Vergütungsanspruch eines Apothekers
Aufrechnung mit einem öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch einer Krankenkasse
Grundsatzrüge im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren
Gründe
I
Das LSG Rheinland-Pfalz hat mit Urteil vom 18.6.2020 einen Zahlungsanspruch der Klägerin in Höhe von 1339,77 Euro nebst Zinsen
verneint: Der von ihr als Inhaberin einer Apotheke geltend gemachte Vergütungsanspruch sei durch Aufrechnung mit einem öffentlich-rechtlichen
Erstattungsanspruch der beklagten Krankenkasse erloschen. Die Beklagte habe der Klägerin zu Unrecht die Abgabe eines Arzneimittels
vergütet, zu dessen Abgabe an Versicherte die Klägerin nicht berechtigt gewesen sei.
Die Klägerin hat gegen die Nichtzulassung der Revision im vorgenannten Urteil des LSG Beschwerde beim BSG eingelegt. Sie beruft sich auf die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache und Verfahrensmängel (§
160 Abs
2 Nr
1 und Nr
3 SGG).
II
Die Nichtzulassungsbeschwerde ist unzulässig, da die Klägerin die geltend gemachten Zulassungsgründe nicht hinreichend dargetan
hat (§
160a Abs
2 Satz 3
SGG).
Die Verwerfung der unzulässigen Beschwerde erfolgt gemäß §
160a Abs
4 Satz 1 Halbsatz 2 iVm §
169 Satz 2 und
3 SGG durch Beschluss ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter.
1. Grundsätzliche Bedeutung hat eine Rechtssache iS des §
160 Abs
2 Nr
1 SGG nur dann, wenn sie eine Rechtsfrage aufwirft, die - über den Einzelfall hinaus - aus Gründen der Rechtseinheit oder Fortbildung
des Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig ist. Der Beschwerdeführer muss daher anhand des anwendbaren
Rechts und unter Berücksichtigung der höchstrichterlichen Rechtsprechung aufzeigen, welche Fragen sich stellen, dass diese
noch nicht geklärt sind, weshalb eine Klärung dieser Rechtsfragen aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts
erforderlich ist und dass das angestrebte Revisionsverfahren eine solche Klärung erwarten lässt (vgl BSG SozR 1500 § 160 Nr 17 und § 160a Nr 7, 11, 13, 31, 39, 59, 65).
Um seiner Darlegungspflicht zu genügen, muss ein Beschwerdeführer mithin eine Rechtsfrage, ihre (abstrakte) Klärungsbedürftigkeit,
ihre (konkrete) Klärungsfähigkeit (Entscheidungserheblichkeit) sowie die über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung der von
ihm angestrebten Entscheidung (sog Breitenwirkung) darlegen (vgl BSG SozR 3-1500 § 160a Nr 34 S 70 mwN). Diesen Anforderungen wird die vorliegende Beschwerdebegründung nicht gerecht.
Die Klägerin hält für grundsätzlich bedeutsam die Frage:
"Ermächtigt §
129 Abs.
5 SGB V die dort genannten Parteien, ohne Beteiligung der in §§
83,
140f SGB V genannten Vertreter der Ärzteschaft bzw. Vertreter der Patienten, auf Landesebene die Klausel in einem ergänzenden Vertrag
zu vereinbaren, dass eine konkrete ärztliche Verordnung eines Arzneimittels unter Angabe des Handelsnamens, der PZN und unter
Setzen des Aut-idem-Kreuzes dann unbeachtlich und das Arzneimittel durch den abgebenden Apotheker gegen ein Rabattarzneimittel
auszutauschen ist, wenn der Arzt nicht durch den zusätzlichen Hinweis auf dem Verordnungsblatt darauf hingewiesen hat, dass
ein Austausch aus medizinisch-therapeutischen Gründe nicht erfolgen darf, andernfalls der Vergütungsanspruch des nach Angaben
auf dem Verordnungsblatt abgebenden Apothekers entfallen lässt."
Sie begehrt die revisionsrechtliche Überprüfung, ob §
129 Abs
5 SGB V eine Ermächtigung für die vorgenannte landesrechtliche Vertragsklausel von §
4 Abs 12 Arzneiversorgungsvertrag (AVV) ist und hält diese Vertragsklausel für rechtswidrig und unanwendbar.
Die Klägerin hat weder die Klärungsbedürftigkeit noch die Klärungsfähigkeit der aufgeworfenen Frage hinreichend dargetan.
Es fehlt schon daran, dass die Klägerin nicht darlegt, aufgrund welchen festgestellten Sachverhalts das LSG den Vergütungsanspruch
verneint hat. Nach dem Vortrag in der Beschwerdebegründung bleibt unklar, über welche Art von Arzneimittel das LSG entschieden
hat. Dies ist aber von Relevanz für die Frage der Ermächtigung in §
129 Abs
5 SGB V, die sich auf unterschiedliche Konstellationen bezieht (Abs
5 Satz 1 und 3
SGB V).
