Tatbestand
Der Kläger begehrt die Übernahme von Pflegekosten während eines stationären Krankenhausaufenthaltes.
Der 1965 geborene Kläger ist bei der Beklagten krankenversichert. Seit 2008 leidet er an einer degenerativen Erkrankung des
motorischen Nervensystems mit fortschreitender Schädigung der Nervenzellen, die für die Muskelbewegungen verantwortlich sind
(amyotrophe Lateralsklerose - ALS -). Die Beklagte gewährt dem Kläger laufend Leistungen zur häuslichen Krankenpflege in Form
der Intensivpflege. Er liegt in einem Krankenhauspflegebett, kann sich nicht mehr bewegen und nicht sprechen. Die Kommunikation
erfolgt mithilfe eines Augencomputers unter Einsatz von ABC-Tafeln.
Von November 2011 bis November 2012 übernahmen 2 Pflegedienste die Betreuung des Klägers auf Kosten der Beklagten. Bei den
Pflegediensten handelte es sich um deren Vertragspartner. Im Anschluss an diesen Zeitraum stellte der Kläger nach Absprache
mit der Beklagten im Rahmen eines Arbeitgebermodells Assistenzkräfte zur Durchführung seiner 24-Stunden-Pflege an. Diese Kosten
wurden nach mit der Beklagten vereinbarten Stundensätzen monatlich abgerechnet und von der Beklagten übernommen. Eine zunächst
zwischen den Beteiligten beabsichtigte Zielvereinbarung kam nicht zustande. Im Mai und Juni 2013 waren bei dem Kläger 5 Assistenzkräfte
angestellt, jeweils mit entsprechenden Arbeitsverträgen von 150 bzw. 160 Stunden im Monat, um die erforderliche 24-Stunden-Pflege
zu gewährleisten. Unterstützt wurde der Kläger durch den Fachdienstleister p_______.
In der Nacht vom 10. auf den 11. Mai 2013 wurde der Kläger wegen Atemnotstand im F_______-E_______-Krankenhaus in N________
stationär aufgenommen und auf der Intensivstation für 10 Tage in ein künstliches Koma versetzt. In diesem Zeitraum wurde der
Kläger von den angestellten Assistenzkräften in geringem Umfang weiterhin betreut. Am 27. Mai 2013 erfolgte die Verlegung
des Klägers auf die periphere Weaning-Station. Grund- und Beatmungspflege wurden vom Pflegepersonal des Krankenhauses übernommen.
Mit Bescheid vom 30. Mai 2013 lehnte die Beklagte die Gewährung häuslicher Krankenpflege während der Krankenhausbehandlung
ab. Zur Begründung führte sie aus, nach §
37 SGB V könne häusliche Krankenpflege nur im Haushalt oder an sonst geeigneten Orten gewährt werden. Hierzu zählten unter anderem
betreute Wohnformen, Kindergärten und Schulen, nicht jedoch Krankenhäuser. Eine Erstattung der Kosten der häuslichen Krankenpflege
für Zeiten der Krankenhausbehandlung scheide somit aus. Es sei daher auch unerheblich, ob die Leistungen der häuslichen Krankenpflege
nach dem trägerübergreifenden persönlichen Budget oder nach dem Kostenerstattungsverfahren gewählt würden.
Diesem Bescheid widersprach die p_______ mit Schreiben vom 29. Mai 2013. Zur Begründung trug sie vor, zum Zweck der Sicherung
der häuslichen Krankenpflege seien Arbeitsverträge geschlossen worden. Aus §
615 BGB folge deshalb eine Weiterzahlungsverpflichtung des Gehalts für die angestellten Assistenzkräfte. Des Weiteren könnten die
Mitarbeiter arbeitsrechtlich ihre Arbeitsleistung bis zur vollständigen Bezahlung des Gehalts zurückhalten. Dies würde bedeuten,
dass der Kläger bei der Rückkehr in die häusliche Umgebung ohne Pflegepersonal dastünde. Daher sei unerheblich für die Zahlungsverpflichtung
der Beklagten, ob häusliche Krankenpflege in der Klinik angefallen sei, da die Zahlungsverpflichtung im Vorfeld entstanden
sei.
