Vergütung von Rechtsanwälten im sozialgerichtlichen Verfahren; Vorliegen derselben Angelegenheit im Sinne des Gebührenrechts
bei zum Gegenstand des Klageverfahrens gewordenen Bescheiden; Erledigungsgebühr bei Annahme eines Teilanerkenntnisses
Gründe:
I.
Zwischen den Beteiligten ist die Höhe der Rechtsanwaltsgebühren für ein Klageverfahren vor dem Sozialgericht Gotha (SG) streitig (S 25 AS 5988/10). Dort hatte sich der von der Beschwerdeführerin vertretene Kläger am 5. August 2010 gegen die Höhe der Leistungen für die
Zeit vom 1. Mai bis 31. Oktober 2010 im Bescheid der Beklagten - einer Grundsicherung - vom 15. April 2010 in Gestalt des
Widerspruchsbescheids vom 8. Juli 2010 gewandt und allgemein mit einer fehlerhaften Berechnung der Kosten der Unterkunft und
einem Verstoß gegen die Rundungsvorschrift des § 41 Abs. 2 des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch (SGB II) begründet. Unter dem 17. Februar 2011 begehrte er im Verfahren zusätzlich die Übernahme von Aufwendungen für ein Widerspruchsverfahren
(Widerspruchsbescheid vom 24. Januar 2011) gegen einen Aufhebungsbescheid vom 20. Oktober 2010 (wegen Wegfalls der Hilfebedürftigkeit
ab 13. September 2010) und führte aus, er habe aus Gründen der anwaltlichen Sorgfaltspflicht wegen der (fehlerhaften) Rechtsbehelfsbelehrung
gegen den Bescheid vorsorglich gesondert vorgehen müssen. Am 21. Februar 2011 erhob die Beschwerdeführerin für den Kläger
weitere Klagen:
- S 25 AS 1191/11: Kostenerstattung für das Widerspruchsverfahren gegen den Bescheid vom 20. Oktober 2010 (Widerspruchsbescheid vom 24. Januar
2011);
- S 25 AS 1192/11: Ablehnung eines Antrags auf einen Zuschuss zu Kosten für Unterkunft und Heizung mit Bescheid vom 20. Oktober 2010 in Gestalt
des Widerspruchsbescheids vom 24. Januar 2011;
- S 25 AS 1193/11: Aufhebung der Leistungen für die Zeit vom 13. September bis 31. Oktober 2010 und Rückforderung von 738,80 Euro mit Bescheid
vom 25. November 2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 24. Januar 2011;
- S 25 AS 1194/11: Bescheid vom 25. November 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 24. Januar 2011 hinsichtlich der Höhe der Leistungen
vom 12. November 2010 bis 31. Mai 2011.
Im Erörterungstermin vom 1. Februar 2012 verhandelte das SG von 10:35 Uhr bis 11:47 Uhr folgende Verfahren des Klägers: S 25 AS 5988/10, S 25 AS 8646/10 (Rücknahme von Bescheiden für die Zeit 1. Januar 2007 bis 30. November 2009), S 25 AS 1191/11, S 25 AS 1192/11, S 25 AS 1193/11, S 25 AS 1194/11. Im Verfahren S 25 AS 5988/10 bewilligte es dem Kläger Prozesskostenhilfe (PKH) und ordnete die Beschwerdeführerin bei. Nach der Niederschrift wies die
Kammervorsitzende danach darauf hin, dass die Rechtsbehelfsbelehrungen "in den Bescheiden vom 20. Oktober und vom 25. November
2010" falsch waren, weil beide Bescheide Gegenstand des Klageverfahrens S 25 AS 5988/10 geworden waren. Daraufhin erklärte sich die Vertreterin der Beklagten bereit, die notwendigen außergerichtlichen Kosten des
Klägers im Verfahren S 25 AS 5988/10 zu 1/3 zu tragen. Der Kläger nahm nach der Niederschrift das "Kostenanerkenntnis" an, erklärte den Rechtsstreit für erledigt
und nahm die Klagen S 25 AS 1191/11 und S 25 AS 1193/11 zurück und anschließend auch die Klage S 25 AS 1192/11 zurück.
