Vergütung stationärer Krankenhausbehandlung in der gesetzlichen Krankenversicherung; zeitnahe Durchführung der Abrechnungsprüfung
Gründe:
I
Streitig ist eine Restforderung des Klägers nach stationärer Krankenhausbehandlung in Höhe von 1296,86 Euro gegen die Beklagte.
Die bei der Beklagten krankenversicherte S. wurde vom 25.9. bis 1.10.2009 im Krankenhaus des Klägers stationär wegen Herzinsuffizienz
und Schocks behandelt. Hierfür stellte der Kläger der Beklagten am 2.10.2009 mit Bezugnahme auf die Diagnosis Related Group
(DRG) F62B (Herzinsuffizienz und Schock mit äußerst schweren CC [Komorbiditäten oder Komplikationen]) 4012,97 Euro in Rechnung.
Die Beklagte bezahlte diesen Betrag am 7.10.2009 unter Vorbehalt, weil die übermittelten Daten eine zweifelsfreie Beurteilung
der Richtigkeit der zugrunde gelegten Hauptdiagnose nicht zuließen, und forderte den Kläger unter Bezug auf §
2 Abs
1 S 2 des Vertrages gemäß §
112 Abs
1 SGB V zu §
112 Abs
2 Nr
2 SGB V - Überprüfung der Notwendigkeit und Dauer der Krankenhausbehandlung - vom 1.7.1995 (im Folgenden: KÜV) auf, eine medizinische
Begründung abzugeben. Nach Eingang der Antwort des Klägers "HD korrekt, stat. Aufnahme wegen li-kardialer Dekompensation"
beauftragte die Beklagte ihren Sozialmedizinischen Dienst (SMD) mit der Durchführung einer Abrechnungsprüfung. Der SMD zeigte
dem Kläger mit Schreiben vom 21.10.2009 den Prüfauftrag der Beklagten an und bat um Übermittlung des Entlassungsberichts und
der Aufnahmeanamnese. Nach Vorlage entsprechender Unterlagen durch den Kläger am 22.10.2009 erstellte der SMD eine sozialmedizinische
Stellungnahme vom 22.4.2010 und führte darin aus, die Hauptdiagnose sei zwar zutreffend kodiert worden, wegen Änderung anderer
Parameter werde der stationäre Aufenthalt richtigerweise aber durch die DRG F62C (Herzinsuffizienz und Schock, ohne äußerst
schwere CC = 2716,11 Euro) abgebildet. Auf dieser Grundlage rechnete die Beklagte am 4.5.2010 gegen eine unstreitige Forderung
des Klägers aus anderen Behandlungsfällen in Höhe des Differenzbetrages von 1296,86 Euro auf.
Das SG hat die Beklagte verurteilt, dem Kläger 1296,86 Euro zzgl Zinsen zu zahlen (Gerichtsbescheid vom 28.4.2011), das LSG hat
die Berufung der Beklagten zurückgewiesen (Urteil vom 21.3.2012): Der Kläger habe Anspruch auf die weitere Vergütung, da die
Beklagte wegen des Verstoßes gegen das Gebot zur zeitnahen Durchführung der Überprüfung (§
275 Abs
1c SGB V) mit etwaigen Einwendungen gegen die Rechnung ausgeschlossen sei. Der unbestimmte Rechtsbegriff "zeitnah" sei durch richterliche
Auslegung zu konkretisieren. Deshalb sei eine Prüfung unter Berücksichtigung der Gesetzesmaterialien nur noch dann als zeitnah
anzusehen, wenn sie innerhalb von zwölf Wochen nach Einleitung des Prüfverfahrens abgeschlossen werde; dieser Zeitrahmen dürfe
nur bei Vorliegen eines besonderen Grundes überschritten werden.
Mit der vom LSG zugelassenen Revision macht die Beklagte die Verletzung formellen und materiellen Rechts geltend. Das LSG
habe den Zeitraum für eine zeitnahe Prüfung fehlerhaft auf zwölf Wochen festgelegt und in der Folge das Versäumnis dieser
Frist durch den SMD rechtswidrig ihr - der Krankenkasse - zugerechnet. Selbst wenn man aber die Zurechnung eines entsprechenden
Verstoßes annehmen würde, könne dies nicht den Ausschluss sämtlicher Einwendungen gegen die klägerische Abrechnung zur Folge
haben. Das LSG habe die notwendigen Ermittlungen wegen der Abrechnungshöhe unterlassen und damit gegen den Amtsermittlungsgrundsatz
verstoßen.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts für das Saarland vom 21.3.2012 und den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts für das Saarland
vom 28.4.2011 zu ändern und die Klage abzuweisen.
Der Kläger verteidigt die angegriffenen Entscheidungen und beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
II
Die Revision ist im Sinne einer Aufhebung des angefochtenen Urteils und Zurückverweisung der Sache an das LSG zur erneuten
Verhandlung und Entscheidung begründet (§
170 Abs
2 S 2
SGG). Der Senat kann an Hand der bisherigen Feststellungen des LSG nicht abschließend prüfen, ob der zutreffend im Wege der (echten)
Leistungsklage (stRspr, vgl BSGE 90, 1 = SozR 3-2500 § 112 Nr 3 S 18, 20; BSGE 111, 58 = SozR 4-2500 § 109 Nr 24, RdNr 8) geltend gemachte - selbst außer Streit stehende (vgl Urteil des Senats vom 21.3.2013 -
B 3 KR 2/12 R - zur Veröffentlichung in SozR 4-2500 vorgesehen; BSGE 93, 137 = SozR 4-2500 § 137c Nr 2, RdNr 6) - Anspruch auf weitergehendes Entgelt für Krankenhausleistungen in Höhe von 1296,86 Euro
durch die Aufrechnung der Beklagten vom 4.5.2010 erloschen ist. Denn anders als die Vorinstanzen meinen, ist die Beklagte
mit ihren Einwendungen gegen die Abrechnung vom 2.10.2009 nicht aus Rechtsgründen ausgeschlossen. Zwar wurde das die Gegenforderung
begründende Prüfverfahren nicht fehlerfrei, weil nicht zeitnah durchgeführt (dazu Ziffer 1). Dabei kann im Ergebnis unentschieden
bleiben, ob die Beklagte sich dies zurechnen lassen muss (dazu Ziffer 2). Denn sie ist nach bisheriger Rechtslage trotz des
Verstoßes gegen §
275 Abs
1c S 1
SGB V nicht gehindert, auf der Grundlage des Prüfergebnisses Einwendungen gegen die Abrechnung des Klägers vom 2.10.2009 zu erheben
(dazu Ziffer 3). Diese Einwendungen der Beklagten sind auch aus anderen Rechtsgründen nicht ausgeschlossen (dazu Ziffer 4).