Mit anwaltlichem Schriftsatz vom 7. Juni 2013 legte der Kläger Widerspruch gegen den Bescheid vom 30. Mai 2013 ein. Die Betreuungssituation
sei im Krankenhaus keine andere als zu Hause. Die 24-Stunden-Betreuung könne nur durch die Assistenzkräfte erfüllt werden.
Diese Leistungen könne das Krankenhauspersonal nicht erbringen. Ab dem 7. Juni 2013 hätten im Einverständnis mit dem Krankenhaus
die vom Kläger angestellten Assistenzkräfte die 24-Stunden-Betreuung übernommen. Am 12. Juni 2013 habe das Krankenhaus den
Prozessbevollmächtigten des Klägers mitgeteilt, dass der Kläger mit fremden Pflegekräften nur eingeschränkt kommunizieren
könne. Die Kommunikation über die ABC-Tafeln durch Pflegekräfte des Krankenhauses sei schon zeitlich nicht möglich. Die seit
dem 7. Juni 2013 dem Kläger wieder für 24 Stunden pro Tag zur Verfügung stehenden Bezugspersonen hätten eine deutliche Veränderung
und Entspannung des Klägers bewirkt, wodurch eine Mobilisation ermöglicht worden sei. In der Zeit seit dem 11. Mai 2013 seien
zwar Leistungen der Pflegekräfte nicht mehr in vollem Umfang erbracht worden. Da der Kläger aber Arbeitgeber dieser Pflegekräfte
sei, sei er verpflichtet, die vereinbarte Vergütung zu zahlen.
Am 13. Juni 2013 hat der Kläger beim Sozialgericht Kiel die Übernahme der Kosten für die Assistenzkräfte im Wege der einstweiligen
Anordnung beantragt und diese für die Zeit bis zum 24. Juni 2013 auf 20.285,86 EUR beziffert. Hierin seien Sozialversicherungsbeiträge,
Lohnsteuer, Nettogehälter und kalkulatorischer Urlaub enthalten.
Mit Beschluss vom 10. Juli 2013 (S 10 KR 22/13 ER) hat das Sozialgericht die Beklagte vorläufig verpflichtet, die im Zeitraum vom 11. Mai 2013 bis 24. Juni 2013 angefallenen
Kosten in Höhe von 20.285,86 EUR zu erstatten. Der Anspruch auf Assistenzpflege auch während des Aufenthaltes im Krankenhaus
ergebe sich aus der analogen Anwendung des §
37 Abs.
4 und §
11 Abs.
3 SGB V. Anders als bei Pflegebedürftigen nach dem SGB XII habe der Gesetzgeber die Pflege durch selbst beschäftigte Pflegekräfte während der stationären Krankenhausbehandlung in §
37 SGB V nicht ausdrücklich geregelt. Diese Regelungslücke sei ungeplant und daher durch eine Gesetzesanalogie zu schließen. Das Sozialgericht
bezog sich diesbezüglich auf den Entwurf zum Gesetz zur Regelung des Assistenzpflegebedarfs im Krankenhaus vom 5. Mai 2009
(Bundestagsdrucksache 16/12.855).
Gegen diesen Beschluss hat die Beklagte am 30. Juli 2013 Beschwerde beim Schleswig-Holsteinischen Landessozialgericht erhoben.
Sie hat darauf hingewiesen, dass die Problematik der Mitaufnahme der unterstützenden Personen im Rahmen der Leistungen nach
§
37 SGB V im Gesetzgebungsverfahren Gegenstand der Diskussion gewesen sei. Von einer planwidrigen Lücke könne deshalb nicht ausgegangen
werden. Das Landessozialgericht hat die Beschwerde mit Beschluss vom 2. September 2013 (L 5 KR 144/13 B ER) zurückgewiesen.
