Keine Befreiung von der Versicherungspflicht in der KVdR bei vorhergehender Versicherungspflicht aus anderen Gründen
Gründe:
I
Die Beteiligten streiten über die Befreiung von der Versicherungspflicht als Rentner in der gesetzlichen Krankenversicherung
(GKV).
Der 1944 geborene, mit seinem Partner in einer eingetragenen Lebensgemeinschaft lebende Kläger bezieht seit 1.8.2009 eine
Regelaltersrente und war bis zum Ende seiner Beschäftigung am 31.12.2009 als Angestellter pflichtversichertes Mitglied der
beklagten Krankenkasse. Seit 1.1.2010 führt ihn die Beklagte als pflichtversicherten Rentner.
Im Juli 2009 und im März 2011 fragte der bei der Postbeamtenkrankenkasse (PBeaKK) versicherte Lebenspartner des Klägers bei
dieser an, unter welchen Bedingungen der Kläger bei ihm mitversichert werden könne. Unter Bezugnahme auf ihre Satzung antwortete
die PBeaKK, dass eingetragene Lebenspartner nicht mitversichert werden könnten (Schreiben vom 9.9.2009 und 21.4.2011).
Im Oktober 2011 beantragte der Kläger bei der Beklagten "ab sofort" seinen Wechsel in die PBeaKK, stellte dies allerdings
unter den Vorbehalt seiner möglichen Mitversicherung in der PBeaKK über seinen eingetragenen Lebenspartner. Die Beklagte lehnte
dies ab, weil ein Antrag auf Befreiung von der Versicherungspflicht in der GKV mit Rücksicht auf die seit 1.1.2010 bestehende
Pflichtversicherung des Klägers in der GKV innerhalb von drei Monaten bis zum 30.3.2010 hätte gestellt werden müssen. Eine
Wiedereinsetzung in den vorigen Stand komme nicht in Betracht. Dass bis zum 31.3.2010 die Möglichkeit einer Mitversicherung
in der PBeaKK nicht geklärt gewesen sei, sei unerheblich (Bescheid vom 11.11.2011; Widerspruchsbescheid vom 22.3.2012).
Das SG hat die dagegen erhobene Klage abgewiesen (Urteil vom 5.4.2013). Das LSG hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen: Eine
Befreiungsmöglichkeit von der Versicherungspflicht in der GKV habe schon deshalb nicht bestanden, weil nur Versicherte befreit
werden könnten, die - anders als der Kläger - (erstmals) versicherungspflichtig würden. Auch habe der Kläger den Antrag auf
Befreiung von der Versicherungspflicht zu spät gestellt. Die Anfrage des Lebenspartners von Juli 2009 an die PBeaKK enthalte
keinen - in Vertretung für den Kläger gestellten - Antrag auf Befreiung von dessen Versicherungspflicht. Ob eine Wiedereinsetzung
in die hier versäumte Frist grundsätzlich möglich gewesen wäre, könne offenbleiben, weil jedenfalls die für eine Wiedereinsetzung
einzuhaltende Jahresfrist abgelaufen sei; ein Ausnahmefall aufgrund höherer Gewalt liege nicht vor (Urteil vom 28.11.2014).
Mit seiner Revision rügt der Kläger eine Verletzung von §
8 Abs
1 Nr
4 SGB V, §
16 SGB I und § 27 Abs 2 und 3 SGB X. Seine Versicherungspflicht aufgrund von Beschäftigung, die vor Beginn der Versicherungspflicht als Rentner bestanden habe,
stehe der Befreiung nach §
8 Abs
1 Nr
4 SGB V nicht entgegen. Das LSG liefere keine Begründung dafür, dass das Tatbestandsmerkmal "wer versicherungspflichtig wird" mit
einem ungeschriebenen weiteren Tatbestandsmerkmal "erstmalig" zu verstehen sei. Das Schreiben seines (des Klägers) Lebenspartners
an die PBeaKK von Juli 2009 sei bereits ein Antrag auf Befreiung von der Versicherungspflicht gewesen. Jedenfalls im Wege
des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs sei er (der Kläger) so zu stellen, als hätte er den Antrag fristgerecht gestellt.
Der Lauf der Jahresfrist des § 27 Abs 3 S 1 SGB X habe erst mit Verkündung des Gesetzes zur Übertragung ehebezogener Regelungen im öffentlichen Dienstrecht auf Lebenspartnerschaften
vom 14.11.2011 (BGBl I 2219) beginnen können. Erst zu diesem Zeitpunkt habe Gewissheit darüber bestanden, dass ein anderweitiger
Versicherungsschutz in Betracht gekommen wäre. Es liege ein Fall höherer Gewalt vor, weil er (der Kläger) sich auf die Auskunft
der PBeaKK habe verlassen müssen. Ein Verschulden an der Fristversäumung sei ihm nicht anzulasten.