1. Die gesetzlichen Vorgaben des zunächst rechtmäßig nach §
275 Abs
1 Nr
1 SGB V eingeleiteten Verfahrens (dazu Punkt a) wurden vorliegend verletzt, weil die Prüfung nicht innerhalb von sechs Monaten und
damit nicht mehr zeitnah iS von §
275 Abs
1c S 1
SGB V abgeschlossen worden ist (dazu Punkt b).
a) §
275 Abs
1 Nr
1 SGB V in der hier maßgeblichen Fassung des Fallpauschalengesetzes - FPG - vom 23.4.2002 (BGBl I 1412) berechtigt und verpflichtet
die Krankenkassen, in den gesetzlich bestimmten Fällen oder wenn es nach Art, Schwere, Dauer oder Häufigkeit der Erkrankung
oder nach dem Krankheitsverlauf erforderlich ist, bei Erbringung von Leistungen, insbesondere zur Prüfung von Voraussetzungen,
Art und Umfang der Leistung, sowie bei Auffälligkeiten zur Prüfung der ordnungsgemäßen Abrechnung eine gutachtliche Stellungnahme
des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (MDK, hier wahrgenommen durch den SMD, §
283 S 3
SGB V idF Art 15 Nr 5 Gesetz zur Änderung des
Vierten Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze vom 19.12.2007 [BGBl I 3024] iVm Bekanntmachung vom 28.12.2007 [BGBl I 3305]) einzuholen. Diese Regelung
ist Ausfluss des Datenschutzes sowie des Arztgeheimnisses und steht nicht zur Disposition der Krankenkassen (sind ... verpflichtet),
wie insbesondere der Vergleich mit Abs 3 der Vorschrift (können) bzw Abs 4 (sollen) deutlich zeigt.
aa) Die Beklagte war berechtigt und verpflichtet, ein Prüfverfahren nach §
275 Abs
1 Nr
1 Halbs 2
SGB V einzuleiten, da die Abrechnung des Klägers vom 2.10.2009 auffällig war.
Der hier maßgebliche Tatbestand der Abrechnungsprüfung fehlte in der Ursprungsfassung des §
275 Abs
1 Nr
1 SGB V und ist erst durch das FPG vom 23.4.2002 mit Wirkung zum 1.1.2003 eingefügt worden. In den Gesetzesmaterialien (BT-Drucks
14/7862) heißt es dazu, dass das Verfahren ausdrücklich auf Fälle begrenzt wird, in denen die Krankenkassen einen Anfangsverdacht
haben. Der erkennende Senat hat daraus gefolgert, dass durch das Tatbestandsmerkmal der "Auffälligkeiten" eine Abgrenzung
der routinemäßigen Stichprobenprüfung nach § 17c Krankenhausfinanzierungsgesetz (KHG) von der konkreten Einzelprüfung nach §
275 Abs
1 Nr
1 SGB V erfolgt ist und eine Auffälligkeit nur dann vorliegt, wenn der konkrete Verdacht einer fehlerhaften Abrechnung besteht (BSGE
98, 142 = SozR 4-2500 § 276 Nr 1, RdNr 22 mwN). Der 1. Senat des BSG ist dem gefolgt und hat das Bestehen von Auffälligkeiten dann angenommen, wenn die Abrechnung und/oder die vom Krankenhaus
zur ordnungsgemäßen Abrechnung vollständig mitgeteilten Behandlungsdaten und/oder weitere zulässig von der Krankenkasse verwertbare
Informationen konkrete Fragen nach der - insbesondere sachlich-rechnerischen - Richtigkeit der Abrechnung und/oder nach der
Beachtung des Wirtschaftlichkeitsgebots aufwerfen, die die Krankenkasse aus sich heraus ohne weitere medizinische Sachverhaltsermittlung
und -bewertung durch den MDK nicht beantworten kann (BSGE 112, 141 = SozR 4-2500 § 275 Nr 8, RdNr 18). Der erkennende Senat hat dies sodann dahingehend konkretisiert, dass der Anwendungsbereich
der Einzelfallprüfung nach §
275 Abs
1 Nr
1 Halbs 2
SGB V - soweit also die Rechnungsprüfung in Rede steht - auf solche Anlässe beschränkt ist, die durch "Auffälligkeiten" gekennzeichnet
sind; diese hat die Krankenkasse im Zweifelsfall zu belegen (Urteil vom 22.11.2012 - B 3 KR 20/12 R - zur Veröffentlichung in SozR 4-2500 § 275 Nr 9 vorgesehen, RdNr 23). Liegt keine Auffälligkeit im dargelegten Rechtssinne
vor, kann und muss der MDK die Krankenkasse bei einem solchen, auf bloß vermeintliche Auffälligkeiten gestützten Auftrag auf
diesen Umstand hinweisen und den Auftrag ggf ablehnen. Das Krankenhaus darf die Herausgabe von dennoch angeforderten Krankenbehandlungsunterlagen,
die über das für die Abrechnung Erforderliche (§
301 SGB V) hinausgehen, unter Hinweis auf das Fehlen von Auffälligkeiten verweigern.
Das BSG ist in der Vergangenheit von einer Auffälligkeit iS des §
275 Abs
1 Nr
1 Halbs 2
SGB V dann ausgegangen, wenn ein Versicherter an einem Montagmorgen entlassen wurde (BSGE 102, 181 = SozR 4-2500 § 109 Nr 15, RdNr 32 f, SozR 4-2500 § 109 Nr 16 RdNr 21), wenn eine falsche Hauptdiagnose der Kodierung durch
das Krankenhaus zugrunde lag (BSGE 106, 214 = SozR 4-2500 § 275 Nr 3, RdNr 14 f) oder wenn der Versicherte am Tag nach seiner Entlassung innerhalb der oberen Grenzverweildauer
erneut stationär aufgenommen werden musste (BSGE 112, 141 = SozR 4-2500 § 275 Nr 8, RdNr 21). Die Durchführung einer Koronarangiographie wurde als "auffällig" angesehen, wenn diese
auch ambulant hätte geschehen können - vorausgesetzt, die Krankenkasse hatte sich zuvor ärztlich beraten lassen (BSGE 104,
15 = SozR 4-2500 § 109 Nr 17, RdNr 31). Eine Auffälligkeit wurde hingegen als fernliegend angesehen, wenn die Rechnungsprüfung
nur mit der Schwere der Erkrankung und einem latent suizidalen Zustand begründet wurde (Urteil vom 22.11.2012 - B 3 KR 20/12 R - zur Veröffentlichung in SozR 4-2500 § 275 Nr 9 vorgesehen, RdNr 23). Zuletzt hat der Senat noch darauf hingewiesen, dass
die Tatsache, dass ein Versicherter innerhalb der vorgesehenen Grenzverweildauern im Krankenhaus behandelt wird, allein grundsätzlich
keine Auffälligkeit begründen kann (vgl Urteil des Senats vom 16.5.2013 - B 3 KR 32/12 R - zur Veröffentlichung in BSGE und SozR 4 vorgesehen, RdNr 15 f mwN).