Mit Widerspruchsbescheid vom 30. April 2014 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Zur Begründung führte sie aus, entgegen
der Auffassung des Landessozialgerichts bestehe keine planwidrige Regelungslücke, eine analoge Anwendung von §
37 Abs.
4 i.V.m. §
11 Abs.
3 SGB V komme deshalb nicht in Betracht. Unter Berücksichtigung der rechtlichen Grundlagen und der Chronologie im Gesetzgebungsverfahren
sei vielmehr davon auszugehen, dass sich der Gesetzgeber bewusst gegen eine solche Kostenerstattung entschieden habe. Dafür
spräche zum einen, dass der Bundesverband selbstbestimmter Assistenz (FoRseA) bereits am 12. September 2007 seine Dokumentation
der Kampagne "Ich muss ins Krankenhaus und nun?" an die damalige Beauftragte der Bundesregierung für die Belange behinderter
Menschen E_______-M_______ übergeben habe. Hierin sei die Situation von assistenznehmenden Menschen mit einer Behinderung
bei Krankenhausaufenthalten umfangreich thematisiert worden. In der 168. Sitzung des Deutschen Bundestages vom 18. Juni 2008
habe der Abgeordnete der Fraktion Die Linke Dr. S_______ den parlamentarischen Staatssekretär im Bundesministerium für Gesundheit
SA_______ befragt, ob er in den weiteren Beratungen zum Assistenzpflegebedarf während einer stationären Behandlung auch mit
den Vertretern von FoRseA reden wolle und wo die Federführung für die komplizierten Prozesse liegen werde. Der parlamentarische
Staatssekretär habe das Bundesministerium für Gesundheit und das Bundesministerium für Arbeit und Soziales unter Beteiligung
des Bundesbehindertenbeauftragten als zuständig angesehen. Nach alledem sei dem Gesetzgeber die Problematik durchaus bekannt
gewesen. Im Zuge des Gesetzgebungsverfahrens zur Regelung des Assistenzpflegebedarfs bei stationärer Vorsorge oder Rehabilitationseinrichtungen
vom 24. September 2012 sei die Erstattung von Kosten für die Assistenzpflege während der stationären Behandlung zum anderen
erneut thematisiert worden. Der FoRseA habe im Anhörungsverfahren vor dem Ausschuss für Gesundheit auf seine ausführliche
Stellungnahme verwiesen. In dieser habe er erneut explizit gefordert, dass "die Kostenträger während der stationären Behandlung
die Personal- und eventuellen zusätzlichen Fahrtkosten selbst beschaffter Kräfte übernehmen müssten und bei Mitaufnahme der
unterstützenden Personen die Leistungen nach §
37 SGB V nicht unterbrochen werden dürften". Es sei deshalb davon auszugehen, dass eine planwidrige gesetzliche Regelungslücke nicht
vorliege. Im Übrigen würde die Auslegung des Sozialgerichts dazu führen, dass Versicherte, die die Krankenpflege als Geldleistung
im Rahmen der Kostenerstattung oder als Teil eines trägerübergreifenden persönlichen Budgets denen gegenüber, die die Leistung
als Sachleistung erhielten, bevorzugt würden.
Hiergegen hat der Kläger am 31. Mai 2014 Klage beim Sozialgericht Kiel erhoben und zur Begründung darauf verwiesen, dass er
auch während des Krankenhausaufenthaltes der Betreuung durch die Pflegekräfte bedurft habe. So sei nach 3 Tagen ein Dekubitus
festgestellt worden. Außerdem sei er nach einigen Tagen an einer Lungenentzündung erkrankt. Auf der Intensivstation seien
die eingesetzten Kräfte des Krankenhauses nicht in der Lage gewesen, die Mikrolagerung vorzunehmen. Darüber hinaus sei eine
ständige Betreuung und Versorgung durch die ihm vertrauten Pflegekräfte erforderlich. Auch eine Kommunikation mit dem Pflegepersonal
und den betreuenden Ärzten im Krankenhaus sei nur mithilfe der Assistenzkräfte möglich gewesen.
Der Kläger hat beantragt,
den Bescheid der Beklagten vom 30. Mai 2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23. April 2014 aufzuheben und die Beklagte
zu verurteilen, die Kosten für die Assistenzpflege im Zeitraum vom 11. Mai 2013 bis 24. Juni 2013 in Höhe von 20.285,96 EUR
endgültig zu übernehmen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung hat sie auf den Inhalt ihrer Bescheide verwiesen.
