Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde im sozialgerichtlichen Verfahren; Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache
bei der Behauptung der Verfassungswidrigkeit einer Norm
Gründe:
Mit Urteil vom 18.3.2010 hat das LSG Niedersachsen-Bremen den vom Kläger geltend gemachten Anspruch auf höhere Rente wegen
Berufsunfähigkeit unter Berücksichtigung weiterer Beitrags- und Beschäftigungszeiten nach Maßgabe des FRG verneint.
Gegen die Nichtzulassung der Revision in diesem Urteil hat der Kläger beim BSG Beschwerde eingelegt. Er beruft sich auf die
grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache.
Die Nichtzulassungsbeschwerde ist unzulässig. Die Begründung vom 26.7.2010 genügt nicht den gesetzlichen Anforderungen, weil
der geltend gemachte Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung iS des §
160 Abs
2 Nr
1 SGG nicht ordnungsgemäß dargelegt worden ist (§
160a Abs
2 Satz 3
SGG).
Grundsätzlich bedeutsam iS des §
160 Abs
2 Nr
1 SGG ist eine Rechtssache nur dann, wenn sie eine Rechtsfrage aufwirft, die - über den Einzelfall hinaus - aus Gründen der Rechtseinheit
oder der Fortbildung des Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig ist. Der Beschwerdeführer muss
daher anhand des anwendbaren Rechts und unter Berücksichtigung der höchstrichterlichen Rechtsprechung angeben, welche Fragen
sich stellen, dass diese Rechtsfragen noch nicht geklärt sind, weshalb eine Klärung dieser Rechtsfragen aus Gründen der Rechtseinheit
oder der Fortbildung des Rechts erforderlich ist und dass das angestrebte Revisionsverfahren eine derartige Klärung erwarten
lässt. Um seiner Darlegungspflicht (§
160a Abs
2 Satz 3
SGG) zu genügen, muss ein Beschwerdeführer mithin (1) eine konkrete Rechtsfrage, (2) ihre (abstrakte) Klärungsbedürftigkeit,
(3) ihre (konkrete) Klärungsfähigkeit (Entscheidungserheblichkeit) und (4) die über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung
der von ihm angestrebten Entscheidung (so genannte Breitenwirkung) aufzeigen (vgl zum Ganzen BSG Beschluss vom 25.9.2002,
SozR 3-1500 § 160a Nr 34 S 70 mwN). Diesen Anforderungen wird die Beschwerdebegründung nicht gerecht.
Der Kläger bezeichnet als grundsätzlich bedeutsam die folgenden Fragen:
"Ob den in § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Buchstabe d G 131 sowie §
1 Dienstrechtliches Kriegsfolgen-Abschluß-Gesetz (DKfAG) und §
69 Beamtenversorgungsgesetz sowie § 64 Abs. 1 Nr. 5 SVG genannten ehemals Beschäftigten des Öffentlichen Dienstes, insbesondere des Militärs, die Aufnahme als Vertriebene nach dem
BVFG gefunden haben, eine höhere Rentenanwartschaft jenseits der §§ 15 und 16 FRG geleistet werden muß, insbesondere dann, wenn auch der frühere Dienstherr Dienstzeiten in höherem Umfange als der der tatsächlichen
Beschäftigungszeit zu Grunde gelegt hat?" (1.)
"Ob Zeiten einer Beschäftigung im Sinne der §§ 15 und 16 FRG, die in einem fremden wie auch im bundesdeutschen Altersversorgungssystem zu einer höheren Altersversorgung führen entgegen
§§ 15 und 16 FRG ebenfalls zu einer höheren Feststellung einer Beitragszeit oder Beschäftigungszeit im Bundesgebiet führen, weil sie auf Grund
besonderer körperlicher und/oder geistiger Beanspruchung allgemein in beiden Versorgungssystemen zu einer höheren Versorgung
führen?" (2.)
"Ob Beitrags- oder Beschäftigungszeiten, die in einem fremden Rentenversorgungssystem anerkannt worden sind und bei entsprechender
Berufstätigkeit im Bundesgebiet ebenfalls zu einer höheren Altersversorgung geführt hätten jenseits der Anerkennung nach §§
15 und 16 FRG berücksichtigt werden müssen, damit dem dem Fremdrentengesetz zu Grunde liegenden Eingliederungsprinzip und dem Gleichheitssatz nach Art.