Im vorliegenden Fall hat die Beklagte den Kläger mit Schreiben vom 7.10.2009 darauf hingewiesen, dass aufgrund der übermittelten
Daten für sie nicht zweifelsfrei zu beurteilen sei, ob die angegebene Hauptdiagnose für die Abrechnung des Krankenhauses zutreffend
verschlüsselt worden ist. Die Beklagte hat damit eine konkrete Frage nach der sachlich-rechnerischen Richtigkeit der Abrechnung
aufgeworfen, die ohne weitere medizinische Sachverhaltsermittlung - wie hier die Prüfung der Aufnahme- und der Entlassungsbefunde
- und deren Bewertung durch den SMD allein durch die Krankenkasse nicht beantwortet werden konnte. Zwar mutet es eigentümlich
an, dass auf dem Rechnungsprüfungsbogen der Beklagten an exponierter Stelle und mit Fettdruck der Terminus "Einsparpotential"
vermerkt und handschriftlich mit ca 1100 Euro konkretisiert worden ist, doch dieser ggf sachfremde Zusatzzweck der Rechnungsprüfung
macht diese deshalb nicht eo ipso unwirksam.
bb) Das Prüfverfahren wurde auch rechtzeitig iS des §
275 Abs
1c S 2
SGB V eingeleitet. Der SMD hat dem Kläger die Prüfung mit Schreiben vom 21.10.2009 und damit innerhalb von sechs Wochen nach Zugang
der Abrechnung vom 2.10.2009 bei der Beklagten angezeigt. Dies war fristgerecht, so dass ein Ermittlungs- und Beweisverwertungsverbots
wegen des Versäumens der Anzeige- und Ausschlussfrist nach §
275 Abs
1c S 2
SGB V nicht in Betracht kommt (vgl SozR 4-2500 §
275 Nr 5, RdNr 16; BSGE 111, 58 = SozR 4-2500 § 109 Nr 24, RdNr 17).
cc) Der SMD war schließlich auch berechtigt, den Krankenhausentlassungsbericht und die Aufnahmeanamnese beim Kläger anzufordern.
Der Medizinische Dienst darf Sozialdaten nur erheben und speichern, soweit dies für Prüfungen, Beratungen und gutachtliche
Stellungnahmen erforderlich ist; dem entsprechend sind die Leistungserbringer verpflichtet, Sozialdaten auf Anforderung unmittelbar
an diesen zu übermitteln (§
276 Abs
2 S 1
SGB V). Zulässig ist damit allerdings nicht jegliche Datenerhebung durch den MDK. Die Daten müssen vielmehr für die jeweilige Prüfung
relevant sein. Hiervon nicht gedeckt ist die regelmäßige und nicht durch den Prüfzweck bedingte Anforderung der kompletten
Krankenakte oder - wie hier im Schreiben des SMD vom 21.10.2009 - die Anforderung "ggf weiterer zur abschließenden Beurteilung
des genannten Prüfanlasses geeigneter Unterlagen". Der Zusammenhang zwischen dem Prüfauftrag und den angeforderten Unterlagen
muss dem Krankenhaus ersichtlich sein, da es andernfalls nicht prüfen kann, ob es zu deren Herausgabe nach §
276 Abs
2 S 1 Halbs 2
SGB V verpflichtet ist. Der Senat hat hierzu bereits entschieden, dass der MDK diejenigen Gründe anzugeben hat, aus denen der Adressat
die für die Anforderung leitenden Gründe entnehmen kann (Rechtsgedanke des § 35 SGB X, SozR 4-2500 § 109 Nr 18 RdNr 25).
Es mag zweifelhaft sein, ob der Kläger allein an Hand der Unterlagenanforderung des SMD vom 21.10.2009 hätte prüfen können,
ob dieser den angeforderten Krankenhausentlassungsbericht und die Aufnahmeanamnese benötigte, um eine Stellungnahme für die
Krankenkasse abzugeben, denn der SMD hatte den Prüfgrund nicht näher bezeichnet. Dies ist im vorliegenden Fall aber unschädlich,
da der Kläger den Anlass der Prüfung bereits aufgrund des Schreibens der Beklagten vom 7.10.2009 kannte, auf das der SMD in
seiner Prüfanzeige auch ausdrücklich Bezug genommen hatte, und damit auf die Erforderlichkeit der angeforderten Unterlagen
für die Prüfung des SMD schließen konnte. Denn nach der Rechtsprechung des BSG richten sich die aus § 35 SGB X abzuleitenden Begründungsanforderungen nach den Besonderheiten des jeweiligen Rechtsgebietes sowie nach den Umständen des
Einzelfalles. Es reicht aus, wenn dem Betroffenen die Gründe einer Behördenentscheidung bzw hier für die Beiziehung medizinischer
Unterlagen in solcher Weise und in solchem Umfang bekannt gegeben werden, dass er seine Rechte wahrnehmen und ggf sachgemäß
verteidigen kann. Die Verwaltung darf sich deshalb auf die Angabe der maßgebend tragenden Erwägungen beschränken und braucht
Gesichtspunkte und Umstände, die auf der Hand liegen oder dem Betroffenen bekannt sind, nicht nochmals darzulegen (SozR 4-2500
§ 109 Nr 18 RdNr 29 mwN).
b) Die Prüfung wurde allerdings entgegen §
275 Abs
1c S 1
SGB V nicht zeitnah durchgeführt, da sie nicht innerhalb von sechs Monaten seit Rechnungsstellung durch den Kläger abgeschlossen
worden ist.
