Anspruch auf Kindergeld bei einer Missionstätigkeit außerhalb der EU
Gründe:
I
Streitig ist ein Anspruch auf Kindergeld (Kg).
Der 1974 geborene deutsche Kläger ist verheiratet und hat drei eheliche Kinder, E., geboren am 5.8.2005, J. geboren am 12.9.2007
sowie N., geboren am 29.6.2010. Er bezog als Arzt in Deutschland bis einschließlich November 2008 Kg nach dem
Einkommensteuergesetz (
EStG) von der Familienkasse H.. Auf die Mitteilung des Klägers vom 30.11.2008, dass er sich mit seiner Familie zum 16.11.2008
aus der Bundesrepublik Deutschland als entsandter Missionar nach Peru abgemeldet habe, hob die Familienkasse gemäß §
70 Abs
2 EStG mit Wirkung ab Dezember 2008 die Kg-Zahlung auf (Bescheid vom 26.3.2009).
Am 4.12.2008 beantragte der Kläger bei der beklagten Familienkasse in N. für seine beiden Kinder E. und J. Kg unter Vorlage
eines Schreibens der Europäischen Missionsgemeinschaft e.V. vom 2.12.2008, demzufolge er und seine Ehefrau, Dr. M., mit ihren
Kindern in das peruanische Missionshospital "D." entsandt seien und dort bis 2011 als Fachärzte tätig sein werden. Auf Nachfrage
der Beklagten teilte die Europäische Missionsgemeinschaft e.V. mit Schreiben vom 19.1.2009 mit, dass ihre Anträge auf Mitgliedschaft
bei den Arbeitsgemeinschaften Evangelikaler Missionen e.V. sowie pfingstlich-charismatischer Missionen abgelehnt worden seien.
Der Kläger erhalte in der Funktion als Missionar für die in Peru ausgeübte Tätigkeit ein Entgelt, das ähnlich den Bezügen
nach dem Entwicklungshelfergesetz (EhfG) den Charakter einer Unterhaltssicherung trage. Die Beklagte lehnte den Antrag auf Kg mit Bescheid vom 4.3.2009 ab, weil
die Voraussetzungen hierfür gemäß § 1 Abs 1
Bundeskindergeldgesetz (
BKGG) nicht vorlägen. Dieser Bescheid wurde bestandskräftig.
Mit Schreiben vom 23.2.2010 stellte die Europäische Missionsgemeinschaft e.V. unter Vorlage ihrer Satzung und Bevollmächtigung
durch den Kläger für diesen "einen Antrag auf Überprüfung des Ablehnungsbescheides vom 4.3.2009", weil der Kläger nach dem
BKGG einen Kg-Anspruch habe. Trotz intensiver Bemühungen und Vorliegens aller für eine Mitgliedschaft notwendigen Voraussetzungen
seien die Aufnahmeanträge von dem Evangelischen Missionswerk in Deutschland, der Arbeitsgemeinschaft Evangelikaler Missionen
e.V. und der Arbeitsgemeinschaft pfingstlich-charismatischer Missionen abgelehnt worden. Mit Schreiben vom 20.3.2009 führte
das Evangelische Missionswerk in Deutschland gegenüber der Europäischen Missionsgemeinschaft e.V. unter anderem aus, dass
das Argument, über eine Mitgliedschaft im Evangelischen Missionswerk in Deutschland für entsandtes Personal Kg nach dem
BKGG zu erlangen, allein nicht ausreichend sei, um die Aufnahmekriterien zu erfüllen.
Mit Bescheid vom 2.3.2010 lehnte die Beklagte die Gewährung von Kg nach dem
BKGG erneut ab, weil im Rahmen der Überprüfung des bestandskräftig gewordenen Bescheides vom 4.3.2009 nach § 44 SGB X keine Anhaltspunkte erkennbar geworden seien, wonach die dort getroffene Entscheidung fehlerhaft sein könne. Das Widerspruchsverfahren
blieb gleichfalls erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 13.7.2010).
Auf die hiergegen gerichtete Klage hat das SG Nürnberg mit Urteil vom 7.11.2011 die angefochtenen Bescheide der Beklagten
aufgehoben und diese verpflichtet, dem Kläger Kg für E. und J. von Dezember 2008 bis April 2011 in gesetzlicher Höhe zu zahlen.
Der Bescheid vom 4.3.2009 erweise sich gemäß § 44 SGB X als rechtswidrig. Zwar sei die Regelung des § 1 Abs 1 Nr 2
BKGG nicht auf den Kläger anwendbar, weil die Europäische Missionsgemeinschaft e.V. nicht den im Gesetz genannten Missionswerken
angehöre. Gleichwohl sei es geboten, im Wege der richterlichen Lückenfüllung den Kläger während seiner Tätigkeit für die Europäische
Missionsgemeinschaft e.V. in der Zeit vom 1.12.2008 bis 30.4.2011 als Kg-Berechtigten zu behandeln.
