Krankenversicherung
Vergütung stationärer Krankenhausbehandlung
Vertragliche Fallpauschalen
Automatische Datenverarbeitung
Auslegungsfähigkeit normenvertraglicher Abrechnungsbestimmungen
Gründe:
I
Die Beteiligten streiten über die Vergütung stationärer Krankenhausbehandlung.
Die Klägerin ist Trägerin eines nach §
108 SGB V zugelassenen Krankenhauses. Sie behandelte den bei der beklagten Krankenkasse (KK) versicherten H (im Folgenden: Versicherter)
vollstationär vom 1. bis 10.6.2011 zur weiteren Abklärung eines lungengeweblichen suspekten Rundherds ua mittels endoskopischer
Biopsie. Neben einer Bronchiallavage erfolgte eine Bürstenbiospie aus den rechten Oberlappenostien und dem Segment 6 sowie
eine Zangenbiopsie aus der Oberlappencarina. Der Versuch, unter Durchleuchtung aus dem Rundherd eine Gewebeprobe zu entnehmen,
scheiterte. Die Klägerin berechnete unter Kodierung von OPS (Operationen- und Prozedurenschlüssel 2011) 1-430.2 (Endoskopische
Biopsie an respiratorischen Organen: Lunge) die Fallpauschale (Diagnosis Related Group 2011 [DRG]) E71A (Neubildungen der
Atmungsorgane, mehr als ein Belegungstag, mit äußerst schweren CC oder starrer Bronchoskopie oder mit komplexer Biopsie der
Lunge) und erhielt hierfür 3325,85 Euro. Die Beklagte forderte später vergeblich 1662,75 Euro auf der Grundlage eines Gutachtens
des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung zurück. Abzurechnen sei die geringer vergütete DRG E71B (Neubildungen der
Atmungsorgane, ein Belegungstag oder ohne äußerst schwere CC, ohne starre Bronchoskopie oder ohne komplexe Biopsie der Lunge).
Die Beklagte kürzte in dieser Höhe unstreitige Rechnungsbeträge für die Vergütung der Behandlung anderer Versicherter. Das
SG hat die Beklagte verurteilt, der Klägerin 1662,75 Euro nebst Zinsen zu zahlen (Urteil vom 14.1.2015). Das LSG hat die Berufung
der Beklagten zurückgewiesen: Die Klägerin habe eine endoskopische Biopsie unter Gewinnung von Zellverbänden an der Lunge
vorgenommen. Dies erfülle die Voraussetzungen der OPS 1-430.2. Unerheblich sei, dass es sich bei den Zellverbänden nicht um
Lungengewebe gehandelt habe (Urteil vom 20.7.2016).
Die Beklagte rügt mit ihrer Revision die Verletzung von §
109 Abs
4 S 3
SGB V iVm § 7 Krankenhausentgeltgesetz (KHEntgG), § 17b Abs 1 S 10 Krankenhausfinanzierungsgesetz (KHG) und § 9 Abs 1 S 1 Nr 1 KHEntgG, OPS 1-430.2 und DRG E71A der Anlage zur Fallpauschalenvereinbarung (FPV) 2011 iVm dem Landesvertrag nach §
112 SGB V zwischen der Hamburgischen Krankenhausgesellschaft eV und (ua) der Beklagten.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts Hamburg vom 20. Juli 2016 und des Sozialgerichts Hamburg vom 14. Januar 2015 aufzuheben
und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie hält die angefochtenen Entscheidungen für zutreffend.