§
275 Abs
1c S 1 und 2
SGB V in der hier maßgeblichen Fassung des GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetzes vom 26.3.2007 (BGBl I 378) regeln, dass bei Krankenhausbehandlung
nach §
39 eine Prüfung nach §
275 Abs
1 Nr
1 SGB V zeitnah durchzuführen ist. Die Prüfung ist spätestens sechs Wochen nach Eingang der Abrechnung bei der Krankenkasse einzuleiten
und durch den MDK anzuzeigen. Innerhalb welcher Frist eine rechtzeitig eingeleitete Prüfung durchzuführen ist bzw wann eine
Prüfung abgeschlossen sein muss, um "zeitnah" iS des §
275 Abs
1c S 1
SGB V durchgeführt worden zu sein, ist dem Wortlaut der Vorschrift nicht zu entnehmen. Schon das LSG hat zutreffend darauf hingewiesen,
dass es sich hier um einen sog unbestimmten Rechtsbegriff handelt, den die Gerichte unter Berücksichtigung des Gesetzeszwecks
und der Interessenlage der Beteiligten im Einzelfall zu konkretisieren und somit durch Auslegung zu ermitteln haben. Die Gründe,
die den Gesetzgeber bewegen, solche unbestimmten Rechtsbegriffe in einer Vielzahl von Gesetzen zu verwenden, können vielfältig
sein. In allen Fällen ist es aber ein Gebot effektiven Rechtsschutzes (Art
19 Abs
4 GG), die auf solchen Tatbeständen beruhenden Umsetzungsentscheidungen der Exekutive in vollem Umfang überprüfbar zu machen (BVerfGE
7, 129, 154; 84, 34, 49; 103, 142, 157; stRspr). Es ist geradezu die Pflicht der Gerichte, die erforderliche Kontrolldichte bei
Einzelfallentscheidungen durch eine Normenkonkretisierung herbeizuführen. Deshalb erschöpft sich das in §
275 Abs
1c S 1 und 2
SGB V normierte besondere Beschleunigungsgebot nach Auffassung des Senats nicht bereits in der rechtzeitigen Einleitung des Prüfverfahrens
innerhalb von sechs Wochen (§
275 Abs
1c S 2
SGB V), sondern es gilt für das komplette Prüfverfahren, denn ansonsten wäre die Verwendung des Wortes "zeitnah" in §
275 Abs
1c S 1
SGB V sinnlos (vgl auch Schliephorst, Das Krankenhaus 2013, 835, 837).
aa) Die von einer Krankenkasse im Einzelfall vorgenommene Beanstandung einer Krankenhausrechnung steht nach stRspr des erkennenden
Senats unter dem Vorbehalt von Treu und Glauben, der über §
69 SGB V gemäß dem Rechtsgedanken des §
242 BGB auf die Rechtsbeziehungen zwischen Leistungsträgern und Leistungserbringern einwirkt. Demzufolge sind die dauerhaften professionellen
Vertragsbeziehungen zwischen Krankenhäusern und Krankenkassen von einem systemimmanenten Beschleunigungsgebot geprägt und
verpflichten zur gegenseitigen Rücksichtnahme (so bereits BSGE 89, 104, 110 = SozR 3-2500 § 112 Nr 2 S 10, 16 f - sog "Berliner Fälle" bzw zuletzt Urteil des Senats vom 21.3.2013 - B 3 KR 28/12 R - zur Veröffentlichung in SozR 4 vorgesehen, RdNr 11 f). Der Senat hat weiter stets betont, dass den landesvertraglichen
Regelungen iS von §
112 Abs
2 S 1 Nr
1 und
2 SGB V ebenfalls ein generelles Gebot zur zügigen Abwicklung aller verwaltungsmäßigen Vorgänge innewohnt (BSG SozR 4-2500 § 112 Nr 6, RdNr 13 und 16; BSG SozR 4-2500 § 33 Nr 14 RdNr 13; BSG SozR 4-2500 §
109 Nr
16 RdNr
16) und in §
275 Abs
1c SGB V nunmehr eine dementsprechende gesetzliche Regelung zu sehen ist (BSGE 105, 150 = SozR 4-2500 § 109 Nr 20, RdNr 18; BSG SozR 4-2500 § 109 Nr 16 RdNr 16), mit der der Gesetzgeber an diese Vertragspraxis hat anschließen wollen. §
275 Abs
1c SGB V ist damit als Teil eines Bündels von Regelungen zu verstehen, mit dem auf verschiedenen Ebenen eine möglichst beschleunigte
Abwicklung der Krankenhausabrechnungen und - wo nötig - eine effiziente Klärung medizinischer Zweifelsfragen erreicht werden
soll (BSGE 111, 58 = SozR 4-2500 § 109 Nr 24, RdNr 12 f).
Dieses aus der Rechtsentwicklung und dem Regelungszusammenhang entwickelte Verständnis des §
275 Abs
1c SGB V wird schließlich durch den Wortsinn, die Regelungssystematik und die mit der Einführung des §
275 Abs
1c SGB V verbundene Zielsetzung eindrucksvoll bestätigt. Die Durchführung der Prüfung, von der §
275 Abs
1c S 1
SGB V spricht, geht bereits sprachlich über deren Einleitung iS des §
275 Abs
1c S 2
SGB V hinaus. Für ein sinnvolles temporäres Zusammenspiel der Einleitung einer Prüfung nach S 2 und der Durchführung derselben
nach S 1 sprechen weiterhin die Systematik des §
275 Abs
1c SGB V bzw dessen Sätze 1 und 2. Denn Satz 1 wäre völlig überflüssig, wenn es dem Gesetzgeber mit der Einführung des §
275 Abs
1c SGB V ausschließlich um die Regelung der zeitnahen Prüfungseinleitung gegangen wäre. Dies machen auch die Gesetzesmaterialien deutlich,
wonach die zeitnahe Durchführung der Einzelfallprüfung nach §
275 Abs
1c S 1
SGB V für "sämtliche Schritte der Einleitung durch die Krankenkasse und der Durchführung der Prüfung durch den medizinischen Dienst"
gilt (BT-Drucks 16/3100 S 171). Der Gesetzgeber geht damit gerade nicht davon aus, dass eine Prüfung bereits dann zeitnah
durchgeführt wird, wenn sie innerhalb von sechs Wochen eingeleitet worden ist. Dieses Ergebnis wird auch durch die mit der
Einführung des §
275 Abs
1c SGB V verbundene Zielsetzung verdeutlicht. Es kann letztlich offen bleiben, ob - wie die Beklagte meint - allein mit der für die
Einleitung der Prüfung nach §
275 Abs
1c S 2
SGB V verbundenen Ausschlussfrist jede Gefahr einer sich verschlechternden Beweislage zu Lasten der Krankenhäuser gebannt ist.