Das Bayerische LSG hat auf die Berufung der Beklagten das Urteil des SG aufgehoben und die Klage abgewiesen (Urteil vom 25.10.2012). Zur Begründung seiner Entscheidung hat das LSG im Wesentlichen
ausgeführt:
Der Kläger habe keinen Anspruch auf Kg, da er nicht als Missionar der Missionswerke, die im Gesetz genannt seien, tätig gewesen
sei. Dabei lasse der Senat ungeprüft, ob die Tätigkeit des Klägers in Peru tatsächlich die eines Missionars gewesen sei. Eine
planwidrige Regelungslücke liege in § 1 Abs 1 Nr 2 2. Alt
BKGG, nicht vor. Diese Regelung habe der Gesetzgeber im Jahressteuergesetz 1997 ergänzt und nach der Senatsentscheidung vom 5.12.2002
(L 14 KG 26/99) um die Arbeitsgemeinschaft pfingstlich-charismatischer Missionen erweitert, weil diese Körperschaft des öffentlichen Rechts
im Gesetzgebungsverfahren schlichtweg übersehen worden sei. Damit werde deutlich, dass es dem Gesetzgeber darum gegangen sei,
ausschließlich die für anerkannte Religionsgemeinschaften und damit die für Kirchen mit dem Status einer Körperschaft des
öffentlichen Rechts zumindest mittelbar tätigen Missionare in den sozialrechtlichen Kg Anspruch einzubeziehen. Es komme nicht
auf die Art und Weise, die Qualität oder die Durchführung der Missionstätigkeit im Ausland an. Die Europäische Missionsgemeinschaft
e.V. sei nicht für eine öffentlich korporierte Kirche in Deutschland tätig, sondern eine Gründung sozial und religiös engagierter
Christen, die nicht der Organisationsgewalt einer der anerkannten Religionsgemeinschaften unterfalle oder kraft Vereinbarung
für diese tätig sei.
Mit seiner - vom LSG zugelassenen - Revision rügt der Kläger eine Verletzung des § 1 Abs 1 Nr 2
BKGG. § 1 Abs 1 Nr 2 1. Alt
BKGG sei erfüllt gewesen, weil er während seiner Tätigkeit als Missionar im Einsatzland - ähnlich den Bezügen nach dem EhfG - lediglich ein Entgelt erhalten habe, das den Charakter einer Unterhaltssicherung hatte. Entgegen der Auffassung des LSG
liege auch der Tatbestand des § 1 Abs 1 Nr 2 2. Alt
BKGG vor, weil der Gesetzgeber - wie vom SG dargelegt - alle Missionswerke unter Anknüpfung allein an die im Ausland geleistete Missionstätigkeit habe erfassen wollen
und seinerzeit nur die bekannten Missionswerke im Gesetz erfasst worden seien.
Eine derartige Auslegung sei Ausdruck des vom Gesetzgeber zu beachtenden Grundsatzes der Neutralität des Staates gegenüber
den Kirchen und Religionsgemeinschaften und des Gleichheitsgrundsatzes des Art
3 Abs
1 GG. Bei gleichartiger Missionstätigkeit - wie vorliegend - müsse auch gleichermaßen ein Kg Anspruch gegeben sein. Anderenfalls
hätte es der Gesetzgeber in das freie, nicht nachprüfbare Ermessen der vier in der Norm aufgezählten Missionswerke gestellt,
andere Missionswerke durch Aufnahme oder Vereinbarungsabschluss in den Kreis derjenigen aufzunehmen, für die der Ausnahmetatbestand
der Einbeziehung in den Kg Anspruch trotz Auslandswohnsitz gelten solle. Dann könnten die etablierten Missionsorganisationen
Neugründungen bereits dadurch verhindern oder wenigstens erschweren, dass für diese eine Aussendung von Missionaren mit Kindern
erschwert werde.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 25. Oktober 2012 aufzuheben und die Berufung der Beklagten gegen das Urteil
des Sozialgerichts Nürnberg vom 7. November 2011 zurückzuweisen.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie schließt sich dem angefochtenen Urteil des LSG an.
II
Die zulässige Revision des Klägers ist unbegründet (§
170 Abs
1 S 1
SGG).
