhalb der nächsten sechs Monate erfolgen
könne. Eine Kündigung der laufenden Eingliederungsvereinbarung sei nicht erfolgt, sodass das Verfahren nach § 12a SGB II erst nach deren Ablauf beginnen könne. Die Ausübung eines pflichtgemäßen Ermessens des Beklagten sei nicht zu erkennen. Es
sei nicht sicher, dass die geminderte Altersrente existenzsichernd sei. Die von der DRV Bund übersandten Unterlagen seien
für diese Bewertung nicht geeignet. Pflichtgemäßes Ermessen müsse vor Erlass des Verwaltungsaktes ausgeübt werden, mit dem
zum Rentenantrag aufgefordert werde. Die im Bescheid vom 27. Mai 2014 gesetzte Frist sei nicht eingehalten worden. Der Beklagte
dürfe dafür nicht auf die gesetzte Frist im Bescheid vom 21. Februar 2014 zurückgreifen, da diese mit dem Bescheid vom 27.
Mai 2014 hinfällig geworden sei. Denn der Bescheid vom 27. Mai 2014 enthalte eine Rücknahmefiktion des Bescheides vom 21.
Februar 2014 und führe dazu, das Verfahren nach § 12a SGB II erneut in Gang zu setzen. Auch im Bescheid vom 27. Mai 2014 habe der Beklagte sein Ermessen nicht fehlerfrei ausgeübt. Der
Beklagte hat dagegen seine Aufforderungen für rechtmäßig erachtet. Durch den Widerspruch gegen den Bescheid vom 21. Februar
sei bekannt gewesen, dass die Klägerin selbst keinen Antrag stellen werde. Daher sei es ihm nicht verwehrt gewesen, sogleich
selber einen Rentenantrag zu stellen. Selbst wenn man den Antrag des Beklagten fiktiv auf das Fristende am 30. Juni 2014 verschiebe,
so folge daraus für die Klägerin kein späterer Rentenbeginn als zum 1. April 2014, da für die Antragstellung nach §
99 Abs.
1 Satz 1 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch - Gesetzliche Rentenversicherung (
SGB VI) bis Ende Juli 2014 Zeit gewesen sei.
Mit Bescheid vom 17. Mai 2016 hat die DRV Bund der Klägerin ab dem 1. April 2016 eine abschlagsfreie Altersrente in Höhe von
monatlich 902,62 Euro brutto (805,59 Euro netto) gewährt und ab dem 1. Juli 2016 laufend ausgezahlt.
Zum 1. Januar 2017 hat der Gesetzgeber eine geänderte Unbilligkeitsverordnung erlassen. Die Klägerin hat dazu vorgetragen,
dass die geänderte Rechtslage auch in ihrem Fall anzuwenden sei. Der vorzeitige Bezug von Altersrente führe zu einem ergänzenden
Anspruch auf Grundsicherung im Alter.
Mit Schreiben vom 3. November 2017 hat die DRV Bund die Klägerin zur Aufhebung der abschlagsfreien Rente ab 1. Dezember 2017
angehört. Eine Aufhebung der Rentenbewilligung ist jedoch bis zur mündlichen Verhandlung des Senats nicht erfolgt.
Am 22. November 2017 hat das SG einen Erörterungstermin in der Sache durchgeführt. Bezüglich der Einzelheiten des Termins wird auf das Sitzungsprotokoll
vom selbigen Tage verwiesen.
Mit Schreiben vom 30. Januar 2018 und 5. Februar 2018 haben die Beteiligten einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung
zugestimmt. Das SG hat daraufhin ohne mündliche Verhandlung die Klage mit Urteil vom 7. März 2018 abgewiesen. Es hat im Wesentlichen hierzu
ausgeführt: Maßgeblich komme es bei einer reinen Anfechtungsklage gegen Ermessensentscheidungen auf die Sach- und Rechtslage
im Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung an. Die Änderung der Rechtslage ab dem 1. Juli 2017 sei daher unbeachtlich.
Der Beklagte habe die im Widerspruchsverfahren vorgebrachten Argumente der Klägerin hinreichend berücksichtigt. Eine noch
geltende Eingliederungsvereinbarung stelle keinen Hinderungsgrund dar, welcher berücksichtigt werden müsse. Weitere Gesichtspunkte
seien für eine Unbilligkeit nicht ersichtlich. Eine zu kurz bemessene Frist mache die Aufforderung nicht unwirksam; die ersatzweise
Antragstellung wirke aber erst nach Ablauf der angemessenen Frist. Die Frist im Bescheid vom 21. Februar 2014 sei angemessen
und auch noch wirksam gewesen, da die ersatzweise Antragstellung am 27. Mai 2014 noch vor Bekanntgabe des weiteren Bescheides
erfolgt sei. In diesem Bescheid habe der Beklagte die im Widerspruchsverfahren vorgebrachten Erwägungen berücksichtigt.