Der Kläger beantragt,
die Urteile des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 28. November 2014 und des Sozialgerichts Berlin vom 5. April 2013
sowie den Bescheid der Beklagten vom 11. November 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22. März 2012 aufzuheben
und die Beklagte zu verpflichten, ihn ab dem 1. Januar 2010 von der Versicherungspflicht als Rentner in der gesetzlichen Krankenversicherung
zu befreien, hilfsweise, das Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung
und Entscheidung an dieses Gericht zurückzuverweisen.
Die Beklagte beantragt,
die Revision des Klägers zurückzuweisen.
Sie ist der Auffassung, das Berufungsgericht habe zutreffend und in Übereinstimmung mit höchstrichterlicher Rechtsprechung
entschieden.
II
Die zulässige Revision des Klägers ist unbegründet.
Das LSG hat revisionsrechtlich beanstandungsfrei die Berufung des Klägers gegen das klageabweisende erstinstanzliche Urteil
zurückgewiesen.
Die angefochtenen Bescheide der beklagten Krankenkasse sind rechtmäßig. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Befreiung von der
Versicherungspflicht in der GKV, weil die gesetzlichen Voraussetzungen dafür nicht erfüllt sind.
1. Nach §
8 Abs
1 Nr
4 SGB V (anzuwenden idF des Gesetzes vom 19.6.2001, BGBl I 1046) - der vorliegend allein als Befreiungstatbestand in Betracht kommt
- wird auf Antrag von der Versicherungspflicht befreit, wer "versicherungspflichtig wird ... durch den Antrag auf Rente oder
den Bezug von Rente oder die Teilnahme an einer Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben (§ 5 Abs. 1 Nr. 6, 11 oder 12)". Der
Antrag ist innerhalb von drei Monaten nach Beginn der Versicherungspflicht bei der Krankenkasse zu stellen (§
8 Abs
2 S 1
SGB V). Die Befreiung wirkt vom Beginn der Versicherungspflicht an, wenn seit diesem Zeitpunkt noch keine Leistungen in Anspruch
genommen wurden, sonst - wofür es vorliegend keine Anhaltspunkte gibt - vom Beginn des Kalendermonats an, der auf die Antragstellung
folgt (§
8 Abs
2 S 2
SGB V). Diese tatbestandlichen Voraussetzungen für eine Befreiung von der Versicherungspflicht in der GKV liegen nicht vor.
Zwar wurde der Kläger am 1.1.2010 versicherungspflichtig als Rentner (dazu a), jedoch zu diesem Zeitpunkt - anders als erforderlich
- mit Blick auf seine bereits zuvor bestehende Krankenversicherungspflicht als Beschäftigter nicht (erstmals) versicherungspflichtig
in der GKV (dazu b). Ob bzw wann eine Möglichkeit für den Kläger bestand, in der Versicherung seines eingetragenen Lebenspartners
bei der PBeaKK gegen Krankheit mitversichert zu werden, ist in diesem Zusammenhang ohne rechtliche Bedeutung (dazu c).
a) Der Kläger wurde ausgehend von den Feststellungen des LSG nach Beendigung seiner Beschäftigung am 1.1.2010 zwar nach §
5 Abs
1 Nr
11 SGB V als Rentner versicherungspflichtig in der GKV, nachdem seine bis dahin bestehende vorrangige (§
5 Abs
8 S 1
SGB V) Versicherungspflicht als Angestellter (§
5 Abs
1 Nr
1 SGB V) am 31.12.2009 geendet hatte. Nach §
5 Abs
1 Nr
11 SGB V sind ua - unter weiter zu erfüllenden Anforderungen - Personen in der GKV versicherungspflichtig, die die Voraussetzungen
für den Anspruch auf eine Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung erfüllen und diese Rente beantragt haben.
b) Der Kläger hat indessen gleichwohl keinen Anspruch auf Befreiung von dieser Versicherungspflicht in der GKV ab 1.1.2010.
