Vergütungsanspruch eines Krankenhauses
Grundsatzrüge im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren
Gründe
I
Die Klägerin ist Trägerin eines nach §
108 SGB V zugelassenen Krankenhauses. Dieses führte im Februar 2015 bei einem bei der beklagten Krankenkasse Versicherten, der an chronischer
Niereninsuffizienz litt und dialysepflichtig war, eine operative Revision der Shuntvene durch (Wiederherstellung eines chirurgisch
für die Dialyse angelegten Blutgefäßes). Das Krankenhaus kodierte die Operation nach dem 2015 geltenden Operationen- und Prozedurenschlüssel
(OPS) 5-397.x:L (andere plastische Rekonstruktion von Blutgefäßen: Sonstige) und berechnete - ausgehend von der Fallpauschale (Diagnosis Related Group <DRG>) F59B - für die Behandlung 3255,60 Euro.
Die Krankenkasse beglich zunächst die Rechnung, rechnete dann jedoch mit anderen unstreitigen Forderungen in Höhe eines Betrags
von 1128,90 Euro auf. Es sei OPS 5-397.a2 (andere plastische Rekonstruktion von Blutgefäßen: Oberflächliche Venen: Unterarm
und Hand) zu kodieren und daher nach DRG F59D zu vergüten.
Die auf Zahlung von 1128,90 Euro gerichtete Klage ist in erster Instanz erfolgreich gewesen (Urteil des SG vom 10.12.2019). Zu Recht habe das Krankenhaus die Prozedur an einem sonstigen Gefäß abgerechnet. Das Deutsche Institut für Medizinische
Dokumentation und Information (DIMDI) habe nämlich in einer E-Mail (vom 12.4.2018) gegenüber dem Krankenhaus bestätigt, dass bei ausgereiften Shuntgefäßen die Lokalisationsangabe .x (sonstige Blutgefäße)
zu verwenden sei. Das LSG hat die Entscheidung aufgehoben und die Klage abgewiesen. Es hat zur Begründung seiner Entscheidung
ausgeführt, das Krankenhaus habe zu Unrecht eine Prozedur an einem sonstigen Gefäß und nicht an einer Vene abgerechnet, weil
es sich auch bei der Shuntvene nach wie vor um eine Vene handele (Urteil vom 26.8.2020).
Mit seiner Beschwerde wendet sich das Krankenhaus gegen die Nichtzulassung der Revision im LSG-Urteil.
II
Die Beschwerde ist unzulässig und daher gemäß §
160a Abs
4 Satz 1 Halbsatz 2 iVm §
169 Satz 3
SGG zu verwerfen. Ihre Begründung entspricht nicht den aus §
160a Abs
2 Satz 3
SGG abzuleitenden Anforderungen an die Darlegung des allein geltend gemachten Revisionszulassungsgrundes der grundsätzlichen
Bedeutung (§
160 Abs
2 Nr
1 SGG).
1. Wer sich auf den Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache beruft, muss eine Rechtsfrage klar formulieren
und ausführen, inwiefern diese Frage im angestrebten Revisionsverfahren klärungsfähig (entscheidungserheblich) sowie klärungsbedürftig
und über den Einzelfall hinaus von Bedeutung ist (vgl zB BSG vom 17.4.2012 - B 13 R 347/11 B - SozR 4-2600 § 72 Nr 5 RdNr 17 mwN; zur verfassungsrechtlichen Unbedenklichkeit dieses Maßstabs BVerfG vom 14.4.2010 -
1 BvR 2856/07 - SozR 4-1500 § 160a Nr 24 RdNr 5 ff mwN). Dem wird das Beschwerdevorbringen nicht gerecht.
Das klagende Krankenhaus formuliert folgende Rechtsfrage:
"Darf das Gericht Mitteilungen bzw. Stellungnahmen des DIMDI (bzw. nunmehr nachfolgend des Bundesinstituts für Arzneimittel
und Medizinprodukte - BfArM) auf Kodierungs- bzw. Klassifikationsanfragen bei seiner Entscheidungsfindung hinsichtlich der
Auslegung von OPS-Ziffern unberücksichtigt lassen bzw. übergehen oder ist das Gericht nicht sogar vielmehr an entsprechende
Mitteilungen bzw. Stellungnahmen bei seiner Entscheidungsfindung gebunden und muss diese Bewertung seiner Entscheidung zugrunde
legen."
Es legt jedoch die Klärungsbedürftigkeit dieser Frage nicht ausreichend dar.
