Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Klägerin eine Witwenrente zu gewähren ist.
Die 1971 geborene Klägerin, die zwei in den Jahren 1991 und 1997 geborene Kinder hat, ist t. Staatsangehörige. Am 31.03.1989
heiratete sie den gleichfalls türkischen Staatsangehörigen Y. T. (Versicherter). Mit Urteil des Amtsgerichts H. vom 25.04.2006
(- ... F 5.../03 -) wurde die Ehe der Klägerin und des Versicherten unter Anwendung t. Rechts rechtskräftig geschieden. Am
25.12.2013 verstarb der Versicherte. Die Klägerin bezieht deswegen auf einen Antrag vom 20.03.2014 hin von der Beklagten seit
dem 01.01.2014 eine Erziehungsrente nach §
47 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch (
SGB VI).
Am 30.06.2014 beantragte die Klägerin bei der Beklagten die Gewährung einer Witwenrente.
Mit Bescheid vom 02.09.2014 lehnte die Beklagte den Antrag der Klägerin ab. Zur Begründung führte sie aus, da die Klägerin
zum Zeitpunkt des Todes des Versicherten nicht mit diesem verheiratet gewesen sei, bestehe kein Anspruch auf Witwenrente.
Ferner beziehe die Klägerin eine Erziehungsrente aus eigener Versicherung aufgrund des Todes des geschiedenen Ehegatten.
Hiergegen erhob die Klägerin am 10.09.2014 Widerspruch. Zu dessen Begründung brachte sie vor, dass die Ehe der Klägerin zwar
in Deutschland geschieden worden sei, nach internationalem Recht müsse jedoch für die Rechtswirksamkeit der Scheidung in der
T. ein Anerkennungsverfahren durchgeführt werden, welches vorliegend nicht durchgeführt worden sei, so dass ein Anspruch auf
Witwenrente bestehe.
Mit Widerspruchsbescheid vom 13.01.2015 wies die Beklagte den Widerspruch der Klägerin zurück. Zur Begründung führte sie aus,
Voraussetzung für den Bezug einer Witwenrente sei, dass im Zeitpunkt des Todes des Versicherten eine rechtsgültige Ehe bestanden
habe. Aus dem Scheidungsurteil vom 25.04.2006 gehe jedoch hervor, dass die Klägerin am 25.04.2006 nach t. Recht rechtskräftig
geschieden worden sei. Das Scheidungsurteil sei für sie, die Beklagte, verbindlich. Dass in der T. kein Anerkennungsverfahren
durchgeführt worden sei, sei rechtlich ohne Bedeutung.
Hiergegen erhob die Klägerin am 20.01.2015 Klage zum Sozialgericht Mannheim (SG). Hierzu brachte sie vor, nach internationalem Recht sei eine Ehe nur dann geschieden, wenn die Scheidung im Heimatland der
Ehegatten anerkannt worden sei. Jedoch hätten weder die Klägerin noch der verstorbene Versicherte ein solches Anerkenntnisverfahren
in der T. durchführen lassen. Nach t. Recht könne ein solches nach 10 Jahren auch nicht mehr durchgeführt werden, sodass ein
ausländisches Scheidungsurteil seine Gültigkeit verliere. Dies hätte weitreichende Konsequenzen, so hätte die Klägerin noch
als Ehefrau Ansprüche geltend machen können. Hätte die Klägerin erneut heiraten wollen, wäre in Deutschland der Einwand erhoben
worden, dass sie noch nicht als geschieden gelte.
Die Beklagte trat der Klage entgegen und betonte, dass die Ehe der Klägerin am 25.04.2006 nach t. Recht geschieden worden
sei. Das Scheidungsurteil sei für sie verbindlich.
Mit Urteil vom 29.07.2016 wies das SG die Klage ab. Zur Begründung seiner Entscheidung führte es aus, der Klägerin stehe kein Anspruch auf Witwenrente zu, da sie
vor dem Tod des Versicherten von diesem bereits rechtskräftig geschieden worden sei. Zwar seien die deutschen (Familien-)Gerichte
für Ehesachen zuständig, wenn beide Ehegatten, wie vorliegend, ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Inland gehabt haben, die Scheidung
folge jedoch nach Art.
