Überprüfung der Zulässigkeit der rückwirkenden Beitragserhebung in der Folge der Entscheidung des BAG über die Tariffähigkeit
der CZGP im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes im sozialgerichtlichen Verfahren
Gründe:
I. Die Antragstellerin begehrt im Rahmen eines Eilverfahrens die Anordnung der aufschiebenden Wirkung gegen den Beitragsbescheid
der Antragsgegnerin.
Die Antragstellerin betreibt in der Rechtsform einer GmbH ein Unternehmen im Bereich der Arbeitnehmerüberlassung. Sie verfügt
über eine Erlaubnis nach §
1 des
Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes (
AÜG). Die Leiharbeitnehmer waren im hier maßgebenden Zeitraum auf der Basis eines Tarifvertrages mit der CGZP und dem AMP/dem
BVD/dem AM beschäftigt.
Am 17. August 2011 führte die Antragsgegnerin bei der Antragstellerin eine Betriebsprüfung für die Zeit vom 1. Dezember 2005
bis 31. Dezember 2009 durch. Anlass war eine Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) vom 14. Dezember 2010 (1 ABR 19/10), die die Feststellung der Vorinstanzen, wonach die CGZP nicht tariffähig sei, bestätigt hatte. Nach Anhörung mit Schreiben
vom 8. November 2011 forderte die Antragsgegnerin von der Antragstellerin mit Bescheid vom 12. Dezember 2011 Beiträge zur
Sozialversicherung in Höhe von 58.322,63 EUR für den Prüfzeitraum nach. Zur Begründung führte sie aus, dass die Bestätigung
der Tarifunfähigkeit der CGZP durch das BAG zur Unwirksamkeit der von ihr geschlossenen Tarifverträge geführt habe. Damit
komme es zur Anwendung des §
10 Abs.
4 Satz 1
AÜG und dem darin enthaltenen Grundsatz des Equal-Pay, in dessen Folge die Leiharbeitnehmer, die auf der Basis eines solchen
Tarifvertrages tätig gewesen seien, von der Antragstellerin den Lohn beanspruchen könnten, der im Betrieb des Entleihers für
einen vergleichbaren Arbeitnehmer gezahlt worden sei. Dieser tatsächlich zustehende Lohn sei Bemessungsgrundlage für die Berechnung
der für diese Arbeitnehmer zu entrichtenden Sozialversicherungsbeiträge. Aufgrund des in §
22 Abs.
1 Satz 1 des
Vierten Sozialgesetzbuches (
SGB IV) enthaltenen Entstehungsprinzips komme es für die Beitragsansprüche nicht darauf an, ob die Arbeitnehmer den höheren Lohn
auch tatsächlich geltend machten. Der Beitragsanspruch entstehe insoweit automatisch mit dem arbeitsrechtlichen Vergütungsanspruch.
Zwar sei hier feststellbar, dass Arbeitsentgelte grundsätzlich bestimmten Beschäftigten zuzuordnen seien, jedoch sei vorliegend
die personenbezogene Ermittlung der geschuldeten Arbeitsentgelte aufgrund der großen Anzahl der zu prüfenden Beschäftigungsverhältnisse,
der zum Teil sehr kurzen Dauer der jeweiligen Beschäftigungsverhältnisse, der Anzahl der Entleiher und der Dauer der jeweiligen
Überlassungszeiträume im Prüfzeitraum - wenn überhaupt - nur mit unverhältnismäßig großem Aufwand möglich. Denn in der streitigen
Zeit hätten insgesamt 190 Beschäftigungsverhältnisse vorgelegen, wobei eine große Anzahl lediglich bis zu drei Monaten gedauert
habe. Die Überlassung der Mitarbeiter sei an einen Entleiher erfolgt. Die maßgeblichen Arbeitsentgelte seien daher nach §
28f Abs.