Das LSG und auch die Beklagte haben zutreffend entschieden, dass der Kläger keinen Anspruch auf Kg für seine beiden Kinder
E. und J. in der Zeit vom 1.12.2008 bis 30.4.2011 hat. Denn der Kläger erfüllt in dem genannten Zeitraum nicht die in § 1 Abs 1 Nr 2
BKGG genannten Voraussetzungen für den Anspruch auf Kg. Der nach §
77 SGG bestandskräftige Ablehnungsbescheid vom 4.3.2009 ist rechtmäßig und nicht nach § 11 Abs 4
BKGG iVm § 44 Abs 1 SGB X zurückzunehmen.
Nach § 44 Abs 1 S 1 SGB X iVm § 11 Abs 4 2. Halbs
BKGG kann ein Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit ua dann zurückgenommen
werden, wenn sich im Einzelfall ergibt, dass bei seinem Erlass das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen
worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht worden sind. § 11 Abs 4 2. Halbs
BKGG modifiziert § 44 Abs 1 S 1 SGB X dahingehend, dass eine Rücknahme des Verwaltungsaktes für die Vergangenheit nicht zwingend vorgeschrieben ist, sondern im
Ermessen der Familienkasse steht.
Das LSG hat das Urteil des SG zu Recht aufgehoben, weil im vorliegenden Fall die Voraussetzungen des § 44 Abs 1 S 1 SGB X iVm § 11 Abs 4 2. Halbs
BKGG nicht gegeben sind. Die Entscheidung der Beklagten im Bescheid vom 4.3.2009, die Bewilligung von Kg gegenüber dem Kläger
für seine beiden Kinder E. und J. im streitigen Zeitraum abzulehnen, ist nicht zu beanstanden.
Die Bewilligung von Kg für den Kläger in der Zeit von Dezember 2008 bis April 2011 setzte nach § 1 Abs 1 Nr 2
BKGG idF des Art 2 Nr 1 des Zweiten Gesetzes zur Familienförderung vom 16.8.2001 (BGBl I 2074; mit Wirkung ab dem 1.1.2002, vgl Art 8 Abs 1 des Gesetzes) voraus, dass dieser nach §
1 Abs 1 und
2 des
EStG nicht unbeschränkt steuerpflichtig war und auch nicht nach §
1 Abs
3 des
EStG als unbeschränkt steuerpflichtig behandelt wurde und als Entwicklungshelfer Unterhaltsleistungen iS des § 4 Abs 1 Nr 1 EhfG erhielt oder als Missionar der Missionswerke und -gesellschaften, die Mitglieder oder Vereinbarungspartner des Evangelischen
Missionswerkes Hamburg, der Arbeitsgemeinschaft Evangelikaler Missionen e.V., des Deutschen Katholischen Missionsrates oder
der Arbeitsgemeinschaft pfingstlich-charismatischer Missionen sind, tätig war.
Das LSG hat zu den für die Bewilligung des Kg maßgebenden tatsächlichen Verhältnissen zwar nur festgestellt, dass der Kläger
zum 16.11.2008 Deutschland verlassen hat, weil er als Arzt zusammen mit seiner Frau und den damaligen Kindern von der Europäischen
Missionsgemeinschaft e.V. in das peruanische Krankenhaus entsandt worden ist. Währenddessen hat er keine Unterleistungsleistungen
iS des § 4 Abs 1 Nr 1 EhfG erhalten. Es hat insoweit nicht festgestellt, ob die Tätigkeit des Klägers in Peru tatsächlich die eines Missionars gewesen
ist. Diese fehlenden Feststellungen führen jedoch nicht zur Aufhebung und Zurückverweisung nach §
170 Abs
2 S 2
SGG. Denn selbst wenn dem so wäre, lägen die übrigen erforderlichen Voraussetzungen für den Anspruch nicht vor.
Zwar war der Kläger nach den Feststellungen des LSG mit seiner dauerhaften Wohnsitznahme und Tätigkeit in Peru nach §
1 Abs
1 und
2 EStG in Deutschland nicht unbeschränkt steuerpflichtig und wurde gemäß §
1 Abs
3 EStG auch nicht so behandelt. Er erhielt jedoch weder Unterhaltsleistungen als Entwicklungshelfer iS des § 4 Abs 1 Nr 1 EhfG (§ 1 Abs 1 Nr 2 1. Alt
BKGG) noch war er als Missionar einer der in § 1 Abs 1 Nr 2 2. Alt
BKGG genannten Missionswerke und -gesellschaften tätig. Ein Anspruch des Klägers auf Kg scheitert bereits an dem Umstand, dass
die Europäische Missionsgemeinschaft e.V. als eine Gründung sozial und religiös engagierter Christen nicht der Organisationsgewalt
einer der anerkannten öffentlich-rechtlich korporierten Religionsgemeinschaften unterfällt oder kraft Vereinbarung für diese
tätig ist.