17 Abs.
1 Satz 1 des
Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuch (
EGBGB) dem Recht, das zum Zeitpunkt des Eintritts der Rechtshängigkeit des Scheidungsantrages für die allgemeinen Wirkungen der
Ehe maßgebend gewesen sei. Selbige unterlägen nach Art.
14 Abs.
1 Nr.
1 EGBGB dem Recht des Staates, dem beide Ehegatten angehörten, vorliegend dem t. Recht. Folglich richte sich die Scheidung nach t.
Recht. Ob das Urteil eines deutschen Gerichtes, durch das die Ehe zweier ausländischer Staatsangehöriger nach dem Recht deren
Heimatstaates geschieden werde, in Deutschland Gestaltungswirkung entfalte, solange noch eine nach dem betreffenden Heimatrecht
erforderliche Anerkennung durch eine Stelle des Staates fehle, sei anhand einer Abwägung zu beurteilen. Maßgeblich sei hierbei,
ob eine Rechtsangelegenheit einen so starken Auslandsbezug aufweise, dass es nicht mehr vertretbar erscheine, bei der Heranziehung
eines deutschen Scheidungsurteils das Fehlen eines ausländischen Wirksamkeitserfordernisses unberücksichtigt zu lassen. Hierbei
sei zu berücksichtigen, dass der deutsche Gesetzgeber durch die Inanspruchnahme einer internationalen Zuständigkeit in Ehesachen
zum Ausdruck gebracht habe, dass er ausländischen Ehegatten mit gewöhnlichem Aufenthalt in Deutschland eine effektive Möglichkeit
der Scheidung eröffnen wolle. Auch habe die Witwenrente im Wesentlichen eine Unterhaltsersatzfunktion, ihr komme mithin eine
existentielle Bedeutung für den überlebenden Partner zu. Schließlich sprächen auch Gesichtspunkte der Rechtssicherheit und
des Vertrauensschutzes für einen starken Inlandsbezug, sodass im vorliegenden Rechtsstreit für die Annahme, dass eine wirksame
Scheidung vorliege, auf die Durchführung eines Anerkenntnisverfahrens nach t. Recht verzichtet werden könne. Das rechtskräftige
Scheidungsurteil stehe hiernach einem Anspruch auf Witwenrente entgegen.
Gegen das am 08.08.2016 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 10.08.2016 Berufung eingelegt. Zu deren Begründung bringt sie
vor, das SG habe verkannt, dass selbst der Bundesgerichtshof, soweit es um die Prüfung von nach ausländischem Recht zu beurteilenden
Ehehindernissen gehe, auf die Anerkennung des Scheidungsurteils nach dem betreffenden ausländischen Recht abstelle. Demnach
sei ein deutsches Scheidungsurteil nach t. Recht erst dann anerkannt, wenn es in einem gerichtlichen Anerkenntnisverfahren
durch ein türkisches Familiengericht rechtskräftig festgestellt worden sei. Der Umstand, dass der Witwenrente nach deutschem
Recht eine Unterhaltsersatzfunktion zukomme, werde dadurch entkräftet, dass, bis zum rechtskräftigen Abschluss des Anerkenntnisverfahrens,
nach t. Recht ein Unterhaltsanspruch trotz Rechtskraft eines deutschen Scheidungsurteils bestehe. Einer solchen Möglichkeit
sei sie durch den Tod ihres Ehegatten beraubt worden.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 29.07.2016 sowie den Bescheid der Beklagten vom 02.09.2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheides
vom 13.01.2015 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr ab 01.01.2014 eine Witwenrente in gesetzlicher Höhe zu gewähren,
hilfsweise,
die Revision zuzulassen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Zur Begründung ihres Antrags verweist die Beklagte auf ihren erstinstanzlichen Vortrag sowie die aus ihrer Sicht zutreffenden
Ausführungen im angefochtenen Urteil.
Mit Schriftsatz vom 20.02.2017 hat die Klägerin, mit solchem vom 22.02.2017 die Beklagte das Einverständnis mit einer Entscheidung
des Senats ohne mündliche Verhandlung erklärt.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge sowie die
bei der Beklagten geführte Leistungsakte, die Gegenstand der Entscheidungsfindung geworden sind, verwiesen.
Entscheidungsgründe
Die form- und fristgerecht (vgl. §
151 Abs.
1 Sozialgerichtsgesetz [SGG]) eingelegte Berufung der Klägerin, über die der Senat nach dem erklärten Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche
Verhandlung entscheidet (§§
153 Abs.
1,
124 Abs.
2 SGG), ist zulässig, führt jedoch für die Klägerin inhaltlich nicht zum Erfolg.
Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Gewährung einer Witwenrente.