Gegen das ihr am 13. August 2018 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 7. September 2018 Berufung am Landessozialgericht
Sachsen-Anhalt eingelegt. Sie hat auf ihren bisherigen Vortrag verwiesen und ergänzend ausgeführt: Die Entscheidung sei rechtsfehlerhaft,
da nicht ersichtlich sei, dass der Beklagte vor der Bescheiderteilung überhaupt Ermessen ausgeübt habe. Dies sei jedenfalls
aus beiden Bescheiden nicht ersichtlich. Es seien nur Gesetzestexte und Textbausteine verwendet worden. Die individuelle Ermessensentscheidung
finde auch im Widerspruchsbescheid nicht statt. Auch sei dem Beklagten bei Abschluss der Eingliederungsvereinbarung das Alter
der Klägerin bekannt gewesen, so dass er sich bis zum Ablauf der Geltungsdauer an diese zu halten habe. Der Bescheid vom 21.
Februar 2014 enthalte keinen Hinweis auf die Möglichkeit der ersatzweisen Antragstellung durch den Beklagten.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Halle vom 7. März 2018 und den Bescheid des Beklagten vom 21. Februar 2014 in der Fassung des
Bescheides vom 27. Mai 2014, beide in der Gestalt des Widerspruchbescheides vom 28. August 2014, aufzuheben und den Beklagten
zu verpflichten, die für die Klägerin gestellten Rentenanträge bei der Deutschen Rentenversicherung Bund zurück zu nehmen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er verweist hierzu auf die zutreffenden Gründe des erstinstanzlichen Urteils und die Ausführungen im Widerspruchsbescheid.
Ergänzend trägt er vor, dass Gegenstand der Ermessensentscheidung die Prüfung der Tatbestandsvoraussetzungen der Unbilligkeitsverordnung
gewesen sei. Die UnbilligkeitsV sei nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts abschießend. Auf das Bestehen der Eingliederungsvereinbarung
komme es nicht an.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte
und der Verwaltungsakten des Beklagten ergänzend verwiesen. Diese sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung ist unbegründet. Zutreffend hat das SG im Ergebnis entschieden, dass die Aufforderung an die Klägerin zur Rentenantragstellung rechtmäßig ist.
Gegenstand des Berufungsverfahrens sind das Urteil des Sozialgerichts vom 7. März 2018 sowie der Bescheid des Beklagten vom
30. Januar 2014 - ergänzt mit Schreiben vom 27. Mai 2014 - in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 28. August 2014, durch
den die Klägerin zur Beantragung einer vorzeitigen Altersrente aufgefordert worden ist.
I. Die Klage gegen die Aufforderung ist als Anfechtungsklage nach §
54 Abs.
1 Sozialgerichtsgesetz (
SGG) statthaft, da es sich bei der Aufforderung, vorzeitig eine Altersrente zu beantragen, um einen Verwaltungsakt im Sinne von
§ 31 Satz 1 SGB X handelt.
A. Die Klage ist zulässig. Vorliegend fehlt es der Anfechtungsklage nicht an einem Rechtsschutzbedürfnis, da sich die Aufforderung
des Beklagten zur Beantragung einer vorzeitigen Altersrente nicht im Sinne von § 39 Abs. 2 SGB X durch die am 17. Mai 2016 ab dem 1. April 2016 bestandskräftig bewilligte abschlagsfreie Rente erledigt hat. Dies beruht
auf folgenden Erwägungen: Das Rechtsschutzbedürfnis als allgemeine Sachurteilsvoraussetzung liegt vor, wenn der Kläger mit
dem gerichtlichen Rechtsschutzverfahren ein rechtsschutzwürdiges Interesse verfolgt. Es fehlt, wenn die begehrte gerichtliche
Entscheidung weder gegenwärtig noch zukünftig die Stellung eines Klägers verbessern würde (vgl. BSG, Urteil vom 22. März 2012 - B 8 SO 24/10 R -, juris, Rdnr. 10; Sächsisches Landessozialgericht [LSG], Urteil vom 17. Oktober
2019 - L 3 AS 330/17 -, juris, Rdnr. 26; Keller, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt,
SGG [12. Aufl., 2017], vor §
51 Rdnr. 16a). Dies ist zum Beispiel dann der Fall, wenn sich der Rechtsstreit in der Hauptsache erledigt hat (vgl. Sächsisches
LSG, Urteil vom 24. September 2015 - L 3 AS 1738/13 -, juris, Rdnr. 34).
Das BSG hat im Urteil vom 12. Juni 2013 entschieden, dass "nach bestandskräftiger Bewilligung einer Rente ( ...) das mit der Klage
und der Berufung verfolgte Ziel, der in § 12a Satz 1 SGB II normierten Verpflichtung zur Rentenantragstellung nicht nachkommen zu müssen, wegen des in § 7 Abs. 4 Satz 1 SGB II bestimmten Leistungsausschlusses bei Bezug einer Rente wegen Alters aber nicht mehr erreicht werden" könne (vgl. BSG, Urteil vom 12. Juni 2013 - B 14 AS 225/12 B -, juris, Rdnr. 5). Diese Feststellung bezog sich jedoch auf die vom Leistungsträger beantragte vorzeitige Altersrente.
