Bestimmung des örtlich zuständigen Gerichts
Unzuständigerklärung mehrerer Gerichte
1. Das BSG hat auf Antrag das zuständige Gericht zu bestimmen, wenn verschiedene Gerichte sich rechtskräftig für unzuständig erklärt
haben.
2. Nachdem ein SG den Rechtsstreit wegen örtlicher Unzuständigkeit an das (aus seiner Sicht) zuständige SG verwiesen hat und zulässige Rechtsmittel hiergegen nicht eingelegt worden sind, ist die Verweisung an dieses SG unanfechtbar geworden.
3. Dies hat zur Folge, dass die Verweisung für das Gericht, an das der Rechtsstreit verwiesen worden ist, hinsichtlich der
örtlichen Zuständigkeit bindend ist.
Gründe:
I
Das SG Hannover hat mit Beschluss vom 20.2.2017 das BSG zur Bestimmung des örtlich zuständigen Gerichts angerufen.
In dem Rechtsstreit der AOK - Die Gesundheitskasse für Niedersachsen - gegen das -Klinikum (Anstalt öffentlichen Rechts) hat
die Klägerin am 28.12.2012 beim SG Aurich Klage erhoben. Das SG Aurich hat sich für örtlich unzuständig erklärt und den Rechtsstreit
an das SG Detmold verwiesen (Beschluss vom 5.3.2013). Es hat den Verweisungsbeschluss auf §
57 Abs
1 S 2
SGG gestützt, wonach sich die örtliche Zuständigkeit in Fällen, in denen eine Körperschaft des öffentlichen Rechts klagt, nach
dem Sitz des Beklagten richtet, soweit dieser eine natürliche Person oder eine juristische Person des Privatrechts ist. Das
SG hat (zu Unrecht) angenommen, der Beklagte sei eine Person des Privatrechts.
Das SG Detmold hat zunächst das Ruhen des Verfahrens angeordnet (Beschluss vom 24.6.2013) und im Februar 2015 den Rechtsstreit
fortgesetzt. Die Klägerin hat auf beim SG Hannover anhängige vergleichbare Verfahren hingewiesen und die Verweisung an das
SG Hannover angeregt; der Beklagte hat sich einverstanden erklärt. Mit Beschluss vom 8.12.2016 hat das SG Detmold sich für
örtlich unzuständig erklärt und den Rechtsstreit an das SG Hannover verwiesen.
Das SG Hannover hat sich seinerseits für örtlich unzuständig erklärt und das BSG angerufen.
II
1. Der Antrag ist zulässig. Das BSG ist innerhalb der Sozialgerichtsbarkeit für den Zuständigkeitsstreit zwischen dem SG Detmold und dem SG Hannover das nächsthöhere
Gericht.
Das BSG hat auf Antrag das zuständige Gericht zu bestimmen, wenn verschiedene Gerichte sich rechtskräftig für unzuständig erklärt
haben (§
58 Abs
1 Nr
4 SGG). Sowohl das SG Detmold als auch das SG Hannover haben sich für unzuständig erklärt. Beide Beschlüsse sind von den Beteiligten
nicht angefochten worden, sodass das BSG das örtlich zuständige Gericht zu bestimmen hat (vgl auch BSG Beschluss vom 13.12.2016 - B 4 SF 4/16 R - RdNr 5).
2. Das SG Detmold ist zum zuständigen Gericht zu bestimmen.
Nach §
98 S 1
SGG gelten für die sachliche und örtliche Zuständigkeit die §§
17,
17a und
17b Abs
1, Abs
2 S 1
GVG entsprechend. Beschlüsse, die in entsprechender Anwendung des §
17a Abs
2 und
3 GVG ergangen sind, sind unanfechtbar. Nachdem das SG Aurich den Rechtsstreit wegen örtlicher Unzuständigkeit an das (aus seiner
Sicht) zuständige SG Detmold verwiesen hat und zulässige Rechtsmittel hiergegen nicht eingelegt worden sind, ist die Verweisung
an das SG Detmold unanfechtbar geworden. Dies hat zur Folge, dass die Verweisung für das Gericht, an das der Rechtsstreit
verwiesen worden ist, also das SG Detmold, hinsichtlich der örtlichen Zuständigkeit bindend ist (§
98 S 1
SGG iVm §
17a Abs
2 S 3
GVG; vgl auch BSG Beschluss vom 16.9.2009 - B 12 SF 7/09 S - RdNr 4; BSG Beschluss vom 21.2.2012 - B 12 SF 7/11 S - RdNr 7; BSG Beschluss vom 16.11.2016 - B 4 SF 5/16 R - RdNr 4).
Der Verweisungsbeschluss an das SG Detmold ist auch nicht unbeachtlich, denn er leidet nicht an einem schweren Verfahrensmangel
und ist auch nicht objektiv willkürlich (vgl BSG Beschluss vom 8.5.2007 - B 12 SF 3/07 S - SozR 4-1500 § 57 Nr 2 RdNr 4; BSG Beschluss vom 16.9.2009 - B 12 SF 7/09 S - RdNr 5; BSG Beschluss vom 16.11.2016 - B 4 SF 5/16 R - RdNr 4). Ein Verstoß gegen elementare Verfahrensgrundsätze oder eine objektiv willkürliche Entscheidung des SG Aurich liegen
nicht vor. Das SG hat bei seiner Verweisung an das SG Detmold lediglich verkannt, dass der Beklagte des Rechtsstreits keine juristische Person
des Privatrechts, sondern eine Anstalt des öffentlichen Rechts ist. Insoweit handelt es sich aber um einen einfachen Rechtsanwendungsfehler
und nicht um eine aus Sachgründen nicht mehr nachvollziehbare Entscheidung.
Insofern bleibt es bei der Bindungswirkung des Verweisungsbeschlusses an das SG Detmold. Obwohl es vorliegend vernünftige
Gründe der Prozessökonomie geben könnte, das Verfahren beim SG Hannover zu führen, ändert dies nichts daran, dass das SG Detmold
kraft Bindungswirkung des vorausgegangenen Verweisungsbeschlusses zuständig geworden und, nachdem sich auch das SG Hannover
für unzuständig erklärt hat, geblieben ist.