Zu Recht hat das LSG entgegen der Auffassung des SG eine planwidrige Regelungslücke (im Sinne einer Unvollständigkeit des Gesetzes) verneint, die nach Maßgabe des Gleichheitssatzes
und zur Vermeidung von Wertungswidersprüchen im Bereich der individuellen und kollektiven Religionsfreiheit durch eine entsprechende
Anwendung von § 1 Abs 1 Nr 2 2. Alt
BKGG in Bezug auf die Europäische Missionsgemeinschaft e.V. zu schließen wäre (vgl zur Regelungslücke allgemein bereits Senatsurteil
vom 19.2.2009 - B 10 KG 2/07 R - SozR 4-5870 § 1 Nr 2 RdNr 21 mwN). § 1 Abs 1 Nr 2 2. Alt
BKGG ist gemessen an seinem Zweck nicht ergänzungsbedürftig.
Der Wortlaut des § 1 Abs 1 Nr 2 2. Alt
BKGG stellt ausdrücklich darauf ab, dass Missionare nur derjenigen Missionswerke und -gesellschaften Kg-berechtigt sind, die Mitglieder
oder Vereinbarungspartner der dort aufgezählten Missionswerke und Arbeitsgemeinschaften sind. Der Wortlaut lässt eine Erweiterung
des Tatbestandes auf andere Missionswerke und -gesellschaften nicht zu.
Eine planwidrige Regelungslücke, die durch Einbeziehung des Klägers in den Tatbestand des § 1 Abs 1 Nr 2 2. Alt
BKGG zu füllen wäre, liegt nicht vor. Denn der Gesetzgeber hat bei der Zuerkennung eines Kg-Anspruchs für im Ausland tätige Missionare
ausweislich der Gesetzesbegründung und weiterer Rechtsentwicklung nur diejenigen berücksichtigen wollen, die von einer der
anerkannten öffentlich-rechtlich korporierten Religionsgemeinschaften oder von einem kraft Vereinbarung für diese handelnden
Missionswerke oder einer solchen Gesellschaft entsandt worden sind.
Mit dem Jahressteuergesetz 1996 vom 11.10.1995 (BGBl I 1250 ff) ist das Kg-Recht ab dem 1.1.1996 durch Überführung in das
EStG dahingehend reformiert worden, dass grundsätzlich nur noch solche Personen Kg erhalten sollten, die in Deutschland besteuert
werden (§§
62 ff
EStG; sog steuerrechtliches Kg). Mit diesem Systemwechsel hin zu einer überwiegend steuerrechtlichen Leistung hat der Gesetzgeber
dem Territorialitätsprinzip folgend den Kg-Anspruch grundsätzlich davon abhängig gemacht, ob das dadurch geförderte Kind seinen
Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Inland hat (vgl BSG Beschluss vom 28.10.2009 - B 14 KG 1/09 B - Juris RdNr 6; Bayerisches LSG Urteil vom 5.12.2002 - L 14 KG 26/99 - Juris RdNr 54; LSG Nordrhein-Westfalen Urteil vom 21.1.2005 - L 13 KG 13/04 - Juris RdNr 20). Kinder, die in Deutschland weder einen Wohnsitz noch einen gewöhnlichen Aufenthalt haben, sollten nach
dem
BKGG bei der Kg-Berechnung nur dann noch berücksichtigt werden (sog sozialrechtliches Kg), wenn sie von Berechtigten nach § 1 Abs 1 Nr 2
BKGG (Entwicklungshelfer; Missionare waren ursprünglich noch nicht erfasst) oder nach § 1 Abs 1 Nr 3
BKGG (Beamte, die im Rahmen beamtenrechtlicher Bestimmungen eine bei einer Einrichtung außerhalb Deutschlands zugewiesene Tätigkeit
ausüben) in ihren Haushalt aufgenommen worden sind (§ 2 Abs 5
BKGG). Erst mit Art 26 Nr 1 und Art 32 Abs 2 des Jahressteuergesetzes 1997 vom 20.12.1996 (BGBl I 2049 ff) wurden Missionare neben den Entwicklungshelfern rückwirkend
ab dem 1.1.1996 in das
BKGG aufgenommen, sofern sie für Missionswerke und -gesellschaften tätig sind, die Mitglieder oder Vereinbarungspartner des Evangelischen
Missionswerkes Hamburg, der Arbeitsgemeinschaft Evangelikaler Missionen e.V. und des Deutschen Katholischen Missionsrates
sind.