Im Gegensatz dazu hat das BSG im Urteil vom 19. August 2015 eine Erledigung des Aufforderungsbescheides verneint, wenn der Leistungsträger gegen die Ablehnung
des Antrages auf vorzeitige Altersrente durch den Rentenversicherungsträger Widerspruch eingelegt hat (vgl. BSG, Urteil vom 19. August 2015 - B 14 AS 1/15 R -, juris, Rdnr. 13). Für eine Anfechtungsklage bestehe auch dann noch ein Rechtsschutzbedürfnis, wenn der Kläger zwischenzeitlich
eine vom Rentenversicherungsträger bewilligte abschlagsfreie Regelaltersrente beziehe. Denn solange das auf dem Antrag des
Leistungsträgers beruhende Rentenverfahren nicht bestandskräftig abgeschlossen sei, begründe und erhalte die angefochtene
Aufforderung die Verfahrensführungsbefugnis des Beklagten für dieses Verfahren (vgl. BSG, Urteil vom 19. August 2015, a. a. O.).
Für das Rechtschutzbedürfnis kommt es daher nicht darauf an, ob möglicherweise durch Fristablauf der Rentenversicherungsträger
daran gehindert ist, die bestandskräftige Rentenbewilligung zugunsten der Klägerin aufgrund des Widerspruchs des Beklagten
zu ändern bzw. aufzuheben.
Die DRV Bund war nicht nach §
75 Abs.
2 Alt. 1
SGG notwendig beizuladen. Durch die Entscheidung des Rechtsstreits über die Aufforderung der Klägerin durch den Beklagten zur
Rentenantragstellung werden nicht gleichzeitig unmittelbar und zwangsläufig Rechte der DRV Bund gestaltet, bestätigt oder
festgestellt, verändert oder aufgehoben. Denn dieser Rechtsstreit beantwortet nur eine Vorfrage für die von der DRV Bund zu
treffende Entscheidung über den Rentenantrag des Beklagten, sodass ohne ihre Beteiligung über den vorliegenden Rechtsstreit
entschieden werden darf (BSG, Urteil vom 19. August 2015 - B 14 AS 1/15 R -, juris, Rdnr. 14).
B. Jedoch ist die Berufung unbegründet.
Der Bescheid vom 21. Februar 2014, wiederholt mit "Bescheid" vom 27. Mai 2014, in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom
28. August 2018, ist formell (1) und materiell-rechtlich (2) rechtmäßig.
Entgegen der Ansicht der Klägerin hebt der Bescheid vom 27. Mai 2014 nicht den Bescheid vom 21. Februar 2014 im Sinne eines
Zweitbescheides auf. Ein Zweitbescheid liegt nur dann vor, wenn die Behörde zum Ausdruck bringt, dass sie ein Verfahren nicht
wieder aufgreifen will. Ein solcher Bescheid enthält insofern keine materiell-rechtliche, sondern nur eine formell-rechtliche
Entscheidung zu der Frage, ob eine Neueröffnung des Verfahrens erforderlich gewesen ist und eine neue Sachentscheidung hätte
getroffen werden müssen (vgl. hierzu Luthe in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB X, 2. Aufl., § 31 SGB X [Stand: 27.11.2018], Rdnr. 44 f.).
Der Bescheid vom 27. Mai 2014 stellt vielmehr eine "wiederholende Verfügung" dar. Dies ist Ergebnis der Auslegung nach §§
133,
157 BGB, also danach, wie die Klägerin die Willenserklärung des Beklagten vom 27. Mai 2014 unter Berücksichtigung der bekannten Begleitumstände
vernünftigerweise verstehen durfte.
