LSG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 17.03.2016 - 6 KR 70/12
Krankenversicherung - Verwirkung; Integrierte Versorgung; Voraussetzungen eines Einbehalts; Verjährung; Auskunftsanspruch;
Regelversorgung; alternatives Versorgungsmodell; leistungssektorenübergreifende Versorgung; Leistungsklage; Auskunftsklage;
Stufenklage; Zinsanspruch; Einbehalt
Das Vorliegen der Voraussetzungen eines Vertrags zur integrierten Versorgung iSv § 140a Abs 1 Satz 1 SGB V ist vorrangig aus Sicht des Versicherten zu beurteilen. Maßgeblich ist insoweit, ob ihm bzw seinem behandelnden Vertragsarzt
eine nach Wettbewerbs- oder Qualitätsgesichtspunkten zu treffende Entscheidung für oder gegen dieses Angebot im Sinne eines
alternativen Versorgungsmodells aufgezeigt wird.
Fundstellen: NZS 2016, 548
Normenkette: ,
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Vorinstanzen: SG Dessau-Roßlau 27.06.2012 S 21 KR 104/08
Das Urteil des Sozialgerichts Dessau-Roßlau vom 27. Juni 2012 wird aufgehoben und die Beklagte verurteilt, der Klägerin 18.537,94
EUR nebst 4 % Zinsen seit dem 19. Dezember 2008 zu zahlen.
Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits beider Rechtszüge.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Der Gegenstandswert wird auf 18.537,94 EUR festgesetzt.
Entscheidungstext anzeigen:
Tatbestand:
Streitig ist die Rechtmäßigkeit von im Jahr 2004 im Rahmen der Anschubfinanzierung der integrierten Versorgung nach § 140d Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch - Gesetzliche Krankenversicherung ( SGB V; hier anzuwenden in der Fassung von Art. 1 Nr. 116 des GKV-Modernisierungsgesetzes [GMG] vom 14. November 2003, BGBl I, 2190) vorgenommenen Einbehalten.
Die Klägerin ist Trägerin eines nach § 108 SGB V für die Behandlung von Versicherten der gesetzlichen Krankenversicherung zugelassenen Krankenhauses, in welchem im Jahr 2004
eine Vielzahl von Versicherten der Beklagten stationär behandelt wurden.
Die Beklagte, vertreten durch die V., schloss im Februar 2004 mit dem Diakoniewerk H. (als Träger des Diakoniekrankenhauses),
der Katholischen Wohltätigkeitsanstalt zur H. (KWA; als Trägerin der Klinik M.) bzw. der Diakonissenkrankenhaus D. gGmbH (als
Trägerin des Diakonissenkrankenhauses) sowie jeweils der Rehabilitationseinrichtung für Orthopädie und Gynäkologie E. (Reha-Klinik)
drei gleichlautende und als Verträge zur Integrierten Versorgung nach § 140a SGB V bezeichnete Vereinbarungen (Integra-H., Integra-M. bzw. Integra-D.). Die Verträge sahen u.a. vor, dass im jeweiligen Krankenhaus
durch mit ihm kooperierende Ärzte Operationen durchgeführt wurden. Die Rehabilitationseinrichtung sollte für die so genannten
Integra-Patienten des jeweiligen Krankenhauses Anschlussrehabilitationen einschließlich Unterkunft und Verpflegung erbringen
(§ 1). Sie enthielten u.a. Regelungen über die Teilnahme von Versicherten (§ 3), die Vergütung (§ 4), den Abschluss von Verträgen
mit kooperierenden Ärzten (§ 9) und die Einrichtung einer Geschäftsstelle sowie eines Koordinierungsausschusses (§§ 11, 12).
Hinsichtlich der Teilnahme von Ärzten sahen die Verträge vor, dass sowohl Vertragsärzte mit in einer Anlage bezeichneten Gebietsbezeichnung
als auch angestellte Ärzte des jeweiligen Krankenhauses teilnehmen konnten, wenn sie mit der Klinik einen Kooperationsvertrag
geschlossen hatten (§ 9 Abs. 1 Satz 2). Dessen Abschluss war der Geschäftsstelle anzuzeigen, die den Koordinierungsausschuss
hierüber informierte. Dieser hatte in begründeten Fällen das Recht, sich gegen den Abschluss von Kooperationsverträgen auszusprechen
(§ 9 Abs. 2).
Mit Schreiben vom 30. April 2004 meldete die Beklagte die drei Integra-Verträge bei der Registrierungsstelle der Bundesgeschäftsstelle
Qualitätssicherung gGmbH (BQS) mit jeweils geschätzten Vergütungsvolumina und hieraus abgeleiteten Abzugsquoten von 0,398
%, 0,290 % bzw. 0,342 %. Vom 1. April bis 31. Dezember 2004 nahm sie von den Krankenhausabrechnungen der Klägerin Abzüge (von
jeweils 1 %) vor, die sich nach deren Aufstellung vom 23. Januar 2009 auf insgesamt 18.537,94 EUR beliefen.
Nachdem die Klägerin die Beklagte unter dem 14. November 2008 erfolglos aufgefordert hatte, die Verwendung dieser Einbehalte
darzulegen und die Integrationsverträge zu übersenden, hat die Klägerin am 19. Dezember 2008 vor dem Sozialgericht (SG) Dessau-Roßlau Klage erhoben und (zunächst auch) beantragt, die Beklagte zur Vorlage der Integrationsverträge sowie zur Rückzahlung
unberechtigter Einbehalte (unter dem 23. Januar 2009 beziffert) zu verurteilen. Zur Begründung hat sie die Ansicht vertreten,
nicht den Voraussetzungen des § 140d SGB V entsprechende Verträge rechtfertigten keinen Einbehalt. Selbst wenn der Entscheidung des Bundessozialgerichts (BSG) vom 2. November 2010 (B 1 KR 11/10 R - SozR 4-2500 § 140d Nr. 2) ein reduzierter Prüfungsumfang zu entnehmen sei, müsse durch zulässige Vertragspartner eine interdisziplinär-fachübergreifende
oder leistungssektorenübergreifende Versorgung ausgestaltet worden sein. Zudem müsse der Vertrag im Sinne einer Alternative
zur Regelversorgung Leistungen enthalten, die bislang ausschließlich Gegenstand der vertragsärztlichen Versorgung gewesen
seien. Schließlich müssten die für die angestrebte Versorgung notwendigen Ärzte wirksam in die Verträge einbezogen worden
sein. Mit dem durch das GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz (GKV-WSG vom 26. März 2007, BGBl. I 378) eingefügten § 140d Abs. 5 Satz 4 SGB V habe der Gesetzgeber den Krankenhäusern ausdrücklich einen Auskunftsanspruch über die Verwendung der einbehaltenen Mittel
eingeräumt (Hinweis auf BR-Drucks. 755/06, S. 414 ff.). Auf die BQS könne sie nicht verwiesen werden, da diese nach ihren
vertraglichen Grundlagen zur Prüfung der Wirksamkeit der ihr vorgelegten Verträge weder verpflichtet noch berechtigt sei.
Die Beklagte hat (im Mai 2011) die drei Integra-Verträge - und nachfolgend Anlagen hierzu (1 - Operationsindikationen und
Fallpauschalen, 2 - Reha-Indikationen und Vergütung, 3 - Fallpauschalenbeschreibung und OPS, 4 - technische Umsetzung, 5 -
Qualitätssicherung, 6 - Gebietsbezeichnungen) - vorgelegt. Ihre Nachweispflicht für die Erforderlichkeit der Einbehalte habe
sie bereits durch ihre Meldungen an die Registrierungsstelle der BQS erfüllt. Sie hat insoweit auf die von ihr übermittelte
und von der Kassenärztlichen Bundesvereinigung, der Deutschen Krankenhausgesellschaft sowie den Spitzenverbänden der Krankenkassen
getroffene "Vereinbarung über die Einrichtung einer gemeinsamen Registrierungsstelle zur Unterstützung der Umsetzung des §
140d SGB V" sowie "Vereinbarung über die Fortführung einer gemeinsamen Registrierungsstelle zur Unterstützung der Umsetzung des § 140d SGB V" Bezug genommen. Ferner hat die Beklagte zu den Integra-Verträgen gleichlautende und zum 15. April, 1. Juni, 15. Juli bzw.