II
Die zulässige Revision der beklagten KK ist begründet (§
170 Abs
2 S 1
SGG). Das LSG hat zu Unrecht die Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Das SG-Urteil verletzt revisibles Recht. Die von der Klägerin erhobene (echte) Leistungsklage ist im hier bestehenden Gleichordnungsverhältnis
zulässig (stRspr, zB BSGE 102, 172 = SozR 4-2500 § 109 Nr 13, RdNr 9; BSGE 104, 15 = SozR 4-2500 § 109 Nr 17, RdNr 12), jedoch unbegründet. Der ursprünglich entstandene Anspruch der Klägerin gegen die Beklagte
auf Vergütung von Krankenhausbehandlung anderer Versicherter (dazu 1.) erlosch dadurch in Höhe von 1662,75 Euro, dass die
Beklagte wirksam mit ihrem Erstattungsanspruch wegen Überzahlung der Vergütung für die Krankenhausbehandlung des Versicherten
aufrechnete (dazu 2.). Der Klägerin stand wegen der stationären Behandlung des Versicherten neben den von der Beklagten gezahlten
und nicht zurückgeforderten 1663,10 Euro jedenfalls kein weitergehender Vergütungsanspruch in Höhe der darüber hinaus gezahlten
1662,75 Euro und damit auch kein Zinsanspruch zu (dazu 3.).
1. Es ist zwischen den Beteiligten zu Recht nicht streitig, dass die Klägerin aufgrund stationärer Behandlungen anderer Versicherter
der Beklagten zunächst Anspruch auf die abgerechnete Vergütung weiterer 1662,75 Euro hatte; eine nähere Prüfung des erkennenden
Senats erübrigt sich insoweit (vgl zur Zulässigkeit dieses Vorgehens zB BSG SozR 4-2500 § 129 Nr 7 RdNr 10; BSG SozR 4-2500 § 130 Nr 2 RdNr 15; BSG SozR 4-5562 § 9 Nr 4 RdNr 8).
2. Der anderweitige Vergütungsanspruch für Krankenhausbehandlung erlosch dadurch, dass die Beklagte wirksam mit ihrem öffentlich-rechtlichen
Erstattungsanspruch wegen Überzahlung der Vergütung für die Krankenhausbehandlung des Versicherten die Aufrechnung erklärte
(zur entsprechenden Anwendung auf überzahlte Krankenhausvergütung vgl zB BSGE 109, 236 = SozR 4-5560 § 17b Nr 2, RdNr 9 ff mwN, stRspr). Schulden zwei Personen einander Leistungen, die ihrem Gegenstand nach gleichartig
sind, so kann jeder Teil seine Forderung gegen die Forderung des anderen Teils aufrechnen, sobald er die ihm gebührende Leistung
fordern und die ihm obliegende Leistung bewirken kann (§
387 BGB). Der Vergütungsanspruch der Klägerin und der von der Beklagten aufgerechnete öffentlich-rechtliche Erstattungsanspruch waren
gegenseitig und gleichartig, der öffentlich-rechtliche Erstattungsanspruch war fällig und der Vergütungsanspruch der Klägerin
erfüllbar (vgl zur Aufrechnung BSG SozR 4-2500 § 264 Nr 3 RdNr 16; BSG Urteil vom 25.10.2016 - B 1 KR 9/16 R - Juris, vorgesehen für SozR 4-5562 § 11 Nr 2; BSG Urteil vom 25.10.2016 - B 1 KR 7/16 R - Juris, vorgesehen für SozR 4-7610 § 366 Nr 1). Die Voraussetzungen des Gegenanspruchs aus öffentlich-rechtlicher Erstattung
in Höhe von 1662,75 Euro waren erfüllt. Die Beklagte zahlte der Klägerin 1662,75 Euro Krankenhausvergütung ohne Rechtsgrund,
weil die Klägerin für die zugunsten des Versicherten erbrachten Leistungen einen jedenfalls in diesem Umfang überhöhten Betrag
berechnete (dazu 3.). In dieser Höhe stand der Beklagten ein öffentlich-rechtlicher Erstattungsanspruch zu.