Wird ein bereits ergangener Verwaltungsakt lediglich wiederholt, so liegt hierin keine erneute Regelung. Der weitere Bescheid
ist somit kein eigenständiger Verwaltungsakt (vgl. BSG, Urteil vom 28. Oktober 2008 - B 8 SO 22/07 R-, juris; Luthe in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB X, 2. Aufl., § 31 SGB X, Stand: 27.11.2018, Rdnr. 44). Werden lediglich die Verfügungssätze des Ursprungsbescheides in einem weiteren Bescheid wiederholt,
so ist dieser selbst dann kein Verwaltungsakt, wenn der weitere Bescheid die bisher fehlende Begründung der Verwaltungsentscheidung
nachholt (Engelmann in: v. Wulffen, SGB X, § 31 SGB X Rdnr. 32) und dies in Form eines Bescheides mit Rechtsbehelfsbelehrung und Gründen erfolgt (vgl. BSG, Urteil vom 17. April 1991 - 1 RR 2/89 -, juris, Rdnr. 14). So liegt der Fall hier. Der "Bescheid" vom 27. Mai 2014 wiederholt den Verfügungssatz des Bescheides
vom 21. Februar 2014 und greift die vorgebrachten Argumente des laufenden Widerspruchverfahrens auf. Der Beklagte hat im Widerspruchsverfahren
erkannt, dass der Bescheid vom 21. Februar 2014 keine Begründung im Sinn einer Mitteilung der tragenden Ermessenserwägungen
enthielt. Er hat nunmehr Ausführungen zu den Einwendungen und Bedenken der Klägerin gemacht - möglicherweise, weil er diese
in der Begründung des ursprünglichen Verwaltungsakts für nicht erwähnenswert erachtete hatte (vgl. hierzu BVerwG, Urteil vom
10. Oktober 1961 - VI C 123.59 -, BVerwGE 13, 99-107, Rdnr. 13). Damit sollte keine neue Verfahrensfrist in Gang gesetzt werden. Dies konnte die Klägerin auch durch die mehrmalige
Verwendung des Wortes "umgehend" erkennen. Mithin war aus Sicht des Empfängers - trotz erneuter Rechtsmittelbelehrung - erkennbar,
dass der Beklagte sein Handeln auf die Bindungswirkung des Erstbescheides stützen wollte (vgl. Luthe in: Schlegel/Voelzke,
jurisPK-SGB X, 2. Aufl., § 31 SGB X, Stand: 27.11.2018, Rdnr. 44).
Ermächtigungsgrundlage für die Aufforderung an die Klägerin und die Ersatzvornahme ist § 12a SGB II in Verbindung mit § 5 Abs. 3 Satz 1 SGB II. Gemäß § 12a Satz 1 SGB II sind Leistungsberechtigte verpflichtet, Sozialleistungen anderer Träger in Anspruch zu nehmen und die dafür erforderlichen
Anträge zu stellen, sofern dies zur Vermeidung, Beseitigung, Verkürzung oder Verminderung der Hilfebedürftigkeit erforderlich
ist. Nach Satz 2 der Vorschrift sind Leistungsberechtigte nicht verpflichtet, vor Vollendung des 63. Lebensjahrs eine Rente
wegen Alters vorzeitig in Anspruch zu nehmen. Nach § 5 Abs. 3 Satz 1 SGB II können die Leistungsträger, wenn die Leistungsberechtigten trotz Aufforderung einen erforderlichen Antrag auf Leistungen
eines anderen Trägers nicht stellen, den Antrag stellen sowie Rechtsbehelfe und Rechtsmittel einlegen.
1. In formeller Hinsicht ist die Aufforderung vom 21. Februar (und dessen Ergänzung mit Schreiben vom 27. Mai 2014) in Gestalt
des Widerspruchbescheides vom 29. August 2014 rechtmäßig.
a) Der Umstand der fehlenden Anhörung (§ 24 SGB X) ist hier durch die Durchführung des Widerspruchsverfahrens - in welchen die Klägerin umfassend ihre Ansichten vortrug -
geheilt worden (§ 41 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2 SGB X, vgl. BSG, Urteil vom 09. März 2016 - B 14 AS 3/15 R -, juris, Rdnr. 17).
b) Die ihr für die Antragstellung bei der DRV Bund durch Bescheid vom 21. Februar 2014 gesetzte Frist bis zum 10. März 2014
eine Antragstellung nachzuweisen, ist unbedenklich. Die Länge der Frist ist gesetzlich nicht geregelt (vgl. Bieback in Gagel,
Stand September 2015, § 5 SGB II Rdnr. 88). Eine starre Vorgabe wäre auch nicht sachgerecht. Denn nach Auffassung des Senats (vgl. LSG Sachsen-Anhalt, Beschluss
vom 18. November 2016 - L 4 AS 550/16 B ER -, juris, Rdnr. 39) kann, soweit der Betroffene und Leistungsträger bereits im Austausch über das Für und Wider der
Antragstellung waren, auch eine kurze Frist noch angemessen sein. Diese sollte jedoch eine Woche nicht unterschreiten. Hier
standen die Beteiligten seit Januar 2014 über die Frage der Antragstellung im Kontakt. Die verbleibende Frist im Aufforderungsbescheid
vom 21. Februar 2014 beträgt - in Anwendung des § 37 Abs. 2 Satz 1 SGB X (Bekanntgabe am dritten Tag nach Aufgabe zur Post) - 15 Tage. Mithin war diese Frist ausreichend. Jedoch kann eine zu kurz
gesetzte Frist die Aufforderung nicht unwirksam machen. Sie würde aber die ersatzweise Antragstellung erst nach Ablauf der
angemessenen Frist ermöglichen (LSG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 01. März 2016 - L 5 AS 25/16 B ER -, juris, Rdnr. 47).
