Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Beklagte die Höhe der Erwerbsminderungsrente des Klägers zutreffend berechnet
hat und insbesondere ob sie hierbei Rentenabschläge in Abzug bringen durfte.
Der 1954 geborene Kläger bezog mit Bescheid der Beklagten vom 29.06.2000 in der Zeit vom 31.03.2000 bis 31.05.2002 eine Rente
wegen Erwerbsunfähigkeit in Höhe von monatlich 1.328,20 DM, was einem Betrag von 679,10 EUR entspricht. Eine Weitergewährung
der Zeitrente über den Wegfallzeitpunkt hinaus erfolgte nicht. Das sich anschließende und bis April 2007 andauernde Klage-
und Berufungsverfahren blieb erfolglos.
Am 18.06.2007 stellte der Kläger bei der Beklagten erneut einen Antrag auf Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung, woraufhin
die Beklagte mit Bescheid vom 05.11.2007 dem Kläger eine - zunächst - befristete Rente wegen voller Erwerbsminderung bewilligte:
Unter Berücksichtigung von 79 Monaten Zurechnungszeit für die Zeit vom 18.06.2007 bis 12.01.2014 ermittelte die Beklagte eine
Summe aller Entgeltpunkte von 30,6334 Punkten. Diese setzte sich aus Entgeltpunkten für Beitragszeiten (22,2359 Punkte), Entgeltpunkten
für beitragsfreie Zeiten (7,0638 Punkte), zusätzlichen Entgeltpunkten für beitragsgeminderte Zeiten (2,4126 Punkte) und einem
Abschlag aus einem durchgeführten Versorgungsausgleich (1,0789 Punkte) zusammen. Der rentenartbedingte Zugangsfaktor von 1,0
wurde für jeden Kalendermonat nach dem 31.01.2014 bis zum Ablauf des Kalendermonats der Vollendung des 63. Lebensjahres um
0,003 und somit für 36 Kalendermonate um insgesamt 0,108 gemindert. Der sich hieraus ergebende Zugangsfaktor von 0,892 führte
nach Multiplikation mit der Summe aller Entgeltpunkte zu einer Anzahl an persönlichen Entgeltpunkten von 27,3250, was bei
einem aktuellen Rentenwert von 26,27 EUR einen Netto-Rentenzahlbetrag von 647,13 EUR monatlich ergab.
Gegen diesen Bescheid legte der Kläger am 05.12.2007 Widerspruch ein und machte geltend, dass es nicht nachvollziehbar sei,
warum die Erwerbsunfähigkeitsrente jetzt wesentlich niedriger sei als die frühere Rente. Die Beklagte wies mit Widerspruchsbescheid
vom 06.03.2008 den Widerspruch zurück und führte aus, dass sich die im Vergleich zum Bescheid aus dem Jahr 2000 niedrigeren
persönlichen Entgeltpunkte hauptsächlich aus dem gemäß §
77 des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch (
SGB VI) anzuwendenden Zugangsfaktor ergeben würden, der jetzt 0,892 anstatt 1,0 betrage. Auch habe sich durch den Bezug von Arbeitslosengeld
II der Durchschnittswert der Beitragszeiten im belegungsfähigen Gesamtzeitraum verändert, sodass auch die Bewertung der beitragsfreien
Zeiten nicht mehr in gleicher Weise wie früher vorgenommen worden sei. Der spätere erneute Leistungsfall verschiebe zudem
die Anzahl der Zurechnungszeiten und verringere diese von vorher 133 Monaten auf jetzt noch 79 Monate.