Mit Urteil vom 13. Mai 2016 hat das Sozialgericht die angefochtenen Bescheide aufgehoben und die Beklagte verurteilt, die
Kosten für die Assistenzpflege im Zeitraum vom 11. Mai 2013 bis 24. Juni 2013 in Höhe von 20.285,86 EUR endgültig zu übernehmen.
Zur Begründung das Sozialgericht im Wesentlichen ausgeführt:
"Entgegen der Auffassung der Beklagten hat der Kläger einen Anspruch auf endgültige Übernahme der Kosten für die Assistenzpflege
während des stationären Aufenthaltes im Zeitraum 11. Mai bis 24. Juni 2013. Ein solcher Anspruch folgt aus einer entsprechenden
Anwendung des §
11 Abs.
3 SGB V.
Gemäß §
11 Abs.
3 SGB V in der Fassung des Gesetzes vom 20. Dezember 2012 umfassen die Leistungen bei stationärer Behandlung auch die Mitaufnahme
einer Pflegekraft, soweit Versicherte ihre Pflege nach § 66 Abs. 4 Satz 2 des 12. Buches durch von ihnen beschäftigte besondere
Pflegekräfte sicherstellen. In der Vorschrift hat der Gesetzgeber zugestanden, dass die im Krankenhaus geleistete Behandlungspflege
im Fall von Pflegebedürftigen unter Umständen nicht ausreichend ist. Das
SGB IX wurde gleichzeitig dahingehend geändert, dass Pflegegeld auch während der stationären Krankenhausbehandlung gezahlt wird,
grundsätzlich für vier Wochen, beim Arbeitgebermodell auch länger.
Für Empfänger von Leistungen zur Pflege nach dem SGB XII wurde bereits durch Gesetz vom 30. Juli 2009 ein Anspruch auf häusliche Pflegeleistungen in stationären Einrichtungen begründet,
soweit die Pflege durch vom Pflegebedürftigen beschäftigte besondere Pflegekräfte sichergestellt werden.
Seinem Wortlaut nach ist §
11 Abs.
3 SGB V zwar nur auf Empfänger von Hilfe zur Pflege nach dem SGB XII anwendbar. Nach Auffassung der Kammer enthält die Vorschrift jedoch lediglich einen Verweis auf das bereits im Juli 2009
im SGB XII verankerte Arbeitgebermodell und ist auch auf Versicherte zu übertragen, die eine vergleichbare Leistung nach den Vorschriften
der Hilfe zur Pflege im
SGB V erhalten.
Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus den Gesetzesmaterialien: In den Jahren 2006/2007 führte das Forum selbstbestimmter
assistenzbehinderter Menschen FoRseA e.V. unterstützt durch die Universität Witten/Herdecke eine Befragung zur Situation behinderter
Menschen mit Assistenzbedarf während stationärer Krankenhausbehandlung durch. Eine entsprechende Dokumentation wurde am 12.
September 2007 an die Beauftragte der Bundesregierung für die Belange behinderter Menschen K_______ E_______-M_______ übergeben.
Am 11. November 2008 wurde das Thema anlässlich einer Besprechung im BMG in Berlin aufgegriffen. Im Mai 2009 wurde ein Gesetzesentwurf vorgelegt. In der Folgezeit wurde in erster Linie kritisiert,
dass die Regelung nur für behinderte Arbeitgeber gelten sollte und außerdem, dass es nicht für den Aufenthalt in Kur- und
Rehabilitationseinrichtungen galt. Dies führte dazu, dass am 24. September 2012 der Entwurf eines Gesetzes zur Regelung des
Assistenzpflegebedarfs in stationären Vorsorge- oder Rehabilitationseinrichtungen vorgelegt wurde (Bundestagsdrucksache 17/19747).