3. Die Klägerin durfte sachlich-rechnerisch korrekt nicht mehr als 1663,10 Euro abrechnen. Sie hatte dem Grunde nach Anspruch
auf Vergütung (dazu a). Sie durfte jedoch keine höhere Vergütung als nach DRG E71B abrechnen, weil sie die Voraussetzungen
der DRG E71A oder einer anderen höher als die DRG E71B vergüteten Fallpauschale nicht erfüllte (dazu b).
a) Die Zahlungsverpflichtung einer KK entsteht - unabhängig von einer Kostenzusage - unmittelbar mit Inanspruchnahme der Leistung
durch den Versicherten kraft Gesetzes, wenn die Versorgung - wie hier - in einem zugelassenen Krankenhaus durchgeführt wird
und iS von §
39 Abs
1 S 2
SGB V erforderlich und wirtschaftlich ist (stRspr, vgl zB BSGE 102, 172 = SozR 4-2500 § 109 Nr 13, RdNr 11; BSGE 104, 15 = SozR 4-2500 § 109 Nr 17, RdNr 15; BSGE 109, 236 = SozR 4-5560 § 17b Nr 2, RdNr 13; alle mwN). Diese Voraussetzungen waren nach dem Gesamtzusammenhang der unangegriffenen,
den Senat bindenden Feststellungen des LSG (§
163 SGG) erfüllt.
Die Vergütung für Krankenhausbehandlung der Versicherten bemisst sich bei DRG-Krankenhäusern wie jenem der Klägerin nach vertraglichen
Fallpauschalen auf gesetzlicher Grundlage. Die Fallpauschalenvergütung für Krankenhausbehandlung Versicherter in zugelassenen
Einrichtungen ergibt sich aus §
109 Abs
4 S 3
SGB V (idF durch Art 1 Nr
3 Gesetz zur Einführung des diagnose-orientierten Fallpauschalensystems für Krankenhäuser [Fallpauschalengesetz - FPG] vom
23.4.2002, BGBl I 1412) iVm § 7 KHEntgG (idF durch Art 8 Nr 2 Gesetz zur nachhaltigen und sozial ausgewogenen Finanzierung
der Gesetzlichen Krankenversicherung [GKV-Finanzierungsgesetz - GKV-FinG] vom 22.12.2010, BGBl I 2309) und § 17b KHG (idF durch Art 1 Nr 4 Gesetz zum ordnungspolitischen Rahmen der Krankenhausfinanzierung ab dem Jahr 2009 [Krankenhausfinanzierungsreformgesetz
- KHRG] vom 17.3.2009, BGBl I 534; vgl entsprechend BSGE 109, 236 = SozR 4-5560 § 17b Nr 2, RdNr 15 f; BSG SozR 4-2500 § 109 Nr 14 RdNr 15; BSG SozR 4-2500 § 109 Nr 58 RdNr 12; BSG Urteil vom 28.3.2017 - B 1 KR 29/16 R - Juris RdNr 10, für BSGE und SozR vorgesehen). Der Anspruch wird auf Bundesebene durch Normsetzungsverträge (Normenverträge,
Fallpauschalenvereinbarungen) konkretisiert. Die Spitzenverbände der KKn (ab 1.7.2008: Spitzenverband Bund der KKn) und der
Verband der privaten Krankenversicherung gemeinsam vereinbaren nach § 9 Abs 1 S 1 Nr 1 KHEntgG (idF durch Art 2 Nr 9 Buchst
a KHRG vom 17.3.2009, BGBl I 534) mit der Deutschen Krankenhausgesellschaft als "Vertragsparteien auf Bundesebene" mit Wirkung
für die Vertragsparteien nach § 11 KHEntgG (idF durch Art 2 Nr 11 KHRG) einen Fallpauschalen-Katalog einschließlich der Bewertungsrelationen
sowie Regelungen zur Grenzverweildauer und der in Abhängigkeit von diesen zusätzlich zu zahlenden Entgelte oder vorzunehmenden
Abschläge. Ferner vereinbaren sie insoweit Abrechnungsbestimmungen in den FPV auf der Grundlage des § 9 Abs 1 S 1 Nr 3 KHEntgG
(idF durch Art 19 Nr 3 Gesetz zur Stärkung des Wettbewerbs in der gesetzlichen Krankenversicherung [GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz
- GKV-WSG] vom 26.3.2007, BGBl I 378).