Am 02.04.2008 hat der Kläger Klage zum Sozialgericht Bayreuth erhoben und die Gewährung einer höheren Rente wegen voller Erwerbsminderung
bereits ab Antragstellung beantragt. Mit Beschluss vom 27.06.2008 hat das Sozialgericht dem Kläger Prozesskostenhilfe bewilligt
und wie beantragt eine Rechtsanwältin als Bevollmächtigte beigeordnet. Die Klage wurde damit begründet, dass der von der Beklagten
in Ansatz gebrachte Zugangsfaktor von 0,892 statt von 1,0 gesetzwidrig sei. Das Bundessozialgericht habe in einer Entscheidung
des 4. Senats vom 16.05.2006 festgestellt, dass Erwerbsminderungsrentner, die bei Rentenbeginn das 60. Lebensjahr noch nicht
vollendet hätten, Rentenabschlägen nur unterliegen würden, wenn sie die Rente über das 60. Lebensjahr hinaus beziehen würden.
Der Rentenbezug vor Vollendung des 60. Lebensjahres gelte nicht als Zeit einer vorherigen Inanspruchnahme. Demzufolge sei
die Minderung des Zugangsfaktors für Bezugszeiten vor Vollendung des 60. Lebensjahres nicht zulässig. Für die aktuellen Entscheidungen
des 5. Senats des BSG vom 14.08.2008 seien noch keine Urteilsgründe bekannt, sodass erst zu einem späteren Zeitpunkt eine
Beurteilung vorgenommen werden könne.
In der Folgezeit hat die Beklagte mit Bescheid vom 05.02.2009 eine Weitergewährung der Zeitrente zunächst abgelehnt; in einem
sich anschließenden Rechtsstreit haben die Beteiligten aber am 22.09.2010 einen Vergleich geschlossen, wonach beim Kläger
am 21.09.2010 ein neuerlicher Leistungsfall der teilweisen Erwerbsminderung, nunmehr auf Dauer eingetreten sei und darüber
hinaus Anspruch auf eine arbeitsmarktbedingte Rente wegen voller Erwerbsminderung unter zeitlicher Befristung anerkannt werde.
In einem Erörterungstermin vom 22.09.2010 ist der rechtliche Hintergrund des vorliegenden Streitfalls erörtert worden. Der
Kläger hat beantragt, dass die ihm ab Januar 2008 bewilligte Rente wegen voller Erwerbsminderung auf Zeit mit einem ungeminderten
Zugangsfaktor von 1,0 zu berechnen sei. Die Beteiligten haben ihr Einverständnis mit einer Entscheidung durch Gerichtsbescheid
erklärt.
Das Sozialgericht Bayreuth hat die Klage sodann mit Gerichtsbescheid vom 04.10.2010 abgewiesen. Es hat ausgeführt, dass der
Zugangsfaktor ein Berechnungselement der persönlichen Entgeltpunkte sei und seine Höhe in §
77 SGB VI näher geregelt sei. Es werde den Darlegungen des Bundessozialgerichts in den Urteilen B 5 R 32/07 R, B 5 R 88/07 R und B 5 R 140/07 R - alle vom 14.08.2008 - gefolgt, wonach Wortlaut, systematische Stellung, Sinn und Zweck des Gesetzes, systematischer Gesamtzusammenhang
und Entstehungsgeschichte der Norm dafür sprechen würden, dass für alle Erwerbsminderungsrenten, die vor Vollendung des 63.
Lebensjahres in Anspruch genommen würden, ein gekürzter Zugangsfaktor zu berechnen sei. Die Erwerbsminderungsrentner müssten
eine Absenkung des Zugangsfaktors auch dann hinnehmen, wenn sie bei Rentenbeginn das 60. Lebensjahr noch nicht vollendet hätten.
An der anders lautenden Entscheidung des 4. Senats des BSG vom 16.05.2006 würden die für die gesetzliche Rentenversicherung
zuständigen Senate des BSG nicht festhalten (vgl. Beschluss vom 26.06.2008 Az: B 13 R 9/08 S).