In ihrer "PKH-Abrechnung" vom 22. Februar 2012 machte die Beschwerdeführerin für das Klageverfahren S 25 AS 5988/10 Gebühren in Höhe von 868,70 Euro geltend:
Verfahrensgebühr gemäß Nr. 3103 VV-RVG §§ 45, 49 RVG (Erhöhung wegen zwei weiteren Verfahren S 25 AS 1191/11, S 25 AS 1193/11)
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320,00 Euro
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Terminsgebühr 3106 VV-RVG, §§ 45, 49 RVG
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200,00 Euro
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Einigungsgebühr Nr. 1006 VV-RVG, §§ 45,49 RVG
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190,00 Euro
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Post- und Telekommunikation
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20,00 Euro
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Zwischensumme
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730,00 Euro
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Umsatzsteuer
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138,70 Euro
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Gesamtbetrag
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868,70 Euro
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Nach Einholung einer Stellungnahme der Beklagten setzte der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle (UdG) mit Beschluss vom 10.
Mai 2012 die Rechtsanwaltsgebühren auf 243,95 Euro fest:
Verfahrensgebühr Nr. 3103 VV-RVG
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85,00 Euro
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Terminsgebühr Nr. 3106 VV-RVG
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100,00 Euro
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Post- und Telekommunikation
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20,00 Euro
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Zwischensumme
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205,00 Euro
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Umsatzsteuer
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38,95 Euro
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Gesamtbetrag
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243,95 Euro.
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Er führte aus, die Erhöhung der Verfahrensgebühr wegen zwei weiteren Verfahren komme nicht in Betracht, weil dort keine PKH
bewilligt worden war. Bei der Höhe der Terminsgebühr sei gebührenmindernd neben den Synergieeffekten die Anzahl der miteinander
verhandelten Verfahren zu berücksichtigen. Eine Erledigungsgebühr komme nicht in Betracht, weil eine besondere anwaltliche
Mitwirkung nicht erkennbar sei.
Mit ihrer Erinnerung hat die Beschwerdeführerin auf die überdurchschnittliche Bedeutung der Angelegenheit für den Kläger hingewiesen.
Eine Erhöhung der Verfahrensgebühr sei angesichts des Urteils des BSG vom 18. Dezember 2001 - B 12 KR 42/00 R gerechtfertigt. Nachdem sie den Erörterungstermin wahrgenommen habe, könne sie eine Reduzierung der Terminsgebühr nicht nachvollziehen.
Die Annahme eines Teilanerkenntnisses rechtfertige nach dem Beschluss des Thüringer LSG vom 26. November 2008 die Erledigungsgebühr.
Mit Beschluss vom 16. Dezember 2014 hat das SG die Erinnerung zurückgewiesen. Eine Erhöhung der Verfahrensgebühr wegen der weiteren Verfahren komme nicht in Betracht, weil
sie nicht erfolgreich waren. Hieran ändere die unrichtige Rechtsbehelfsbelehrung nichts. Insoweit werde auf das Urteil des
BSG vom 19. Juni 2012 - B 4 AS 142/11 R verwiesen. Umfang und Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit seien als weit unterdurchschnittlich einzuschätzen. Bei
der Terminsgebühr seien Synergieeffekte zu berücksichtigen, weil sich die Beschwerdeführerin nur einmal in den Sachverhalt
habe einarbeiten müssen. Eine überdurchschnittliche Bedeutung für den Kläger sei angesichts der geltend gemachten Geldbeträge
nicht erkennbar. Eine Erledigungsgebühr sei nicht festzusetzen, weil keine besondere Mitwirkung der Beschwerdeführerin erkennbar
sei. Die Beklagte habe sich nur deshalb zur teilweisen Kostenerstattung bereit erklärt, weil einer der streitgegenständlichen
Bescheide nicht ausreichend begründet und bei ihm und in einem weiteren Bescheid die Rechtsbehelfsbelehrungen falsch waren.
Höhere Leistungen habe sie nicht anerkannt. Im Übrigen habe es sich bei der Erklärung um eine bloße Vornahme einer auf Grund
der Sachlage angezeigten Verfahrenshandlung gehandelt, bei der eine besondere qualifizierte Mitwirkung nicht erkennbar sei
(vgl. Senatsbeschlüsse vom 19. August 2011 - L 6 SF 872/11, 16. August 2011 - L 6 SF 930/11 B, 24. November 2010 - L 6 SF 653/10).