Eine Rechtsfrage ist dann nicht klärungsbedürftig, wenn sie bereits höchstrichterlich entschieden ist. Die Beschwerdebegründung
hat deshalb auszuführen, inwiefern die Rechtsfrage nach dem Stand von Rechtsprechung und Lehre nicht ohne Weiteres zu beantworten
ist, und den Schritt darzustellen, den das Revisionsgericht zur Klärung der Rechtsfrage im allgemeinen Interesse vornehmen
soll (vgl BSG vom 22.2.2017 - B 1 KR 73/16 B - juris RdNr 8 mwN; vgl zur verfassungsrechtlichen Unbedenklichkeit eines entsprechenden Maßstabs BVerfG <Kammer> vom 12.9.1991
- 1 BvR 765/91 - SozR 3-1500 § 160a Nr 6 S 10 f = juris RdNr 4). Eine Rechtsfrage, über die bereits höchstrichterlich entschieden worden ist, kann wieder klärungsbedürftig werden, wenn
der Rechtsprechung in nicht geringfügigem Umfang widersprochen wird und gegen sie nicht von vornherein abwegige Einwendungen
vorgebracht werden, was im Rahmen der Beschwerdebegründung ebenfalls darzulegen ist (vgl zB BSG vom 19.7.2012 - B 1 KR 65/11 B - SozR 4-1500 § 160a Nr 32; BSG vom 22.12.2010 - B 1 KR 100/10 B - juris RdNr 7). Erneute Klärungsbedürftigkeit ist darüber hinaus auch gegeben, wenn neue erhebliche Gesichtspunkte gegen die bisherige Rechtsprechung
vorgebracht werden, die zu einer über die bisherige Erörterung hinausgehenden Betrachtung der aufgeworfenen Fragestellung
führen können und die Möglichkeit einer anderweitigen Entscheidung nicht offensichtlich ausschließen (vgl BSG vom 14.12.2020 - B 1 KR 16/20 B; BSG vom 11.2.2020 - B 10 EG 14/19 B - juris RdNr 6, jeweils mwN). Dass die aufgeworfene Rechtsfrage gemessen daran klärungsbedürftig sei, zeigt die Beschwerdebegründung nicht auf.
Das BSG vertritt in ständiger Rechtsprechung, dass Grundlage des Vergütungsanspruchs §
109 Abs
4 Satz 3
SGB V iVm § 7 Krankenhausentgeltgesetz und § 17b Krankenhausfinanzierungsgesetz ist und sich dessen Höhe nach den Vereinbarungen der Vertragspartner auf Bundesebene richtet, nicht hingegen nach verbindlichen
Vorgaben des DIMDI (jetzt BfArM). Der vom DIMDI herausgegebene OPS regelt lediglich insoweit Vergütungsvoraussetzungen, als
sich die Vertragspartner durch die vergütungsrelevante Einbeziehung der Klassifikationen in die Fallpauschalenvereinbarung
über die Definition der jährlich von ihnen zu vereinbarenden Fallpauschalen verständigt haben (vgl nur BSG vom 19.6.2018 - B 1 KR 39/17 R - SozR 4-5562 § 9 Nr 10 RdNr 10 ff mwN; vgl dazu auch BSG vom 14.12.2020 - B 1 KR 16/20 B). Nach ständiger Rechtsprechung sind in diesem Sinne vereinbarte Abrechnungsbestimmungen durch die Gerichte auszulegen. Wegen
ihrer Funktion im Gefüge der Ermittlung des Vergütungstatbestandes innerhalb eines vorgegebenen Vergütungssystems ist die
Auslegung eng am Wortlaut orientiert und allenfalls unterstützt durch systematische Erwägungen vorzunehmen (vgl BSG vom 8.11.2011 - B 1 KR 8/11 R - BSGE 109, 236 = SozR 4-5560 § 17b Nr 2, RdNr 27; BSG vom 16.7.2020 - B 1 KR 16/19 R - juris RdNr 17, jeweils mwN).
Mit dieser Rechtsprechung setzt sich die Beschwerdebegründung nicht auseinander. Sie nimmt weder Bezug auf die Rechtsprechung
zur Auslegung von Vergütungsvorschriften durch die Gerichte; noch legt sie dar, vor welchem Hintergrund eine durch das "Klassi-Team"
des DIMDI verfasste E-Mail verbindliche Wirkung für die Auslegung einer durch die Vertragspartner auf Bundesebene vereinbarten
Vergütungsvorschrift gewinnen soll. Allein der Verweis darauf, dass das DIMDI auf seiner Internetseite als seine Aufgabe die
Bildung einheitlicher Begriffssysteme beschreibe und sich Entsprechendes auch auf der Internetseite des BfArM finde, legt
nicht dar, weshalb dem DIMDI angesichts anders lautender Rechtsprechung des BSG ein Auslegungsprärogativ zukommen soll.