1. Oktober 2004 zwischen dem Diakoniewerk H., dem Medizinischen Leistungszentrum (MLZ) der Diakonissenkrankenhaus D. gGmbH
(insoweit zum 1. Juli, 1. August bzw. 1. Oktober 2004 bis 31. Dezember 2007 bzw. zum 1. September 2004 bis 31. Dezember 2008)
bzw. der KWA (insoweit zum 1. Februar 2002, 1. Juni bzw. 1. November 2004 bis 31. Dezember 2006) und diversen Vertragsärzten
geschlossene Kooperationsverträge nebst Anlagen (u.a. Fallpauschalenaufstellung, Kooperationspartner, Leistungskontingente)
übersandt. Beim Abschluss der Kooperationsverträge hätten die Kliniken wie Managementgesellschaften i.S.v. § 140b Abs. 1 Nr. 4 SGB V fungiert. Unter Hinweis auf die Urteile des BSG vom 6. Februar 2008 (B 6 KA 5/07 R - SozR 4-2500 § 140a Nr. 2, B 6 KA 6/07 R, B 6 KA 7/07 R und B 6 KA 27/07 R - SozR 4-2500 § 140d Nr. 1) hat die Beklagte die Ansicht vertreten, die von ihr vorgelegten Verträge erfüllten die Voraussetzungen
eines Vertrages zur integrierten Versorgung, da die ambulante, stationäre und rehabilitative Versorgung der Versicherten verzahnt
und damit optimiert werde. Sie sei daher zum Einbehalt der vorgenommenen Abzüge berechtigt gewesen. Der Vertrag Integra-M.
sei bereits im Januar 2002 und die Verträge Integra-D. bzw. Integra-H. im Mai bzw. Juli 2003 geschlossen worden. Zum Jahr
2004 sei dann die Reha-Klinik hinzugekommen, so dass eine Aktualisierung erfolgt sei.
Die Klägerin hat hierzu gemeint, die Verträge würden den Grundvoraussetzungen zur Annahme eines Vertrages zur integrierten
Versorgung nicht gerecht, die das BSG im Urteil vom 2. November 2011 (B 1 KR 11/10 R) aufgestellt habe. Ziel der integrierten Versorgung sei eine Verzahnung verschiedener Leistungssektoren außerhalb der bisherigen
Regelversorgung im Sinne eines neuen Konzepts. Dies sei hier ebenso wenig erkennbar, wie eine vom BSG geforderte Komplexpauschalenvereinbarung (Hinweis auf das Urteil vom 6. Februar 2008 - B 6 KA 5/07 R). Vorliegend handle es sich lediglich um eine vertraglich vereinbarte Kooperation zur Anschlussheilbehandlung. Abgesehen
davon habe die Beklagte auch keine rechtswirksame Einbindung der kooperierenden Ärzte nachgewiesen, ohne die das nach der
Präambel der Verträge dargestellte integrative Versorgungsangebot nicht existieren könne. Ihr selbst komme die Sicherstellungs-
und Vertragsabschlusspflicht zu, die nicht auf ein Krankenhaus abwälzbar sei. Ein Vertrag zur integrierten Versorgung sei
erst dann abgeschlossen, wenn tatsächlich auch die als potentielle Vertragspartner angesprochenen Vertragsärzte vertraglich
einbezogen worden seien (BSG, Urteil vom 2. November 2011 - B 1 KR 11/10 R). Dies gelte umso mehr, als das Diakoniewerk H. z.B. der Praxis Dres. H. unter dem 29. Oktober 2004 abweichend zum Kooperationsvertrag
eine übergangsweise Leistungserbringung in den eigenen Praxisräumlichkeiten gestattet habe. Unabhängig davon seien die Kooperationsverträge
auch inhaltlich zu beanstanden. So müssten z.B. im Projekt Integra-D. kooperierende Ärzte Patienten in das Diakonissenkrankenhaus
einweisen (§ 5 Abs. 4 Satz 2), was mittels Vertragsstrafe sanktioniert werde (§ 8 Abs. 5). Dies verstoße gegen die ärztliche
Wahlfreiheit nach den §§ 7 Abs. 2 und 34 der Berufsordnung der Ärztekammer Sachsen-Anhalt und führe nach § 134 BGB zur Nichtigkeit des Vertrages. Die in § 18 Abs. 1 der Kooperationsverträge vorgesehene Konkurrenzschutzklausel widerspreche ebenfalls der freien Arztwahl.
Schließlich hat die Beklagte die u.a. zwischen ihr und der Krankenhausgesellschaft S. geschlossene "Landesvereinbarung zur
Anschubfinanzierung gemäß § 140d SGB V" vom 3. Dezember 2010 übersandt (119 GA), die in § 2 Abs. 1 Satz 1 u.a. eine einmalige Rückzahlung i.H.v. 10 % der beim beigetretenen Krankenhaus für die Jahre 2004 bis 2008
insgesamt einbehaltenen Mittel der Anschubfinanzierung regelt. Die Klägerin hat einen Beitritt ausdrücklich abgelehnt.
Mit Urteil vom 27. Juni 2012 hat das SG die Klage abgewiesen und hierzu in den Gründen ausgeführt: Die Klägerin habe keinen Anspruch auf Auszahlung der von den Rechnungen
abgezogenen Beträge, da die Beklagte gemäß § 140d Abs. 1 Satz 1 SGB V zu entsprechenden Einbehalten berechtigt gewesen sei. Die Verträge Integra-H., Integra-M. und Integra-D. seien Verträge über
eine verschiedene Leistungssektoren übergreifende Versorgung i.S.v. § 140a SGB V und dies bereits mit ihrer Unterzeichnung im Februar 2004. Die Beklagte habe sie mit in § 140b Abs. 1 SGB V genannten Vertragspartnern geschlossen, nämlich jeweils mit einem Träger eines zugelassenen Krankenhauses und einem Träger
einer stationären Rehabilitationseinrichtung. Wie das BSG in seinen Urteilen vom 6. Februar 2008 (B 6 KA 5/07 R und B 6 KA 7/07 R) entschieden habe, sei das ausreichend. Die Bereiche der Akutbehandlung und stationären Rehabilitation, die in der traditionellen
Versorgung typischerweise inhaltlich und institutionell getrennt seien, würden durch die vorgelegten Verträge verknüpft. Dagegen
sei das Urteil des BSG zum so genannten "B." vom 6. Februar 2008 (B 6 KA 27/07 R) vorliegend nicht einschlägig. Die Einbeziehung weiterer Leistungserbringer sei entgegen der Ansicht der Klägerin zur Charakterisierung
als Vertrag nach § 140a SGB V nicht erforderlich. Die insoweit angeführten Urteile des BSG vom 2. November 2010 (B 1 KR 11/10 R) und 25. November 2010 (B 3 KR 6/10 R - juris) beträfen andere Sachverhalte, nämlich von der A. mit lediglich jeweils einem Krankenhausträger geschlossene Verträge.
Um eine verschiedene Leistungssektoren übergreifende Versorgung der Versicherten im Sinne von § 140a SGB V zu gewährleisten, sei jedoch die Einbeziehung mindestens eines weiteren Leistungserbringers aus einem anderen Sektor erforderlich
gewesen. Hier seien die Verträge bereits als solche sektorenübergreifend. Eine weitere Detailprüfung sei nicht vorzunehmen,
wie das BSG unter dem 2. November 2010 (B 1 KR 1/10 R) ausdrücklich klargestellt habe.
Die Einbehalte seien zur Umsetzung der Verträge i.S.v. § 140d Abs. 1 Satz 1 SGB V auch erforderlich gewesen. Denn bereits ab Vertragsunterzeichnung seien Kosten angefallen, welche der integrierten Versorgung
zuzurechnen und entsprechend zu verbuchen gewesen seien. Sie seien schon mit der Einrichtung der vorgesehenen Geschäftsstelle
und des zu bildenden Koordinierungsausschusses entstanden. Daher komme es nicht darauf an, wann genau die erste Operation
durch kooperierende Ärzte der drei Krankenhäuser erfolgt sei. Dass Ärzte im Jahr 2004 mit den Krankenhäusern Kooperationsverträge
geschlossen und Operationen vorgenommen hätten, sei im Gerichtsbezirk allgemein bekannt (z.B. Artikel zum Diakoniekrankenhaus
H., "Mit eigenem Arzt zur OP", Mitteldeutsche Zeitung vom 4. Mai 2012, Sektion Mitteldeutschland, S. 3: "10.200 Integra-Fälle
sind zwischen 2004 und 2011 hier behandelt worden"). Die Mitwirkung von Ärzten als Operateure stelle entgegen der Ansicht
der Klägerin auch keinen nach § 140b Abs. 3 SGB V zustimmungspflichtigen Vertragsbeitritt dar. Denn die Ärzte seien nicht selbst Vertragspartner der durch die Beklagte geschlossenen
Integrationsverträge. Vielmehr hätten sie eigenständige Verträge mit einer Partei der Integrationsverträge (dem jeweiligen
Krankenhaus) geschlossen. Eine Zustimmung der übrigen Vertragspartner der Integrationsverträge, also der Beklagten und der
Reha-Einrichtung, sei daher nicht erforderlich gewesen.