Der Fall, dass eine bloße Änderung der die Versicherungspflicht begründenden Umstände eintritt, wird von §
8 Abs
1 Nr
4 SGB V nicht mitumfasst. Obwohl der Wortlaut des §
8 Abs
1 Nr
4 SGB V offenlässt, ob die Befreiung eine Begründung der Versicherungspflicht in der GKV erfordert, die erstmals erfolgt, oder auch
bereits eine bloße Änderung der die Versicherungspflicht begründenden Umstände, dh des Versicherungspflichttatbestandes, genügen
lässt (dazu aa), sprechen gegen eine Befreiung in der im Falle des Klägers vorliegenden Konstellation die Systematik des §
8 Abs
1 SGB V (dazu bb) sowie der in der Entstehungsgeschichte der Regelung zum Ausdruck kommende Sinn und Zweck (dazu cc).
aa) Nach dem Wortlaut des §
8 Abs
1 Nr
4 SGB V wird "auf Antrag ... von der Versicherungspflicht befreit, wer versicherungspflichtig wird". Davon erfasst sind jedenfalls
alle Personen, die erstmals einen die Versicherungspflicht in der GKV begründenden Tatbestand (hier nach §
5 Abs
1 Nr
11 SGB V) erfüllen. Dabei kann es sich rein nach dem Wortlaut der Regelung sowohl um Versicherte handeln, die zuvor überhaupt keiner
Versicherungspflicht in der GKV unterlagen (das Befreiungsrecht auf diese Personen beschränkend: Baier in Krauskopf, Stand
Dezember 2015, §
8 SGB V RdNr 3; Just in Becker/Kingreen, 4. Aufl 2014, §
8 SGB V RdNr 2; Nebendahl in Spickhoff, Medizinrecht, 2. Aufl 2014, §
8 SGB V RdNr 2; Karl Peters in KassKomm, Stand Dezember 2015, §
8 RdNr 6). In Betracht kommt aber auch die Eröffnung eines Antragsrechts für Personen, bei denen kraft geänderter äußerer Umstände
lediglich ein anderer (neuer) die Versicherungspflicht in der GKV auslösender Tatbestand eintritt, dh auf diesen folgt - was
typischerweise in den Fällen nach §
5 Abs
1 Nr
6, 11 oder 12
SGB V gegeben ist (für ein solches weites Verständnis Hampel in Schlegel/Voelzke, jurisPK-
SGB V, 3. Aufl 2016, §
8 RdNr 81; ohne Einschränkungen Gerlach in Hauck/Noftz, Stand Juli 2015, §
8 SGB V RdNr
16 f). Der Wortlaut des §
8 Abs
1 SGB V lässt beide Auslegungen zu, ist also offen (zum nicht eindeutigen Wortlaut des §
8 Abs
1 Nr
4 SGB V in Bezug auf die Frage, ob ein bloßer Wechsel der Rentenart eine Befreiungsmöglichkeit eröffnet vgl bereits BSG SozR 4-2500 § 8 Nr 2 RdNr 18).
bb) Gegen die vom Kläger befürwortete Auslegung spricht allerdings die Systematik des §
8 Abs
1 SGB V (zu systematischen Erwägungen in diesem Kontext, die beim bloßen Wechsel der Rentenart ein Befreiungsrecht ebenfalls ausschließen,
vgl bereits BSG SozR 4-2500 § 8 Nr 2 RdNr 18 f).
§
8 Abs
1 Nr
4 SGB V folgt unmittelbar auf die Befreiungstatbestände des §
8 Abs
1 Nrn 1, 1a, 2, 2a und 3
SGB V. Nach allen diesen, der vorliegend anzuwendenden Vorschrift vorangestellten Regelungen, bestand jeweils unmittelbar vor Beginn
der Versicherungspflicht keine Versicherungspflicht in der GKV (vgl auch Karl Peters, NZS 2012, 326, 328): Die Regelungen betreffen nämlich Beschäftigte, die wegen Überschreitens der Jahresarbeitsentgeltgrenze versicherungsfrei
waren und für die erst eine Änderung der Jahresarbeitsentgeltgrenze die Versicherungspflicht begründet (§
8 Abs
1 Nr
1 SGB V), Bezieher von Arbeitslosengeld oder Unterhaltsgeld, die vor dem Leistungsbezug nicht in der GKV versichert waren (§
8 Abs
1 Nr
1a SGB V) und nicht voll Erwerbstätige während der Elternzeit, die aufgrund der Reduzierung ihrer Arbeitszeit versicherungspflichtig
werden (§
8 Abs
1 Nr
2 SGB V). Einen Antrag auf Befreiung von der Versicherungspflicht können seit 1.1.2012 auch Personen während einer Freistellung nach
dem Pflegezeitgesetz oder dem Familienpflegezeitgesetz stellen, wenn sie durch Herabsetzung der regelmäßigen Wochenarbeitszeit unter die Versicherungspflicht in der GKV fallen
(vgl §
8 Abs
1 Nr
2a SGB V idF des GKV-Versorgungsstrukturgesetzes vom 22.12.2011, BGBl I 2983). Allen diesen Befreiungstatbeständen gemeinsam ist,
dass die Antragsteller vor dem Eintritt der Versicherungspflicht nicht versicherungspflichtig in der GKV waren. Auch die Befreiungsmöglichkeit
nach §
8 Abs
1 Nr
3 SGB V setzt eine vorangegangene Versicherungsfreiheit voraus, indem sie eine seit mindestens fünf Jahren wegen Überschreitens der
Jahresarbeitsentgeltgrenze bestehende versicherungsfreie Beschäftigung verlangt.