c) Der Bescheid war hinreichend bestimmt. Das Nachschieben der Begründung mit Schreiben vom 27. Mai 2014 hätte dahin stehen
können, da die Begründungsanforderungen des § 35 Abs. 1 SGB X und die hinreichende Bestimmtheit im Sinne des § 33 Abs. 1 SGB X bei etwaigen Mängeln auch durch den Widerspruchsbescheid geheilt werden konnte (vgl. § 41 Abs. 1 Nr. 2 in Verbindung mit Abs. 2 SGB X). Hier wird im Widerspruchsbescheid mit hinreichender Deutlichkeit dargestellt, warum und ab wann die Klägerin die vorzeitige
Altersrente zu beantragen hatte (vgl. zur grundsätzlichen Heilungsmöglichkeit bei Mängeln im Verwaltungsakt: BSG, Urteil vom 29. Januar 1997 - 6 RKa 24/96 -, juris, Rdnr. 14).
2. Der Bescheid ist auch materiell rechtmäßig.
Rechtmäßigkeitsvoraussetzungen einer Aufforderung sind die Verpflichtung des Leistungsberechtigten nach § 12a SGB II, eine vorrangige Leistung zu beantragen und in Anspruch zu nehmen, und die fehlerfreie Ermessensentscheidung des Leistungsträgers
nach § 5 Abs. 3 Satz 1 SGB II, den Leistungsberechtigten zur Antragstellung aufzufordern. Ebenfalls darf die Anwendbarkeit von § 12a SGB II nicht ausnahmsweise ausgeschlossen sein und die den Regelfall bildende Verpflichtung zur Antragstellung und Inanspruchnahme
in Sinne des § 13 Abs. 2 SGB II nicht zur Vermeidung von Unbilligkeiten tatsächlich nicht bestehen (BSG, Urteil vom 19. August 2015 - B 14 AS 1/15 R -, juris, Rdnr. 20, 22).
a) Einer Verpflichtung der Klägerin nach § 12a SGB II steht nicht die sog. 58er-Regelung aus § 65 Abs. 4 Satz 3 SGB II in Verbindung mit §
428 Abs.
2 Satz 1, Halbsatz 2
SGB III entgegen. Diese schützt den von ihr erfassten Personenkreis vor der Verpflichtung, eine vorzeitige Altersrente mit Abschlägen
in Anspruch zu nehmen. Die Klägerin fällt jedoch nicht unter den persönlichen Anwendungsbereich der Regelung, weil sie erst
nach dem 1. Januar 2008 das 58. Lebensjahr vollendet hat (vgl. § 65 Abs. 4 Satz 2 SGB II).
b) Vorliegend war die Beantragung der vorzeitigen Altersrente auch erforderlich, um die Dauer des SGB II-Leistungsbezuges zu reduzieren. Erforderlich in diesem Sinne ist jede Inanspruchnahme, die Hilfebedürftigkeit vermeidet,
also nicht eintreten lässt, beseitigt, also eine bestehende Hilfebedürftigkeit beendet bzw. wegfallen lässt, verkürzt, also
die Dauer begrenzt, oder vermindert, also die Höhe verringert (BSG, Urteil vom 19. August 2015 - B 14 AS 1/15 R -, juris, Rdnr. 21).
aa) Die Klägerin war erwerbsfähige Leistungsberechtigte, da sie die Anspruchsvoraussetzungen zum Erhalt von Alg II dem Grunde
nach erfüllte. Nach § 19 Abs. 1 Satz 1 in Verbindung mit § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB II erhalten erwerbsfähige Leistungsberechtigte Alg II, wenn sie das 15. Lebensjahr vollendet und die Altersgrenze nach § 7a SGB II noch nicht erreicht haben, 2. erwerbsfähig sind, 3. hilfebedürftig sind und 4. ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik
Deutschland haben (§ 19 Abs. 1 Satz 1 in Verbindung mit § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB II) und sie nicht von Leistungen nach dem SGB II ausgenommen sind. Der Beklagte hatte der Klägerin aufgrund dessen Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes bewilligt.
bb) Sie hätte auch mit Vollendung des 63. Lebensjahres eine vorzeitige Altersrente beziehen können. Nach der Rentenauskunft
der DRV Bund vom 18. Februar 2014 hätte die Klägerin - bei rechtzeitiger Antragstellung (§
99 Abs.
1 SGB VI) - ab dem 1. April eine Altersrente für langjährige Versicherte mit 8,7 % Abschlag beziehen, können.
cc) Die Klägerin ist zur Inanspruchnahme der vorzeitigen Altersrente auch verpflichtet, denn diese ist im Sinne des § 12a Satz 1 SGB II erforderlich, weil sie zur Beseitigung ihrer Hilfebedürftigkeit nach dem SGB II führt. Dies ist unabhängig von dem Umstand, dass eventuell die Höhe der Rente nicht ausreicht, um ihren notwendigen Lebensunterhalt
zu bestreiten und sie deshalb Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem SGB XII benötigt. Sie scheidet trotzdem aus dem existenzsicherungsrechtlichen Leistungssystem des SGB II aus, was für die Anwendung der Norm ausreichend ist (vgl. BSG, Urteil vom 19. August 2015 - B 14 AS 1/15 R -, juris, Rdnr. 33).