Welche DRG-Position abzurechnen ist, ergibt sich rechtsverbindlich aus der Eingabe und Verarbeitung von Daten in einem automatischen
Datenverarbeitungssystem, das auf einem zertifizierten Programm basiert (vgl § 1 Abs 6 S 1 FPV 2011; zur rechtlichen Einordnung
des Groupierungsvorgangs vgl BSGE 109, 236 = SozR 4-5560 § 17b Nr 2, RdNr 19 ff). Zugelassen sind nur solche Programme, die von der InEK GmbH - Institut für das Entgeltsystem
im Krankenhaus -, einer gemeinsamen Einrichtung der in § 17b Abs 1 S 1 KHG und § 9 Abs 1 S 1 Nr 1 KHEntgG genannten Vertragspartner auf Bundesebene, zertifiziert worden sind (vgl BSG SozR 4-2500 § 109 Nr 58 RdNr 13). Das den Algorithmus enthaltende und ausführende Programm greift dabei auch auf Dateien zurück, die entweder
als integrale Bestandteile des Programms mit vereinbart sind (zB die Zuordnung von ICD-10-Diagnosen und Prozeduren zu bestimmten
Untergruppen im zu durchlaufenden Entscheidungsbaum) oder an anderer Stelle vereinbarte Regelungen wiedergeben. Zu letzteren
gehören die Fallpauschalen selbst, aber auch die Internationale Klassifikation der Krankheiten (ICD-10) in der jeweiligen
vom Deutschen Institut für Medizinische Dokumentation und Information (DIMDI) im Auftrag des Bundesministeriums für Gesundheit
(BMG) herausgegebenen deutschen Fassung ([ICD-10-GM] hier in der Version 2011 idF der Bekanntmachung des BMG gemäß §§
295 und
301 SGB V zur Anwendung des Diagnosenschlüssels vom 21.10.2010, BAnz Nr 169 vom 9.11.2010, S 3751, in Kraft getreten am 1.1.2011 [ICD-10-GM
2011]), die Klassifikation des vom DIMDI im Auftrag des BMG herausgegebenen OPS (hier in der Version 2011 idF der Bekanntmachung des BMG gemäß §§
295 und
301 SGB V zur Anwendung des OPS vom 21.10.2010, BAnz Nr 169 vom 9.11.2010, S 3752, in Kraft getreten am 1.1.2011; zur Grundlage der
Rechtsbindung vgl BSGE 109, 236 = SozR 4-5560 § 17b Nr 2, RdNr 24) sowie die von den Vertragspartnern auf Bundesebene getroffene Vereinbarung zu den DKR
für das Jahr 2011 (Vereinbarung zu den Deutschen Kodierrichtlinien Version 2011 für das G-DRG-System gemäß § 17b KHG; zu deren normativer Wirkung vgl BSGE 109, 236 = SozR 4-5560 § 17b Nr 2, RdNr 18).