2 Satz 3
SGB IV geschätzt worden. Dabei sei so verfahren worden, dass auf der Basis der geleisteten Gesamtstunden aller Beschäftigten die
Bruttolohnsumme ermittelt worden sei. Die Gruppenlohnsummen seien um Lohnzahlungen aufgrund von Zeiten, in denen kein Equal-Pay-Anspruch
bestanden habe, bereinigt worden. Die tatsächlichen Arbeitsentgelte vergleichbarer Arbeitnehmer des Entleihers seien ermittelt
worden (Schreiben der H.L.GmbH vom 14. September 2011). Es sei ein Durchschnittswert je Gruppe gebildet worden. Daraus hätten
sich verschiedene prozentuale Lohnabstände zu den vergleichbaren Stammarbeitnehmern ergeben. Die prozentualen Durchschnittswerte
seien zur Ermittlung der Arbeitsentgeltdifferenz auf alle Leiharbeitnehmer angewendet worden. Für die Arbeitnehmer seien die
erforderlichen Meldungen zu berichtigen. Soweit hier festgestellt worden sei, dass für einen oder mehrere Beschäftigte jeweils
Beiträge nachzuerheben seien, sei die Antragstellerin zur Erstattung einer Meldung für jeden dieser Beschäftigten verpflichtet.
Von einer Verjährung der Ansprüche könne nicht ausgegangen werden, da Ansprüche auf vorsätzlich vorenthaltene Beiträge erst
in 30 Jahren verjährten und Vorsatz mit der Entscheidung des BAG vom 14. Dezember 2010 spätestens vorgelegen habe. Im Übrigen
hätten auch die Deutsche Rentenversicherung Bund in ihrer Presseerklärung vom 21. Dezember 2010 und die Antragsgegnerin mit
Anschreiben vom 22. Dezember 2010 fristwahrend Ansprüche auf entgangene Sozialversicherungsbeiträge geltend gemacht. Weiterhin
sei zu berücksichtigen, dass bereits im Rahmen der letzten turnusmäßigen Betriebsprüfung (begonnen am 26. November 2010 in
den Räumlichkeiten des Steuerberaters Löwenberg) auf die Beschlüsse des Arbeitsgerichts Berlin und des Landesarbeitsgerichts
Berlin zur Tarifunfähigkeit der CGZP und auch das anhängige Verfahren vor dem BAG hingewiesen worden sei.
Gegen den Bescheid erhob die Antragstellerin mit Schreiben vom 22. Dezember 2011 Widerspruch. Zur Begründung führte sie aus,
der Beschluss des BAG vom 14. Dezember 2010 gelte nur für die Gegenwart und Zukunft. Eine rückwirkende Nichtigkeit der in
Rede stehenden Tarifverträge komme ebenfalls nicht in Betracht. Die insoweit angeführte Entscheidung des BAG vom 15. November
2006 habe sich nicht auf eine Spitzenorganisation im Sinne des § 2 Abs. 3 des Tarifvertragsgesetzes, sondern auf die Tariffähigkeit einer Gewerkschaft, deren Fehlen rechtskräftig vergangenheitsbezogen festgestellt worden
sei, bezogen. Auch Gedanken des Vertrauensschutzes und der Rechtssicherheit bezogen auf die Tariffähigkeit der CGZP stünden
gegen eine rückwirkende Aufhebung des Tarifvertrages. Außerdem werde die Verjährungseinrede erhoben. Zudem habe es schon in
der Vergangenheit Betriebsprüfungen gegeben, die ohne Anwendung der §§ 45, 48 des Zehnten Sozialgesetzbuches (SGB X) nicht verändert werden könnten. Im Rahmen der Betriebsprüfung und der durchgeführten Schätzungen sei zudem darauf hingewiesen
worden, dass allenfalls ein Betrag in Höhe von 23.903,33 EUR als Nachzahlungsbetrag in Betracht käme. Die Aufbringung des
jetzt eingeforderten Beitrages würde die Existenz der Antragstellerin in Frage stellen.
Die Antragstellerin hat am 22. Dezember 2011 beim Sozialgericht Kiel die Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihres Rechtsmittels
gegen den Beitragsbescheid beantragt und die Begründung des Widerspruchs wiederholt.