Die Privilegierung dieser ausdrücklich genannten Personengruppen sah der Gesetzgeber nicht darin, dass diese "gezwungen" wären,
Dienst im Ausland zu leisten, sondern darin, dass sie im staatlichen Interesse der Bundesrepublik Deutschland ins Ausland
entsandt und trotz ihres (typischerweise vorübergehenden) Auslandsaufenthalts in einer Weise mit dem deutschen Arbeits-, Dienst-
und Sozialrechtssystem verbunden sind, die eine Kg-Zahlung angemessen erscheinen lässt (vgl BSG Beschluss vom 28.10.2009 - B 14 KG 1/09 B - Juris RdNr 6 mwN; LSG Nordrhein-Westfalen Urteil vom 21.1.2005 - L 13 KG 13/04 - Juris RdNr 20 ff; BT-Drucks 13/1558 S 163). Diese vom Gesetzgeber vorgesehenen Ausnahmen zu Gunsten von Entwicklungshelfern,
Missionaren sowie bei ausländischen Einrichtungen tätigen deutschen Beamten folgen aus der diesen gegenüber bestehenden besonderen
Fürsorgepflicht der öffentlichen Hand. Eine solche besteht gegenüber Arbeitnehmern der Privatwirtschaft ebenso wenig wie gegenüber
privatrechtlich organisierten religiösen Vereinigungen. Der Gesetzgeber hielt es insoweit nicht für erforderlich, einen Kg-Anspruch
zu begründen, weil diese während der Auslandstätigkeit in Deutschland keine Steuern zahlen (vgl BT-Drucks 13/1558 S 163; LSG
Nordrhein-Westfalen, aaO, unter Hinweis auf Vial/Schwetz, Der sozialrechtliche Kindergeldanspruch des neuen Familienleistungsausgleichs,
SGb 1997, 245 ff, 250). Vor diesem Hintergrund kann die frühere Rechtsprechung des BSG aus der Zeit vor der Neuregelung im Jahressteuergesetz 1996 ab 1.1.1996 zu § 1 Abs 1 Nr 2
BKGG aF (s hierzu zB BSG Urteil vom 30.5.1996, 10 RKg 20/94, SozR 3-5870 § 1 Nr 9) keinen Bestand mehr haben (vgl hierzu insgesamt Darstellung LSG Nordrhein-Westfalen, aaO, Juris RdNr 21). Entsandte
Arbeitnehmer der Privatwirtschaft sollten ausdrücklich nur dann für nicht in Deutschland lebende Kinder noch einen Kg-Anspruch
haben, wenn sich dieser aus einem entsprechenden zweiseitigem Abkommen über soziale Sicherheit oder europarechtlichen Vorschriften
ergibt (vgl BT-Drucks 13/1558, S 165 zu § 2 Abs 5; LSG Nordrhein-Westfalen, aaO, Juris RdNr 22).
Missionare wollte der Gesetzgeber bei der Kg-Zahlung insoweit bereits ab dem Systemwechsel zum 1.1.1996 nur dann berücksichtigen,
wenn sie von ihrer Stellung als Amtsträger der Kirche entsandten Beamten und Entwicklungshelfern vergleichbar sind (vgl BT-Drucks
13/4839 zu Art 24 S 92; Bayerisches LSG Urteil vom 5.12.2002 - L 14 KG 26/99 - Juris RdNr 57). Dementsprechend hat der Gesetzgeber im Jahressteuergesetz 1997 nur Missionare derjenigen Missionswerke
und Missionsgesellschaften erfasst, die Mitglieder oder Vereinbarungspartner der seinerzeit bekannten öffentlich-rechtlich
verfassten Religionsgesellschaften waren (vgl insgesamt BR-Drucks 390/96 zu Art 24, S 92). Der Gesetzgeber hat damit ausdrücklich
zu erkennen gegeben, dass ausschließlich die Missionare bei der Kg-Leistung Berücksichtigung finden sollten, die für anerkannte
Religionsgemeinschaften und damit für Kirchen mit dem Status einer Körperschaft des öffentlichen Rechts tätig werden. Das
findet nochmals seine Bestätigung in dem Umstand, dass der Gesetzgeber durch das Zweite Gesetz zur Familienförderung vom 16.8.2001
(BGBl I 2074) mit Wirkung vom 1.1.2002 den Kreis der Personen des § 1 Abs 1 Nr 2 2. Alt
BKGG um die als Missionare tätigen Mitglieder der Arbeitsgemeinschaft pfingstlich-charismatischer Missionen erweitert hat. Denn
diese Ergänzung des § 1 Abs 1 Nr 2 2. Alt
BKGG beruht - wie bereits das LSG in der angefochtenen Entscheidung ausgeführt hat - auf den Erkenntnissen des Gesetzgebers aus
einem Verfahren vor dem Bayerischen LSG (L 14 KG 26/99), wonach der Gesetzgeber alle den öffentlich-rechtlich verfassten Gemeinschaften zugeordneten Missionswerke erfassen wollte
und die genannte Körperschaft des öffentlichen Rechts im vorangegangenen Gesetzgebungsverfahren schlichtweg übersehen hatte
(vgl Bayerisches LSG Urteil vom 5.12.2002 - L 14 KG 26/99, dort Stellungnahme des BMFSFJ vom 16.5.2002 unter Juris RdNr 18 ff, 22). Damit liegt ab dem 1.1.2002 eine planwidrige Gesetzeslücke
in § 1 Abs 1 Nr 2 2. Alt
BKGG - insbesondere in Bezug auf die Europäische Missionsgemeinschaft e.V. - nicht mehr vor, da der Gesetzgeber nunmehr alle betroffenen
Missionswerke erfasst hat (vgl auch Bayerisches LSG, aaO, Juris RdNr 48 bis 50).