Dies erscheint allerdings bereits deshalb zweifelhaft, weil sich das Krankenhaus regelmäßig erst dann umfassend auf die Einwände
der Krankenkasse gegen seine Abrechnung wird einstellen können, wenn es die Stellungnahme des MDK kennt. Unabhängig davon
entspricht die Interpretation der Beklagten nicht einer weiteren Intention des Gesetzgebers. Denn ausweislich der Gesetzesmaterialien
geht es auch darum, unnötige Bürokratie im Allgemeinen und im Zusammenhang mit der zeitnahen Durchführung sämtlicher Prüfschritte
erhöhten Aufwand zu vermeiden (BT-Drucks 16/3100 aaO). Der Aufwand für ein Verfahren wird sich aber durch eine längere Dauer
regelmäßig erhöhen, da aufgrund der fortschreitenden Zeit der für eine erneute Einarbeitung entstehende Aufwand erfahrungsgemäß
steigt und wichtige Beweise ggf nicht mehr greifbar sind. Im Übrigen wäre auch das wirtschaftliche Ergebnis untragbar, wenn
sich die Medizinischen Dienste zur Durchführung einer Rechnungsprüfung bis zur Verjährungsfristgrenze Zeit lassen dürften
- die Krankenhäuser müssten bis zum Ablauf der vierjährigen Verjährungsfrist mit medizinischen Überprüfungen und Erstattungsforderungen
rechnen und entsprechend hohe Rücklagen bilden, während die Krankenkassen ebenfalls nicht überblicken könnten, in welcher
Höhe sie Erstattungsforderungen in ihre Haushalte einzustellen haben. Und dass bei derartigen Unsicherheiten keine sinnvollen
und jahresbezogenen Budgetverhandlungen (§ 4 ff KHEntgG) geführt werden können, dürfte jedem einleuchten.
bb) Unter Berücksichtigung der für die Auslegung des §
275 Abs
1c S 1
SGB V maßgeblichen Zielsetzung ist eine Rechnungsprüfung zur Überzeugung des Senats idR dann zeitnah durchgeführt, wenn die Stellungnahme
des MDK spätestens sechs Monate nach Zugang der vollständigen Krankenhausabrechnung bei der Krankenkasse vorliegt. Dass es
sich hierbei um eine Zeitgrenze handelt, die sowohl den Interessen der Krankenhäuser an einem zeitnahen Abschluss des Abrechnungs-
und Prüfverfahrens genügt als auch den Medizinischen Diensten die Durchführung einer ordnungsgemäßen Prüfung ermöglicht, zeigt
sich daran, dass diese Frist in der Vergangenheit von verschiedenen Verbänden auf Landesebene als zulässige Höchstdauer für
ein Prüfverfahren vereinbart worden war (vgl § 19 Abs 2 S 2 des zwischen der Baden-Württembergischen Krankenhausgesellschaft
und der AOK Baden-Württemberg ua geschlossenen Vertrages nach §
112 Abs
2 S 1 Nr
1 SGB V - Allgemeine Bedingungen der Krankenhausbehandlung - vom 21.9.2005, wonach Einwendungen gegen die Notwendigkeit und Dauer
der Krankenhausbehandlung sowie gegen die Art der Abrechnung nur sechs Monate nach Rechnungszugang geltend gemacht werden
können; § 14 Abs 2 S 4 des zwischen der Landeskrankenhausgesellschaft Thüringen e. V. und der AOK - Die Gesundheitskasse in
Thüringen ua geschlossenen Vertrages [Schiedsspruch] nach §
112 Abs
2 Nr
1 SGB V vom 1.1.2004, wonach die Durchführung der Verrechnung aufgrund einer MDK-Prüfung innerhalb von sechs Monaten ab Fälligkeit
zu erfolgen hat). Für diese Fristbegrenzung sprechen auch die vom LSG in Bezug genommenen Daten zur Dauer von MDK-Prüfungen
(Blum/Offermanns/Perner, MDK-Prüfungen - mehr als nur ein Einzelfall, Das Krankenhaus 2009, S 111, 114): Rechnungsprüfungen dauerten danach im statistischen Durchschnitt 13 Wochen seit der Anzeige durch den MDK, wobei 25 % aller
Prüfungen bereits sechs Wochen nach der Prüfanzeige abgeschlossen werden konnten. Dies zeigt, dass ein Zeitraum von sechs
Monaten ab Eingang der vollständigen Krankenhausabrechnung bei der Krankenkasse in der Regel ausreicht, um eine ordnungsgemäße
Rechnungsprüfung durchzuführen. Ob und inwieweit bei sehr komplexen Sachverhalten, bei fehlender Mitwirkung des Krankenhauses
iS von extremer Zeitverzögerung oder in anderen - seltenen - Fällen auch eine längere Frist geboten sein könnte, kann der
Senat hier unentschieden lassen.
Im Ergebnis bedeutet dies, dass der Eingang der iS von §
301 SGB V vollständigen Abrechnungsunterlagen bei der Krankenkasse in zweifacher Weise Bedeutung hat: Zum einen beginnt mit diesem
Zeitpunkt der Lauf der Sechs-Wochen-Frist des §
275 Abs
1c S 2
SGB V, zum anderen ist der Eingang der Abrechnungsunterlagen auch maßgeblich für den Lauf der Sechs-Monats-Frist des §
275 Abs
1c S 1
SGB V.