Nach §
46 Abs.
1 SGB VI haben Witwen oder Witwer, die nicht wieder geheiratet haben, nach dem Tod des versicherten Ehegatten Anspruch auf kleine
Witwenrente oder kleine Witwerrente, wenn der versicherte Ehegatte die allgemeine Wartezeit erfüllt hat. Der Anspruch besteht
für längstens 24 Kalendermonate nach dem Ablauf des Monats, in dem der Versicherte verstorben ist (§
46 Abs.
1 Satz 2
SGB VI). Nach §
46 Abs.
2 SGB VI haben Witwen oder Witwer, die nicht wieder geheiratet haben, nach dem Tod des versicherten Ehegatten, der die allgemeine
Wartezeit erfüllt hat, Anspruch auf große Witwenrente oder große Witwerrente, wenn sie ein eigenes Kind oder ein Kind des
versicherten Ehegatten, das das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, erziehen (Nr. 1), das 47. Lebensjahr vollendet haben
(Nr. 2) oder erwerbsgemindert sind (Nr. 3).
(Grund-)Voraussetzung für den Bezug der Witwenrente ist, dass die Klägerin Witwe des verstorbenen Versicherten ist. Witwe
oder Witwer ist grundsätzlich, wer mit dem versicherten Ehegatten bei dessen Tod verheiratet gewesen ist. Dies setzt den Bestand
einer wirksam geschlossenen Ehe voraus, die beim Tod des versicherten Ehegatten noch Bestand gehabt hat (Gürtner in Kasseler
Kommentar zum Sozialversicherungsrecht, Bd. 3, Stand: Sept. 2015, §
46 SGB VI, Rn. 11). Dies ist dann nicht der Fall, wenn die Ehe rechtskräftig geschieden worden ist. Da das Sozialversicherungsrecht
keinen eigenständigen Ehebegriff kennt, ist hierbei grundsätzlich an die allgemeinen gesetzlichen Bestimmungen anzuknüpfen.
Nach §
1564 Satz 1
Bürgerliches Gesetzbuch [BGB] kann eine Ehe nur durch richterliche Entscheidung auf Antrag eines oder beider Ehegatten geschieden werden. Die Ehe
ist nach §
1564 Satz 2
BGB mit der Rechtskraft der Entscheidung aufgelöst. Bis zum Zeitpunkt der Rechtskraft eines Scheidungsurteils ist der überlebende
Ehegatte demzufolge Witwe bzw. Witwer i.S.d. §
46 SGB VI.
Dies wird bei einer Scheidung zweier ausländischer Staatsangehöriger durch die Regelungen des deutschen internationalen Privatrechts
überlagert. Eine Scheidung unterlag nach Art.
17 Abs.
1 Satz 1
EGBGB in der bis zum 28.01.2013 geltenden Fassung des Gesetzes zur Strukturreform des Versorgungsausgleichs vom 03.04.2009 (BGBl.
I 700) hierbei dem Recht, das im Zeitpunkt des Eintritts der Rechtshängigkeit des Scheidungsantrags für die allgemeinen Wirkungen
der Ehe maßgebend war. Diese unterliegen gem. Art.
14 Abs.
1 Nr.
1 EGBGB dem Recht des Staates, dem beide Ehegatten angehören bzw. während der Ehe zuletzt angehörten. Die Regelungen der Verordnung
(EU) Nr. 1259/2010 (Rom III-VO) und des dortigen Art. 8, nach dem das Scheidungsrecht grundsätzlich dem Recht des gewöhnlichen
Aufenthalts unterworfen ist, ist vorliegend nicht anzuwenden, da die Verordnung erst zum 21.06.2012, d. h. nach der rechtskräftigen
Scheidung der Klägerin, in Kraft getreten ist. Mithin verbleibt es vorliegend bei den bisherigen Kollisionsregelungen des
EGBGB. Nach selbigem ist für die Scheidung der Klägerin, wie vom SG zutreffend angenommen und vom Amtsgericht H. seinem Urteil vom 25.04.2006 zu Grunde gelegt, t. Recht anzuwenden.