Die Antragsgegnerin hat ihre Auffassung aus dem angefochtenen Bescheid wiederholt. Das Sozialgericht hat mit Beschluss vom
17. Januar 2012 die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs gegen den Beitragsbescheid angeordnet und zur Begründung ausgeführt,
es bestünden erhebliche Zweifel daran, dass der Beschluss des BAG auch für die Vergangenheit Rechtswirkungen entfalte. Der
Entscheidung selbst sei eine solche Rechtsfolge nicht zu entnehmen, eine höchstrichterliche Klärung dieser Frage bisher nicht
erfolgt. Der wohl überwiegende Teil der hierzu ergangenen Rechtsprechung gehe dementsprechend davon aus, dass Rückschlüsse
für die Vergangenheit aus der Entscheidung des BAG nicht zu ziehen seien.
Gegen den Beschluss richtet sich die Beschwerde der Antragsgegnerin, eingegangen beim Schleswig-Holsteinischen Landessozialgericht
am 20. Januar 2012. Zur Begründung trägt sie vor: Eine erneute Entscheidung durch das BAG sei nicht notwendig. Aus den Gründen
der Entscheidung des BAG folge, dass die fehlende Tariffähigkeit der CGZP auf entsprechenden Satzungsmängeln beruhe, die auch
schon vor der Entscheidung des BAG im Dezember gegolten hätten.
Die Antragstellerin wiederholt ihre Auffassung, das BAG habe in dem Beschluss vom 14. Dezember 2010 nur festgestellt, dass
die CGZP gegenwartsbezogen nicht tariffähig sei. Ein Vergangenheitsbezug sei ausdrücklich nicht getroffen worden. Bei zurückliegendem
Zeitraum werde das BAG allgemeine Vertrauensschutzgesichtspunkte berücksichtigen müssen. Hier gebe es Parallelen zu dem Rechtsinstitut
des fehlerhaften Arbeitsverhältnisses, der fehlerhaften Betriebsvereinbarung und der fehlerhaften Gesellschaft. In Parallelwertung
zu diesen allgemein anerkannten Rechtsinstituten könne die Nichtigkeit bei einem in Vollzug gesetzten Tarifvertrag lediglich
ex nunc geltend gemacht werden. Außerdem gelte bei einer rückwirkenden Anwendung einer geänderten höchstrichterlichen Rechtsprechung
ein Rückwirkungsverbot.
Die Antragsgegnerin hat mit Widerspruchsbescheid vom 3. Februar 2012 den Widerspruch der Antragstellerin gegen den Beitragsbescheid
zurückgewiesen und im Wesentlichen ihre Begründung wiederholt. Ergänzend hat sie ausgeführt, dass vorangegangene Betriebsprüfungen
im Prüfzeitraum unberücksichtigt zu bleiben hätten. Die Entscheidung des Bayerischen Landessozialgerichts widerspreche der
ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts. Auf Vertrauen könnten sich danach Arbeitgeber aus solchen Betriebsprüfungen
nicht berufen.
Die Antragsgegnerin hat die Auffassung vertreten, dass mit dem Erlass des Widerspruchsbescheides auch die vom Sozialgericht
festgestellte aufschiebende Wirkung des Widerspruchs ende und dieser damit keine Wirkung für die erhobene Klage entfalte.
Hinsichtlich der weiteren Begründung wird auf das Verfahren L 5 KR 47/12 B ER verwiesen. Das gilt auch für die hierzu vertretene Auffassung der Antragstellerin.
II. Die form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde ist zulässig, aber unbegründet. In Übereinstimmung mit dem Sozialgericht
geht der beschließende Senat davon aus, dass aufgrund ernstlicher Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Beitragsbescheides die
aufschiebende Wirkung der Klage gegen diesen Bescheid anzuordnen ist.
Der gerichtlichen Entscheidung des Senats über die Beschwerde steht nicht entgegen, dass nach Erlass des angefochtenen Beschlusses
des Sozialgerichts der Widerspruchsbescheid der Antragsgegnerin mit Datum 3. Februar 2012 erlassen wurde. Die nach §
86b Abs.
1 Satz 1 Nr.
2 Sozialgerichtsgesetz (
SGG) gerichtlich angeordnete aufschiebende Wirkung erlischt - soweit sie wie hier nicht befristet wurde - erst mit Eintritt der
Unanfechtbarkeit des zugrunde liegenden Bescheides bzw. Widerspruchsbescheides. Darauf hat der Senat in dem Beschluss vom
gleichen Tag mit den gleichen Beteiligten (L 5 KR 47/12 B ER) hingewiesen. Auf die Gründe dort wird wegen der weiteren Einzelheiten verwiesen.