Die Anwendung der normenvertraglichen Abrechnungsbestimmungen ist nicht automatisiert und unterliegt als Mitsteuerung der
prozesshaften Tatbestandsbildung im Zusammenspiel mit den Vorgaben zertifizierter Grouper ihrerseits grundsätzlich den allgemeinen
Auslegungsmethoden der Rechtswissenschaft. Die Abrechnungsbestimmungen sind gleichwohl wegen ihrer Funktion im Gefüge der
Ermittlung des Vergütungstatbestandes innerhalb eines vorgegebenen Vergütungssystems eng am Wortlaut orientiert und unterstützt
durch systematische Erwägungen auszulegen. Eine Vergütungsregelung, die für die routinemäßige Abwicklung von zahlreichen Behandlungsfällen
vorgesehen ist, kann ihren Zweck nur erfüllen, wenn sie allgemein streng nach ihrem Wortlaut sowie den dazu vereinbarten Anwendungsregeln
gehandhabt wird und keinen Spielraum für weitere Bewertungen sowie Abwägungen belässt. Demgemäß sind Vergütungsregelungen
stets eng nach ihrem Wortlaut und allenfalls ergänzend nach ihrem systematischen Zusammenhang auszulegen; Bewertungen und
Bewertungsrelationen bleiben außer Betracht (vgl BSG SozR 4-2500 § 109 Nr 19 RdNr 17 mwN; BSGE 109, 236 = SozR 4-5560 § 17b Nr 2, RdNr 27; BSG SozR 4-2500 § 109 Nr 51 RdNr 13 mwN; BSG SozR 4-5562 § 2 Nr 1 RdNr 15; zur Auslegung von medizinischen Begriffen im OPS vgl BSG SozR 4-1500 § 160a Nr 32 RdNr 12 ff).
b) Die Klägerin durfte die Prozedur OPS 1-430.2 nicht kodieren, die iVm weiteren Kodierungen, insbesondere der Hauptdiagnose
ICD-10-GM D38.1 (Neubildung unsicheren oder unbekannten Verhaltens des Mittelohres, der Atmungsorgane und der intrathorakalen
Organe: Trachea, Bronchus und Lunge), die Fallpauschale DRG E71A ansteuert. Die Biopsie "an" dem respiratorischen Organ Lunge
beschreibt eine erfolgreiche Gewebeentnahme, zu der es nicht kam (dazu aa). Die Klägerin durfte nach der Kodierregel Nr 3
der DKR P004f für nicht vollendete oder unterbrochene Prozeduren lediglich OPS 1-430.1 (Endoskopische Biopsie an respiratorischen
Organen: Bronchus) kodieren, die iVm weiteren Kodierungen die Fallpauschale DRG E71B ansteuert (dazu bb).
aa) Die Gruppe der endoskopischen Biopsien an respiratorischen Organen "OPS 1-430" fordert einheitlich einen Erfolg: Die "Entnahme"
von Biopsien, also durch Biopsien erlangte Gewebestücke, die histologisch untersucht werden können. Das belegt schon der klare
Wortlaut des verbindlichen Hinweises zu OPS 1-430. Danach umfassen die nachfolgenden Kodes die Entnahme von einer bis fünf
Biopsien. Die Schlüssel differenzieren systematisch nach ihrem Entnahmeort, etwa Trachea (OPS 1-430.0), Bronchus (OPS 1-430.1)
oder Lunge (OPS 1-430.2). Eine erfolgsunabhängige bloße Tätigkeitsbeschreibung ergibt sich entgegen der auf die rechtliche
Einschätzung des medizinischen Sachverständigen gestützten Auffassung des LSG nicht aus der Formulierung, dass die Biopsie
"an" respiratorischen Organen (OPS 1-430) zu erfolgen hat. Die Auslegung dieser Formulierung ist dem Sachverständigenbeweis
nicht zugänglich. Nur soweit es um das Verständnis spezifisch medizinischer Begriffe geht, die die OPS-Klassifikation in den
Vergütungsvorschriften nutzt, kommt Beweiserhebung durch Sachverständige in Betracht, um ihren Sinngehalt im medizinisch-wissenschaftlichen
Sprachgebrauch zu ermitteln (vgl BSG SozR 4-1500 § 160a Nr 32 RdNr 18). Dies trifft nicht auf die Frage zu, welches Stadium der Ausführung die konkrete Biopsie erreicht haben muss,
um vergütungsrechtlich relevant zu sein. Die Klägerin erzielte nicht den für Biopsien am respiratorischen Organ Lunge (OPS
1- 430.2) erforderlichen Erfolg, die Entnahme von Gewebe aus der Lunge, so die unangegriffenen, den Senat bindenden (§