In seiner rechtlichen Wertung, dass das in §
275 Abs
1c SGB V zum Ausdruck kommende Beschleunigungsgebot nicht nur für die Einleitung, sondern für das gesamte Verfahren der Rechnungsprüfung
gilt, wird der Senat schließlich durch die parallel zu diesem Revisionsverfahren in den Gesetzgebungsgremien beratene Fortentwicklung
der Regelungen des Prüfverfahrens bestätigt. Danach werden ab 1.8.2013 der Spitzenverband Bund der Krankenkassen und die Deutsche
Krankenhausgesellschaft beauftragt, das Nähere zum Prüfverfahren nach §
275 Abs
1c SGB V in einer Vereinbarung zu regeln (§ 17c Abs 2 S 1 Halbs 1 KHG in der Fassung des Art 5c Nr 2 Gesetz zur Beseitigung sozialer Überforderung bei Beitragsschulden in der Krankenversicherung vom 15.7.2013, BGBl I 2423,
2428) und dabei insbesondere Regelungen über die Prüfdauer zu treffen (§ 17c Abs 2 S 2 Halbs 2 KHG nF). Damit soll es den Vertragsparteien auf Bundesebene ermöglicht werden, die Zusammenarbeit zwischen den Krankenhäusern
und Krankenkassen insgesamt effektiver und konsensorientierter zu gestalten. Als eine wesentliche Aufgabe der Vertragsparteien
wird insbesondere die Beschleunigung des Prüfverfahrens gesehen (BT-Drucks 17/13947 S 51).
cc) An der Konkretisierung des Begriffs der Zeitnähe in §
275 Abs
1c S 2
SGB V sieht sich der erkennende Senat nicht durch die Entscheidung des 1. Senat des BSG vom 13.11.2012 (B 1 KR 24/11 R - BSGE 112, 141 = SozR 4-2500 § 275 Nr 8) gehindert. Dort hat der 1. Senat (aaO RdNr
30) ausgeführt: "§
275 Abs
1c SGB V konkretisiert seit 1.4.2007 die allgemeinen Anforderungen von Treu und Glauben, nach denen Krankenhaus und Krankenkassen
angesichts ihrer auf Dauer angelegten Rechtsbeziehung gehalten sind, so zügig zu kooperieren, dass es nicht zu treuwidrigen
Verzögerungen kommt. Die Bestimmung regelt abschließend die sozialrechtlichen Sanktionen bei Verstößen. Das entspricht dem
Wortlaut sowie Sinn und Zweck der Regelung unter Berücksichtigung des Regelungssystems. Wie oben dargelegt ordnet §
275 Abs
1c S 1
SGB V in Bezug auf die Krankenhausbehandlung nach §
39 SGB V an, dass eine Prüfung nach Abs
1 Nr
1 'zeitnah' durchzuführen ist. Dieses wird in Abs 1c S 2 dahin präzisiert, dass eine Prüfung spätestens sechs Wochen nach Eingang
der Abrechnung bei der Krankenkasse einzuleiten und durch den MDK dem Krankenhaus anzuzeigen ist. ... Die Regelung schneidet
den Krankenkassen ... keine weiteren Rechte ab, mit Hilfe des MDK Abrechnungen von Krankenhäusern zu überprüfen." Eine nach
Ansicht des erkennenden Senats notwendige Konkretisierung des unbestimmten Rechtsbegriffs "zeitnah" hat der 1. Senat damit
gerade nicht vorgenommen.
2. Der Senat neigt dazu, diesen Verstoß des SMD gegen die Sechs-Monats-Frist des §
275 Abs
1c S 1
SGB V im vorliegenden Abrechnungsstreit der beklagten Krankenkasse zuzurechnen, lässt diesen Punkt aber ausdrücklich offen.
Nicht zutreffend ist allerdings der Ansatz des LSG, die Zurechnung der zeitlichen Verzögerung des Prüfverfahrens durch den
SMD auf dessen besondere Stellung in der Organisation der Beklagten zu stützen. Die Ärzte des MDK sind bei der Wahrnehmung
ihrer medizinischen Aufgaben, zu denen grundsätzlich auch die Abrechnungsprüfung nach §
275 Abs
1 Nr
1 SGB V gehört, nur ihrem ärztlichen Gewissen unterworfen (§
275 Abs
5 SGB V) - also von Weisungen der Krankenkassen unabhängig. Dies gilt auch für den SMD, weil er mit der Überprüfung von Abrechnungen
nach §
275 Abs
1 Nr
1 SGB V die gesetzlichen Aufgaben eines Medizinischen Dienstes wahrnimmt (§
283 S 3
SGB V). Das BSG hat vor diesem Hintergrund bislang stets von einer Differenzierung zwischen dem SMD oder anderen Medizinischen Diensten und
dem MDK abgesehen bzw mit dem Hinweis auf §
283 SGB V die für den MDK geltenden Regelungen auch auf diese angewendet (BSGE 102, 181 = SozR 4-2500 § 109 Nr 15, RdNr 32; SozR 4-2500 § 109 Nr 16, RdNr 18; BSGE 104, 15 = SozR 4-2500 § 109 Nr 17, RdNr 24).
Der Senat hat allerdings auch bereits entschieden, dass Fehler des MDK im Abrechnungsverfahren zwischen Krankenkasse und Krankenhaus
nicht völlig unbeachtlich sind (BSGE 111, 58 = SozR 4-2500 § 109 Nr 24, RdNr 29) und dabei seine im Urteil vom 28.9.2006 (SozR 4-2500 § 112 Nr 6 RdNr 17 f) noch anders
lautende Rechtsprechung ausdrücklich aufgegeben. Daran anschließend hat der Senat jüngst zur Verletzung der Sechs-Wochen-Frist
des §
275 Abs
1c S 2
SGB V entschieden, dass rechtserhebliche Mängel des Prüfverfahrens wie diese Fristversäumnis, auch soweit sie der Sphäre des MDK
zuzurechnen sind, die gesetzliche Ausschlussfrist auslösen und damit die prüfrechtlichen Möglichkeiten der Krankenkasse selbst
beschneiden (BSGE 111, 58 = SozR 4-2500 § 109 Nr 24, RdNr 29; so im Ergebnis nunmehr auch der 1. Senat des BSG in der oa Entscheidung vom 13.11.2012 - BSGE 112, 141 = SozR 4-2500 § 275 Nr 8, RdNr 25).
Da die Krankenkasse "Herrin" des gesamten Prüfverfahrens ist und §
275 Abs
1c SGB V die Verpflichtung zur zeitnahen Durchführung aller Prüfschritte normiert, wobei der MDK ausdrücklich auf Seiten der Krankenkasse
in den Prüfvorgang einbezogen wird (vgl BT-Drucks 16/3100, aaO), liegt eine Zurechnung von zeitlichen Verzögerungen oder sonstigen
Fehlern des MDK zum Verantwortungsbereich der Krankenkasse grundsätzlich auf der Hand. Denn es ließe sich nur schwer nachvollziehen,
warum ein entsprechender Zurechnungstatbestand zwar bei Verletzung der Sechs-Wochen-Frist des §
275 Abs
1c S 2
SGB V hinsichtlich der spezielleren Verpflichtung zur fristgerechten Einleitung der Prüfung folgen soll, aus §
275 Abs
1c S 1
SGB V hinsichtlich des allgemeinen und das gesamte Prüfverfahren betreffende Beschleunigungsgebots - Sechs-Monats-Frist - hingegen
nicht. Die Frage der Zurechnung kann aber letztendlich offen bleiben, weil es auf ihre Beantwortung im vorliegenden Fall nicht
entscheidend ankommt (vgl dazu Ziffer 3). Damit braucht auch nicht entschieden zu werden, wie die Rechtsprechung des 1. Senats
zur Frage der Zurechnung von Verstößen gegen §
275 Abs
1c S 1
SGB V zu interpretieren ist (wohl offen gelassen im oa Urteil vom 13.11.2012 - BSGE 112, 141 = SozR 4-2500 § 275 Nr 8, RdNr 24 und 30 aE, vgl aber auch Terminbericht Nr 59/12 vom 14.11.2012 zu Nr 4).
