Anerkennung eines Grads der Schädigung
Verfahrensrüge
Verstoß gegen das Willkürverbot
Gründe:
I
Der Kläger begehrt die Anerkennung eines Grads der Schädigung (GdS) als Folge eines Angriffs iS von §
1 Opferentschädigungsgesetz (
OEG) und die Gewährung einer entsprechenden Beschädigtenversorgung.
Der Beklagte hat beim Kläger als Folge einer im Jahr 2008 erlittenen Körperverletzung eine Knochennarbe am 1. Finger links
anerkannt. In der Zeit bis längstens sechs Monate nach der Gewalttat hätten außerdem Schmerzen und eine Belastungsminderung
bestanden. Die ebenfalls geltend gemachten psychischen Störungen des Klägers seien nicht als Schädigungsfolge anzusehen. Sie
hätten bereits weit vor dem schädigenden Ereignis bestanden (Bescheid vom 12.1.2010, Widerspruchsbescheid vom 11.3.2010).
Klage und Berufung sind nach medizinischer Beweisermittlung erfolglos geblieben. Das LSG hat ausgeführt, eine durch den tätlichen
Angriff vom 21.8.2008 verursachte posttraumatische Belastungsstörung (PTBS) oder eine sonstige schädigungsbedingte psychische
Erkrankung in GdS-relevantem Ausmaß ließen sich nicht feststellen (Urteil vom 14.12.2016).
Mit seiner Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision macht der Kläger geltend, das LSG-Urteil überschreite die Grenzen
der freien Beweiswürdigung und sei daher willkürlich.
II
Die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers ist unzulässig. Die Begründung genügt nicht den gesetzlichen Anforderungen, weil
der behauptete Verfahrensmangel nicht ordnungsgemäß dargetan worden ist (vgl §
160a Abs
2 S 3
SGG).
Wird eine Nichtzulassungsbeschwerde darauf gestützt, es liege ein Verfahrensmangel vor, auf dem die angefochtene Entscheidung
beruhen könne (§
160 Abs
2 Nr
3 Halbs 1
SGG), so müssen bei der Bezeichnung dieses Verfahrensmangels (§
160a Abs
2 S 3
SGG) zunächst substantiiert die ihn (vermeintlich) begründenden Tatsachen dargetan werden. Darüber hinaus ist die Darlegung erforderlich,
dass und warum die Entscheidung des LSG ausgehend von dessen materieller Rechtsansicht auf dem Mangel beruhen kann, also die
Möglichkeit einer Beeinflussung des Urteils besteht.
Den behaupteten Verstoß gegen das Willkürverbot hat die Beschwerde nicht hinreichend substantiiert dargelegt. Gegen das Willkürverbot
wird dann verstoßen, wenn Rechtsanwendung und das dazu eingeschlagene Verfahren unter keinem denkbaren Aspekt mehr rechtlich
vertretbar sind und sich daher der Schluss aufdrängt, dass die Entscheidung auf sachfremden und damit willkürlichen Erwägungen
beruht (ua BVerfGE 86, 59, 63).
Die Beschwerde wirft dem LSG vor, es habe aus völlig sachfremden Erwägungen heraus PKW-Fahrten nach L. zu Massagen, einen
Verkehrsunfall beim Überqueren der Straßenbahnschiene 2009 sowie das unbegleitete Aufsuchen des Sachverständigen Prof. Dr.
B. im Jahr 2014 als Tatsachen verwendet, um das Gutachten der Sachverständigen E. als nicht schlüssig zu entkräften. Damit
habe es den weiten Rahmen der zulässigen Beweiswürdigung überschritten.