Die Kürzung des Zugangsfaktors verstoße - auch im Falle des Klägers - nicht gegen das
Grundgesetz (
GG). Es handele sich um eine zulässige Inhalts- und Schrankenbestimmung durch den Gesetzgeber, die auch im Rahmen des Art
14 Abs
1 GG zulässig sei. Nachdem die getroffene Maßnahme durch das Ziel gerechtfertigt sei, die Finanzierbarkeit der gesetzlichen Rentenversicherung
zu erhalten, sei es unter dem Blickwinkel des Gleichheitssatzes nicht zu beanstanden, dass die Versichertengruppe, zu welcher
der Kläger gehöre, gegenüber derjenigen anders behandelt werde, die wegen eines Rentenbeginns vor dem 01.01.2001 noch nicht
von der Absenkung des Zugangsfaktors betroffen gewesen sei. Mit jeglicher Anpassung des Rechts an geänderte Verhältnisse sei
zwangsläufig eine ungleiche Behandlung von Betroffenen vor und nach der Änderung verbunden.
Am 25.10.2010 hat der Kläger gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Bayreuth Berufung eingelegt. Sein Antrag auf Prozesskostenhilfe
ist durch Beschluss des Senats vom 19.09.2011 abgelehnt worden. Der Klage fehle die hinreichende Erfolgsaussicht, nachdem
die entgegenstehende Rechtsprechung des Bundessozialgerichts zwischenzeitlich auch durch das Bundesverfassungsgericht bestätigt
worden sei (Beschluss vom 11.01.2011 Az: 1 BvR 3588/08 bzw. 1 BvR 555/09).
Der Kläger hat sich trotz einer Anfrage des Senats nicht zu dem Hinweis auf die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts
geäußert und auch nicht erklärt, dass er die Berufung zurücknehmen würde.
Mit Beschluss vom 09.01.2012 ist die Berufung dem Berichterstatter übertragen worden.
Der Kläger beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Bayreuth vom 04.10.2010 aufzuheben und die Beklagte ist zu verurteilen, dem Kläger
unter Abänderung des Bescheides vom 05.11.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 06.03.2008 die ihm ab 01.01.2008
bewilligte Rente wegen voller Erwerbsminderung auf Zeit mit einem ungeminderten Zugangsfaktor von 1,0 zu berechnen und die
Differenz zur bisherigen Rentenzahlung nachzuzahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Bayreuth vom 04.10.2010 zurückzuweisen.
Zur Begründung verweist die Beklagte auf die aktuelle höchstgerichtliche Rechtsprechung.
Zur Ergänzung des Tatbestands wird auf die Akten der Beklagten sowie die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz und die
Akte S 7 R 1043/09 des Sozialgerichts Bayreuth inhaltlich Bezug genommen.
Bei der Erwerbsminderungsrente des Klägers ist der Zugangsfaktor nach §
77 Abs
2 Satz 1 Nr
3 SGB VI zu Recht gekürzt worden. Diese Regelung bestimmt, dass der Zugangsfaktor für Entgeltpunkte, die noch nicht Grundlage von
persönlichen Entgeltpunkten einer Rente waren, bei Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit für jeden Kalendermonat, für
den eine Rente vor Ablauf des Ablaufs des Kalendermonats der Vollendung des 63. Lebensjahres in Anspruch genommen wird, um
0,003 niedriger als 1,0 ist, begrenzt allerdings auf 36 Monate. Entgegen der im Urteil des 4. Senats des BSG vom 16.05.2006
(B 4 RA 22/05 R, zitiert nach juris) vertretenen Auffassung unterliegen auch Erwerbsminderungsrentner, die wie der Kläger bei Rentenbeginn
das 60. Lebensjahr noch nicht vollendet hatten, diesen Rentenabschlägen (vgl. BSG, Urt. v. 14.08.2008, B 5 R 32/07 R; BSG, Beschl. v. 26.06.2008, B 13 R 9/08 S und B 13 R 11/08 S; BSG, Urt. v. 25.02.2010, B 10 LW 3/09 R; jeweils zitiert nach juris). Diese Rechtsprechung ist erst unlängst noch einmal ausdrücklich bestätigt worden (BSG, Urt.
v. 28.09.2011, Az. B 5 R 18/11 R - zitiert nach juris).
Dementsprechend ist die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des SG Bayreuth vom 04.10.2010 zurückzuweisen.