dd) Eine Antragstellung durch die Klägerin ist im Sinne des § 12a Satz 1 SGB II auch erforderlich. Sie ist zu dieser verpflichtet, weil Renten aus eigener Versicherung nur auf Antrag geleistet werden (§
99 Abs.
1 SGB VI). Dies hat der Beklagte der Klägerin in der Aufforderung in hinreichender Weise dargelegt.
c) Ein Ausnahmetatbestand nach der UnbilligkeitsV, der die Klägerin von der Verpflichtung nach § 12a Satz 1 SGB II zur Beantragung und Inanspruchnahme einer vorgezogenen Altersrente befreit, liegt nicht vor. Die Ausnahmetatbestände regelt
die UnbilligkeitsV abschließend (BSG, Urteil vom 19. August 2015 - B 14 AS 1/15 R -, juris, Rdnr. 23).
aa) Insbesondere ist § 6 UnbilligkeitsV, der zum 1. Januar 2017 in Kraft getreten ist, - unabhängig der Frage, ob dessen Voraussetzungen
hier vorliegen - auf den vorliegenden Sachverhalt nicht anzuwenden.
Danach ist die Inanspruchnahme unbillig, wenn Leistungsberechtigte dadurch hilfebedürftig im Sinne der Grundsicherung im Alter
und bei Erwerbsminderung nach dem Vierten Kapitel des SGB XII werden würden. Jedoch ist maßgebender Zeitpunkt für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage bei einer Anfechtungsklage der
Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung. Danach gilt hier:
Da der Beklagte den Widerspruchsbescheid (= die letzte Behördenentscheidung) bereits am 28. August 2014 erlassen hat, kann
diese Norm im Falle der Klägerin keine Anwendung finden (ebenso für bis zum 31. Dezember 2016 ergangene Widerspruchsbescheide:
LSG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 12. April 2017 - L 5 AS 340/16 B ER -, juris, Rdnr. 34; Sächsisches LSG, Urteil vom 17. Oktober 2019 - L 3 AS 330/17 -, juris, Rdnr. 50; Adolph, in: Adolph, Sozialgesetzbuch II, Sozialgesetzbuch XII,
Asylbewerberleistungsgesetz [109. Erg.-Lfg., August 2019], § 12a SGB II Rdnr. 35). Für eine Ausnahme von der grundsätzlichen Regelung und einer rückwirkenden Anwendung fehlt es an einer notwendigen
Sonderregelung, obwohl der Verordnungsgeber die vorherige Rechtslage als änderungswürdig angesehen hat. Denn mit der Änderung
für die Zukunft hat er auf die bis dahin aktuelle Rechtsprechung des Bundessozialgerichts reagiert (vgl. Sächsisches LSG,
a.a.O., Rdnr. 51: im Ergebnis auch: Bayrisches LSG, Beschluss vom 21. November 2016 - L 11 AS 721/16 B ER -, juris, Rdnr. 25; LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 6. November 2017 - L 18 AS 426/17 -, juris, Rdnr. 14).
bb) Die Inanspruchnahme der vorzeitigen Altersrente würde bei der Klägerin nicht zum Verlust eines Anspruchs auf Arbeitslosengeld
(Alg) führen (§
2 UnbilligkeitsV), da sie keinen Anspruch auf Alg nach dem
SGB III hat.
cc) Sie ist auch nicht deshalb unbillig, weil die Klägerin in nächster Zukunft die Altersrente abschlagsfrei in Anspruch nehmen
könnte (§ 3 UnbilligkeitsV). Denn abschlagsfrei in Anspruch nehmen kann sie eine Altersrente wegen Arbeitslosigkeit erst mit
Vollendung des 65. Lebensjahres. Ein Zeitraum von zwei Jahren bis zur abschlagsfreien Inanspruchnahme ist aber nicht eine
bevorstehende abschlagsfreie Altersrente "in nächster Zukunft" bzw. "alsbald" (vgl. BSG, Urteil vom 19. August 2015 - B 14 AS 1/15 R -, juris, Rdnr. 35).
dd) Ebenfalls liegen die Voraussetzungen der §§ 4, 5 UnbilligkeitsV nicht vor. Gemäß § 4 UnbilligkeitsV ist die Inanspruchnahme
unbillig, solange Hilfebedürftige sozialversicherungspflichtig beschäftigt sind oder aus sonstiger Erwerbstätigkeit ein entsprechend
hohes Einkommen erzielen. Die Klägerin übt keine Erwerbstätigkeit aus, sie erzielt kein Einkommen und eine solche Einkommenserzielung
aus einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung oder in sozialversicherungspflichtiger Höhe steht auch nicht in näherer
Zukunft bevor (§ 5 UnbilligkeitsV). Denn die Klägerin besitzt keinen auf eine zukünftige Beschäftigung gerichteten Arbeitsvertrag,
noch wurde ihr verbindlich eine Arbeitsaufnahme in Aussicht gestellt.
d) Das aufgrund der Verpflichtung der Klägerin, eine vorzeitige Altersrente in Anspruch zu nehmen und zu beantragen, eröffnete
Ermessen hinsichtlich des "Ob" einer Aufforderung hat der Beklagte erkannt und ermessensfehlerfrei ausgeübt.