Mangels Vorliegens einer planwidrigen Gesetzeslücke scheidet eine analoge Anwendung der Vorschrift des § 1 Abs 1 Nr 2 2. Alt
BKGG oder eine entsprechende Auslegung dieser Vorschrift in Bezug auf die den Kläger entsendende Europäische Missionsgemeinschaft
e.V. aus. Da die Bundesrepublik Deutschland mit Peru auch kein Sozialversicherungsabkommen abgeschlossen hat, aus dem sich
ein Kg-Anspruch für den Kläger ergeben könnte, besteht ein solcher im streitigen Zeitraum nicht.
Entgegen der Ansicht des Klägers bestehen gegen diese Auslegung keine verfassungsrechtlichen Bedenken. Insbesondere liegt
keine Verletzung von Art
3 Abs
1 und
3, Art
4 Abs
1 und
2 GG iVm Art
140 GG, Art
137 Abs
5 S 2 Weimarer Reichsverfassung (WRV) vor.
Der erkennende Senat ist ebenso wie das LSG davon überzeugt, dass die unterschiedliche Behandlung bei der Gewährung von Kg
für Kinder von Missionaren, die - auch im Rahmen einer Vereinbarung - für eine öffentlich-rechtlich korporierte Kirche tätig
sind im Verhältnis zu Missionaren, die von anderen Missionswerken oder Religionsgemeinschaften entsandt werden, nicht gegen
den allgemeinen Gleichheitssatz des Art
3 Abs
1 GG verstößt. Die betreffenden Personengruppen werden zwar ungleich behandelt, soweit beide als Missionare von Deutschland aus
ins Ausland entsandt werden und nur einer Gruppe ein Kg-Anspruch zuerkannt wird. Es gibt jedoch hinreichend gewichtige Gründe,
die diese Ungleichbehandlung rechtfertigen (so bereits BSG Beschluss vom 28.10.2009 - B 14 KG 1/09 B - Juris RdNr 6 mwN).
Entsprechend der Zweckbestimmung des Kg (vgl dazu BVerfGE 11, 105, 115; BSGE 35, 113, 114 = SozR Nr 18 zu § 2
BKGG; BSGE 44, 106, 111 f = SozR 5870 § 2 Nr 5 S 16; BSG SozR 5870 § 2 Nr 7 S 28; BSG SozR 5870 § 2 Nr 8 S 33; BSG SozR 5870 § 3 Nr 6 S 15; BSGE 69, 191, 195 = SozR 3-5870 § 2 Nr 16 S 45; vgl dazu auch BVerfGE 108, 52, 70; 111, 160, 172 = SozR 4-5870 § 1 Nr 1 RdNr 54; BVerfGE 112, 164, 176 = SozR 4-7410 § 32 Nr 1 RdNr 16) hat der Gesetzgeber in Erfüllung und Konkretisierung des verfassungsrechtlichen Schutzauftrages
des Art
6 Abs
1 GG (vgl BVerfGE 112, 164, 176 = SozR 4-7410 § 32 Nr 1 RdNr 16) ab dem 1.1.1996 einen Kg-Anspruch (sog sozialrechtliches Kg) für Kinder, deren Wohnsitz oder gewöhnlicher Aufenthalt
außerhalb Deutschlands ist, nur noch in eng begrenzten Ausnahmefällen nach § 1 Abs 1 Nr 2 und 3
BKGG zugelassen (Entwicklungshelfer, Missionare iS von § 1 Abs 1 Nr 2 2. Alt
BKGG oder Beamte, die im Rahmen beamtenrechtlicher Bestimmungen eine bei einer Einrichtung außerhalb Deutschlands zugewiesene
Tätigkeit ausüben). Hierfür besteht im Gegensatz zu anderen Deutschen im Ausland und damit auch zu Missionaren und Mitarbeitern
anderer Religionsgemeinschaften oder religiösen Gruppierungen eine hinreichende sachliche Rechtfertigung darin, dass die im
Gesetz aufgeführten Personengruppen und insbesondere auch Missionare im staatlichen Interesse der Bundesrepublik Deutschland
ins Ausland entsandt werden (vgl LSG Nordrhein-Westfalen Urteil vom 21.1.2005 - L 13 KG 13/04 - Juris RdNr 26) und trotz ihres (typischerweise vorübergehenden) Auslandsaufenthalts in einer Weise mit dem Deutschen Arbeits-,
Dienst- und Sozialrechtssystem verbunden sind, die eine Kg-Zahlung angemessen erscheinen lässt (vgl BT-Drucks 13/1558 S 163;
BSG Beschluss vom 28.10.2009 - B 14 KG 1/09 B, Juris RdNr 6 mwN). Denn auch die öffentlich-rechtlich korporierten Religionsgemeinschaften bzw Kirchen sind aufgrund der