163 SGG) Feststellungen des LSG.
bb) Die Klägerin durfte nach der Kodierregel Nr 3 der DKR P004f für nicht vollendete oder unterbrochene Prozeduren lediglich
OPS 1-430.1 kodieren. Grundsätzlich ist jede Prozedur mit ihren jeweiligen Prozedurkomponenten als eine Prozedur zu kodieren
(vgl DKR P001f: "Alle signifikanten Prozeduren, die vom Zeitpunkt der Aufnahme bis zum Zeitpunkt der Entlassung vorgenommen
wurden und im OPS abbildbar sind, sind zu kodieren. ... Normalerweise ist eine Prozedur vollständig mit all ihren Komponenten
... in einem Kode abgebildet ... ."). Es muss sich hierbei grundsätzlich um eine vollendete Prozedur handeln, soweit sich
aus dem Wortlaut der OPS-Klassifikation selbst nicht etwas anderes ergibt. Als Ausnahme von diesem Grundsatz beschreibt die
allgemeine Kodierrichtlinie DKR P004f die Kodierregeln für den Fall, dass die Prozedur nicht vollendet oder unterbrochen wurde.
Nur unter den in DKR P004f (nicht vollendete oder unterbrochene Prozedur) genannten Voraussetzungen und nach dessen Maßgaben
ist eine nicht vollendete oder unterbrochene Prozedur kodierfähig. So liegt es, wenn - wie hier - die Prozedur tatbestandlich
einen Erfolg voraussetzt, der nicht eingetreten ist. DKR P004f gibt für die Fälle der nicht vollendeten oder unterbrochenen
Prozeduren nach Wortlaut und Binnensystematik eine streng algorithmische Reihenfolge in fünf aufeinander folgenden Prüfungsschritten
zur Ermittlung der zutreffenden Kodierregel vor (vgl auch Zaiß in ders, DRG: Verschlüsseln leicht gemacht, 9. Aufl 2011, S
63). Sind die Voraussetzungen eines Prüfungsschritts erfüllt, ist die dortige Kodierregel anzuwenden. Die weitere Prüfung
ist abzubrechen. Diese Binnensystematik der Kodierrichtlinie DKR P004f entspricht zugleich der Gesamtsystematik der DKR. Die
Kodierrichtlinien sind an der möglichst spezifischen Kodierung des Behandlungsgeschehens ausgerichtet. Die Spezifität der
Kodierung ergibt sich nicht aus von außen an das Abrechnungssystem herangetragene Wertungen, sondern allein aus Wertungen,
wie sie ua in DKR P004f ihren Niederschlag gefunden haben. Die Kodierrichtlinie P004f bestimmt:
"Wenn eine Prozedur aus irgendeinem Grund unterbrochen oder nicht vollendet wurde, ist wie folgt vorzugehen:
1. Wenn von einem laparoskopisch/endoskopischen Verfahren auf 'offen chirurgisch' umgestiegen wird, so ist zu prüfen, ob es
für den Umstieg einen eigenen Kode im OPS gibt.
a. Gibt es einen spezifischen Kode für 'Umsteigen auf offen chirurgisch', so ist dieser zu verwenden (siehe Beispiel 1).
b. Gibt es dafür keinen spezifischen Umsteigekode, so wird nur die offen chirurgische Prozedur kodiert (siehe Beispiel 2).
2. Gibt es einen spezifischen Kode für eine misslungene Prozedur (siehe Beispiel 3), so ist dieser zu verwenden. In diesen
Fall ist der Zusatzkode 5-995 Vorzeitiger Abbruch einer Operation (Eingriff nicht komplett durchgeführt) nicht anzugeben.
3. Lässt sich die bisher erbrachte Teilleistung mit dem OPS kodieren, so wird nur die Teilleistung kodiert (siehe Beispiele
4 und 5).