Seine Ermessensausübung ist gerichtlich nur eingeschränkt darauf zu prüfen (§
39 Abs.
1 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (
SGB I), §
54 Abs.
2 Satz 2
SGG), ob er sein Ermessen überhaupt ausgeübt, ob er die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten oder ob er von dem Ermessen
in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht hat ("Rechtmäßigkeits-, aber keine Zweckmäßigkeitskontrolle").
Dabei hat das durch § 5 Abs. 3 Satz 1 SGB II dem Leistungsträger hinsichtlich des "Ob" einer Aufforderung eingeräumte Ermessen seinen Ausgangspunkt beim Grundsatz der
gesetzlichen Verpflichtung des Leistungsberechtigten, nach § 12a SGB II zur Realisierung vorrangiger Sozialleistungen zu nehmen (BSG, Urteil vom 19. August 2015 - B 14 AS 1/15 R -, juris, Rdnr. 37).
aa) Dass der Beklagte sein Entschließungsermessen erkannt hat, ergibt sich neben den Formulierungen im Schreiben vom 27. Mai
2014 aus den Formulierungen im Widerspruchsbescheid, dass es der Klägerin "zuzumuten" sei, eine vorzeitige Altersrente "in
Kauf zu nehmen" und sie "im Lichte der staatlichen Fürsorgepflicht und unter Berücksichtigung des Rechtsgleichheitsgebotes"
aufgefordert werden "konnte", einen Antrag auf vorzeitige Altersrente beim zuständigen Rentenversicherungsträger zu stellen.
bb) Der Rechtmäßigkeit des Bescheides vom 21. Februar 2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28. August 2014 steht
- entgegen der Ansicht der Klägerin - nicht entgegen, dass sich eine umfassende und detaillierte Ermessensausübung erstmals
aus dem Widerspruchsbescheid ergibt. Hierbei geht es um die Beseitigung des Fehlens der Ermessensbetätigung im Ausgangsbescheid
durch das Widerspruchsverfahren auf der Grundlage des §
78 Abs.
1 Satz 1
SGG, wonach auch die Zweckmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsaktes in einem Vorverfahren nachzuprüfen ist. Der Beklagte ist
im Widerspruchsverfahren befugt und bei einem Ermessensausfall oder -fehlgebrauch im Ausgangsbescheid auch gehalten, selbst
Ermessenserwägungen anzustellen und einzusetzen (BSG, Urteil vom 19. August 2015 - B 14 AS 1/15 R -, juris, Rdnr. 38)
cc) Im Rahmen seiner Ermessensausübung hat sich der Beklagte im Widerspruchsbescheid mit den von der Klägerin vorgebrachten
Gründen gegen die Aufforderung zur Antragstellung und ihre spätere Durchsetzung auseinandergesetzt. Diese lässt auch in ihrer
Knappheit Ermessensfehler nicht erkennen. Andere Gründe, weshalb vom gesetzlichen Regelfall, der vorzeitigen Altersrente nach
Vollendung des 63. Lebensjahres den Vorrang vor dem Bezug von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II einzuräumen, abgewichen werden könnte, hat der Beklagte nicht erkennen können.
Insbesondere wäre die grundsätzliche Verpflichtung, ergänzend SGB XII Leistungen in Anspruch zu nehmen, im Regelfall nicht ausreichend, um eine abweichende Ermessensentscheidung zu rechtfertigen,
denn nach § 12a Satz 1 SGB II genügt schon eine Verminderung der Hilfebedürftigkeit für die Verpflichtung zur Inanspruchnahme und das Nachrangprinzip gilt
auch im SGB XII (§ 2 SGB XII). Es bedurfte daher keiner weiteren Ermessenserwägungen und keiner weiteren Begründung, weil Anhaltspunkte für atypische
Umstände fehlen, mit Blick auf die zu erwägen gewesen wäre, ob vorliegend vom gesetzlichen Regelfall abzuweichen ist.