Verleihung des öffentlich-rechtlichen Status gehalten, die tragenden Verfassungsprinzipien zu achten und sich gegenüber dem
Staat rechtstreu zu verhalten (s hierzu umfassend: Bayerisches LSG Urteil vom 5.12.2002, L 14 KG 26/99, Juris RdNr 75 mwN; Korioth in Maunz/Dürig,
GG, Stand der Einzelkommentierung 2/03, Art
140 RdNr 10 und 16). Demzufolge unterliegen auch die Missionare der öffentlichrechtlich korporierten Religionsgemeinschaften
oder die für diese aufgrund einer Vereinbarung tätigen Missionare dem besonderen Schutz der staatlichen Ordnung und der Fürsorge
der öffentlichen Hand (vgl LSG Nordrhein-Westfalen, aaO, RdNr 20 und 26). Dies ist bei privatwirtschaftlich entsandten Arbeitnehmern
oder Missionaren ohne Anbindung an eine der im Gesetz genannten Organisationen nicht der Fall. Ein Kg-Anspruch für Auslandsdeutsche
in anderen Fällen oder für freiwillig in der deutschen Renten- oder Krankenversicherung versicherte Personen wurde nicht für
erforderlich gehalten und sollte damit nicht geregelt werden (vgl BT-Drucks 13/1558 S 163). Diese Entscheidung des Gesetzgebers
ist vor dem Hintergrund seines weiten Gestaltungsspielraums im Bereich des begünstigten Personenkreises bei der Gewährung
des sozialrechtlichen, aus Steuermitteln finanzierten Kg nicht zu beanstanden.
Dieses mit dem Korporationsstatus verbundene Privileg der Kg-Leistung an im Ausland tätige Missionare enthält auch deshalb
keine Ungleichbehandlung iS von Art
3 Abs
1 GG, weil der Körperschaftsstatus generell allen Religionsgemeinschaften verliehen werden kann, die die Voraussetzungen des Art
140 GG iVm Art
137 Abs
5 WRV erfüllen (s hierzu: von Campenhausen/Unruh in: von Mangoldt/Klein/Starck,
GG III, 6. Aufl, 2010, Art
137 WRV, RdNr 239 mwN). Nach den Feststellungen des LSG hat die Europäische Missionsgemeinschaft e.V. den Status einer öffentlich-rechtlichen
Körperschaft nicht inne. Dass die Europäische Missionsgemeinschaft e.V. darüber hinaus die Voraussetzungen zur Statusfeststellung
erfüllt oder einen entsprechenden Antrag gem Art 137 Abs 5 S 2 WRV gestellt hat, ist weder vorgetragen noch sonst ersichtlich
(s zu den Voraussetzungen hierfür insgesamt BVerfGE 102, 370 ff). Art
140 GG hat die Art 136 bis
139 und
141 WRV zu Bestandteilen des
GG erklärt. Nach Art
137 Abs
5 S 1 WRV behalten die Religionsgesellschaften, die bereits vor Erlass der WRV Körperschaften des öffentlichen Rechts waren,
diesen Status. Andere Religionsgesellschaften können diesen auf Antrag hin nach Art 137 Abs 5 S 2 WRV verliehen bekommen,
wenn sie durch ihre Verfassung und die Zahl ihrer Mitglieder die Gewähr der Dauer bieten. Der Status einer Körperschaft des
öffentlichen Rechts vermittelt mehrere öffentlich-rechtliche Befugnisse, so können die öffentlichrechtlich korporierten Kirchen
nach Art
140 GG iVm Art
137 Abs
6 WRV insbesondere von ihren Mitgliedern Steuern erheben und dürfen weitere öffentlich-rechtliche Untergliederungen und andere
Institutionen mit Rechtsfähigkeit bilden. Sie besitzen die Dienstherrnfähigkeit, können eigenes Recht setzen und durch Widmung
kirchliche öffentliche Sachen schaffen. Sie besitzen insbesondere die Befugnis, die Zugehörigkeit eines Mitglieds zu einer
Gemeinde allein von der Wohnsitznahme abhängig zu machen (vgl insgesamt BVerfGE 102, 370, 371).