Die Beklagte sei auch nicht verpflichtet, gegenüber der Klägerin bzw. dem Gericht die Verwendung der 2004 einbehaltenen Mittel
darzulegen. Mit dem GKV-WSG habe der Gesetzgeber im Jahre 2007 die ursprünglich vorgesehene Auszahlung der in den Jahren 2004 bis 2006 einbehaltenen
und nicht zweckgemäß verwendeten Mittel bewusst aufgegeben. Zugleich habe er in § 140d Abs. 5 SGB V eine Pflicht der Krankenkassen zum Nachweis der verwendeten Mittel geschaffen. Dieser Nachweis sei jedoch ausdrücklich auf
die in der Vorschrift genannten Angaben beschränkt, welche gegenüber der Registrierungsstelle zu machen seien (BT-Drucks.
16/3100, 153). Eine weitergehende Nachweispflicht, etwa aus allgemeinen schuldrechtlichen oder prozessualen Grundsätzen, sei
durch diese insoweit vorgehende gesetzliche Regelung ausgeschlossen. Zudem habe es im Wesen der als Anschubfinanzierung bezeichneten
Regelungen gelegen, dass Anfang 2004 nicht genau absehbar gewesen sei, welchen Finanzierungsbedarf das Modell haben werde.
Allerdings habe in S. bereits vor dem Jahr 2004 eine integrierte Versorgung bestanden (M. vom 4. Mai 2012: "Hier wurde das
in Deutschland erste landesweite Angebot der integrierten Versorgung aus der Taufe gehoben - genannt Integra"), was der Klägerin
nicht verborgen geblieben sein könne. Die Inkaufnahme zu hoher, weil rückblickend nicht erforderlicher Abzüge liege ebenfalls
im Wesen der Anschubfinanzierung und habe durch eine ursprünglich vorgesehene Abrechnung und Rückzahlung auch für 2004 bis
2006 korrigiert werden sollen. Dass der Gesetzgeber diese Absicht 2007 aufgegeben habe, sei zwar durchaus problematisch, könne
jedoch kein Anlass dafür sein, die durch ihn abgeschaffte Auszahlung im Rahmen der Prüfung des in § 140d Abs. 1 Satz 1 SGB V genannten Merkmals "erforderlich" wieder einzuführen.
Gegen das ihr am 30. Juli 2012 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 23. August 2012 unter Wiederholung und Vertiefung ihres
bisherigen Vorbringens Berufung beim Landessozialgericht Sachsen-Anhalt eingelegt: Erst wenn ein wirksamer Integrationsvertrag
vorliege, komme ein Einbehalt in Betracht. Sei ein solcher dem Grunde nach gerechtfertigt, müsse in einem weiteren Schritt
geprüft werden, ob eine ordnungsgemäße Mittelverwendung erfolgt sei. Daran habe sich auch durch § 140d Abs. 1 Satz 8 SGB V in der Fassung des GKV-WSG nichts geändert. Ein anderes Verständnis laufe auf einen Einbehalt ohne Rechtsgrundlage hinaus. Ein wirksamer Vertragsschluss
liege hier schon deshalb nicht vor, weil in § 140b Abs. 1 SGB V der VdAK nicht aufgeführt sei (Hinweis auf das vorgelegte Urteil des SG Osnabrück vom 20. Juni 2013 - S 13 KR 460/11). Allein ein Vertrag zwischen der Beklagten, den Krankenhausträgern und der Reha-Klinik reiche zur Annahme eines integrierten
Versorgungsvertrages nicht aus, wie das SG Magdeburg in seinem Urteil vom 13. Dezember 2011 (S 45 KR 90190/09) entschieden und unter dem 16. September 2014 (S 45 KR 669/11 - juris) bestätigt habe. Eine enge Verzahnung von Anbietern verschiedener Leistungssektoren sei nicht ersichtlich; es fehle
an einem Versorgungsangebot aus einer Hand. Die einzige sektorenübergreifende Verbindung bestehe im Transport der Patienten
in die Reha-Klinik, wobei eine Rehabilitation nach Anlage 2 der Integra-Verträge ausschließlich bei Knie- und Hüftendoprothesen
und dort auch nur möglicherweise stattfinde. Dagegen seien in Anlage 6 der Integra-Verträge u.a. auch die Fachrichtungen Frauenheilkunde,
HNO, Urologie oder Augenheilkunde aufgeführt. Von einer gewissen Regelmäßigkeit rehabilitativer Leistungen könne daher keine
Rede sein. Hinzu komme, dass das Diakoniekrankenhaus H. über keine Versorgungsaufträge für Frauenheilkunde und Geburtshilfe,
HNO sowie Urologie, die Klinik M. nicht über solche für Neurochirurgie und Innere Medizin und das Diakonissenkrankenhaus D.
über keinen Versorgungsauftrag für Urologie verfüge. Ambulante Leistungen seien insoweit nicht erbringbar. Die Integra-Verträge
widersprächen damit auch den krankenhausplanerischen Vorgaben. Ferner seien die Anlagen zu den Integra-Verträgen nicht zum
1. April 2004 unterzeichnet worden, womit ein rückwirkender Einbehalt ausscheide. Um überhaupt eine integrierte Versorgungsform
umsetzen zu können, sei abgesehen davon eine wirksame vertragliche Verpflichtung der Leistungserbringer - insbesondere auch
der kooperierenden Vertragsärzte - gegenüber der Krankenkasse notwendig. Beim Vertrag Integra-D. seien die Kooperationsvereinbarungen
zudem nicht zwischen der vertraglich gebundenen Klinik und den Vertragsärzten, sondern zwischen diesen und dem MLZ geschlossen
worden. Die Beklagte habe nicht nachgewiesen, dass überhaupt ein Krankenhausarzt wirksam einbezogen worden sei. Schließlich
liege auch keine Verwirkung vor. Es fehle schon an einem vertrauensbegründenden Verhalten. Zu keinem Zeitpunkt habe sie -
die Klägerin - in irgendeiner Weise signalisiert, die Einbehalte zu akzeptieren.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Dessau-Roßlau vom 27. Juni 2012 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin 18.537,94
EUR nebst 4 % Zinsen seit dem 19. Dezember 2008 zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigt das Urteil des SG und meint, eine Rückzahlungsverpflichtung scheide hier von vornherein aus. Denn für Einbehalte von 2004 bis 2006, für die
gemäß § 140d Abs. 1 Satz 8 SGB V keine Verpflichtung zum Nachweis der Mittelverwendung existiere, komme es auf den Abschluss wirksamer Integrationsverträge
schon nicht an (Hinweis auf das vorgelegte Urteil des SG Berlin vom 19. Dezember 2012 - S 211 KR 2160/09; a.A. LSG Hamburg,
Urteil vom 20. Mai 2015 - L 5 KA 60/13 - juris; anhängig BSG - B 6 KA 23/15 R). Im Übrigen sei die Forderung der Klägerin verwirkt (Hinweis auf das vorgelegte Urteil des SG Augsburg vom 7. April 2014
- S 10 KR 399/09). Dessen ungeachtet liege eine leistungssektorenübergreifende Versorgung vor. Soweit die Klägerin meine, ein integrierter
Versorgungsvertrag müsse eine völlig neue Versorgungsform regeln, widerspreche dies der Rechtsprechung des BSG (Urteil vom 6. Februar 2008 - B 6 KA 5/07 R), wonach bereits aufgrund der Verknüpfung akutstationärer und rehabilitativer Behandlung eine verschiedene Leistungssektoren
übergreifende Versorgung gegeben sei. Nach § 1 Abs. 1, 4 und 8 i.V.m. § 3 der Integra-Verträge sei eine größtmögliche Verzahnung
des ambulanten, stationären und rehabilitativen Leistungssektors im Sinne einer Versorgung aus einer Hand gewährleistet. Hierdurch
würden überflüssige Doppeluntersuchungen vermieden, Wartezeiten erheblich vermindert und die Behandlungsdauer gegenüber der
Regelversorgung insgesamt verkürzt, was auch die Forschungs- und Entwicklungsinstitut für das Sozial- und Gesundheitswesen
Sachsen-Anhalt GmbH in einer Untersuchung bestätigt habe. In § 4 der Integra-Verträge seien spezielle Fallpauschalen geregelt, was den vom BSG aufgestellten Anforderungen genüge (Urteil vom 6. Februar 2008 - B 6 KA 27/07 R) und von § 140c Abs. 2 Satz 1 SGB V gedeckt sei. Auch ein Verstoß gegen § 140b Abs. 4 Satz 3 SGB V sei nicht ersichtlich. Die Integra-Verträge sähen nicht vor, Leistungen zu erbringen, die nicht zum Versorgungsauftrag der
jeweiligen Kliniken gehörten. Ein Integrationsvertrag sei entgegen der Sichtweise der Klägerin nicht dadurch gekennzeichnet,
dass in der Regelversorgung nicht ähnliche Modelle existierten.