Soweit die Klägerin auf die abgeschlossenen Eingliederungsvereinbarungen verweist, ändert dies nichts an dieser getroffenen
Einschätzung. Denn die Eingliederungsvereinbarung steht der Rechtmäßigkeit der Aufforderung, vorzeitig Altersrente in Anspruch
zu nehmen, nicht entgegen. Aus dem Abschluss einer Eingliederungsvereinbarung mit der Klägerin im Jahr 2012 folgen keine atypischen
Umstände. Eingliederungsvereinbarungen sind ihrer Rechtsqualität nach öffentlich-rechtliche Verträge in der Form des subordinationsrechtlichen
Austauschvertrags nach § 53 Abs. 1 Satz 2, § 55 SGB X (vgl. BSG, Urteil vom 23. Juni 2016 - B 14 AS 30/15 R -, juris, Rdnr. 16). Sie hindern jedoch nicht die Anwendung der gesetzlichen Vorschriften des SGB II. Bis zur Rentenbewilligung bleibt die Klägerin allen Regelungen des SGB II unterworfen. Daher musste die Eingliederungsvereinbarung im Rahmen der Ermessensausübung nicht als besonderer Umstand berücksichtigt
werden. Insbesondere liegt keine fortdauernde, dokumentierte Nähe der Klägerin zum Arbeitsmarkt vor. Die Klägerin ist bereits
seit mehreren Jahren arbeitslos. Es bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass sie aufgrund dieser Eingliederungsvereinbarung
zeitnah in Arbeit hätte vermittelt werden können. Aufgrund dessen war es ausreichend, dass der Beklagte im Rahmen der Prüfung
der UnbilligkeitsV die Aussicht auf Aufnahme einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung geprüft und verneint hat (vgl.
Landessozialgericht Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 12. April 2017 - L 5 AS 340/16 B ER -, juris, Rdnr. 31f.).
II. Für den Antrag, den Beklagten zu verpflichten, den Antrag auf vorzeitige Altersrente zurückzunehmen, ist die echte Leistungsklage
im Sinne von §
54 Abs.
5 SGG statthaft. Denn der von einem Jobcenter für einen erwerbsfähigen Leistungsberechtigten ersatzweise gestellte Antrag auf eine
andere, vorrangige Sozialleistung ist kein Verwaltungsakt im Sinne von § 31 SGB X (vgl. Sächsisches LSG, Urteil vom 17. Oktober 2019 - L 3 AS 330/17 -, juris, Rdnr. 68; LSG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 1. März 2016 - L 5 AS 25/16 B ER -, juris, Rdnr. 55; Bayrisches LSG, Beschluss vom 3. Juni 2016 - L 7 AS 233/16 B ER -, juris, Rdnr. 45; Thüringisches LSG, Beschluss vom 1. Juni 2017 - L 4 AS 851/16 B -, juris, Rdnr. 29; Stachnow-Meyerhoff, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB II [4. Aufl., 2015], § 5 Rdnr. 102.1 [Aktualisierung vom 30.01.2017]).
1. Die Leistungsklage ist auch im Übrigen zulässig. Grundsätzlich bedarf es, wenn der Beklagte den Antrag nach erfolglosen
Fristablauf ersatzweise für den Leistungsberechtigten gestellt hat und der Aufforderungsbescheid angefochten ist, keines weiteren,
auf die Verpflichtung des Jobcenters zur Rücknahme des ersatzweise gestellten Antrages gerichteten Rechtsschutzverfahrens.
Denn der Beklagte ist durch seiner Bindung an Gesetz und Recht (vgl. Artikel
20 Abs.
3 des
Grundgesetzes [GG]) verpflichtet, von selbst und nicht erst auf gerichtliche Anordnung hin den Rentenantrag zurückzunehmen (vgl. Sächsisches
Landessozialgericht, Urteil vom 24. Januar 2019, a. a. O., Rdnr. 34). Der Verweis hierauf, führt jedoch nicht zur Unzulässigkeit
eines gestellten Antrags.
2. Sie ist jedoch unbegründet, weil die Klägerin keinen Anspruch auf Rücknahme des vom Beklagten ersatzweise für sie gestellten
Antrages auf vorzeitige Altersrente hat.
Anspruchsgrundlage ist der allgemeine öffentlich-rechtliche Folgenbeseitigungsanspruch (vgl. Thüringisches LSG, Beschluss
vom 1. Juni 2017, a. a. O., Rdnr. 30; Lange, a. a. O., Sächsisches LSG, Urteil vom 17. Oktober 2019 - L 3 AS 330/17 -, juris, Rdnr. 71). Jedoch ist materiell-rechtlich die Antragstellung durch den Beklagten nicht zu beanstanden, weil die
in § 5 Abs. 3 Satz 1 SGB II festgelegten Handlungsvoraussetzungen erfüllt sind. Der Beklagte hat - wie oben ausgeführt - sein Ermessen fehlerfrei gegenüber
der Klägerin ausgeübt. Das Antragsbegehren des Beklagten war auch für den Rentenversicherungsträger klar erkennbar.
III. Die Kostenentscheidung beruht auf den §
193 SGG.
IV. Gründe für die Zulassung der Revision nach §
160 Abs.
2 SGG liegen nicht vor. Vorliegend wurde eine Einzelfallentscheidung auf gesicherter Rechtsgrundlage getroffen.