3. Im Ergebnis ergeben sich - selbst bei Zurechnung des vorliegend festgestellten Verstoßes des SMD gegen §
275 Abs
1c S 1
SGB V - hieraus keine nachteiligen Konsequenzen für die beklagte Krankenkasse. Insbesondere kann der Kläger nicht einwenden, dass
die Angaben aus den mit Schreiben vom 22.10.2009 übermittelten medizinischen Unterlagen im vorliegenden Verfahren nicht hätten
verwertet werden dürfen. Da sich dem Gesetz selbst Rechtsfolgen aus einem Verstoß gegen das gesetzliche Beschleunigungsgebot
des §
275 Abs
1c S 1
SGB V - Sechs-Monats-Frist - nicht entnehmen lassen, muss durch ergänzende Gesetzauslegung ermittelt werden, welche Rechtsfolgen
sich aus einer verzögerlichen MDK-Prüfung bzw einer sich ggf anschließenden verschleppenden Entscheidungspraxis der Krankenkasse
zu ziehen sind oder ob solche Verstöße sanktionslos bleiben. Der 1. Senat des BSG ist insoweit zu dem Ergebnis gekommen, dass §
275 Abs
1c SGB V eine gesetzliche Ausschlussfrist ausschließlich in seinem Satz 2 regele und aus Satz 1 und dem dort genannten Erfordernis
der zeitnahen Prüfung eine Ausschlussfrist nicht abgeleitet werden könne. Die abschließende, abgestufte Regelungskonzeption
des §
275 Abs
1c SGB V, lediglich die kurze Frist des Satzes 2 zu sanktionieren, bei im Anschluss an gezielte Abrechnungsprüfungen nicht erfolgten
Abrechnungskürzungen zu einer pauschalen Aufwandspauschale zu gelangen (§
275 Abs
1c S 3
SGB V) und nach erfolgter rechtskonformer Einleitung der Prüfung die Verjährungsfrist als Zeitgrenze eingreifen zu lassen, eröffne
keinen Raum für die Krankenhäuser, sich etwa wegen zögerlicher Prüfbearbeitung des MDK auf Verwirkung zu berufen (BSGE 112,
141 = SozR 4-2500 § 275 Nr 8, RdNr 33 ff, 36).
Der Kläger kritisiert diese Entscheidung des 1. Senats mit grundsätzlich nachvollziehbaren Argumenten. Zwar geht sein Hinweis
fehl, das Krankenhaus kenne in der Regel den konkreten Anlass der Prüfung nicht, weil die Einleitung einer rechtmäßigen Prüfung
das Vorliegen von Auffälligkeiten und die Mitteilung des Prüfgrundes voraussetzt. Richtig ist indes der Einwand, dass bei
Prüfverfahren, die erst nach Jahren mit einer Stellungnahme des MDK medizinisch abgeschlossen werden, ergänzende oder fachlich
widersprechende Einlassungen des Krankenhauses durch den erheblichen Zeitablauf erschwert werden; eine evtl notwendige weitere
Sachverhaltsaufklärung ist dann nur mit wesentlich mehr Aufwand zu leisten, als wenn sie zeitnah zur Rechnungsstellung angefallen
wäre. Dies gilt vor allem in Massenverfahren wie hier im Bereich der Abrechnung von Krankenhausleistungen. Zudem lässt sich
das gesetzgeberische Begleitziel, die Abrechnungsprüfung nach §
275 Abs
1 Nr
1 Halbs 2
SGB V von unnötiger Bürokratie und erheblichem Verwaltungsaufwand zu entlasten, ohne umfassende Verfahrensbeschleunigung nicht
erreichen. Im Übrigen gelangt man - folgt man der Rechtsauffassung des 1. Senats (aaO), dass sich die Medizinischen Dienste
zur Durchführung einer Rechnungsprüfung bis zur Verjährungsfristgrenze Zeit lassen dürften - auch zu wirtschaftlich untragbaren
Ergebnissen: Die Krankenhäuser müssten bis zum Ablauf der vierjährigen Verjährungsfrist mit medizinischen Überprüfungen und
Erstattungsforderungen rechnen und entsprechend hohe Rücklagen bilden, während die Krankenkassen ebenfalls nicht überblicken
könnten, in welcher Höhe sie Erstattungsforderungen in ihre Haushalte einzustellen haben. Und ein Budgetabschluss mit der
notwendigen Planungssicherheit (§ 11 KHEntgG) für beide Seiten wäre ebenfalls nahezu unmöglich.
Auch der erkennende 3. Senat hält die Rechtsauffassung des 1. Senats im Hinblick auf die oa Rechtsentwicklung und den Wortsinn,
die Regelungssystematik und die mit der Einführung des §
275 Abs
1c SGB V verbundene Zielsetzung für nicht überzeugend, wohl aber für vertretbar. Deshalb und insbesondere wegen der den Vertragspartnern
nach § 17c Abs 2 KHG zum 1.8.2013 auferlegten Pflicht zur Regelung des Prüfverfahrens in §
275 Abs
1c SGB V - vor allem auch im Hinblick auf die Prüfdauer - sieht der Senat von einer Vorlage an den Großen Senat des BSG gemäß §
41 Abs
2 SGG ab.
4. Die Beklagte ist mit ihren Einwendungen gegen die Abrechnung des Klägers vom 2.10.2009 auch nicht aus anderen Rechtsgründen
ausgeschlossen.
a) Insoweit kann sich der Kläger insbesondere nicht auf einen Verstoß der Beklagten bzw des SMD gegen § 2 Abs 6 KÜV berufen.
Danach sollen die Ärzte der Medizinischen Dienste ihre Bedenken gegenüber dem Leitenden Abteilungsarzt des Krankenhauses oder
dessen Vertreter darlegen und mit diesem "erörtern", wenn aus ihrer Sicht Bedenken gegen die Notwendigkeit, Art und Dauer
der Krankenhausbehandlung bestehen.