Wie das Sozialgericht in dem angefochtenen Beschluss zutreffend ausführt, orientiert sich die Entscheidung darüber, ob die
aufschiebende Wirkung der Klage anzuordnen ist, an der Vorschrift des §
86b Abs.
1 Satz 1 Nr.
2 SGG. Danach kann das Gericht der Hauptsache in den Fällen, in denen Widerspruch oder Anfechtungsklage keine aufschiebende Wirkung
haben, die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise anordnen. Die Anfechtungsklage hat hier nach §
86a Abs.
1 Satz 1
SGG keine aufschiebende Wirkung, weil diese gemäß §
86a Abs.
2 Nr.
1 SGG entfällt. Der angefochtene Bescheid enthält nämlich eine Entscheidung über die Beitragspflicht sowie die Anforderung von
Beiträgen.
Nach §
86a Abs.
3 Satz 2
SGG soll in den Fällen des Abs. 2 Nr. 1 die Aussetzung der Vollziehung erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit
des angegriffenen Verwaltungsaktes bestehen oder wenn die Vollziehung für den Abgaben- oder Kostenpflichtigen eine unbillige,
nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte. Zwar richten sich diese Voraussetzungen an
die Herstellung der aufschiebenden Wirkung durch die Stelle, die den Verwaltungsakt erlassen oder die über den Widerspruch
zu entscheiden hat. Sie finden jedoch nach der sozialgerichtlichen Rechtsprechung auch auf die gerichtliche Entscheidung Anwendung
(vgl. etwa Beschluss des Senats vom 6. Februar 2012 - L 5 KR 7/12 B ER). Ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsaktes bestehen nach ganz überwiegender Auffassung
dann, wenn der Erfolg des Rechtsbehelfs wahrscheinlicher ist als der Misserfolg. Hinsichtlich des dabei notwendigen Überzeugungsgrades
bezüglich der zu klärenden Rechtsfragen ist dabei zu beachten, dass es nach Sinn und Zweck des Eilverfahrens grundsätzlich
nicht Aufgabe der Gerichte sein kann, schon im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes eine umfassende rechtliche Prüfung
der Hauptsache vorzunehmen; denn damit würde die Effektivität dieses Verfahrens und damit das gerichtliche Rechtsschutzinteresse
insgesamt geschwächt (vgl. Krodel, Das sozialgerichtliche Eilverfahren, 2. Aufl., Rz. 220). Dies gilt insbesondere bei einer
unzureichenden Tatsachengrundlage oder bei schwierigen Rechtsfragen, bei denen eine abschließende rechtliche Prüfung in einem
Eilverfahren gar nicht möglich ist. Vor diesem Hintergrund und der im Eilverfahren vorzunehmenden Interessenabwägung zwischen
dem öffentlichen Interesse am Sofortvollzug und dem Aussetzungsinteresse des Antragstellers kann eine Anordnung der aufschiebenden
Wirkung eines Rechtsmittels nach §
86b Abs.
1 Nr.
2 SGG nach Auffassung des beschließenden Senats auch dann erfolgen, wenn die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsaktes
von einer Mehrzahl von Voraussetzungen abhängt, deren Prüfung die Klärung schwieriger Rechtsfragen beinhaltet. Von einem solchen
Fall geht der Senat hier aus mit dem Ergebnis, dass die Entscheidung des Sozialgerichts, die aufschiebende Wirkung der Anfechtungsklage
anzuordnen, zu bestätigen ist.