Liege damit eine verschiedene Leistungssektoren übergreifende Versorgung vor, sei irrelevant, zu welchem Zeitpunkt welche
Ärzte beigetreten seien (Hinweis auf LSG Hamburg, Urteil vom 20. Mai 2015 - L 5 KA 60/13 - juris; Hessisches LSG, Urteil vom 5. Februar 2013 - L 1 KR 222/10 R - juris). Unabhängig hiervon sei für die Kooperationsvereinbarungen keine Schriftform erforderlich, da es sich insoweit
um privatrechtliche Verträge handle. Denn die kooperierenden Vertragsärzte erbrächten freiberufliche Dienstleistungen im Sinne
der §§ 611 ff. BGB und nähmen keine Aufgaben öffentlicher Verwaltung wahr. Ein etwaiger Mangel sei gemäß § 58 Abs. 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz (SGB X) jedenfalls durch Erfüllung geheilt. Der Abschluss der Kooperationsvereinbarungen sei nach § 140b Abs. 1 Nr. 4 SGB V auch auf die Kliniken als Vertragspartner delegierbar gewesen (LSG Hamburg, Urteil vom 20. Mai 2015 - L 5 KA 1/14; anhängig BSG - B 6 KA 22/15 R). Etwas anderes ergebe sich auch nicht aus dem Urteil des BSG vom 2. November 2010 (B 1 KR 10/11 R). Denn im entschiedenen Fall seien neben der Krankenkasse lediglich ein Krankenhaus sowie niedergelassene Ärzte beteiligt
gewesen. Hinsichtlich der Krankenhausärzte sei ein Kooperationsvertrag zudem schon deshalb nicht nötig gewesen, weil sie auf
Weisung tätig würden. Durch ihre Beteiligung sei auch sichergestellt, dass sämtliche vertraglichen Leistungen hätten erbracht
werden können. Beim MLZ handle es sich um eine unselbständige Fachabteilung der Diakonissenkrankenhaus D. gGmbH. Auch aus
§ 8 Abs. 2 der Kooperationsverträge folge nichts anderes, da die dortige Unterscheidung auf § 9 Abs. 1 der Integra-Verträge
beruhe.
Letztlich sei die Forderung der Klägerin jedenfalls verjährt. Ihre ursprüngliche Auskunftsklage habe sie erst am 27. Juni
2012 auf eine Leistungsklage umgestellt. Um eine die Verjährung hemmende Stufenklage habe es sich nicht gehandelt, weil die
Höhe des Einbehalts nicht ungewiss gewesen sei (Hinweis auf das vorgelegte Urteil des SG Osnabrück vom 25. November 2015 -
S 34 KR 358/12; LSG Hamburg, Urteil vom 20. Mai 2015 - L 5 KA 60/13). Anhand der als Anlage zum Schriftsatz vom 23. Januar 2009 übermittelten Aufstellung sei die Forderung ohne weiteres bezifferbar
gewesen, was (grundsätzlich) erforderlich sei (BSG, Urteil vom 10. April 2008 - B 3 KR 20/07 R - SozR 4-2500 § 39 Nr. 15). Die Möglichkeit hierzu habe für den seit 2006 für die Klägerin tätigen Verfasser der Klagebegründung
schon bei Klageerhebung bestanden.
Die Klägerin hat hierzu eingewandt, an der Rechtsfolge des § 45 Abs. 2 Sozialgesetzbuch Erstes Buch - Allgemeiner Teil ( SGB I) i.V.m. § 204 Abs. 1 Nr. 1 Alt. 1 Bürgerliches Gesetzbuch ( BGB) ändere sich selbst dann nichts, wenn die Stufenklage als unzulässig angesehen werde. Denn die Vorschrift setze lediglich
eine wirksame und nicht zugleich zulässige Klage voraus (Hinweis auf LSG Hamburg, Urteil vom 3. Dezember 2014 - L 5 KA 16/12 - juris; anhängig beim BSG - B 6 KA 41/15 R). Überdies habe ihre damalige und seinerzeit noch nicht anwaltlich vertretene Geschäftsführerin die Klage erhoben, womit
das Meistbegünstigungsprinzip des § 123 Sozialgerichtsgesetz ( SGG) zu beachten sei.
Schließlich meinen die Beteiligten übereinstimmend, angesichts einer Vielzahl in S. anhängiger Parallelverfahren sei wegen
grundsätzlicher Bedeutung die Revision zuzulassen bzw. liege - so die Beklagte - gegebenenfalls deshalb Divergenz vor, weil
das BSG im Urteil vom 6. Februar 2008 (B 6 KA 5/07 R) einen ähnlichen Vertrag mit einer Rehabilitationseinrichtung als wirksamen Integrationsvertrag angesehen und diese Auffassung
mit Beschluss vom 2. Juli 2014 (B 6 KA 16/14 B - NZS 2014, 716) bestätigt habe.
Die Beklagte hat nochmals exemplarisch die Anlagen 1 bis 3 zu den Verträgen Integra-H. und D. übersandt. Auf Anforderung des
Senats hat die Klinik M. (nochmals) zwischen der K. und verschiedenen Vertragsärzten geschlossene Kooperationsvereinbarungen
nebst Anlagen vom 19. Februar 2002, 27. Mai und 5. Juli 2004 sowie die u.a. zwischen dem V., der Klinik M. und der K. geschlossene
"Einbeziehungsvereinbarung zur Vereinbarung über die Durchführung integrierter Versorgung nach § 140b SGB V" vom 7. August 2002 vorgelegt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten
und der von der Beklagten vorgelegten Vereinbarungen nebst Anlagen Bezug genommen. Diese Unterlagen waren Gegenstand der mündlichen
Verhandlung und der Entscheidungsfindung des Senats.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist begründet. Die Beklagte durfte von den Forderungen der Klägerin keine Abzüge zur Anschubfinanzierung der integrierten
Versorgung vornehmen.
Rechtsgrundlage des mit der Klage verfolgten restlichen Vergütungsanspruchs ist § 109 Abs. 4 Satz 3 SGB V i.V.m. den §§ 7 Satz 1 Nr. 1, 9 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Krankenhausentgeltgesetz sowie § 17b Krankenhausfinanzierungsgesetz. Danach entsteht die Zahlungsverpflichtung einer Krankenkasse unabhängig von einer Kostenzusage unmittelbar mit der Inanspruchnahme
der Leistung durch den Versicherten, wenn die Versorgung in einem zugelassenen Krankenhaus durchgeführt wird und i.S.v. §
39 Abs. 1 Satz 2 SGB V erforderlich ist. Sowohl die Erforderlichkeit der vollstationären Behandlungen der bei der Beklagten versicherten Patienten
durch die Klinik der Klägerin als auch eine jeweils korrekte Abrechnung durch diese sind zwischen den Beteiligten unstreitig,
so dass der Senat ebenfalls keinen Zweifel am Bestehen der Vergütungsansprüche der Klägerin hat. Erloschen wären diese Vergütungsansprüche
nur, wenn die Beklagte ihnen gegenüber die Einwendung eines Einbehalts zur Anschubfinanzierung nach § 140d Abs. 1 SGB V entgegen halten könnte. Das ist nicht der Fall.