3 Abs.
1 GG Genüge getan ist?" (3.)
Es kann dahingestellt bleiben, ob der Kläger Rechtsfragen formuliert hat, die im vorliegenden Verfahren grundsätzlich klärungsfähig
(entscheidungserheblich) sind. Hinsichtlich der unter (1.) aufgeworfenen Frage bestehen insoweit aber bereits deshalb Bedenken,
weil der Kläger nicht aufgezeigt hat, dass er zu dem von "§ 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Buchstabe d G 131 sowie §
1 Dienstrechtliches Kriegsfolgen-Abschluß-Gesetz (DKfAG) und §
69 Beamtenversorgungsgesetz sowie § 64 Abs. 1 Nr. 5 SVG" erfassten Personenkreis gehört und vom Anwendungsbereich der genannten Normen erfasst wird. Weiterer Ausführungen zur Klärungsfähigkeit
bedarf es jedoch nicht. Denn der Kläger zeigt in seiner Beschwerdebegründung nicht auf, dass sich die Beantwortung der von
ihm aufgeworfenen Fragen nicht schon aus dem Gesetz oder aus höchstrichterlicher Rechtsprechung ergibt, die Rechtsfragen mithin
noch nicht geklärt bzw weiterhin klärungsbedürftig sind.
Der Kläger erläutert schon nicht, welche Antworten die einschlägigen und nach seinem Vortrag auch vom LSG herangezogenen Bestimmungen
der §§ 15, 16 FRG über die Anerkennung der streitigen FRG-Zeiten als Beitrags- und Beschäftigungszeiten - soweit sie über die tatsächlich geleisteten und von der Beklagten als Beschäftigungszeiten
gemäß § 16 FRG anerkannten 21 Jahre und 2 Monate hinausgehen - geben. Soweit der Kläger mit den Formulierungen "jenseits der §§ 15 und 16 FRG" (1.), "entgegen §§ 15 und 16 FRG" (2.) und "jenseits der Anerkennung nach §§ 15 und 16 FRG" (3.) zum Ausdruck bringen möchte, dass die rentenversicherungsrechtliche Berücksichtigung der begehrten Zeiten nach Maßgabe
des FRG (iVm dem
SGB VI) nicht in Betracht komme, legt er nicht hinreichend dar, warum die gestellten Fragen dennoch klärungsbedürftig sein sollen.
Allein der Hinweis, dass die Bestimmungen in § 1 Abs 1 Satz 1 Nr 1 Buchstabe d des Gesetzes zur Regelung der Rechtsverhältnisse
der unter Artikel 131 des Grundgesetzes fallenden Personen (G 131), §
2 Dienstrechtliches Kriegsfolgen-Abschlussgesetz, §
69 Beamtenversorgungsgesetz sowie § 64 Abs 1 Nr 5 Soldatenversorgungsgesetz "eine Privilegierung der Dienstzeiten, die Vertriebene als Beamte oder Soldaten im Vertreibungsgebiet zurückgelegt haben",
beinhalteten (S 3 der Beschwerdebegründung), reicht nicht aus. Denn der Kläger zeigt nicht auf, dass die behaupteten "Privilegierungen"
auch für den nach dem FRG berechtigten Personenkreis die rentenversicherungsrechtliche Berücksichtigung von nicht real zurückgelegten Beitrags- und
Beschäftigungszeiten in den Herkunftsländern bei der Bemessung der Rente nach dem
SGB VI zur Folge haben.
Zudem ist eine Rechtsfrage auch dann als höchstrichterlich geklärt anzusehen, wenn das BSG bzw das BVerfG diese zwar noch
nicht ausdrücklich entschieden hat, jedoch schon eine oder mehrere höchstrichterliche Entscheidungen ergangen sind, die ausreichende
Anhaltspunkte zur Beurteilung der von der Beschwerde als grundsätzlich herausgestellten Rechtsfragen geben (vgl Senatsbeschlüsse
vom 21.1.1993 - BSG SozR 3-1500 § 160 Nr 8 S 17; vom 31.3.1993 - SozR 3-1500 § 146 Nr 2 S 6). Im Hinblick darauf muss in der
Beschwerdebegründung unter Auswertung der Rechtsprechung der genannten Gerichte zu dieser Problematik substantiiert vorgetragen
werden, dass diese zu den aufgeworfenen Fragen noch keine Entscheidung getroffen haben oder durch die schon vorliegenden Urteile
die hier maßgeblichen Fragen von grundsätzlicher Bedeutung noch nicht beantwortet worden sind (vgl Krasney/Udsching, Handbuch
des sozialgerichtlichen Verfahrens, 5. Aufl 2008, Kap IX RdNr 183 mwN). Eine solche Auseinandersetzung mit der Rechtsprechung
des BSG insbesondere zu §§ 15, 16 FRG fehlt hier. Anlass hierzu hätte aber bereits deshalb bestanden, weil das LSG sich ua auch auf das Urteil des Senats vom 23.4.1992
(13 RJ 9/91 - Juris) stützt. Obwohl der Kläger in seiner Beschwerdebegründung (S 2 oben) auf die entsprechenden Seiten des angefochtenen
Urteils verweist ("Seite 8 ff"), beschäftigt er sich nicht mit den Aussagen in dieser Entscheidung und untersucht daher auch
nicht, welche Folgerungen sich hieraus für die Beantwortung der gestellten Fragen ergeben. In dem genannten Urteil hat der
Senat entschieden, dass eine Rechtsposition, die im Erwerb jugoslawischer Zeiten "in erhöhter Dauer" liegt, den nach Bundesrecht
zurückgelegten Zeiten nicht in vollem Umfang gleichstellt werden kann. Vielmehr sind derartige Zeiten nach § 15 FRG nur in der tatsächlichen Dauer der ihnen zugrundeliegenden Beschäftigung anzurechnen. Denn bei allen deutschen Versicherungszeiten
handelt es sich um real zurückgelegte Zeiten, also um Kalendermonate, die wirklich abgelaufen und mit beitragspflichtigen
Beschäftigungen oder diesen rechtlich in verschiedenem Umfang gleichgestellten Ereignissen ausgefüllt sind. Die Berücksichtigung
fingierter Zeiten für Grund und Höhe des Rentenanspruchs ist dem deutschen Renten(versicherungs-)recht fremd (Juris RdNr 26).
