Anspruch auf Grundsicherung für Arbeitsuchende; Anordnung der aufschiebenden Wirkung im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes
über die Direktzahlung der Unterkunftskosten an den Vermieter
Gründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde des Antragstellers (vgl. §§
172 Abs.
1,
173 Sozialgerichtsgesetz [SGG]) ist zulässig und auch in der Sache begründet. Das Sozialgericht Freiburg (SG) hat den Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes im Ergebnis zu Unrecht abgelehnt.
Einstweiliger Rechtsschutz ist im sozialgerichtlichen Verfahren nach §
86b SGG zu gewähren. Gemäß §
86b Abs.
1 S.1 Nr.
2 SGG kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag in den Fällen, in denen Widerspruch oder Anfechtungsklage keine aufschiebende
Wirkung haben, die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise anordnen. Nach §
86b Abs.
2 S.1
SGG kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, soweit
ein Fall des Absatz 1 nicht vorliegt, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung
eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Nach §
86b Abs.
2 S.2
SGG sind einstweilige Anordnungen auch zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis
zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Als Sicherungsanordnung nach §
86b Abs.
2 S.1
SGG ist der Antrag darauf gerichtet, einen bestehenden Zustand aufrechtzuerhalten, wobei wegen des Vorrangs des §
86b Abs.
1 SGG der Eingriff in einen bestehenden Zustand nicht durch einen anfechtbaren Verwaltungsakt erfolgt sein darf. Die Abgrenzung
zwischen den beiden Formen des einstweiligen Rechtsschutzes (Abs. 1 und Abs. 2) ist danach zu treffen, welche Rechtsschutzform
in der Hauptsache gegeben ist. Im Falle einer (reinen) Anfechtungsklage ist einstweiliger Rechtsschutz nach §
86b Abs.
1 SGG zu gewähren.
Die Antragsgegnerin hat, nach Erlass des angefochtenen Beschlusses, als Anlage zum Änderungsbescheid vom 30.03.2011 entschieden,
dass von dem dem Antragsteller bewilligten Betrag von 695,78 € (Regelleistung 364,- € und Kosten für Unterkunft und Heizung
331,78 €) ab April 2011 ein Betrag von 326,90 € direkt an den Vermieter des Antragstellers überwiesen wird. Hierdurch hat
sie - mit belastendem Charakter - in das Verfügungsrecht des Antragstellers über die ihm gewährte Leistung eingegriffen, weswegen
die Entscheidung als Verwaltungsakt i.S.d. § 31 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) zu qualifizieren ist (vgl. Landessozialgericht [LSG] Hamburg, Beschluss vom 09.06.2005 - L 5 B 71/05 ER AS - veröffentlicht in juris; Berlit in LPK- SGB II, § 22 Rn. 118; Piepenstock, jurisPK- SGB 2, 2.Aufl., § 22, Rn. 131).
Zwar sieht § 22 Abs. 7 Satz 4 SGB II in der ab dem 01.04.2011 geltenden Fassung des Gesetzes zur Ermittlung von Regelbedarfen
und zur Änderung des Zweiten und Zwölften Buches Sozialgesetzbuch vom 24.03.2011 (BGBl. I S.453) im Falle einer Direktzahlung
an den Vermieter lediglich eine schriftlich Unterrichtung der leistungsberechtigten Person vor, nachdem die Antragsgegnerin
jedoch spätestens durch den Widerspruchsbescheid vom 05.04.2011, in dessen Gestalt die Entscheidung Gegenstand der gerichtlichen
Überprüfung wird (vgl. §
95 SGG), ihrer Entscheidung formal den Charakter eines Verwaltungsaktes verliehen hat, sind dessen Rechtswirkungen in einem Hauptsacheverfahren
im Wege einer (isolierten) Anfechtungsklage zu beseitigen (vgl. Bundessozialgericht [BSG], Urteil vom 24.07.2003 - B 4 RA 60/02 R - zit. nach juris). Zum maßgeblichen Beurteilungszeitraum, dem der Entscheidung des Senats, ist das Begehren des Antragstellers
daher, anders als noch zur Zeit der Entscheidung des SG, nach §
86b Abs.
1 SGG zu beurteilen.
Gemäß §
86b Abs.