Gemäß § 140d Abs. 1 Satz 1 SGB V hatte jede Krankenkasse zur Förderung der integrierten Versorgung in den Jahren 2004 bis 2008 jeweils Mittel bis zu 1 % u.a.
von den Rechnungen der einzelnen Krankenhäuser für voll- und teilstationäre Versorgung einzubehalten, soweit die einbehaltenen
Mittel zur Umsetzung von nach § 140b SGB V geschlossenen Verträgen erforderlich waren.
Ob diese Voraussetzungen vorliegen, bedarf lediglich einer überschlägigen, die Grundvoraussetzungen eines Vertrags über integrierte
Versorgung einbeziehende Überprüfung (BSG, Urteil vom 25. November 2010 - B 3 KR 6/10 R; Urteil vom 2. November 2010 - B 1 KR 11/10 R).
Anknüpfend hieran kann die Beklagte sich zunächst nicht mit Erfolg auf eine aus § 140d Abs. 1 Satz 8 SGB V in der seit dem 1. Januar 2007 gültigen Fassung folgende Sperrwirkung berufen. Diese Vorschrift trifft allein eine Regelung
hinsichtlich der Verwendung einbehaltener Mittel, erklärt einen Einbehalt aber nicht etwa selbst für rechtlich unangreifbar.
Dies folgt aus der Entstehungsgeschichte der Norm.
Die Vorschrift des § 140d Abs. 1 Satz 5 SGB V in der Fassung des GMG lautete: "Werden die einbehaltenen Mittel nicht innerhalb von drei Jahren für die Zwecke nach Satz
1 verwendet, sind die nicht verwendeten Mittel an die Kassenärztliche Vereinigung sowie an die einzelnen Krankenhäuser entsprechend
ihrem Anteil an den jeweils einbehaltenen Beträgen auszuzahlen." Die Norm regelte damit eine von der Frage der Rechtmäßigkeit
des Einbehalts unabhängige Verpflichtung zur Auszahlung einbehaltener und nicht binnen dreier Jahre verwendeter Mittel (vgl.
BT-Drs. 15/1525, S. 131). Durch Art. 1 Nr. 14 Buchstabe a) Doppelbuchstabe bb) des Vertragsarztrechtsänderungsgesetzes vom
22. Dezember 2006 (BGBl. I S. 3439), das die Anschubfinanzierung für die integrierte Versorgung bis Ende 2008 verlängerte, erhielt die Vorschrift mit Wirkung
zum 1. Januar 2007 folgende Fassung: "Werden die einbehaltenen Mittel nicht innerhalb von drei Jahren für die Zwecke nach
Satz 1 verwendet, sind die nicht verwendeten Mittel spätestens zum 31. März 2009 an die K. sowie an die einzelnen Krankenhäuser
entsprechend ihrem Anteil an den jeweils einbehaltenen Beträgen auszuzahlen." Durch Art. 1 Nr. 121 Buchstabe a) Doppelbuchstabe
bb) des GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetzes vom 26. März 2007 (BGBl. I S. 378) wurde die Norm rückwirkend zum 1. Januar 2007 dann wie folgt gefasst (nunmehr Satz 8): "Werden die einbehaltenen Mittel
nicht innerhalb von drei Jahren für die Zwecke nach Satz 1 verwendet, sind die nicht verwendeten Mittel spätestens zum 31.
März 2009 an die Kassenärztliche Vereinigung sowie an die einzelnen Krankenhäuser, soweit die Mittel in den Jahren 2007 und
2008 einbehalten wurden, entsprechend ihrem Anteil an den jeweils einbehaltenen Beträgen auszuzahlen." Damit war nach der
Gesetzesbegründung eine Beschränkung der Zahlungsverpflichtung auf die in den Jahren 2007 und 2008 vorgenommenen Einbehalte
bezweckt, wohingegen hinsichtlich der Jahre 2004 bis 2006 eine Rückzahlungsverpflichtung entfallen sollte (BT-Drs. 16/4247,
S. 49). Mithin folgt aus § 140d Abs. 1 Satz 8 SGB V ein auf die Jahre 2007 und 2008 beschränkter Zahlungsanspruch wegen nicht zweckgemäßer Verwendung einbehaltener Mittel. Daneben
besteht für den Fall, dass die Voraussetzungen von § 140d Abs. 1 Satz 1 SGB V nicht erfüllt sind, also kein (wirksamer) Vertrag zur integrierten Versorgung gegeben ist, ein - auch die Jahre 2004 bis
2006 umfassender - Anspruch auf Zahlung der nicht um Einbehalte verminderten Vergütung.
Ein Einbehalt scheitert entgegen der Ansicht der Klägerin nicht an einer Einschaltung des VdAK. Nach § 140b Abs. 1 SGB V sind allein Krankenkassen zum Vertragsschluss befugt, d.h. nur sie können Vertragspartner sein. Dies ist auch dann der Fall,
wenn sie (Vertretene) sich zum Vertragsschluss eines Vertreters bedienen (§ 164 Abs. 1 Satz 1 BGB). Als Vertreter kommen insoweit vor allem auch Krankenkassenverbände in Betracht. Denn nach § 211 Abs. 2 Nr. 3 SGB V zählt gerade der Abschluss von Verträgen, soweit sie von der Mitgliedskasse hierzu bevollmächtigt sind, zu den unterstützenden
Aufgaben der Landesverbände (und den satzungsmäßigen Aufgaben der Ersatzkassenverbände im Sinne des § 212 Abs. 5 Satz 2 SGB V). Der Ausschluss einer Vertretung durch einen Krankenkassenverband hätte daher einer ausdrücklichen gesetzlichen Regelung
bedurft (zutreffend Engelhard in: Hauck/Noftz, SGB V, Stand Februar 2014, K § 140b Rn. 11).
Entsprechendes gilt im Hinblick auf eine nicht grundsätzlich ausgeschlossene Möglichkeit, über Vertragspartner der Integra-Verträge
(hier also die K., das Diakoniewerk H. bzw. die Diakonissenkrankenhaus gGmbH) kooperierende Vertragsärzte in die Leistungserbringung
einzubinden. Denn § 140b Abs. 1 Nr. 4 und 5 SGB V nennt neben einzelnen Vertragsärzten oder Trägern von Krankenhäusern bzw. MVZen (Abs. 1 Nr. 1-3) auch potentielle Vertragspartner
sämtlicher Rechts- und Gesellschaftsformen (so z.B. auch Hess in: KassKomm, Stand Juni 2015, § 140b Rn. 3), die selbst gar
nicht zur Erbringung von Leistungen der Krankenbehandlung im Sinne von § 27 SGB V berechtigt sind. Damit impliziert das Gesetz, dass eine Sicherstellung der integrierten Versorgung nicht nur durch einen
Beitritt nach § 140b Abs. 5 SGB V, sondern auch im Wege von Einbeziehungsvereinbarungen gewährleistet werden kann, die solche Vertragspartner - oder solche
nach § 140b Abs. 1 Nr. 1-3 SGB V - mit berechtigten Leistungserbringern schließen. Voraussetzung derartiger Vereinbarungen ist vor dem Hintergrund von § 140b Abs. 3 SGB V i.V.m. § 140a Abs. 3 SGB V und dem Sicherstellungsauftrag der Krankenkassen (§§ 2, 11, 69, 70 SGB V) jedoch, dass im konkreten Leistungsfall (d.h. bei der Notwendigkeit von Krankenbehandlung im Sinne von § 27 Abs. 1 SGB V) für Versicherte, Krankenkasse und Leistungserbringer aufgrund einfach zu beurteilender Umstände erkennbar ist, welcher Leistungserbringer
im Einzelfall vertraglich im Bereich der integrierten Versorgung verpflichtet ist (vgl. BSG, Urteil vom 2. November 2010 - B 1 KR 11/10 R).