Gegen den am 9. Januar 2015 zugestellten Beschluss hat die Beschwerdeführerin am 20. Januar 2015 beim SG Beschwerde eingelegt und u.a. vorgetragen, die Bedeutung der Angelegenheit sei für den Kläger überdurchschnittlich gewesen,
denn es seien Leistungen in Streit gestanden, die das soziokulturelle Existenzminimum sichern sollten. Die Erhöhung der Verfahrensgebühr
sei gerechtfertigt. Die Rechtsfrage der Kostenerstattungspflicht bei unzutreffender Rechtsbehelfsbelehrung nach dem Veranlassungsprinzip
sei vom BSG im Urteil vom 18. Dezember 2001 - B 12 KR 42/00 R entschieden worden. Die Erhöhung der Verfahrensgebühr wegen weiteren anhängigen Verfahren habe die UdG des SG Gotha in einem
anhängigen Verfahren (S 12 AS 7488/09) akzeptiert und der Erinnerung abgeholfen. Synergieeffekte bezüglich der Terminsgebühr könnten sich allenfalls bei Anreise
ergeben. Eine Erledigungsgebühr sei zu erstatten, weil gerade kein volles Anerkenntnis vorgelegen habe.
Die Beschwerdeführerin beantragt sinngemäß,
den Beschluss des Sozialgerichts Gotha vom 16. Dezember 2014 aufzuheben und die Vergütung auf 868,70 Euro festzusetzen.
Der Beschwerdegegner beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Zur Begründung verweist er auf den Beschluss der Vorinstanz.
Das Sozialgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen (Verfügung vom 26. Januar 2015) und sie dem Thüringer Landessozialgericht
vorgelegt. Der Senatsvorsitzende hat zusätzlich die Akten der Verfahren S 25 AS 8646/10, S 25 AS 1191/11, S25 AS 1192/11, S 25 AS 1193/11, S 25 AS 1194/11 beigezogen und das Verfahren mit Beschluss vom 4. März 2015 wegen grundsätzlicher Bedeutung dem Senat übertragen.
II.
Zuständig für die Entscheidung ist nach dem aktuellen Geschäftsverteilungsplan des Thüringer Landessozialgerichts der 6. Senat.
Die Beschwerde gegen die Festsetzung der Rechtsanwaltsgebühren ist nach §§ 56 Abs. 2 S. 1, 33 Abs. 3 S. 1 des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes (RVG) statthaft (ständige Senatsrechtsprechung, vgl. u.a. Beschluss vom 14. Februar 2011 - L 6 SF 1376/10 B m.w.N.) und zulässig. Der Wert des Beschwerdegegenstandes übersteigt 200,00 Euro. Die Beschwerde ist fristgerecht eingelegt
worden.
Die Beschwerde ist teilweise begründet. Die Beschwerdeführerin hat Anspruch auf eine Vergütung in Höhe von 603,93 Euro. Im
Übrigen ist sie unbegründet.
Nach § 3 Abs. 1 S. 1 RVG entstehen in Verfahren vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit, in denen das Gerichtskostengesetz (GKG) nicht anzuwenden ist, Beitragsrahmengebühren, die dem im Wege der Prozesskostenhilfe beigeordneten Rechtsanwalt aus der
Landeskasse zu erstatten sind (§ 45 Abs. 1 RVG). Das SG hatte dem Kläger mit Beschluss vom 1. Februar 2012 PKH gewährt; er war auch kostenprivilegierter Beteiligter i.S.d. §
183 S. 1 des
Sozialgerichtsgesetzes (
SGG). Damit scheidet die Anwendung des GKG aus (§
197a Abs.
1 S. 1
SGG).
Die Höhe der Vergütung errechnet sich nach dem Vergütungsverzeichnis (VV) der Anlage 1 zum RVG. Die Höhe der Rahmengebühr bestimmt nach § 14 Abs. 1 RVG der Rechtsanwalt im Einzelfall unter Berücksichtigung aller Umstände, vor allem des Umfangs und der Schwierigkeit der anwaltlichen
Tätigkeit, der Bedeutung der Angelegenheit sowie der Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Auftraggebers nach billigem
Ermessen (Satz 1); bei Rahmengebühren ist das Haftungsrisiko zu berücksichtigen (Satz 3). Ist die Gebühr von einem Dritten
zu ersetzen, ist die von dem Rechtsanwalt getroffene Bestimmung nicht verbindlich, wenn sie unbillig ist (Satz 4), wobei ihm
nach allgemeiner Meinung ein Spielraum (sogenannte Toleranzgrenze) von 20 v.H. zusteht (vgl. BSG, Urteil vom 1. Juli 2009 - Az.: B 4 AS 21/09 R m.w.N., nach juris; Senatsbeschluss vom 26. November 2014 - L 6 SF 1079/14 B m.w.N). Unbilligkeit liegt vor, wenn der Rechtsanwalt die Kriterien des § 14 Abs. 1 S. 1 RVG unter Beachtung des Beurteilungsspielraums objektiv nicht hinreichend beachtet (vgl. Senatsbeschluss 14. Februar 2011 - Az.:
L 6 SF 1376/10 B); dann erfolgt - wie hier - eine Festsetzung nur in Höhe der angemessenen Gebühren.