1 S.1 Nr.
2 SGG kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag in den Fällen, in denen Widerspruch oder Anfechtungsklage keine aufschiebende
Wirkung haben, die auf-schiebende Wirkung ganz oder teilweise anordnen. Die Regelung ist entsprechend anzuwenden, wenn die
Verwaltung die aufschiebende Wirkung eines Widerspruchs oder einer Klage nicht beachtet (vgl. Bundessozialgericht [BSG], Beschluss
vom 11. Mai 1993 - 12 RK 82/92 - zit. nach juris; Beschluss des erkennenden Senats vom 16.11.2010 - L 3 AL 4767/10 ER-B -; Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer,
SGG, 9. Aufl., §86b, Rn. 15 m.w.N.).
Nach §
86a Abs.
1 Satz 1
SGG haben Widerspruch und Klage grundsätzlich aufschiebende Wirkung. Gemäß §
39 Nr. 1 SGB II in der ab dem 01.04.2011 geltenden Fassung des Gesetzes zur Ermittlung von Regelbedarfen und zur Änderung des
Zweiten und Zwölften Buches Sozialgesetzbuch vom 24.03.2011 (BGBl. I S.453) haben Widerspruch und Anfechtungsklage gegen einen
Verwaltungsakt, der Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende aufhebt, zurücknimmt, widerruft, die Pflichtverletzung
und die Minderung des Auszahlungsanspruchs feststellt oder Leistungen zur Eingliederung in Arbeit oder Pflichten erwerbsfähiger
Leistungsberechtigter bei der Eingliederung in Arbeit regelt, keine aufschiebende Wirkung. Hiervon werden nur solche Entscheidungen
erfasst, die den Anspruch als solchen entziehen oder mindern, mithin in den Bestand des rechtsbegründenden Bewilligungsbescheides
eingegriffen. Die Direktzahlung der Miete an den Vermieter lässt jedoch den Leistungsanspruch des Antragstellers dem Grunde
nach unberührt, weswegen die in §
86a Abs.
1 Satz 1
SGG gründende aufschiebende Wirkung der Klage nicht nach §
39 Nr.
1 SGB II entfällt (a.A LSG Hamburg, aaO. zur bis zum 31.12.2008 geltenden Fassung des § 39 SGB II; Berlit aaO.). Eine erweiternde
Auslegung des § 39 Nr. 1 SGB II auf Fälle, in denen - wie vorliegend - in einem ähnlichen Maße wie bei einer Leistungsaufhebung
faktisch eine Minderung der tatsächlich erhaltenen Leistungen eintritt, scheidet angesichts des Ausnahmecharakters des § 39
Nr. 1 SGB II, der eine restriktive Auslegung erfordert, aus.
Die Bestehen der aufschiebende Wirkung der Klage ist auf den Antrag des Antragstellers hin (deklaratorisch) festzustellen,
da die Antragsgegnerin die dem Antragsteller bewilligten Leistungen für Unterkunft und Heizung nicht ausbezahlt hat. Der Umstand,
dass die Direktzahlung der Miete an den Vermieter vor dem Hintergrund der bestehenden Mietrückstände des Antragstellers und
der von diesem selbst eingeräumten (alkohol-)suchtbedingten Gründe in Ansehung von § 22 Abs.7 Satz 1 SGB II in der ab dem
01.01.2011 geltenden Fassung des Gesetzes zur Ermittlung von Regelbedarfen und zur Änderung des Zweiten und Zwölften Buches
Sozialgesetzbuch vom 24.03.2011 (BGBl. I S.453) rechtlich nicht zu beanstanden sein sollte, hat in der vorliegenden prozessualen
Situation, insb. auch deswegen, weil die Antragsgegnerin von ihrer Befugnis, die sofortige Vollziehbarkeit des Änderungsbescheides
vom 30.03.2011 anzuordnen, keinen Gebrauch gemacht hat, außer Betracht zu bleiben.
Auf die Beschwerde des Antragstellers ist hiernach festzustellen, dass die Klage des Antragstellers beim SG (S 15 AS 1905/11 und S 15 AS 1907/11) gegen den Änderungsbescheid der Antragsgegnerin vom 30. März 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 05. April
2011 aufschiebende Wirkung hat.
Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung von §
193 SGG.
Die Entscheidung ist unanfechtbar (§
177 SGG).