Dahinstehen kann, ob der Zulässigkeit eines Einbehalts § 140b Abs. 4 Satz 3 SGB V entgegensteht, weil in den Integra-Verträgen aus Sicht der Klägerin über einen den Vertragspartnern nicht zustehenden Zulassungsstatus
verfügt werde. Gleiches gilt bezüglich der in § 4 der Integra-Verträge enthaltenen Vergütungsregelung. Zwar wird den Vertragspartnern
durch § 140c Abs. 2 Satz 1 SGB V auch die Möglichkeit eröffnet, ein kombiniertes Budget vorzusehen, so dass das Fehlen einer "Komplexfallpauschale" nicht
von vornherein gegen eine integrierte Versorgung sprechen mag. Die Vereinbarung einer die Gesamtbehandlungsmaßnahmen umfassenden
Vergütungspauschale ist aber ein wichtiges Indiz für das Vorliegen einer integrierten Versorgung (so ausdrücklich BSG, Urteil vom 6. Februar 2008 - B 6 KA 27/07 R).
Die Einbehalte sind jedenfalls deshalb unzulässig, weil die Integra-Verträge auch bei nur überschlägiger Betrachtung nicht
die Voraussetzungen von § 140a Abs. 1 Satz 1 SGB V erfüllen.
Nach dieser Vorschrift ist für das Vorliegen einer integrierten Versorgung erforderlich, dass die vertraglich vereinbarten
Leistungen solche der Regelversorgung - zumindest überwiegend - künftig ersetzen. (BSG, Urteile vom 6. Februar 2008 - B 6 KA 27/07 R und B 6 KA 5/07 R; Beschluss vom 2. Juli 2014 - B 6 KA 16/14 B). Über die Regelversorgung "hinausreichen" (BSG, Urteil vom 25. November 2010 - B 3 KR 6/10 R) müssen die vertraglich vereinbarten Leistungen insofern, als nach § 140a Abs. 1 Satz 1 SGB V entweder eine "interdisziplinär-fachübergreifende" oder "verschiedene Leistungssektoren übergreifende" Versorgung gegeben
sein muss (BSG, Beschluss vom 2. Juli 2014 - B 6 KA 16/14 B). Unter einer interdisziplinär-fachübergreifenden Versorgung ist ein Konzept längerfristiger, gemeinsam aufeinander abgestimmter
Behandlungen von Haus- und Fachärzten oder von Fachärzten unterschiedlicher Gebiete zu verstehen, das im ambulanten Bereich
über die traditionelle Zusammenarbeit durch Überweisungen an Ärzte eines anderen Fachgebiets bzw. im stationären Bereich über
die traditionelle Zusammenarbeit der Abteilungen der unterschiedlichen Fachgebiete innerhalb eines Krankenhauses hinausgeht.
Sektorenübergreifend ist eine Versorgung, wenn sie die beiden Hauptsektoren der ambulanten und der stationären Behandlungen
oder aber verschiedene Untersektoren eines Hauptsektors umfasst (BSG, Urteil vom 6. Februar 2008 - B 6 KA 5/07 R). In beiden Anwendungsbereichen der integrierten Versorgung (sektorenübergreifend und interdisziplinär) ist es erforderlich,
dass außerhalb der überkommenen Struktur eine alternative Versorgungsform zur Verfügung gestellt wird, in der innovativ eine
bessere, effektivere, die Angebote der Sektoren integrierende und die Ressourcen schonende Versorgung der Versicherten "aus
einer Hand" bewirkt wird, so dass insbesondere Schnittstellenprobleme wie unnötige Doppeluntersuchungen oder Koordinationsprobleme
im Behandlungsablauf beseitigt bzw. Wartezeiten vermieden werden. Finden die vertraglich geregelten Leistungen hingegen weiterhin
auch innerhalb der bisherigen Regelversorgung statt, liegt regelmäßig keine integrierte Versorgung vor (BSG, Urteile vom 6. Februar 2008 - B 6 KA 5/07 R und B 6 KA 27/07 R).
Nach diesen Maßstäben werden die Integra-Verträge den Anforderungen des § 140a Abs. 1 Satz 1 SGB V an einen Integrationsvertrag nicht hinreichend gerecht. Sie finden fast vollständig innerhalb der Regelversorgung statt.
Weder der Vertragsarzt noch der Versicherte steht vor einer nach Wettbewerbs- oder Qualitätsgesichtspunkten zu treffenden
Entscheidung für oder gegen ein bestimmtes Versorgungsmodell. Das bedeutet jedoch nicht zugleich, dass mit den Verträgen keine
sinnvollen Ziele verfolgt würden. Das Konzept der integrierten Versorgung und die hierzu normierte Anschubfinanzierung nach
§ 140d Abs. 1 SGB V beinhalten aber kein allgemeines Modell zur Förderung gesundheitspolitisch vernünftiger Vorhaben (vgl. nochmal BSG, Urteil vom 6. Februar 2008 - B 6 KA 27/07 R).
Aus der Zusammenschau der jeweiligen Präambeln und der §§ 1 und 9 ergibt sich, dass Gegenstand der Verträge Operationen in
den Fällen der in den Anlagen 1 aufgeführten Indikationen sind, die durch kooperierende Ärzte in der jeweiligen Klinik erbracht
werden sollen. Wie sich aus dem jeweiligen § 1 Abs. 2 Satz 1 ergibt, beschränkt sich die postoperative Nachsorge ausschließlich
auf die im Rahmen einer stationären Behandlung übliche Nachsorge in der Klinik selbst nach der Operation. Ausdrücklich bezieht
sich die Regelung auf § 39 Abs. 1 SGB V. Dies wird auch daran deutlich, dass nach § 4 Abs. 1 Satz 5 der Verträge keine höhere Vergütung zu zahlen ist, wenn die postoperative Nachsorge am überwachten Bett ausnahmsweise
über die Regelverweildauer hinausgeht. Der einzige Unterschied zur üblichen stationären Behandlung liegt darin, dass die vertraglich
geregelte Leistung nicht (nur) von angestellten Krankenhausärzten, sondern auch durch einen Vertragsarzt erbracht werden kann.
Allein dieser Austausch des Operateurs ohne Einbeziehung einer üblicherweise ambulant erbrachten Leistung ist keine sektorenübergreifende
Versorgung, wobei nach dem klaren Wortlaut der Verträge der zuweisende bzw. nachbehandelnde Haus- bzw. Facharzt des Patienten
nicht Kooperationspartner der Klinik sein muss (§ 1 Abs. 3). Der Senat kann nicht erkennen, worin hier eine Änderung zur üblichen
stationären Versorgung gemäß § 39 Abs. 1 SGB V liegen soll.
Die Tätigkeit von Vertragsärzten genügt insoweit nicht. Allein der Umstand, dass es sich bei den einweisenden Ärzten teilweise
um Vertragsärzte handelt, die später die Operation vornehmen, ist kein Charakteristikum der integrierten Versorgung. Es ist
sogar denkbar, dass der Patient im Vorfeld der geregelten Behandlung vom behandelnden Vertragsarzt zu dem später operierenden
Vertragsarzt überwiesen wird und Doppeluntersuchungen erst recht anfallen, auch wenn scheinbar eine sektorenübergreifende
Zusammenarbeit vorliegt. Zumindest reicht allein der Austausch des Operateurs ohne Änderung des Leistungsinhaltes im Übrigen
und insbesondere Einbeziehung einer üblicherweise ambulant erbrachten Leistung nicht für eine sektorenübergreifende Versorgung
aus. Der Umstand, dass z.B. Röntgenbilder von einem operierenden Vertragsarzt auf dessen Anforderung für die weitere ambulante
Behandlung verwendet werden dürfen, stellt keine Änderung der gültigen Rechtslage dar, da behandelnde Ärzte ohnehin solche
Unterlagen anfordern. Ob und durch wen die spätere ambulante Behandlung stattfindet, ist zudem offen. Dass (möglicherweise)
die stationäre Behandlung verkürzt oder eine kurze stationäre Behandlung durch eine ambulante Tätigkeit ersetzt wird, beinhaltet
keinen sektorenübergreifenden Ansatz.