Eine willkürliche Rechtsanwendung legt die Beschwerde mit diesem Vortrag nicht dar. Dem Berufungsgericht lagen mehrere Sachverständigengutachten
über den Kläger vor, die Art und Ausmaß seiner seelischen Erkrankungen unterschiedlich eingeschätzt hatten. Solche widersprechenden
Beweisergebnisse abzuwägen und zu beurteilen, fällt in den Kernbereich der tatrichterlichen Beweiswürdigung. Ebenso gehört
eine kritische Würdigung der Anknüpfungstatsachen für eine medizinischen Beweiserhebung, soweit das Gericht sie auch ohne
medizinische Sachkenntnis aufgrund des Akteninhalts überprüfen kann, zum richterlichen Handwerkszeug. Sie lässt keineswegs
auf Willkür schließen. Die Frage, ob diese Würdigung im Einzelfall stichhaltig ist, überzeugt oder auch anders hätte ausfallen
können, fällt in den Kernbereich der Beweiswürdigung. Sie obliegt alleine dem Tatsachengericht. Die Beschwerde hat nicht ansatzweise
dargelegt, warum das LSG diese weiten Grenzen seiner tatrichterlichen Einschätzungsprärogative in willkürlicher Weise überschritten
haben sollte. Das LSG hat angenommen, der Kläger sei nicht derart weitgehend an der gesellschaftlichen Teilhabe gehindert
wie er behauptet und wie die auf seinen Antrag gehörte Sachverständige E. angenommen hat, im Gegensatz zu dem von Amts wegen
gehörten Sachverständigen. Zur Begründung hat das Berufungsgericht ausgeführt, die auf Antrag des Klägers gehörte Sachverständige
habe die Widersprüche und Diskrepanzen aus dem Akteninhalt und den früheren Schilderungen des Klägers nicht aufgeklärt, sondern
habe unkritisch allein seine Darstellung übernommen. Das LSG hat seine Schlussfolgerung ua auf eine Gegenüberstellung der
klägerischen Behauptungen bei der psychiatrischen Anamnese durch E. mit seinen früheren Angaben vor allem im PKH-Verfahren
gestützt. Darauf geht die Beschwerde nicht hinreichend substantiiert ein. Insbesondere führt sie nicht stichhaltig aus, warum
diesem Vortrag unter keinem denkbaren Gesichtspunkt Widersprüche gegenüber den Angaben bei der Sachverständigen E. entnommen
werden können. Allein ihre pauschale Behauptung, die Beweiswürdigung des LSG beruhe auf sachfremden Erwägungen, genügt nicht
zur Darlegung von Willkür. Sie zielt letztlich nur auf den Vorwurf der fehlerhaften Beweiswürdigung ab, die §
160 Abs
2 Nr
3 Halbs 2
SGG indes der Beurteilung durch das Revisionsgericht vollständig entzieht. Kraft der darin enthaltenen ausdrücklichen gesetzlichen
Anordnung kann die Beweiswürdigung des Berufungsgerichts mit der Nichtzulassungsbeschwerde weder unmittelbar noch mittelbar
angegriffen werden (Karmanski in: Roos/Wahrendorf,
SGG, 2014, §
160 RdNr 58 mwN).
Soweit die Beschwerde behauptet, das LSG urteile deshalb willkürlich, weil es bewusst von falschen Tatsachen ausgehe, hat
sie diesen Vorwurf ebenfalls nicht hinreichend substantiiert dargelegt. Die von der Beschwerde kritisierte Formulierung des
LSG in den Urteilsgründen, die psychische Beeinträchtigung des Klägers habe sich zunächst auf den Verlust der Verdienstmöglichkeiten
wegen der Handbeeinträchtigungen erstreckt, gibt dafür nichts her. Ungenauigkeiten oder eine möglicherweise unvollständige
oder missverständliche Darstellung in einem Urteil rechtfertigen keinen Willkürvorwurf. Anhaltspunkte für eine bewusste Annahme
falscher Tatsachen durch das LSG hat die Beschwerde nicht substantiiert dargelegt.
Die Beschwerde ist somit ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter zu verwerfen (§
160a Abs
4 S 1 Halbs 2, §
169 SGG).
Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab (vgl §
160a Abs
4 S 2 Halbs 2
SGG).
Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des §
193 Abs
1 SGG.