Die Beschwerdeführerin hat Anspruch auf die Verfahrensgebühr Nr. 3103 VV-RVG in Höhe der Mittelgebühr. Zwar war der Umfang der anwaltlichen Tätigkeit hinsichtlich der zuerst am 5. August 2010 erhobenen
Klage angesichts des Inhalts der eingereichten Schriftsätze im Vergleich mit den übrigen sozialgerichtlichen Verfahren (vgl.
Senatsbeschluss vom 18. August 2011 - L 6 SF 872/11 B) unterdurchschnittlich, denn die Klagebegründung erfolgte nur mit vorformulierten und dem Senat aus anderen Verfahren bekannten
Ausführungen, deren konkreter Bezug sich in der namentlichen Nennung des Klägers und den Daten der angegriffenen Bescheide
erschöpfte. Zu berücksichtigen war beim Umfang der Tätigkeit allerdings entgegen der Ansicht der Vorinstanz die inhaltliche
Überprüfung der Bescheide vom 20. Oktober 2010 (S 25 AS 1191/11) und 25. November 2010 (S 25 AS 1193/11) und die daraufhin verfassten Schriftsätze. Die Bescheide waren nach §
96 des
Sozialgerichtsgesetzes (
SGG) Gegenstand des Klageverfahrens S 25 AS 5988/10.
Dies führt entgegen der Ansicht der Beschwerdeführerin nicht zu einer schematischen Erhöhung der Verfahrens-, Termins- und
Einigungsgebühren "für zusätzliche Verfahren", denn dies widerspricht dem Grundgedanken des § 14 RVG und der Kompensationstheorie (vgl. Senatsbeschluss vom 6. März 2008 - L 6 B 198/07 SF; Mayer in Gerold/Schmidt, RVG, 19. Auflage 2010, § 14 RVG Rdnr. 11). Für einen solchen Anspruch sprechen mangels Rechtsgrundlage auch nicht die fehlerhaften Rechtsbehelfsbelehrungen
der Beklagten in den Bescheiden vom 20. Oktober und 25. November 2010. Tatsächlich handelt es sich bei der Rechtsverfolgung
gegen sie und gegen den Bescheid vom 15. April 2010 um dieselbe Angelegenheit im Sinne des § 15 Abs. 2 RVG. Sie ist in der Regel anzunehmen, wenn zwischen den weisungsgemäß erbrachten anwaltlichen Leistungen ein innerer Zusammenhang
gegeben ist, also ein einheitlicher Auftrag und ein einheitlicher Rahmen der anwaltlichen Tätigkeit vorliegt (vgl. BSG, Urteil vom 2. April 2014 - B 4 AS 27/13 R; BGH Urteil vom 21.6.2011 - VI ZR 73/10, nach juris). Dies ist bei Bescheiden, die nach §
96 SGG automatisch Gegenstand eines Klageverfahrens werden, der Fall.
Die Erstattung der zusätzlichen Aufwendungen für die Klageverfahren S 25 AS 1191/11 und S 25 AS 1193/11 kommt allerdings nicht in Betracht, denn dieser überflüssige Aufwand entspricht nicht billigem Ermessen. Es ist allerdings
unerheblich, dass diese Verfahren im Ergebnis nicht erfolgreich waren, wie die Vorinstanz angenommen hat, denn der notwendige
Umfang der Tätigkeit ist vom (späteren) Erfolg des Klageverfahrens unabhängig. Die (hinreichende) Erfolgsaussicht einer Klage
ist nur bei der Bewilligung der PKH zu prüfen, nicht aber im Rahmen der Rechtsanwaltsvergütung. Unerheblich ist insoweit der
Vortrag, die Beklagte habe mit ihren fehlerhaften Rechtsmittelbelehrungen die zusätzlichen Widerspruchsverfahren provoziert.