Die Beteiligung kooperierender Ärzte bewirkt nicht per se eine integrierte Versorgung. Dabei kann der Senat offen lassen,
ob die als potenzielle Teilnehmer angesprochenen Personen tatsächlich mit Wirkung zum 1. April 2004 vertraglich in die jeweiligen
Integra-Projekte einbezogen worden sind. Immerhin datiert kein einziger der zu den Projekten Integra-H. und Integra-D. vorgelegten
Kooperationsverträge auf diesen Zeitpunkt. Dem ließe sich auch § 58 Abs. 1 SGB X nicht entgegen halten, da eine rückwirkende Inkraftsetzung ausscheidet. Denn durch die Kooperationsverträge wird ein Status
begründet (vgl. BSG, Urteil vom 25. November 2010 - B 3 KR 6/10 R). Soweit es elf zwischen Vertragsärzten und der K. zum 1. Februar 2002 geschlossene Kooperationsverträge anbelangt, würde
entsprechendes hinsichtlich einer vorgreifenden Inkraftsetzung gelten, da der zugrunde liegende Integra-Vertrag selbst erst
im Februar 2004 zustande kam. In Bezug auf die Kooperationsverträge beim Projekt Integra-D. bestehen zusätzliche Zweifel.
Denn hier sind sämtliche Vereinbarungen nicht mit dem Vertragspartner der Beklagten (Diakonissenkrankenhaus gGmbH), sondern
dem MLZ geschlossen worden. Dass es sich hierbei um eine unselbständige Fachabteilung der Diakonissenkrankenhaus gGmbH handelt,
ist deshalb zweifelhaft, weil in den Kooperationsverträgen ausdrücklich zwischen "am MLZ tätigen Ärzten und den Ärzten der
Diakonissenkrankenhaus gGmbH" differenziert wird (§ 8 Abs. 2 Satz 1; ähnlich § 9 Satz 3 des Vertrags Integra-D.). Entsprechendes
legt eine Einordnung des MLZ als Rechtssubjekt nahe. Hierfür spricht auch Abs. 1 Satz 1 der Präambel der Kooperationsverträge,
wonach das MLZ "mit den Krankenkassen in S. Verträge gemäß § 140a ff. SGB V abgeschlossen" habe. Partner des Vertrags Integra-D. ist jedoch nicht das MLZ, sondern die Diakonissenkrankenhaus gGmbH.
Aber auch das kann der Senat im Ergebnis dahinstehen lassen.
Die aufgezeigten Zweifel lassen sich nicht mit dem Hinweis ausräumen, durch die Beteiligung von Krankenhausärzten sei eine
Erbringung sämtlicher vertraglichen Leistungen zum 1. April 2004 ohnehin sichergestellt. Denn nach § 9 Abs. 1 Satz 3 der Integra-Verträge
setzt auch die Teilnahme angestellter Ärzte den Abschluss eines entsprechenden Kooperationsvertrages voraus. Diese Regelung
wäre überflüssig, wenn Krankenhausärzte ohnehin auf Weisung im Integra-Projekt tätig würden. Es ist kein einziger Kooperationsvertrag
mit einem Krankenhausarzt belegt. Dies legt nahe, dass Krankenhausärzte im Rahmen überkommener stationärer Versorgung eingesetzt
werden konnten, ohne dass Unterschiede zur Regelversorgung ersichtlich sind. Dass die vertraglich geregelten Leistungen statt
durch kooperierende Ärzte vollständig (auch) durch die jeweils angestellten Klinikärzte erbringbar waren, räumt die Beklagte
selbst ein. Worin hierbei ein integrierender Ansatz bestehen soll, wird auch von ihr nicht erläutert.
Ungeachtet der o.g. Bedenken bewegen sich die Kooperationsverträge inhaltlich innerhalb des bisherigen Systems, was gegen
eine integrierte Versorgung i.S.v. § 140a Abs. 1 Satz 1 SGB V spricht (vgl. hierzu nochmals BSG, Urteil vom 6. Februar 2008 - B 6 KA 27/07 R). Besonders deutlich wird dies anhand von § 8 Nr. 2 der Kooperationsverträge des Projekts Integra-H., wonach der Operateur
für jeden Patienten einen abschließenden ärztlichen Bericht zu erstellen hat, den der Patient bei seiner Entlassung aus der
postoperativen Nachsorge im überwachten Bett für den behandelnden Arzt ausgehändigt erhält. Dies unterscheidet sich durch
nichts vom Regelfall der traditionellen stationären Behandlung und untermauert gerade keine Versorgung "aus einer Hand". Nach
§ 1 Nr. 4 dieser Kooperationsverträge erfolgt die Leistungserbringung ausschließlich in den Räumlichkeiten der Klinik. Ausdrücklich
regelt § 2 Nr. 2, dass keine vertragliche Beziehung zwischen dem jeweiligen Patienten und dem Operateur besteht. Damit sind
die Zeiträume vor der stationären Aufnahme oder nach der Entlassung des Patienten in die ambulante Behandlung nicht erfasst.
Eine Alternative zur Regelversorgung ist damit nicht ersichtlich.
Soweit der Operateur ein externer Arzt ist, geben die Kooperationsverträge im Wesentlichen ein Belegarztsystem wieder, was
die Vertragspartner auch selbst so bewerten. Denn nach § 15 Abs. 3 werden dem Operateur die Versicherungsprämien "analog einer
belegärztlichen Tätigkeit" erstattet (so exemplarisch im Projekt Integra-D.). Eine Versorgungsinnovation drängt sich auch
insoweit nicht auf.
Auch die Einbeziehung der Reha-Klinik führt zu keinem anderen Ergebnis. Zwar regeln die vorgelegten Integra-Verträge eine
gewisse Verbindung von Akutbehandlungen im jeweiligen Krankenhaus mit anschließender medizinischer Rehabilitation in der Reha-Klinik,
was grundsätzlich Gegenstand einer integrierten Versorgung sein kann (vgl. BSG, Urteil vom 6. Februar 2008 - B 6 KA 5/07). Gemäß § 1 Abs. 4 der Verträge erbringt die Reha-Klinik für "Integra-Patienten" Anschlussrehabilitationsleistungen ggf. einschließlich
Unterkunft und Verpflegung, falls eine Indikation besteht, die in Anlage 2 der Verträge genannt wird. Das genaue Verfahren
ist in § 1 Abs. 5 bis 8 der Verträge geregelt. Dabei ist die Rehabilitation auf Knie- und Hüftendoprothesen beschränkt, d.h.
einen geringen Teil der insgesamt durchgeführten Operationen. Nur für solche Patienten ist in § 1 Abs. 5 vorgesehen, dass
der Antrag auf Anschlussrehabilitation mit dem Befundbericht spätestens am zweiten Tag nach der Operation bei der Krankenkasse
per Fax einzureichen ist. Dies dient offenkundig "nur" der Vereinfachung und Beschleunigung der Entscheidung über einen solchen
Antrag durch die Beklagte, muss aber nicht zugleich mit einer zeitnäheren Rehabilitation für den betroffenen Patienten einhergehen.
Einziger Schnittpunkt zwischen der Behandlung der Patienten in der Klinik und ihrer Anschlussheilbehandlung ist die Organisation
des Transports in die Reha-Klinik am Tag ihrer Entlassung und deren Rücktransport nach Hause (§ 1 Abs. 7). Ein darüber hinausgehendes
Zusammenwirken der Vertragspartner ist nicht ersichtlich. Vielmehr ist ein (auch sonst übliches) Antragsverfahren über die
Bewilligung einer Anschlussrehabilitation normiert, über die die Beklagte - bei Bedarf unter Einschaltung des MDK - innerhalb
von drei Tagen entscheidet (§ 1 Abs. 5 und 6 der Integra-Verträge). Die Zusammenarbeit zwischen stationärem und rehabilitativem
Bereich wird bereits in den §§ 11 Abs. 4, § 39 Abs. 1 Satz 4 SGB V festgelegt. Gerade die in Sektorengrenzen geregelte Versorgung macht eine Kooperation nötig. Auch die traditionelle Krankenhausbehandlung
beinhaltet ein Versorgungs- und Entlassungsmanagement (dazu eingehend BSG, Urteil vom 17. November 2015 - B 1 KR 20/15 R, juris). Eine herkömmliche stationäre Operation mit anschließender Rehabilitation stellt noch nicht deshalb eine integrierte
Versorgung dar, weil zwischen beiden Maßnahmen - zufällig oder gezielt - wenig Zeit vergeht, zumal in Fällen von Knie- und
Hüftendoprothesen eine Anschlussrehabilitation auch im traditionellen System obligat ist und zeitnah erfolgt. Dabei erschiene
gerade die Schnittstelle zwischen stationärer Akutbehandlung und stationärer Rehabilitation dergestalt für eine integrierte
Versorgung prädestiniert, als etwa Leistungen der Frührehabilitation im Sinne von § 39 Abs. 1 Satz 3 letzter Halbsatz SGB V vertraglich von der Rehabilitationseinrichtung übernommen würden.