Zutreffend weist das Sozialgericht auf das Arbeitsentgelt im Sinne des §
14 SGB IV als Bemessungsgrundlage für den vom Arbeitgeber geschuldeten Gesamtsozialversicherungsbeitrag hin. Zum Arbeitsentgelt gehören
nach Maßgabe des §
14 Abs.
1 Satz 1
SGB IV alle laufenden oder einmaligen Einnahmen aus einer Beschäftigung, gleichgültig, ob ein Rechtsanspruch auf die Einnahmen besteht,
unter welcher Bezeichnung oder in welcher Form sie geleistet werden und ob sie unmittelbar aus der Beschäftigung oder im Zusammenhang
mit dieser erzielt werden. Damit ist für die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Beitragsbescheides zunächst die Höhe der Entgeltansprüche
der Leiharbeitnehmer im hier streitigen Zeitraummaßgeblich. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Antragstellerin gewerbsmäßige
Arbeitnehmerüberlassung nach dem
AÜG betreibt. Nach §
10 Abs.
4 AÜG ist der Verleiher (hier die Antragstellerin) verpflichtet, dem Leiharbeitnehmer für die Zeit der Überlassung an den Entleiher
die im Betrieb des Entleihers für einen vergleichbaren Arbeitnehmer des Entleihers geltenden wesentlichen Arbeitsbedingungen
einschließlich des Arbeitsentgelts zu gewähren (sog. Equal-Pay/Equal-Treatment). Soweit ein auf das Arbeitsverhältnis anzuwendender
Tarifvertrag abweichende Regelungen trifft (§
3 Abs.
1 Nr.
3, §
9 Nr.
2 AÜG), hat der Verleiher dem Leiharbeitnehmer die nach diesem Tarifvertrag geschuldeten Arbeitsbedingungen zu gewähren.
Im hier maßgeblichen Zeitraum erfolgte die Entlohnung der Arbeitnehmer der Antragstellerin auf der Basis eines Tarifvertrages
mit der CGZP und dem AMP/BVD. Allerdings hat das BAG mit Beschluss vom 14. Dezember 2010 die CGZP für tarifunfähig erklärt
mit der Folge, dass die von ihr geschlossenen Tarifverträge unwirksam sind. Weitere Folge dieser Unwirksamkeit ist, dass Leiharbeitnehmer,
die bisher auf der Basis eines solchen Tarifvertrages beschäftigt waren, fortan nach dem Equal-Pay Grundsatz zu entlohnen
sind. Dabei hat das BAG der CGZP die Eigenschaft als tariffähige Arbeitnehmervereinigung im Sinne von § 2 Abs. 1 Tarifvertragsgesetz (TVG) abgesprochen und die Eigenschaft als tariffähige Spitzenorganisation gemäß § 2 Abs. 3 TVG verneint. Allerdings hat das BAG, worauf die Antragstellerin zutreffend hinweist, in dem Beschluss nur festgestellt, dass
die CGZP gegenwartsbezogen nicht tariffähig ist. Es hat sich dabei ausdrücklich an dem Antrag der Beteiligten orientiert und
diese ausdrücklich als nichtvergangenheitsbezogen angesehen (BAG aaO.Rz. 33). In diesem Sinne geht auch die überwiegende Auffassung
der Landesarbeitsgerichte davon aus, dass die Entscheidung des BAG keine ex tunc-Wirkung hat (hinsichtlich der Nachweise s.
Seite 6 des angefochtenen Beschlusses; anderer Ansicht: LAG Berlin-Brandenburg, 20. September 2011 - 7 SA 1318/11 - und LAG
Sachsen-Anhalt, 2. November 2011 - 4 TA 130/11). Zwar wird vor dem Hintergrund, dass die maßgebende Satzungsbestimmung der
CGZP sich bereits in der Satzung aus dem Jahre 2005 findet und dem Umstand, dass im sozialgerichtlichen Eilverfahren zur Entscheidung
über den Sofortvollzug von Beitragsnachforderungen die rechtskräftige Feststellung der Tarifunfähigkeit für den Zeitraum vor
der Entscheidung des BAG nicht abzuwarten ist, die Auffassung vertreten, dass der Gegenwartsbezug in der BAG-Entscheidung
der Nacherhebung von Sozialversicherungsbeiträgen für die Zeit davor nicht entgegenstehe (Bayerisches LSG, 22. März 2012 -
L 5 R 138/12 B ER; SG Stralsund, 5. März 2012 - S 3 R 80/12 ER; SG Dortmund, 23. Januar 2012 - S 25 R 2507/11 ER; SG Hamburg, 9. Januar 2012 - S 11 R 1354/11 ER). Andere Sozialgerichte schließen sich allerdings der überwiegenden Auffassung der Landesarbeitsgerichte an und gehen
bei der Entscheidung des BAG von einer Feststellung einer nur gegenwartsbezogenen Tarifunfähigkeit der CGZP aus, wie es auch
das Sozialgericht in dem angefochtenen Beschluss getan hat (SG Hamburg, 18. November 2011 - S 51 R 1149/11 ER; SG Duisburg, 18. November 2012 - S 21 R 1564/11 ER; SG Stade, 7. Februar 2012 - S 1 KR 279/11 ER; s. a. Friemel, NZS 2011, 851).