Selbst wenn dies anzunehmen wäre, gilt dies jedenfalls nicht für die Klageverfahren. Für ihre entgegenstehende Ansicht kann
sich die Beschwerdeführerin nicht auf das Urteil des BSG vom 18. Dezember 2001 (B 12 KR 42/00 R, nach juris) berufen. Dort hatte der 12. Senat eine Kostenerstattungspflicht der Beklagten für das Vorverfahren angenommen,
weil sie durch fehlerhafte Rechtsmittelbelehrungen den falschen Eindruck geweckt hatte, der jeweilige Monatsbeitrag werde
neu festgesetzt. Es kann dahingestellt werden, ob dieser Ansicht zu folgen ist (vgl. zur Gegenansicht BSG, Urteile vom 19. Juni 2012 - B 4 AS 142/11 R und 20. Oktober 2010 - B 13 R 15/10 R, nach juris: keine Anspruchsgrundlage). Jedenfalls hatte die Beklagte - inhaltlich richtig - die Widersprüche als unzulässig
zurückgewiesen. Dann bestand bei der nunmehr klaren Rechtslage aus anwaltlicher Sorgfaltspflicht keine Veranlassung, gegen
die Widerspruchsbescheide Klage zu erheben. Erfolgt dies trotzdem, kommt eine Vergütung des offensichtlich überflüssigen Aufwands
nicht in Betracht.
Der Umfang der anwaltlichen Tätigkeit war unter Berücksichtigung aller streitgegenständlichen Bescheide und Schriftsätze noch
durchschnittlich. Die Beschwerdeführerin fertigte mehrere Schreiben, die allerdings teilweise wortidentisch sind mit dem Senat
bekannten Schriftsätzen aus anderen Verfahren. Die dadurch resultierenden deutlichen Synergieeffekte verringern den Aufwand
im konkreten Verfahren erheblich (vgl. u.a. Senatsbeschluss vom 24. November 2014 - L 6 SF 1078/14 B m.w.N.). Im Übrigen fehlt in den Erinnerungs- und Beschwerdeschriftsätzen jeglicher Vortrag zu einem konkreten Aufwand.
Dann ist eine weitere Nachfrage entbehrlich. Allein mit der Anzahl der streitgegenständlichen Bescheide kann jedenfalls keine
pauschale Erhöhung des Umfangs der anwaltlichen Tätigkeit begründet werden.
Die Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit, d. h. die Intensität der Arbeit (vgl. BSG, Urteil vom 1. Juli 2009 - B 4 AS 21/09 R, nach juris), war - ausgehend von einem objektiven Maßstab - durchschnittlich. Mit der Klagebegründung wurden nur allgemein
der Warmwasserabzug, die Rundungsregelung und die Kostenerstattungspflicht bei unzutreffender Rechtsbehelfsbelehrung angegriffen.
Lediglich wegen der Ausführungen zur den §§ 45, 48 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch (SGB X) und dem geltend gemachten Anspruch auf Leistungen nach dem Berufsausbildungsförderungsgesetz wird die durchschnittliche
Schwierigkeit bejaht.
Entgegen der Ansicht der Vorinstanz hatte das Verfahren für den Kläger als Bezieher von Leistungen nach dem SGB II eine überdurchschnittliche Bedeutung. Zwar hatte er im Klageverfahren die begehrte Leistungserhöhung nicht beziffert, doch
wandte er auch gegen die Aufhebung seiner Leistungen und die Rückforderung über 726,80 Euro. Die überdurchschnittliche Bedeutung
wird durch die deutlich unterdurchschnittlichen Einkommens- und Vermögensverhältnisse kompensiert. (vgl. BSG, Urteil vom 1. Juli 2009 - B 4 AS 21/09 R, nach juris; Senatsbeschluss vom 6. Januar 2015 - L 6 SF 1221/14 B). Ein besonderes Haftungsrisiko ist nicht ersichtlich.
Die Terminsgebühr Nr. 3106 VV-RVG ist in Höhe von ¾ der Mittelgebühr noch angemessen. Fehl geht allerdings die Ansicht der Vorinstanz, es seien Synergieeffekte
bei der Einarbeitung zu berücksichtigen, denn die Einarbeitung vor dem Termin wird mit der Verfahrensgebühr vergütet (vgl.