Auch soweit die Beklagte mit der Reha-Klinik eine Pauschalvergütung vereinbar hat, die eventuell unterhalb der üblichen Vergütung
liegt, ist mit einer solchen Preisabsprache noch kein sektorenübergreifender Ansatz verbunden. Überdies erscheint in dieser
Hinsicht fraglich, warum aus niedrigeren Vergütungssätzen die Notwendigkeit einer Anschubfinanzierung folgen soll.
Schließlich fehlt eine plausible prognostische Kalkulation dazu, dass die Einbehalte rechnerisch zur Umsetzung der konkreten
integrierten Versorgungsform erforderlich waren (vgl. hierzu BSG, Urteil vom 6. Februar 2008 - B 6 KA 5/07 R; LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 27. Januar 2015 - L 4 KR 99/12 - juris; Hessisches LSG, Urteil vom 5. Februar 2013 - L 1 KR 222/10 - juris). Der Senat kann den vorliegenden Unterlagen und den übersandten Vereinbarungen nichts dazu entnehmen, warum die
Beklagte nach der Aufstellung der Klägerin den Höchstsatz einbehalten hat. Gemäß § 140d Abs. 1 Satz 1 SGB V ist nur ein Abzug von "bis zu 1 vom Hundert (gestattet), soweit die einbehaltenen Mittel zur Umsetzung von nach § 140b geschlossenen
Verträgen erforderlich sind." Insbesondere ist nicht ansatzweise nachvollziehbar, ab wann genau welche Kooperationspartner
welche Leistungen in welchem Umfang erbringen mussten, was angesichts etwaiger Dispense (z.B. unter dem 29. Oktober 2004 für
die Dres. H.) umso mehr gilt.
Letztlich ist die Forderung der Klägerin auch nicht verwirkt. Hierbei ist von vornherein zu beachten, dass das Rechtsinstitut
der Verwirkung als ergänzende Regelung innerhalb der hier maßgeblichen vierjährigen Verjährungsfrist (hierzu sogleich) grundsätzlich
nicht gilt. Vielmehr findet es nur in besonders engen - vorliegend nicht einschlägigen - Ausnahmekonstellationen Anwendung
(vgl. BSG, Urteil vom 23. Juni 2015 - B 1 KR 26/14 R - NZS 2015, 704; Urteil vom 21. April 2015 - B 1 KR 11/15 R - SGb 2016, 41).
Abgesehen davon setzt eine Verwirkung als Unterfall unzulässiger Rechtsausübung voraus, dass der Berechtigte die Ausübung
seines Rechts während eines längeren Zeitraums unterlassen hat und weitere besondere Umstände hinzutreten, die nach den Besonderheiten
des Einzelfalls und des in Betracht kommenden Rechtsgebietes das verspätete Geltendmachen des Rechts dem Verpflichteten gegenüber
nach Treu und Glauben als illoyal erscheinen lassen. Solche besonderen Umstände liegen vor, wenn der Verpflichtete infolge
eines bestimmten Verhaltens des Berechtigten (Verwirkungsverhalten) darauf vertrauen durfte, dass dieser das Recht nicht mehr
geltend machen werde (Vertrauensgrundlage) und auch tatsächlich darauf vertraut hat, dass das Recht nicht mehr ausgeübt wird
(Vertrauenstatbestand). Weiterhin muss der Verpflichtete sich infolgedessen in seinen Vorkehrungen und Maßnahmen so eingerichtet
haben (Vertrauensverhalten), dass ihm durch die verspätete Durchsetzung des Rechts ein unzumutbarer Nachteil entstehen würde.
Vorliegend fehlt es bereits an solchen die Verwirkung auslösenden Umständen. Denn die Klägerin hat in keiner Weise zu erkennen
gegeben, dass sie mit dem Einbehalt einverstanden ist.
Der Anspruch ist auch nicht verjährt. Vergütungsansprüche der Krankenhäuser für die Behandlung Versicherter verjähren in vier
Jahren (BSG, Urteil vom 21. April 2015 - B 1 KR 11/15, s.o.). Die Verjährung beginnt entsprechend § 45 Abs. 1 SGB I nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem der Anspruch entstanden ist, hier also zum 31. Dezember 2004. Die Klägerin hat am
19. Dezember 2008 vor Eintritt der Verjährung Klage erhoben (§ 90 SGG), womit die Verjährung gemäß § 45 Abs. 2 SGB I analog, § 69 Abs. 1 Satz 3 SGB V i.V.m. § 204 Abs. 1 Nr. 1 Alt. 1 BGB gehemmt ist. Dem stünde auch eine Stufenklage nicht entgegen. Auch sie ist auf Durchsetzung der Forderung gerichtet, mag
dieser Antrag in der ersten Stufe auch noch nicht gestellt werden. Anderes gilt nur dann, wenn sich das Klageziel in der Erteilung
der Auskunft erschöpft (Schmidt-Räntsch in: Erman, BGB, 14. Aufl. 2014, § 204 Rn. 2 m.w.N.). Entsprechendes war hier nicht der Fall. Die Klägerin hat neben einer Auskunft zugleich eine - wenngleich noch
unbezifferte - Leistungsklage erhoben. Betrifft ein Zahlungsanspruch - wie hier - einen abgeschlossenen Vorgang aus der Vergangenheit,
muss zwar grundsätzlich ein bezifferter Antrag gestellt und dargelegt werden, wie sich der Betrag im Einzelnen zusammensetzt.
Dies ist aber nur Sachurteilsvoraussetzung, um den Umfang der Rechtskraft des Urteils festzulegen. Wird dies erstinstanzlich
versäumt, kann der Mangel noch im Berufungsverfahren beseitigt werden (vgl. BSG, Urteil vom 28. September 2006 - B 3 KR 20/05 R - SozR 4-1500 § 92 Nr. 3; Urteil vom 1. Juli 2014 - B 1 KR 2/13 R - NZS 2014, 821). Selbst wenn aber eine unzulässige Stufenklage angenommen würde, würde dies an der Rechtsfolge des § 204 Abs. 1 Nr. 1 Alt. 1 BGB nichts ändern. Denn die Vorschrift setzt nur eine wirksame und nicht zugleich zulässige Klage voraus (Ellenberger in: Palandt,
BGB, 76. Aufl. 2016, § 204 Rn. 4 f. m.w.N.). Für eine prozessual unwirksame Klage ist hier nichts ersichtlich (vgl. hierzu nochmals BSG, Urteil vom 28. September 2006 - B 3 KR 20/05 R, s.o.).
Nach alledem war der Berufung stattzugeben, wobei der Zinsanspruch aus § 288 Abs. 1 Satz 1 BGB i.V.m. § 8 Abs. 1 der zwischen den Beteiligten geschlossenen Budget- und Entgeltvereinbarung für das Jahr 2004 folgt.
Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor, da die Entscheidung auf gesicherter Rechtsauslegung und tatsächlicher Einzelfallbeurteilung beruht, ohne
dass der Senat von einem der in der genannten Vorschrift bezeichneten Gerichte abweicht. Er legt seiner Entscheidung die Rechtsprechung
des BSG zur - hierdurch geklärten - Frage, welche Voraussetzungen für einen wirksamen Einbehalt nach § 140d Abs. 1 Satz 1 SGB V erfüllt sein müssen, ausdrücklich zugrunde. Allein der Umstand, dass nach dem Vorbringen der Beteiligten in Sachsen-Anhalt
viele Verfahren zur gleichen Thematik rechtshängig sind, wirft keine grundsätzlich klärungsbedürftige Rechtsfrage auf. Eine
solche ist auch hinsichtlich der hier vorgenommenen Auslegung von § 140d Abs. 1 Satz 5 bzw. 8 SGB V nicht ersichtlich, nachdem das BSG einen (restlichen) Vergütungsanspruch des betroffenen Krankenhauses weder in seiner Entscheidung vom 2. noch 25. November
2010 (B 1 KR 11/10 R und B 3 KR 6/10 R) bereits hieran scheitern ließ.
Die Entscheidung zum Gegenstandswert ergibt sich aus § 197a Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1 SGG i.V.m. den §§ 1 Abs. 2 Nr. 3, 47 Abs. 1 und 52 Abs. 3 Satz 1 Gerichtskostengesetz und entspricht der Höhe der Klageforderung.
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