Warum sich aus diesen Ausführungen keine hinreichenden Anhaltspunkte für die mit den Fragestellungen aufgeworfene Problematik
der Berücksichtigung von nicht real zurückgelegten (fingierten) (Zusatz-)Zeiten in der ehemaligen Sowjetunion bei der Bemessung
der Rente nach dem
SGB VI iVm dem FRG entnehmen lassen, erläutert der Kläger nicht.
Soweit er mit den gestellten Fragen - insbesondere zu (3.) - die Verfassungsmäßigkeit (Verstoß gegen Art
3 Abs
1 GG) im Hinblick auf das "dem Fremdenrentenrecht zu Grunde liegende Eingliederungsprinzip" problematisiert, fehlt es ebenfalls
an einer hinreichenden Auseinandersetzung mit der höchstrichterlichen Rechtsprechung. Die Begründung der Beschwerde darf sich
nicht auf die bloße Behauptung einer Ungleichbehandlung beschränken, sondern muss unter Berücksichtigung der Rechtsprechung
des BVerfG und des BSG darlegen, woraus sich im konkreten Fall die Verfassungswidrigkeit ergibt (vgl BSG Beschluss vom 22.8.1975
- BSGE 40, 158 = SozR 1500 § 160a Nr 11 S 14; BSG Beschluss vom 10.10.2007 - B 12 R 24/07 B - Juris RdNr 7). Hieran fehlt es. Der Kläger hat sich nicht mit den Maßstäben der von ihm herangezogenen Prüfungsnorm des
Art
3 Abs
1 GG beschäftigt. Er hat auch nicht hinreichend dargelegt, worin er die für eine Gleich- oder Ungleichbehandlung wesentlichen
Sachverhaltsmerkmale erblickt und dass der Gesetzgeber die äußersten Grenzen seiner Gestaltungsfreiheit überschritten hat.
Zudem hätte der Kläger sich in diesem Zusammenhang mit der Rechtsprechung des BVerfG und des BSG zum Eingliederungsprinzip
auseinandersetzen und untersuchen müssen, ob und inwieweit dem FRG in der hier anzuwendenden Fassung - wie von ihm behauptet - noch das Eingliederungsprinzip zugrunde liegt oder ob nicht durch
die bereits seit 1991 einsetzende Gesetzesentwicklung eine Abkehr von diesem Prinzip zu verzeichnen ist (vgl BVerfG Beschluss
[Senat] vom 13.6.2006 - 1 BvL 9/00 ua - BVerfGE 116, 96 = SozR 4-5050 § 22 Nr 5 RdNr 2 ff) und welche Folgerungen hieraus möglicherweise zu ziehen sind. Einen entsprechenden substantiierten
Vortrag enthält die Beschwerdebegründung aber nicht.
Entsprechendes gilt für die vom Kläger (auf S 5 der Beschwerdebegründung) eher beiläufig geltend gemachte Gehörsverletzung,
hinsichtlich derer es bereits an der Darlegung mangelt, inwieweit die angefochtene Entscheidung auf dem angeblichen Verfahrensmangel
beruhen kann (§
160 Abs
2 Nr
3 SGG).
Soweit der Kläger die Entscheidung des LSG für "nicht überzeugend" hält und meint, das Berufungsgericht habe die Sache unter
Verkennung "verschiedener gesetzlicher Wertungen" falsch entschieden, ist dies für das Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren
unerheblich und rechtfertigt keine Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung (vgl stRspr, zB BSG Beschluss vom
26.6.1975 - SozR 1500 § 160a Nr 7).
Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab, weil sie nicht geeignet wäre, zur Klärung der Voraussetzungen der Revisionszulassung
beizutragen (§
160a Abs
4 Satz 2 Halbs 2
SGG).
Die Verwerfung der danach nicht formgerecht begründeten und somit unzulässigen Beschwerde erfolgt gemäß §
160a Abs
4 Satz 1 Halbs 2 iVm §
169 Satz 2 und
3 SGG durch Beschluss ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter.
Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des §
193 Abs
1 SGG.