Der Senat hat bereits entschieden (BSG SozR 4-2500 § 112 Nr 6, RdNr 16 ff), dass er bei der Auslegung der Vorschriften KÜV nicht den Beschränkungen nach §
162 SGG unterliegt, wonach eine Revision nur darauf gestützt werden kann, dass das angefochtene Urteil auf der Verletzung einer Vorschrift
des Bundesrechts oder einer sonstigen im Bezirk des Berufungsgerichts geltenden Vorschrift beruht, deren Geltungsbereich sich
über den Bezirk des Berufungsgerichts hinaus erstreckt. Zwar gilt der hier maßgebliche Landesvertrag nur im Saarland und damit
nicht über den Bezirk des Berufungsgerichts hinaus. Die Revisibilität der berufungsgerichtlichen Auslegung eines Landesvertrages
ist aber auch dann gegeben, wenn inhaltlich gleiche Vorschriften in Bezirken verschiedener LSG gelten (BSGE 1, 98, 100; 3, 77, 80 = SozR Nr 2 zu Art
14 GG; BSGE 13, 189, 191 = SozR Nr 156 zu §
162 SGG; BSGE 16, 227, 234 = SozR Nr 168 zu §
162 SGG) und die Übereinstimmung nicht nur zufällig, sondern bewusst und gewollt ist (BSGE 13, 189, 191 = SozR Nr 156 zu §
162 SGG; BSGE 38, 21, 29 = SozR 2200 § 725 Nr 1; BSG SozR 3-5920 §
1 Nr 1; Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer,
SGG, 10. Aufl 2012, §
162 RdNr 5a mwN). Das ist hier der Fall. Mit dem saarländischen Landesvertrag inhaltlich und in wesentlichen Teilen sogar wörtlich
übereinstimmende Landesverträge gibt es zB in Baden-Württemberg, Berlin, Bremen, Hessen, Nordrhein-Westfalen und Schleswig-Holstein.
Dass die Übereinstimmung nicht den gesamten Wortlaut der Verträge erfasst, ist unschädlich, weil es insoweit nur auf den Inhalt
der einschlägigen Vorschriften ankommt (BSGE 13, 189, 191 = SozR Nr 156 zu §
162 SGG). Die Übereinstimmung ist auch bewusst und gewollt herbeigeführt worden, denn die Landesverträge beruhen auf der Umsetzung
von Rahmenempfehlungen der Deutschen Krankenhausgesellschaft und der Spitzenverbände der Krankenkassen vom 27.11.1990.
Der Senat hat weiter bereits darauf hingewiesen, dass eine Erörterung iS von § 2 Abs KÜV zwischen den Medizinischen Diensten
und den Krankenhausärzten lediglich erfolgen "soll", aber nicht muss, und dass eine unterlassene Erörterung im Fall der Erstellung
eines für das Krankenhaus negativen Gutachtens durch den MDK lediglich dazu führt, dass die Krankenkasse dem Krankenhaus Gelegenheit
zur Stellungnahme geben muss, bevor sie einen Erstattungsanspruch geltend macht und ggf gegen einen unstreitigen Vergütungsanspruch
aufrechnet (BSG SozR 4-2500 § 112 Nr 6 RdNr 16 aE). Dies ist hier - wenngleich erst nach der Aufrechnung durch die Beklagte am 4.5.2010 - in Form des sich
an die Stellungnahme des SMD vom 22.4.2010 anschließenden Schriftwechsels zwischen den Beteiligten erfolgt. Damit kann offen
bleiben, ob dem vorliegenden Abrechnungsstreit überhaupt "Bedenken gegen die Notwendigkeit, Art und Dauer der Krankenhausbehandlung"
im Sinne des § 2 Abs 6 KÜV zugrunde liegen, nachdem die Beteiligten darüber streiten, welche Kodierung zur Anwendung kommen
muss.
b) Die Beklagte ist mit ihren Einwendungen auch nicht unter dem Gesichtspunkt des Rechtsmissbrauchs ausgeschlossen. Zwar gibt
es Fälle, in denen eine Berufung auf Einwendungen nach Würdigung aller Umstände gegen Treu und Glauben verstößt und damit
rechtsmissbräuchlich ist (§
69 Abs
1 S 3
SGB V iVm §
242 BGB). Der Senat hat aber stets darauf hingewiesen, dass die Annahme eines Rechtsmissbrauchs durch die Krankenkasse auf gravierende
Fälle vertragswidrigen Verhaltens zu beschränken ist, und eine solche Konstellation bislang nur einmal konkret angenommen
(sog Berliner Fälle, vgl BSGE 89, 104 = SozR 3-2500 § 112 Nr 2). Ein solcher Fall missbräuchlichen Prüfungsverhaltens liegt hier ersichtlich nicht vor. Der Senat
hat kürzlich weiter darauf hingewiesen, dass ein Prüfverhalten im dargestellten Sinn auch dann "rechtsmissbräuchlich" sein
kann, wenn es nicht von der einzelnen Abrechnung bzw der in ihr festzustellenden Auffälligkeit geleitet wird, sondern unabhängig
davon und systematisch eine Vielzahl von Abrechnungsfällen einem Prüfverfahren nach §
275 Abs
1 Nr
1 SGB V zuführt, weil sie ein abstraktes Kürzungspotenzial enthalten (BSG Urteil vom 16.5.2013 - B 3 KR 32/12 R - zur Veröffentlichung in BSGE und SozR 4 vorgesehen, RdNr 29). Auch hierfür sind Anhaltspunkte vorliegend weder vorgetragen
noch anderweitig ersichtlich.
5. Ob der Kläger Anspruch auf die streitige Restforderung hat, hängt somit davon ab, ob und ggf in welchem Umfang die Beklagte
einen Erstattungsanspruch aus ihrer unter Vorbehalt geleisteten Zahlung vom 7.10.2009 besitzt. Für die Beantwortung dieser
Frage reichen die bisher getroffenen Feststellungen des Berufungsgerichts - aus seiner Sicht konsequent - nicht aus, so dass
der Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurückzuverweisen ist. Das LSG wird auch über die Kosten
des Revisionsverfahrens zu entscheiden haben.
6. Die Streitwertfestsetzung für das Revisionsverfahren beruht auf § 63 Abs 2 S 1, § 52 Abs 1 und § 47 Abs 1 GKG.