Aus dem Gesetzentwurf (Bundestagsdrucksache 16/12855) ergibt sich kein Hinweis darauf, dass dort genannten Probleme nur Leistungsempfänger
nach dem SGB XII betreffen. Die Formulierung im ersten Absatz, wonach künftig gegen den jeweiligen Kostenträger ein Anspruch auf Übernahme
der Kosten für die Mitaufnahme der Pflegekräfte im Krankenhaus und auf Weiterzahlung der bisherigen Leistungen besteht, spricht
ebenfalls dafür, dass unabhängig von der Kostenträgerschaft eine Übernahme der Pflege im Krankenhaus erfolgen soll. So heißt
es unter Punkt d) finanzielle Auswirkungen des Gesetzes (Seite 2, 10): "Mehraufwendungen der gesetzlichen Krankenversicherung
infolge der Mitaufnahme von Pflegekräften für Versicherte mit einem besonderen pflegerischen Bedarf in das Krankenhaus sind
aufgrund der geringen Zahl und der nicht bekannten Verweildauer dieses Personenkreises nicht quantifizierbar." Diese Äußerung
bringt klar zum Ausdruck, dass ein finanzieller Mehraufwand der Krankenversicherung durch die Mitaufnahme von Pflegekräften
vorausgesetzt wird. Im allgemeinen Teil der Gesetzesbegründung (Seite 6) wird ausgeführt, die Assistenz von pflegebedürftigen
behinderten Personen umfasse die speziell wegen einer Behinderung notwendige und auf diese abgestellte besondere pflegerische
und persönliche Betreuung/Hilfe/Assistenz. Hiernach ist der eng begrenzte Kreis von Personen betroffen, die wegen ihrer Behinderung
für die Verrichtung im Ablauf des täglichen Lebens auf Dauer Hilfe bedürfen und die auf die Pflege die von ihnen ambulant
nach dem SGB XII Beschäftigten besonderen Pflegekräfte auch während einer stationären Krankenhausbehandlung angewiesen sind.
Die Kammer folgt aus den dargelegten Gründen der Rechtsauffassung des Landessozialgerichts Schleswig-Holstein.
Unter Bezugnahme auf diese Entscheidung hat auch das Landessozialgericht Berlin-Brandenburg in einem Eilverfahren mit Beschluss
vom 24. Juli 2014 (L 1 KR 246/14 ER) einen Anspruch auf Behandlungspflege auch während eines stationären Krankenhausaufenthaltes nicht als ausgeschlossen
erachtet. Das Sozialgericht habe zu Unrecht die Auffassung vertreten, aus der bestehenden Rechtslage ergebe sich eindeutig,
dass der vom Antragsteller geltend gemachte Anspruch auf besondere Bewilligung von Behandlungspflege während der der stationären
Aufnahme zur Behandlung im Krankenhaus nicht bestehen könne.
Der Anspruch ist auch in der geltend gemachten Höhe gegeben. Der Kläger hat im einstweiligen Rechtsschutzverfahren schlüssig
und nachvollziehbar die Höhe der im hier maßgeblichen Zeitraum entstandenen Lohnforderungen der Pflegekräfte zur Akte gereicht."
Gegen dieses der Beklagten am 26. September 2016 zugestellte Urteil richtet sich ihre Berufung, die am 25. Oktober 2016 bei
dem Schleswig-Holsteinischen Landessozialgericht eingegangen ist. Zur Begründung führt die Beklagte aus, dass entgegen der
Auffassung des Sozialgerichts §
11 Abs.
3 SGB V hier nicht entsprechend anwendbar sei. Voraussetzung für eine entsprechende Anwendung des §
11 Abs.
3 SGB V sei eine ungeplante gesetzliche Regelungslücke. Es sei richtig, dass diese Vorschrift ihrem Wortlaut nach nur auf Empfänger
von Hilfe zur Pflege nach dem SGB XII anwendbar sei. Eine Ausweitung dieser gesetzlichen Bestimmung auch auf Versicherte, die eine vergleichbare Leistung nach
den Vorschriften nach dem
SGB V erhielten, sei nicht nachvollziehbar. Aus der Entstehungsgeschichte der Norm ergebe sich, dass sich der Gesetzgeber mit der
Problematik befasst und sich bewusst gegen eine Kostenerstattung im Rahmen des
SGB V entschieden habe. Die Äußerung zur finanziellen Auswirkung des Gesetzes ("Mehraufwendungen der gesetzlichen Krankenversicherung
infolge der Mitaufnahme von Pflegekräften für Versicherte mit einem besonderen pflegerischen Bedarf in das Krankenhaus sind
aufgrund der geringen Zahl und der nicht bekannten Verweildauer dieses Personenkreises nicht quantifizierbar") lasse nicht
den gegenteiligen Schluss zu. Vielmehr sei zum damaligen Zeitpunkt lediglich das mögliche finanzielle Ausmaß nicht abschätzbar
gewesen. Wenn sich der Gesetzgeber für einen Anspruch auf Kostenerstattung unabhängig von der Kostenträgerschaft hätte entscheiden
wollen, so hätte es der Einschränkung in Abs.