Soweit die Beschwerdebegründung Bezug nimmt auf die Neufassung des §
301 Abs
2 SGB V und daraus den Schluss zieht, dass nunmehr gesetzlich verankert sei, dass das BfArM Klarstellungen und Änderungen bei Auslegungsfragen
zum OPS mit Wirkung auch für die Vergangenheit vornehmen könne, legt sie nicht dar, welche Relevanz diese Änderung für den
vorliegenden Fall gewinnt. Die Beschwerdebegründung nimmt insoweit inhaltlich Bezug auf die zum 1.1.2019 in Kraft getretene
Änderung des §
301 Abs
2 SGB V durch das Gesetz zur Stärkung des Pflegepersonals (Pflegepersonal-Stärkungsgesetz - PpSG) vom 11.12.2018 (BGBl I 2394). Welche Bedeutung diese Regelung für eine schon in der Vergangenheit liegende Stellungnahme des DIMDI haben soll, wird nicht
erörtert. Überdies setzt sich die Beschwerdebegründung nicht damit auseinander, ob eine formlose E-Mail-Antwort die Qualität
einer rechtlichen Klarstellung im Sinne von §
301 Abs
2 Satz 4
SGB V erfüllt. Soweit sie pauschal behauptet, dass "sich aus dem Vorstehenden klar auch für die Vergangenheit (…) ergibt, dass
(…) Stellungnahmen [des DIMDI] bindend sind, auch für die Gerichte", erläutert sie dies nicht.
Soweit die Beschwerdebegründung - sinngemäß - letztlich doch die Frage danach aufwirft, ob eine Shuntvene als sonstiges Blutgefäß
oder als Vene zu qualifizieren ist, legt sie ebenfalls nicht dar, weshalb dieser Frage grundsätzliche Bedeutung zukommt. In
Bezug auf DRG-basierte Vergütungsbestimmungen erfordert dies regelmäßig die substantiierte Darlegung, warum ausnahmsweise
noch ein über die Frage der zutreffenden Auslegung durch das Tatsachengericht hinausgehender Klärungsbedarf besteht, obwohl
die Auslegung von Vergütungsvorschriften lediglich nach Wortlaut und - ergänzend - Systematik erfolgt. Die Auslegung einer
der jährlichen Überprüfung und eventuellen Anpassung unterliegenden vertraglichen Einzelvergütungsvorschrift hat nämlich in
der Regel keine grundsätzliche Bedeutung, wenn sie keine wesentlichen Auslegungsprobleme aufwirft sowie die hierfür anzuwendenden
Auslegungsmethoden einfach und geklärt sind (vgl BSG vom 19.7.2012 - B 1 KR 65/11 B - SozR 4-1500 § 160a Nr 32 RdNr 17 f mwN; vgl auch BSG vom 20.11.2007 - B 1 KR 118/07 B - juris RdNr 5 mwN).
Die Inkorporierung des OPS in die Vergütungsvorschriften bedeutet - soweit die Vertragsparteien nicht etwas anderes ausdrücklich
bestimmen -, dass den medizinischen Begriffen des OPS der Sinngehalt zukommt, der ihnen im medizinisch-wissenschaftlichen
Sprachgebrauch beigemessen wird. Dieser den Regelungsgehalt determinierende Sprachgebrauch kann - wortlautorientiert - wie
eine Tatsache als Vorfrage für die Auslegung im gerichtlichen Verfahren durch Beweiserhebung ermittelt werden. Insofern gilt
hier nichts anderes als bei Fragen (rein) tatsächlicher Art, die nicht zur Überprüfung durch das Revisionsgericht gestellt
werden können (vgl BSG vom 19.7.2012 - B 1 KR 65/11 B - SozR 4-1500 § 160a Nr 32 RdNr 18, dort zum Begriff der Inzision).
Die Beschwerdebegründung setzt sich nicht damit auseinander, inwieweit die Abgrenzung der OPS-Schlüssel anhand der Begriffswahl
(oberflächliche Vene/Sonstige) für eine Shuntvene wesentliche Auslegungsprobleme aufweist. Insbesondere zeigt sie nicht auf,
dass das Auslegungsproblem hier nicht einer Beweiserhebung zugänglich ist. Sie legt auch im Übrigen nicht dar, warum ein über
die Frage der Auslegung der Vergütungsvorschriften nach deren Wortlaut - allenfalls ergänzt durch systematische Erwägungen
- hinausgehender grundsätzlicher Klärungsbedarf bestehen soll. Allein ihr Hinweis auf weitere anhängige Verfahren zu dieser
Frage genügt insoweit nicht.
2. Der Senat sieht von einer weiteren Begründung ab (§
160a Abs
4 Satz 2 Halbsatz 2
SGG).
3. Die Kostenentscheidung beruht auf §
197a Abs
1 Satz 1 Teilsatz 3
SGG iVm §
154 Abs
2 VwGO, diejenige über den Streitwert auf §
197a Abs
1 Satz 1 Teilsatz 1
SGG iVm § 63 Abs 2 Satz 1, § 52 Abs 3, § 47 Abs 1 und 3 GKG.