Ein hierzu ergangenes rechtskräftiges deutsches Scheidungsurteil entfaltet in der T. bzw. dem t. Rechtsraum jedoch keine unmittelbaren
rechtlichen Wirkungen. Es kann gleichwohl als zwingendes Beweismittel in das türkische Verfahren eingeführt werden und so
Beachtung finden. Die Prüfung und Entscheidung eines Ersuchens auf Anerkennung eines ausländischen, also etwa eines deutschen
Scheidungsurteils, unterliegt dem Verfahren über die Vollstreckbarerklärung, wonach der andere Ehegatte als Beklagter zu benennen
und der Anerkennungsantrag diesem zusammen in der Angabe des Verhandlungstermins zuzustellen und am Tag der Verhandlung im
einfachen Verfahren zu prüfen und eine Entscheidung zu fällen ist. Mithin bedarf ein deutsches Scheidungsurteil in der T.
der Anerkennung durch ein t. Gericht. Inwieweit das Urteil eines deutschen Familiengerichts, durch das die Ehe zweier t. Staatsangehöriger
nach dem t. Recht geschieden wird, in Deutschland trotz dieses Anerkennungserfordernisses Gestaltungswirkung entfaltet, beurteilt
sich nach Rechtsprechung des BSG (Urteil vom 13.01.1999, - B 13 RJ 17/98 R -, in [...]) anhand einer differenzierenden Betrachtungsweise. Dem liegt zu Grunde, dass der deutsche Gesetzgeber einerseits
durch die Inanspruchnahme einer internationalen Zuständigkeit in Ehesachen zum Ausdruck gebracht hat, dass er ausländischen
Ehegatten mit gewöhnlichem Aufenthalt in Deutschland eine effektive Möglichkeit der Scheidung eröffnen wollte, andererseits
jedoch eine Rechtsangelegenheit einen so starken Auslandsbezug haben kann, dass es nicht mehr vertretbar ist, bei der Heranziehung
eines deutschen Scheidungsurteils das Fehlen eines ausländischen Wirksamkeitserfordernisses unberücksichtigt zu lassen. Hieraus
folgert das BSG, dass zwischen den gegenständlichen Prinzipien eines äußeren und inneren Entscheidungseinklangs abzuwägen ist.
Diese Abwägung führt vorliegend dazu, dass der Inlandsbezug des streitigen Sachverhalts überwiegt. So kommt der Witwenrente
aus der gesetzlichen Rentenversicherung im Wesentlichen eine Unterhaltsersatzfunktion zu. Diese rechtfertigt es, die begehrte
Leistung, die vorliegend bei einem unverändert bestehenden Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland hier zur Bestreitung
des Lebensunterhalts herangezogen werden soll, dem deutschen Recht zu unterwerfen. Soweit dem entgegengebracht wird, dass,
ohne eine Anerkennung des deutschen Scheidungsurteils, möglicherweise Unterhaltsansprüche o. ä. nach t. Recht bestanden haben
könnten, bedingt dies keine abweichende Beurteilung, da jedenfalls zu Lebzeiten keine entsprechenden Anträge gestellt worden
sind und nach dem Ableben des Versicherten auch nicht mehr gestellt werden können. In Ansehung dessen, dass es bei der Witwenrente
um die Versorgung des überlebenden Partners, also um eine Frage von existenzieller Bedeutung geht, ist den Gesichtspunkten
der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes überdies ein besonderes Gewicht beizumessen. Da andererseits klägerseits keine
konkreten Tatsachen betreffend eines überwiegenden Auslandsbezuges vorgebracht worden sind, überwiegt auch zur Überzeugung
des Senats der Bezug der Rechtsangelegenheit zum hiesigen Rechtsraum, sodass bei der Beurteilung der Rechtswirksamkeit der
Scheidung vom 25.04.2006 die fehlende Anerkennung durch ein türkisches Gericht nicht ins Gewicht fällt. In Ansehung der rechtskräftigen
Scheidung der Klägerin ist diese daher nicht Witwe des Versicherten.
Die Klägerin hat mithin keinen Anspruch auf Witwenrente nach §
46 SGB VI. Der ablehnende Bescheid der Beklagten vom 02.09.2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13.01.2015 ist rechtmäßig
und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten; das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen.
Die Kostenentscheidung beruht auf §
193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision (§
160 Abs.
2 SGG) liegen nicht vor.