Entscheidend ist überdies, dass die Klägerin die Revisibilität der von ihr beanstandeten landesrechtlichen Vertragsklausel
von § 4 Abs 12 AVV nicht ausreichend dargelegt hat. Die Revisibilität von Normen in Landesverträgen wird angenommen, wenn
inhaltlich gleiche Vorschriften in Bezirken verschiedener LSG gelten und die Übereinstimmung nicht nur zufällig, sondern bewusst
und gewollt ist (stRspr; vgl BSGE 114, 105 = SozR 4-2500 § 275 Nr 14, RdNr 35; BSG SozR 4-2500 § 112 Nr 3 RdNr 4, beide mwN). Das Vorliegen dieser Voraussetzungen muss vom Beschwerdeführer dargelegt werden (stRspr; vgl nur BSG Beschluss vom 16.9.2020 - B 6 KA 10/20 B - juris RdNr 8 mwN).
Die Klägerin hat schon nicht dargelegt, dass § 4 Abs 12 AVV über die Landesgrenzen Rheinland-Pfalz hinaus Geltung beansprucht.
Es ist nicht ausreichend, wenn lediglich vorgetragen wird, dass an dem AVV alle von der Klägerin namentlich benannten Ersatzkassen
als Mitglieder des Verbands der Ersatzkassen eV sowie alle namentlich benannten Mitglieder des Deutschen Apothekerverbands
eV und deren Apotheker als weitere Mitglieder von der als unwirksam erachteten landesrechtlichen Vertragsklausel betroffen
seien. Daraus ergibt sich keine über den Bezirk des LSG Rheinland-Pfalz hinaus erstreckende Rechtsnorm, die gezielt vereinheitlichend
auch im Bezirk eines anderen LSG gilt. Allenfalls lässt sich daraus die "Betroffenheit" der außerhalb der Landesgrenze ansässigen
Ersatzkassen bzw Apothekerverbände bzw -vereine von der streitigen Vertragsklausel entnehmen. Eine gleichlautende Norm im
Bezirk eines anderen LSG ist dadurch weder benannt noch ein vereinheitlichender Zweck der Vorschrift dargelegt (vgl nur BSG SozR 4-2500 §
112 Nr 3 RdNr 4 und Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/ders/Schmidt,
SGG, 13. Aufl 2020, §
162 RdNr 5b mwN).
Soweit die Klägerin die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache mit der Verletzung von Bundesrecht (§
162 SGG) geltend macht, hat sie nicht aufgezeigt, aus welchem Rechtsgrund §
129 Abs
5 SGB V keine wirksame Ermächtigung für die von ihr beanstandete Vertragsklausel auf Landesebene sein kann. Mit dem Wortlaut von
§
129 Abs
5 SGB V, der auf Landesebene ergänzende Verträge vorsieht, setzt sie sich von vornherein nicht auseinander. Sie hält § 4 Abs 12 AVV
für unwirksam und geht davon aus, dass die im Streit stehende Problematik durch eine Änderung im ärztlichen Verschreibungsverhalten
und einer Verpflichtung der Ärzteschaft "nach §
83 SGB V über Gesamtverträge" und der Anpassung des "Muster-16-Formulars" einer Lösung zugeführt werden könne. Daraus ergeben sich
aber keine plausiblen Gründe für die Unwirksamkeit einer landesvertraglichen Regelung. Schließlich enthält die Beschwerdebegründung
keine Ausführungen dazu, ob Rechtsprechung des BSG herangezogen werden kann, mithilfe derer die aufgeworfene Frage zu beantworten wäre.
2. Die Klägerin hat auch keinen Verfahrensmangel hinreichend bezeichnet. Sie rügt, dass sie im Berufungsverfahren mehrfach
darauf hingewiesen habe, dass § 4 Abs 12 AVV unwirksam sei, ohne dass sich das LSG mit der Unwirksamkeit der Vertragsklausel
auseinandergesetzt habe. Die Entscheidungsgründe seien daher unzureichend und unvollständig. Der Senat kann den behaupteten
Verfahrensmangel allein schon deshalb nicht beurteilen, weil die Klägerin die entscheidungserheblichen Gründe des Berufungsurteils
in ihrer Beschwerdebegründung nicht skizziert hat. Generell gilt aber, dass die Gerichte im Rahmen des rechtlichen Gehörs
(§
62 SGG, Art
103 Abs
1 GG) nicht dazu verpflichtet sind, der Rechtsansicht eines Beteiligten zu folgen (vgl BVerfG vom 29.10.2009 - 1 BvR 1729/09 - NZS 2010, 497; vgl BSG Beschluss vom 18.12.2012 - B 13 R 305/11 B - juris RdNr 8).
3. Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab (§
160a Abs
4 Satz 2 Halbsatz 2
SGG).
4. Die Kostenentscheidung beruht auf §
197a Abs
1 Satz 1
SGG iVm §
154 Abs
2 VwGO.
5. Die Streitwertfestsetzung beruht auf §
197a Abs
1 Satz 1 Teilsatz 1
SGG iVm § 47 Abs 1 und 3, § 52 Abs 3, § 63 Abs 2 GKG.