3 des §
11 SGB V ("... soweit Versicherte ihre Pflege nach §
66 Abs. 4 Satz 2 des 12. Buches durch von ihnen beschäftigte besondere Pflegekräfte sicherstellen") nicht bedurft. Der Kläger
nehme häusliche Krankenpflege als Geldleistung in Anspruch. Würde dieser Kostenerstattungsanspruch auch während einer stationären
Krankenhausbehandlung weiter fortbestehen, so käme es zu einer Ungleichbehandlung mit Versicherten, die häusliche Krankenpflege
in Form von Sachleistung bezögen und deren Anspruch mit der Aufnahme in die stationäre Krankenhausbehandlung ende. Dies könne
vom Gesetzgeber nicht (stillschweigend) gewollt gewesen sein. Die Beklagte ist der Auffassung, dass wegen der grundsätzlichen
Bedeutung der Rechtssache die Revision zuzulassen sei.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Kiel vom 13. Mai 2016 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hält das Urteil des Sozialgerichts für zutreffend. Die Beklagte habe keine Belege dafür vorgetragen, dass der Gesetzgeber
sich bewusst gegen eine Kostenerstattung entschieden habe und deshalb kein Raum für eine ungewollte Regelungslücke sei. Eine
analoge Anwendung sei auch geboten, um ungleiche Sachverhalte nicht gleich anderen zu behandeln.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird Bezug genommen auf den Inhalt der
Gerichtsakten und der Verwaltungsakten der Beklagten sowie auf die Akten des Verfahrens im einstweiligen Rechtsschutz (S 10 KR 22/13 ER - L 5 KR 144/13 B ER). Diese Akten haben dem Senat vorgelegen und sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig; sie ist jedoch nicht begründet.
Das Urteil des Sozialgerichts ist nicht zu beanstanden. Der Senat nimmt zunächst auf die Entscheidungsgründe des Sozialgerichts
gemäß §
153 Abs.
2 SGG Bezug und stimmt dem Sozialgericht zu, dass vom Gesetzgeber mit dem Gesetz vom 30. Juli 2009 eine unbeabsichtigte Regelungslücke
hinsichtlich der Personen geschaffen wurde, die Leistungen nach §
37 SGB V in Form der häuslichen Krankenpflege erhalten. Zutreffend weist in diesem Zusammenhang das Sozialgericht auf die Gesetzesmaterialien
zu dieser Vorschrift hin. Diese verdeutlichen an mehreren Stellen, dass Ausgangspunkt des Gesetzes zunächst die allgemeine
Problematik der Fortsetzung einer Pflege während der stationären Behandlung im Krankenhaus war. So heißt es etwa bereits schon
zu Beginn des Gesetzentwurfes zu dem Gesetz (Bundestagsdrucksache 16/12.855 Seite 1): "In der Praxis mehren sich Hinweise,
wonach die betroffenen pflegebedürftigen Menschen mit Behinderungen, die ihre Pflege durch von Ihnen beschäftigte besondere
Pflegekräfte ambulant sicherstellen, bei einer stationären Behandlung im Krankenhaus in der Praxis oft Situationen ausgesetzt
seien, in denen sich die Klärung der notwendigen Assistenz und die Klärung der Finanzierung des Assistenzbedarfs als problematisch
erwiesen hat. Diese pflegebedürftigen Menschen mit Behinderungen, die ihre Pflege durch von ihnen selbst beschäftigte besondere
Pflegekräfte sicherstellen, haben während der Dauer eines Krankenhausaufenthalts keinen Anspruch gegen die jeweiligen Kostenträger
auf Mitaufnahme ihrer Pflegekräfte in das Krankenhaus und auf Weiterzahlung der bisherigen entsprechenden Leistungen auch
während der Dauer des Krankenhausaufenthaltes. Dies soll künftig geändert werden." Diese Situationsbeschreibung trifft zweifellos