4. Wird eine Prozedur nahezu vollständig erbracht, so wird sie ohne Zusatzkode 5-995 kodiert.
5. In allen anderen Fällen ist die geplante, aber nicht komplett durchgeführte Prozedur zu kodieren; bei Operationen ist zusätzlich
der OPS-Kode 5-995 anzugeben."
Der Wortlaut von DKR P004f spricht den Gesichtspunkt der Spezifität ausdrücklich an (vgl Kodierregel Nr 1a und Nr 2: "spezifischer
Kode"). Eine nicht vollendete oder unterbrochene Prozedur ist - weil weniger spezifisch - nur ausnahmsweise wie eine vollendete
Prozedur zu kodieren (Kodierregel Nr 4 und 5), wenn keiner der in den Kodierregeln Nr 1 bis 3 beschriebenen Fälle vorliegt.
Ein frustraner Ressourcenverbrauch ist dabei kein ungeschriebener eigenständiger Gesichtspunkt zur Bestimmung einer Kodierregel
der DKR P004f. Er ist nur beachtlich, wenn er im Wortlaut der jeweiligen Regelung seinen Ausdruck findet (hier in Kodierregel
Nr 1a, wenn und soweit es für die bereits erbrachte laparoskopisch/endoskopische Teilleistung einen spezifischen Kode für
"Umsteigen auf offen chirurgisch" gibt) oder sich sachlogisch aus der Kodierregel selbst ergibt (hier Kodierregel Nr 5).
Die Klägerin erfüllte schon im Ansatz nicht die Voraussetzungen von DKR P004f Nr 1 und 2. Sie ging weder auf ein offen chirurgisches
Verfahren zur Gewinnung von Gewebematerial über noch gibt es einen spezifischen Kode für eine misslungene Prozedur (zu Beispielen
dafür vgl Zaiß in ders, DRG: Verschlüsseln leicht gemacht, 9. Aufl 2011, S 64) bei Biopsien ohne Inzision (OPS 1-40 bis 1-49).
Zu dieser Gruppe zählt auch die hier durchgeführte Biopsie ohne Inzision an respiratorischen Organen (OPS 1-43). Die Klägerin
erbrachte hingegen eine Teilleistung, die sich mit dem OPS kodieren lässt (Nr 3 der DKR P004f), indem sie die tatbestandlichen
Voraussetzungen des OPS 1-430.1 erfüllte, die Entnahme einer Gewebeprobe aus der Oberlappencarina des rechten Lungenflügels
mit der Zange. Unerheblich ist, ob zusätzlich auch die Bürstenbiopsien aus den rechten Oberlappenostien und dem Segment 6
Biopsien iS des OPS 1-43 sind. Selbst wenn man dies unterstellt, konnte es sich dabei nach den unangegriffenen, den Senat
bindenden (§
163 SGG) Feststellungen des LSG nur um maximal zwei weitere Biopsien im Bereich des Bronchus handeln (OPS 1-430.1). Der Kode umfasst
bereits die Entnahme von einer bis fünf Biopsien, wie oben dargelegt. Soweit das LSG gestützt auf rechtliche Ausführungen
des medizinischen Sachverständigen eine abweichende Auffassung zu den bundesrechtlichen Vergütungsregelungen vertreten hat,
ist der erkennende Senat hieran nicht gebunden. Das Gesetz sieht nur eine Bindung des Revisionsgerichts an die tatsächlichen
Feststellungen des LSG vor (§
163 SGG; zu Ausnahmen vgl §
202 S 1
SGG iVm §
293 ZPO), nicht an Ergebnisse der Beweiserhebung durch medizinische Sachverständige zu Rechtsfragen.
4. Die Kostenentscheidung beruht auf §
197a Abs
1 Teils 3
SGG iVm §
154 Abs
1 VwGO. Die Streitwertfestsetzung folgt aus §
197a Abs
1 Teils 1
SGG iVm § 63 Abs 2, § 52 Abs 1 und 3, § 47 Abs 1 GKG.