Insbesondere in der Literatur wird eine Wirkung des BAG-Beschlusses für die zurückliegende Zeit mit unterschiedlichen dogmatischen
Ansätzen verneint. So setzt ein Teil der Literatur (Plagemann/Brandt, NJW 1022, 1488 ff.; Tuengerthal, BB 2011, 2939 ff.;Rieble/Vielmeier, ZIP 2011, 1 ff.) daran an, dass bei "Equal-Pay" Ansprüchen, die bis zur Entscheidung des BAG noch nicht entstanden seien, nicht das grundsätzlich
für den Beitragsanspruch geltende Entstehungsprinzip des §
22 Abs.
1 Satz 1
SGB IV gelte, sondern das nach §
22 Abs.
2 Satz 2
SGB IV bestimmte Zuflussprinzip.
Von nicht unerheblichem Gewicht bei der Gesamtabwägung ist die Auffassung, die aus Vertrauensgesichtspunkten eine rückwirkende
Aufhebung eines Tarifvertrages ausschließt (s. dazu Friemel, aaO.; SG Duisburg, aaO.; SG Stade aaO.). Zwar wird dem Vertrauensgesichtspunkt
von der Gegenauffassung die Entscheidung des BAG vom 15. November 2006 (10 AZR 665/05) entgegengehalten. Fraglich ist jedoch bereits, ob diese Entscheidung auf den vorliegenden Fall Anwendung findet (s. dazu
SG Hamburg, 18. November 2011, aaO., Rz. 9). Darüber hinaus werden von der einen Vertrauensschutz befürwortenden Meinung verschiedene
dogmatische Ansatzpunkte als Grundlage vertreten. So weisen die Sozialgerichte Duisburg (aaO.) und Köln (15. Februar 2012
- S 7 R 1921/11 ER) darauf hin, dass den Neuerungen in der BAG-Entscheidung vom 14. Dezember 2010 gesetzesgleiche Wirkung in Form einer Änderung
des Rechts zukomme mit der weiteren Einschränkung, dass insoweit eine Rückwirkung grundsätzlich ausgeschlossen sei. Andere
(Friemel, aaO.) leiten den Vertrauensschutz daraus ab, dass, solange einer Organisation die Tariffähigkeit nicht gemäß § 2a
Abs. 1 Nr. 4, § 97 des Arbeitsgerichtgesetzes rechtskräftig abgesprochen worden sei, das Vertrauen in die Tariffähigkeit schutzwürdig
sei (so unter Hinweis auf Schöne, DB 2004, 136/137). Anderenfalls hätte dies eine massive Verunsicherung des Rechtverkehrs
zur Folge, die die Bildung von Koalitionen behindern und das Vertrauen an die Tarifparteien insgesamt nachhaltig beschädigten.