auch auf die Personen zu, die Leistungen nach §
37 SGB V erhalten. Mit ihr widerspricht der Gesetzesentwurf der Einschätzung der Beklagten, dass die stationäre Behandlung alle Leistungen
umfasse, die für den aufgenommenen Patienten notwendig seien. Davon, dass dies gerade nicht der Fall ist, geht das Gesetz
zur Regelung des Assistenzpflegebedarfs im Krankenhaus aus. So heißt es etwa in den zitierten Materialien (a.a.O. Seite 6
unter A I): "Diese Änderungen sind auch vor dem Hintergrund der Grenzen stationärer Krankenhausbehandlung gemäß §
39 SGB V erforderlich. Die stationäre Krankenhausversorgung (zulasten der gesetzlichen Krankenversicherung) umfasst zwar sämtliche
Leistungen, die im Einzelfall nach Art und Schwere der Erkrankung für die medizinisch notwendige Versorgung des Patienten
erforderlich sind. Dies umfasst auch die zur akutstationär medizinischen Behandlung der Krankheit erforderliche Krankenpflege
nach §
39 Abs.
1 Satz 3
SGB V. Die notwendige besondere pflegerische Versorgung insbesondere von Schwerstbehinderten im Krankenhaus, soweit sie wegen der
Behinderung oder Pflegebedürftigkeit des Patienten erforderlich ist und nicht in einem ursächlichen Zusammenhang zu der im
Krankenhaus zu behandelnden Krankheit steht, geht hingegen in häufigeren Fallkonstellationen hinsichtlich ihrer Art und ihres
Umfangs über die für die stationäre Behandlung einer Krankheit erforderliche Krankenpflege hinaus." Diesen Umstand bestätigt
im Übrigen auch das Schreiben des F_______-E_______-Krankenhauses vom 12. Juni 2013. Der Hinweis der Beklagten, die Problematik
sei dem Gesetzgeber im Hinblick auf etwa Änderungsvorschläge der Fraktion Die Linke bewusst gewesen, greift nicht durch. Zwar
hat diese Fraktion eine Erweiterung der Vorschrift vorgeschlagen, allerdings bezog sich diese Erweiterung auf andere stationäre
Aufenthalte neben dem Krankenhaus wie zum Beispiel Heilkuren (vgl. Bundestagsdrucksache 16/13.417 Seite 5).
In Übereinstimmung mit dem Sozialgericht vermag der Senat auch keinen Unterschied zwischen der Personengruppe festzustellen,
die nach dem SGB XII ihre Pflege durch von Ihnen beschäftigte besondere Pflegekräfte ambulant sicherstellt gegenüber den Personen, die, wie der
Kläger, diese Pflege über §
37 SGB V erhält. Für eine unterschiedliche Behandlung dieser Personengruppen besteht keinerlei sachlicher Grund vor dem Hintergrund
des Gleichbehandlungsgebots nach Art.
3 Grundgesetz. Vielmehr hätte die Unterscheidung dieser Personengruppen zur Folge, dass die Personen, die mit einem entsprechenden Anspruch
nach §
37 SGB V gegenüber der Krankenkasse versichert sind, benachteiligt würden gegenüber den Personen, die über einen solchen Anspruch
nicht verfügen und ihre notwendige Pflege über die §§ 65, 66 SGB XII erhalten. Wäre der Kläger nicht krankenversichert, hätte er einen solchen Anspruch nach dem SGB XII und würde die begehrte Leistung über §
11 Abs.
3 SGB V erhalten. Träfe die ablehnende Rechtsauffassung der Beklagten zu, bestünde für den Fall des Klägers, der auch während des
Krankenhausaufenthaltes auf seine Pflegekräfte angewiesen ist, eine Versorgungslücke mit der Folge, dass ein Anspruch auf
die entsprechende Pflegeleistung nach §§ 65, 66 SGB XII grundsätzlich gegeben wäre, so dass letztlich doch in diesem Zusammenhang dann die Vorschrift des §
11 Abs.
3 SGB V Anwendung fände.