Der Befreiungstatbestand des §
8 Abs
1 Nr
4 SGB V schließt an diese Vorschriften unmittelbar an. Gründe dafür, die Vorschrift in einem erweiterten Sinne zu verstehen und eine
darüber hinausgehende Befreiungsmöglichkeit von der Versicherungspflicht in der GKV schon aufgrund eines neuen die Versicherungspflicht
begründenden Tatbestandes zu schaffen, obwohl der Antragsteller zuvor bereits in der GKV pflichtversichert war, sind nicht
ersichtlich.
cc) Auch die Entstehungsgeschichte des §
8 Abs
1 Nr
4 SGB V und der darin zum Ausdruck kommende Sinn und Zweck der Regelung sprechen gegen ein Befreiungsrecht im Sinne der Vorstellungen
des Klägers.
§
8 Abs
1 SGB V löste zum 1.1.1989 die zuvor in der
RVO enthaltenen Befreiungstatbestände der §§ 173a ff
RVO ab (zur Entstehungsgeschichte des §
8 Abs
1 Nr
4 SGB V im Einzelnen vgl BSG SozR 4-2500 § 8 Nr 2 RdNr 20 ff). Nach § 173a Abs 1
RVO konnte, wer bei einem Krankenversicherungsunternehmen versichert war und für sich und seine Angehörigen, für die ihm Familienkrankenpflege
zustand, Vertragsleistungen erhielt, die der Art nach den Leistungen der Krankenhilfe entsprachen, sich auf Antrag von der
Versicherungspflicht nach § 165 Abs 1 Nr 3
RVO befreien lassen. (Schon) § 165 Abs 1 Nr 3
RVO bestimmte die Versicherungspflicht für Personen, welche die Voraussetzungen für den Bezug einer Rente aus der Rentenversicherung
der Arbeiter oder der Angestellten erfüllten und diese Rente beantragten.
Aus dem Entwurf des Gesetzes zur Strukturreform im Gesundheitswesen (Gesundheits-Reformgesetz - GRG vom 20.12.1988, BGBl I 2477) geht hervor, dass in §
8 Abs
1 SGB V "die in den §§ 173a bis 173f
RVO und § 7 des Gesetzes über die Sozialversicherung Behinderter in geschützten Einrichtungen enthaltenen Regelungen ... inhaltlich übernommen
und zusammengefasst" werden sollten (vgl Gesetzentwurf der Fraktionen der CDU/CSU und FDP, BT-Drucks 11/2237 S 160 zu § 8).
Auch wenn daraus nicht hergeleitet werden kann, dass die früheren Regelungen zur Befreiung von der Versicherungspflicht in
allen Einzelheiten uneingeschränkt weitergelten sollten (vgl zB BSG SozR 3-2500 § 8 Nr 1 S 4 f), so spricht die Gesetzesbegründung zumindest dafür, dass das Gesetz für den Befreiungstatbestand des §
8 Abs
1 Nr
4 SGB V als Ersatz für den früheren § 173a Abs 1
RVO auch weiterhin das Nichtbestehen einer Versicherungspflicht bis zum Eintritt einer solchen voraussetzte: Nach § 173a Abs 1
RVO aber konnte sich von der Versicherungspflicht in der GKV nur befreien lassen, wer bei einem privaten Versicherungsunternehmen
krankenversichert und damit nicht in der GKV versicherungspflichtig war. Lediglich die frühere Regelung, dass "die Befreiung
den - auch nur vorübergehenden - Abschluss einer privaten Krankenversicherung voraussetzt, die der Art nach den Leistungen
der Krankenhilfe entspricht" sollte indessen von den durch das
SGB V geschaffenen Neuregelungen nicht übernommen werden (vgl Gesetzentwurf, aaO, BT-Drucks 11/2237 S 160 zu § 8). Dafür, dass mit der den früheren § 173a Abs 1
RVO ersetzenden Vorschrift des §
8 Abs
1 Nr
4 SGB V nun hinausgehend über das alte Recht eine erweiterte Befreiungsmöglichkeit für bereits in der GKV Pflichtversicherte geschaffen
werden sollte, die nur aufgrund eines anderen (neuen) die Versicherungspflicht begründenden Tatbestandes versicherungspflichtig
werden, gibt es keine Anhaltspunkte.