In diesem Zusammenhang wird eine rückwirkende Unwirksamkeit des Tarifvertrages auch unter entsprechender Anwendung der Lehre
vom fehlerhaften Arbeitsvertrages bzw. von der fehlerhaften Gesellschaft verneint (sog. fehlerhafter Tarifvertrag). Diese
in der Rechtsprechung entwickelten Instrumentarien dienen dazu, Rückabwicklungsschwierigkeiten in einem Dauerschuldverhältnis
weitestgehend zu vermeiden. Für eine entsprechende Anwendung auf Tarifverträge sprechen Vertrauens- und Verkehrsschutz, letzterer
insbesondere im Hinblick auf die Normqualität der Tarifverträge, Rückabwicklungsschwierigkeiten insbesondere bei enger Regelungsdichte
und Schutz der Vertragsparteien, die sich auf die Rechtmäßigkeit der Tarifverträge, an denen sie regelmäßig selbst nicht beteiligt
sind, verlassen haben. Insoweit stimmen die Interessenlagen beim fehlerhaften Arbeitsverhältnis und der fehlerhaften Gesellschaft
mit denen beim Tarifvertag überein. In diesem Zusammenhang darf auch nicht übersehen werden, dass eine Anwendung der Lehre
des fehlerhaften Vertrages auf Tarifverträge grundsätzlich beiden Vertagsparteien dient. Regelmäßig beinhalten Tarifverträge
eine Besserstellung des Arbeitnehmers. Bei einer Nichtigkeit ex tunc würde diese Besserstellung rückwirkend mit der Folge
wegfallen, dass vom Arbeitnehmer Leistungen an den Arbeitgeber zurückzugewähren wären. Vor diesem Hintergrund ist der Senat
der Auffassung, dass gute Gründe dafür sprechen, das Instrument des fehlerhaften Tarifvertrages ähnlich der Rechtsprechung
zu dem fehlerhaften Arbeitsvertrag und der fehlerhaften Gesellschaft anzuwenden.
Neben insbesondere arbeitsrechtlichen Bedenken an einer rückwirkenden Erhöhung des Lohnes als Grundlage einer rückwirkenden
Beitragserhöhung bestehen auch nicht unerhebliche Bedenken an der Rechtmäßigkeit der rückwirkenden Beitragsforderung aus sozialrechtlichen
Vorschriften. Solche Bedenken ergeben sich insbesondere aus dem Vorgehen der Antragsgegnerin nach §
28f Abs.
2 SGB IV. Zum einen ist dem Beitragsbescheid keine auf die einzelnen Arbeitnehmer bezogene Nachberechnung zu entnehmen. Zum anderen
beruft sich die Antragsgegnerin ausdrücklich auf eine Schätzung zur Ermittlung des nachträglich höheren Lohnanspruchs und
damit gleichzeitig zur Ermittlung der Beitragsnachforderung. Sie begründet dies damit, dass vorliegend die personenbezogenen
Ermittlungen der jeweils geschuldeten Arbeitsentgelte - wenn überhaupt - nur mit unverhältnismäßig großem Aufwand möglich
sei. Grund sei die hohe Anzahl der Beschäftigungsverhältnisse (190), die in großer Anzahl bis zu drei Monaten gedauert hätten
und die Überlassung zudem an diverse Entleiher erfolgt sei. Grundvoraussetzung eines Vorgehens nach §
28f Abs.
2 SGB IV ist jedoch, dass der Arbeitgeber seine Aufzeichnungspflicht nicht ordnungsgemäß erfüllt hat und dadurch die Versicherungs-
oder Beitragspflicht oder die Beitragshöhe nicht festgestellt werden kann. Diese Voraussetzung der Verletzung der Aufzeichnungspflicht
gilt nicht nur für den in Satz 1 der Vorschrift bestimmten so genannten Lohnsummenbescheid, sondern ist auch Voraussetzung
für die Schätzungsbefugnis des Satzes 3 (LSG Baden-Württemberg, 18. Mai 2011 - L 4 KR 4448/99 = NZS 2002, 96; Baier in Krauskopf, Soziale Krankenversicherung und Pflegeversicherung, §
28f SGB IV Rz. 13; Seewald in Kasseler Kommentar, §
28f Rz. 10; Rieble/Vielmeyer aaO. S. 15f.). So soll die Schätzungsbefugnis die Pflichtverletzung des Arbeitgebers kompensieren,
der entgegen §
28f Abs.
1 SGB IV keine ordnungsgemäßen Aufzeichnungen geführt hat. Hat also der Arbeitgeber ordnungsgemäße Aufzeichnungen geführt, fehlt es
an der grundlegenden Voraussetzung eines Vorgehens nach §
28f Abs.