Senatsbeschlüsse vom 26. November 2014 - L 6 SF 1078/14 B und 17. April 2014 - L 6 SF 209/14 B). Allerdings wurden im 72 Minuten dauernden Erörterungstermin tatsächlich vier eigenständige Verfahren behandelt (S 25 AS 5988/10, S 25 AS 8646/10, S 25 AS 1192/11, S 25 AS 1194/11). Nachdem die Dauer dieser Verfahren der Niederschrift nicht zu entnehmen ist, ist für jedes Verfahren 18 Minuten anzusetzen,
was einem deutlich unterdurchschnittlichen Umfang der anwaltlichen Tätigkeit entspricht (vgl. Senatsbeschluss vom 24. Oktober
2010 - L 6 SF 562/10 B: über 30 Minuten). Hinsichtlich der Schwierigkeit, der Bedeutung der Angelegenheit, der Einkommens- und Vermögensverhältnisse
und des Haftungsrisikos wird auf die Ausführungen zur Verfahrensgebühr verwiesen.
Der Beschwerdeführerin steht eine Erledigungsgebühr Nr. 1006, 1005 VV-RVG in Höhe von ¾ der beantragten Mittelgebühr (190,00 Euro) zu. Zur Höhe wird auf die Ausführungen zur Terminsgebühr verwiesen.
Nach der ständigen Senatsrechtsprechung fällt die Erledigungsgebühr an, wenn der Rechtsanwalt ein Teilanerkenntnis annimmt
und im Übrigen den Rechtsstreit für erledigt erklärt, sofern er auf diese Erledigung hingewirkt hat (vgl. u.a. Senatsbeschlüsse
vom 27. Januar 2015 - L 6 SF 1533/14 B, 24. November 2014 - L 6 SF 1078/14 B, 8. Mai 2012 - L 6 SF 466/12 B). Diese Voraussetzungen sind hier gegeben. Auf den Wortlaut "Kostenanerkenntnis" kommt es nicht an. Wenn die Vorinstanz
argumentiert, der Kläger habe nicht materiell sondern nur bezüglich der Kostentragung obsiegt, verkennt sie, dass ein Teilanerkenntnis
auch allein hinsichtlich der zu erstattenden Kosten möglich ist (vgl. BSG, Beschluss vom 26. März 1992 - 7 RAr 104/90, nach juris; Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer,
SGG, 11. Auflage 2014, §
101 Rdnr. 20). Auf die Gründe für die Abgabe des Teilanerkenntnisses kommt es nicht an. Fehl geht der Hinweis auf die Senatsbeschlüsse
vom 19. August 2011 - L 6 SF 872/11 und 16. August 2011 - L 6 SF 930/11, denn dort wird nur eine Einigungsgebühr beim vollen Anerkenntnis abgelehnt. Dieser Fall lag hier unzweifelhaft nicht vor.
Im Beschluss vom 24. November 2010 - L 6 SF 653/10 sprach der Senat im Übrigen die Gebühr Nr. 1006 VV-RVG bei einem Teilanerkenntnis zu.
Zusätzlich zu erstatten sind die Pauschale für Entgelte für Post- und Telekommunikationsdienstleistungen (Nr. 7002 VV RVG) in Höhe von 20,00 Euro und die Umsatzsteuer auf die Vergütung (Nr. 7008 VV RVG) in Höhe von 19 v.H.
Damit errechnet sich die Vergütung der Beschwerdeführerin wie folgt:
Verfahrensgebühr Nr. 3103 VV-RVG
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170,00 Euro
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Terminsgebühr Nr. 3106 VV-RVG
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175,00 Euro
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Einigungsgebühr Nr. 1006 VV-RVG
|
142,50 Euro
|
Post- und Telekommunikation
|
20,00 Euro
|
Zwischensumme
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507,50 Euro
|
Umsatzsteuer
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96,43 Euro
|
Gesamtbetrag
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603,93 Euro
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Die Beschwerde ist gebührenfrei; Kosten werden nicht erstattet (§ 56 Abs. 2 S 2 und 3 RVG).
Eine Beschwerde an das Bundessozialgericht findet nicht statt (§§ 56 Abs. 2, 33 Abs. 4 S. 3 RVG).