Der Gesetzgeber hat mit dem Körperschaftsstatus für Religionsgemeinschaften eine Vielzahl von Einzelbegünstigungen verbunden
(s hierzu BVerfGE aaO), zu denen auch die Gewährung von Kg an in ihrem Auftrag tätige Missionare iS von § 1 Abs 1 Nr 2 2. Alt
BKGG gehört. Entgegen dem Vorbringen der Revision liegt hierin keine Verletzung der Verpflichtung des Staates zur Neutralität
gegenüber Religionsgemeinschaften. Denn die Bevorzugung und Gleichstellung der öffentlich-rechtlichen Kirchen in Deutschland
sowie die Anerkennung der kirchlichen Mission enthält das Einvernehmen des Staates mit der Wahrnehmung der sich aus dem kirchlichen
Auftrag ergebenden kirchlichen Aufgaben, die allerdings eine rechtliche Fortentwicklung nicht ausschließt. Denn gemäß Art
137 Abs 5 S 2 WRV können auch andere Religionsgemeinschaften, die zB ihre Rechtsfähigkeit nach den allgemeinen Vorschriften
des Bürgerlichen Rechts iS von Art 137 Abs 4 WRV - wie die Europäische Missionsgemeinschaft e.V. auch - erworben haben, auf
Antrag hin den Status einer öffentlich-rechtlichen Körperschaft erlangen, wenn sie durch ihre Verfassung und die Zahl ihrer
Mitglieder die Gewähr der Dauer bieten. Sofern es also der Europäischen Missionsgemeinschaft e.V. entsprechend dem Vorbringen
des Klägers nicht gelingt, Vereinbarungspartner einer der Missionswerke oder Missionsgesellschaften der öffentlich-rechtlich
korporierten Kirchen zu werden, verbleibt nach wie vor die Möglichkeit, auf eigenen Antrag hin selbst den Status einer öffentlich-rechtlichen
Körperschaft zu erlangen. Ungeachtet der Tatsache, dass diese Statusfeststellung vorliegend nicht Streitgegenstand ist, fehlt
es an einem Eingriff in die Institution Religionsgemeinschaft iS von Art
140 GG iVm Art
137 WRV.
Vor diesem Hintergrund liegt erst recht keine Benachteiligung des Klägers iS von Art
3 Abs
3 GG wegen seines Glaubens vor, da hiervon unabhängige objektive Kriterien für die Wertentscheidung des Gesetzgebers (s oben)
maßgeblich gewesen sind. Damit scheidet insgesamt auch eine willkürliche Kg-rechtliche Grenzziehung durch § 1 Abs 1 Nr 2 2. Alt
BKGG aus. Im Übrigen erscheinen die vorliegend individuell erfolgten Ablehnungen der Mitgliedsanträge der Europäischen Missionsgemeinschaft
e.V. durch die genannten anerkannten Religionsgemeinschaften schon deshalb nicht willkürlich, weil die Anträge ausschließlich
mit dem Erhalt eines Kg-Anspruchs begründet wurden.
Eine Verletzung der durch Art
4 Abs
1 und
2 GG gewährleisteten individuellen und kollektiven Religionsfreiheiten des Klägers sowie dessen ungestörte Religionsausübung liegt
gleichfalls nicht vor. Dieser ist in diesen Grundrechten durch die Nichtgewährung von Kg während seines Auslandsaufenthalts
in Peru weder unmittelbar noch mittelbar eingeschränkt. Etwas anderes ergibt sich auch nicht in Verbindung mit Art
140 GG und den Art
137 ff WRV. Zwar bilden Art
4 Abs
1 und
2 GG und Art
140 GG ein organisches Ganzes und sind in gegenseitiger Abstimmung auszulegen. Aber ungeachtet der Frage, inwieweit die durch Art
140 GG inkorporierten Freiheitsgewährleistungen überhaupt Grundrechte enthalten, kann es sich dabei nur um Rechte von Religionsgemeinschaften
handeln und nicht von Einzelpersonen (vgl hierzu insgesamt: Korioth in Maunz/Dürig,
GG, Stand der Einzelkommentierung 2/03, Art
140 RdNr 11 ff).
Die Kostenentscheidung beruht auf §
193 SGG.