2 SGB IV.
Eine solche Verletzung der Aufzeichnungspflicht wirft die Antragsgegnerin dem Antragsteller jedoch nicht vor. Sie ist vorliegend
auch nach dem derzeitigen Sach- und Streitstand nicht erkennbar. Für die Antragstellerin bestand als Arbeitgeberin kein Anlass
dafür, personenbezogen die jeweiligen vergleichbaren Lohnansprüche der festangestellten Arbeitnehmer aufzuzeigen. Jedenfalls
bis zu der Entscheidung des BAG am 14. Dezember 2010 bestand insoweit keine Veranlassung für die Verleiher von Leiharbeitnehmern
und damit auch hier für die Antragstellerin.
Die Nachforderung von Beiträgen für einen Zeitraum, der zuvor Gegenstand einer früheren Betriebsprüfung gewesen war, kann
nach Auffassung des LSG Bayern (18. Januar 2011 - L 5 R 752/08) nur nach § 45 Sozialgesetzbuch, Zehntes Buch (SGB X) erfolgen (so auch SG Dortmund, aaO.). Nach dem derzeitigen Sach- und Streitstand vermag der Senat nicht zu erkennen, ob
eine entsprechende Prüfung bei der Antragstellerin für den hier streitigen Zeitraum erfolgte und ob daher eine Auseinandersetzung
mit der Auffassung des LSG Bayern zu erfolgen hat. Insoweit verweist die Antragstellerin zwar auf die Entscheidung des LSG
Bayern, legt allerdings keinen entsprechenden Prüfbescheid vor. Die Antragsgegnerin nimmt Bezug auf eine Betriebsprüfung im
November 2010. Hier wird im Hauptsacheverfahren eine Klärung zu erfolgen haben.
Weiterhin wird zu klären sein, ob die Antragsgegnerin lediglich die Zeit berücksichtigt hat, in denen ein Leihverhältnis bestand
oder ob der gesamte Zeitraum berücksichtigt wurde.
Hinsichtlich einer teilweisen Verjährung (hier des Jahres 2006) wird vertreten, dass eine Verlängerung der vierjährigen Verjährungsfrist
vor 2011 nicht eingetreten sei. Diese setze nämlich zumindest bedingten Vorsatz voraus, der frühestens, wenn überhaupt, bei
Vorliegen der Entscheidungsgründe der BAG-Entscheidung vom 14. Dezember 2010 im Jahre 2011 eingesetzt habe.
Daneben ist die Antragsgegnerin in den angefochtenen Beschlüssen nicht mehr auf die Einwände der Antragstellerin gegenüber
der Höhe der Beitragsforderung eingegangen.
Vor diesem Hintergrund der außerordentlich komplexen (arbeits- und sozialrechtlichen) und schwierigen Rechtslage, die sich
auch in der weitestgehend identischen Anzahl der die jeweiligen Aussetzungsanträge entsprechenden und ablehnenden sozialgerichtlichen
Entscheidungen widerspiegelt (nach Lambrich vom 19. März 2012 - in www.haufe.de/personal, dort unter "CGZP: Vertrauensschutz
ist das wichtigste Argument" - existierten zum damaligen Zeitpunkt 18 sozialgerichtliche Entscheidungen, "der Zwischenstand
ist unentschieden 9 : 9"), sieht der Senat eine abschließende rechtliche Prüfung im einstweiligen Rechtsschutzverfahren nicht
für möglich an und bestätigt im Rahmen der durchzuführenden Interessenabwägung wegen der zahlreichen Argumente gegen eine
Rechtmäßigkeit der hier vorgenommenen rückwirkenden Beitragserhebung die Entscheidung des Sozialgerichts, die aufschiebende
Wirkung der Klage anzuordnen.
Der beschließende Senat nimmt bei Entscheidungen im einstweiligen Rechtsschutz bei der Bemessung des Streitwertes regelmäßig
einen Abschlag vor, und zwar im Hinblick auf die Vorläufigkeit der Entscheidung auf ein Drittel des im Hauptsacheverfahren
streitigen Betrages (vgl. etwa Beschluss vom 27. März 2012 - L 5 KR 27/12 B ER). Bei diesem Betrag ist von den im streitgegenständlichen Bescheid der Antragsgegnerin geforderten 58.322,63 EUR auszugehen.
Daraus folgt ein Streitwert von 19.440,88 EUR.
Dieser Beschluss ist nicht mit der Beschwerde anfechtbar (§
177 SGG).