Gegen dieses Verständnis spricht nicht, dass zeitgleich mit dem Inkrafttreten des §
8 Abs
1 Nr
4 SGB V strengere Voraussetzungen für eine Versicherungspflicht als Rentner in der GKV nach §
5 Abs
1 Nr
11 SGB V geschaffen wurden (= Vorversicherungszeit, nach der der Rentenantragsteller seit der erstmaligen Aufnahme einer Erwerbstätigkeit
bis zur Stellung des Rentenantrags mindestens neun Zehntel der zweiten Hälfte des Zeitraums Mitglied oder nach §
10 SGB V versichert gewesen sein muss). Die Befreiungsvorschrift des §
8 Abs
1 Nr
4 SGB V läuft deswegen nicht leer (so aber zu Unrecht Hampel in Schlegel/Voelzke, jurisPK-
SGB V, 3. Aufl 2016, §
8 RdNr
81). §
5 Abs
1 Nr
11 SGB V gibt nämlich nicht vor, in welchem genauen Zeitfenster die neun Zehntel in der zweiten Hälfte des Erwerbslebens liegen müssen
und schließt deshalb die Erfüllung der Befreiungsvoraussetzungen des §
8 Abs
1 Nr
4 SGB V auch nach dem engen Verständnis nicht aus.
Typischerweise profitieren Versicherte im Übrigen sogar gerade von einer auf die Versicherung als Beschäftigter unmittelbar
folgenden und für die Versicherten günstigen Mitgliedschaft als Rentner in der GKV, sodass Sinn und Zweck der Regelung für
das vom Kläger begehrte Befreiungsrecht nichts hergeben. Wie die obigen Ausführungen zur Entstehungsgeschichte des §
8 Abs
1 Nr
4 SGB V zeigen, macht eine Befreiungsmöglichkeit von der Versicherungspflicht in der GKV nach dieser Regelung regelmäßig nur Sinn
für Versicherte, die zuvor bereits privat gegen Krankheit versichert waren; diese hatten nämlich mit ihren Beiträgen Rückstellungen
zur Finanzierung einer privaten Absicherung gegen die für den einzelnen Versicherten im Alter üblicherweise höheren Krankheitskosten
gebildet. Dies war beim Kläger jedoch nicht das Motiv seines angestrebten Wechsels in eine andere Form der Absicherung gegen
Krankheit.
dd) Da der Kläger nach alledem schon keine Befreiung von der Versicherungspflicht in der GKV beanspruchen kann, hatte der
Senat nicht darüber zu entscheiden, ob die Antragstellung des Klägers fristgerecht erfolgte und ob eine mögliche Fristversäumung
durch eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand oder durch die richterrechtlichen Grundsätze über den sozialrechtlichen Herstellungsanspruch
geheilt werden konnte.
c) Für den hier zu entscheidenden Rechtsstreit ist ebenso ohne Belang, ob bzw wann für den Kläger eine Möglichkeit bestand,
über die Absicherung seines eingetragenen Lebenspartners bei der PBeaKK gegen Krankheit mitversichert zu werden.
Erst durch das Gesetz zur Beseitigung sozialer Überforderung bei Beitragsschulden in der Krankenversicherung vom 15.7.2013
(BGBl I 2423) wurde in §
8 Abs
2 SGB V ein neuer Satz 4 angefügt, wonach eine wirksame Befreiung voraussetzt, dass ein anderweitiger Anspruch auf Absicherung im
Krankheitsfall besteht und dass das Mitglied diesen Anspruch nachweist. In dem vorliegend betroffenen Zeitraum kam es für
die Befreiung von der Versicherungspflicht in der GKV auf den Nachweis einer anderweitigen Absicherung (ggf durch eine Mitversicherung
in der Krankenversicherung des Lebenspartners) nach den dafür maßgebenden Tatbestandsvoraussetzungen nicht an.
Der Kläger kann sein Begehren schließlich auch nicht mit Erfolg auf Neuregelungen zur Übertragung ehebezogener Regelungen
im öffentlichen Dienstrecht auf Lebenspartnerschaften vom 24.11.2011 (BGBl I 2219) stützen. Ein (neues) über den dargestellten
Inhalt der Regelung in §
8 Abs
1 Nr
4 SGB V hinausgehendes Recht auf Befreiung von der Versicherungspflicht in der GKV wurde dadurch nicht geschaffen.
2. Die Kostenentscheidung beruht auf §
193 Abs
1 S 1
SGG.