Gründe:
Den Eilanträgen der aus Bulgarien stammenden, sich nach Aktenlage seit Januar 2008 erlaubt in Deutschland aufhaltenden Antragsteller
war in Anwendung des §
86b Abs
2 Sozialgerichtsgesetz (
SGG) allein deshalb in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang stattzugeben, weil der Senat die Sach- und Rechtslage im einstweiligen
Verfahren nicht vollständig durchdringen kann und eine Folgenabwägung (Leistung/Nichtleistung) zu ihren Gunsten zu treffen
ist. Die folgende Begründung ist an den Maßstäben ausgerichtet, die das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) in dem Beschluss
vom 12. Mai 2005 (1 BvR 569/05 - 3. Kammer des Ersten Senats - info also 2005, 166) entwickelt hat.
Nach §
86b Abs
2 Satz 1
SGG kann das Gericht auf Antrag zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis eine einstweilige
Anordnung erlassen, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile notwendig erscheint. Die danach zu treffende
Entscheidung kann sowohl auf eine Folgenabwägung ([vorläufige und möglicherweise teilweise] Zuerkennung/aktuelle Versagung
des Anspruchs) als auch auf eine Überprüfung der Erfolgsaussichten in der Hauptsache gestützt werden, wobei Art
19 Abs
4 Grundgesetz (
GG) besondere Anforderungen an die Ausgestaltung des Eilverfahrens stellt. Soll die Entscheidung an den Erfolgsaussichten der
Hauptsache orientiert werden, ist das erkennende Gericht verpflichtet, die Sach- und Rechtslage nicht nur summarisch, sondern
abschließend zu prüfen, insbesondere dann, wenn das einstweilige Verfahren die Bedeutung des Hauptsacheverfahrens übernimmt
und eine endgültige Verhinderung der Grundrechtsverwirklichung eines Beteiligten droht, wie dies im Streit um laufende Leistungen
der Grundsicherung für Arbeitssuchende regelmäßig der Fall ist, da der elementare Lebensbedarf für die kaum je absehbare Dauer
des Hauptsacheverfahrens bei (teilweise) ablehnender Entscheidung nicht gedeckt ist. Ist eine vollständige Klärung der Sach-
und Rechtslage im Eilverfahren nicht möglich, ist anhand der Folgenabwägung zu entscheiden, die daran ausgerichtet ist, eine
Verletzung grundgesetzlicher Gewährleistungen zu verhindern, auch wenn sie nur möglich erscheint oder nur zeitweilig andauert.
Die Sicherung des Existenzminimums (verwirklicht durch Leistungen der Grundsicherung für Arbeitslose) ist eine grundgesetzliche
Gewährleistung in diesem Sinne, da die Sicherung eines menschenwürdigen Lebens eine verfassungsrechtliche Pflicht des Staates
ist, die aus dem Gebot zum Schutz der Menschenwürde und dem Sozialstaatsprinzip folgt.
Davon ausgehend war der Senat gehalten, den Antragstellern für die Zukunft ergänzende Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts
mit einem Abschlag (vgl auch dazu BVerfG aaO.) bzgl der jeweiligen Regelleistung sowie die (vollständigen) Kosten der Unterkunft
und Heizung vorläufig zuzusprechen. Dies beruht darauf, dass derzeit mit der Gewissheit, die für eine Entscheidung in der
Hauptsache notwendig ist, nicht entschieden werden kann, dass für den Antragsteller zu 1) - zu den (von ihm abgeleiteten)
Rechten der Antragssteller zu 2) bis 4) siehe unten - der Ausschlussgrund des § 7 Abs 1 Satz 2 Nr 2 Zweites Buch Sozialgesetzbuch
(SGB II) greift. Bei dieser Sachlage ist die Folgenabwägung vorzunehmen, die zu dem aus dem Tenor ersichtlichen Ergebnis führt.
Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach § 7 SGB II erhalten Personen, die
1. das fünfzehnte Lebensjahr vollendet und die Altersgrenze nach § 7a SGB II noch nicht erreicht haben,
2. erwerbsfähig sind,
3. hilfebedürftig sind und
4. ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland haben
(erwerbsfähige Hilfebedürftige - § 7 Abs 1 Satz 1 SGB II). Dass der Antragsteller zu 1) die Altersvorgaben erfüllt, liegt
auf der Hand. Er hat ferner glaubhaft gemacht, dass er sich - gemeinsam mit den Antragstellern zu 2) bis 4) seit Januar 2008
gewöhnlich in Deutschland aufhält. Dies zeigt das Mietverhältnis und zum Aufenthalt seit diesem Zeitpunkt ist nachvollziehbar
vorgetragen.
Die Antragsteller haben ferner glaubhaft gemacht, dass sie hilfebedürftig sind. Es gibt keine Anhaltspunkte dafür, dass sie
aktuell über Vermögen oder - abgesehen von staatlichen Leistungen wie dem Kindergeld - weitere Einkünfte als die des Antragstellers
zu 1) aus seiner Sammeltätigkeit verfügen; diese reichen ausgehend von den glaubhaften Angaben des Antragstellers zu 1) im
Erörterungstermin nicht aus, um den Bedarf der Familie zu decken.
Der Antragsteller zu 1) ist auch erwerbsfähig iS von § 7 Abs 1 Satz 1 Nr 2 iVm § 8 SGB II.
Er ist nicht aus gesundheitlichen Gründen in seiner Erwerbsfähigkeit beschränkt (§ 8 Abs 1 SGB II) und er ist auch iS von
§ 8 Abs 2 SGB II ("rechtlich") erwerbsfähig, da er über eine Arbeitsberechtigung/EU verfügt, die ihm unbeschränkten Zugang
zum Arbeitsmarkt der Bundesrepublik gewährt.
Einem Leistungsanspruch des Antragstellers zu 1) steht nicht mit hinreichender Gewissheit die Regelung des § 7 Abs 1 Satz
2 Nr 2 SGB II entgegen. Danach sind vom Leistungsbezug nach dem SGB II ausgenommen Ausländer (und ihre Familienangehörigen),
deren Aufenthaltsrecht sich allein aus dem Zweck der Arbeitssuche ergibt. Zwar ist der Ausschlussgrund ausgehend von den Bedingungen,
unter denen sich der Antragsteller zu 1) in der Bundesrepublik aufhält, anwendbar und seine Voraussetzungen sind erfüllt.
Es spricht jedoch einiges dafür, dass § 7 Abs 1 Satz 2 SGB II mit dem Recht der EU nicht vereinbar ist und auf Unionsbürger
wie den Antragsteller zu 1) zumindest nicht einschränkungslos anwendbar ist.
Gemäß § 2 Abs 2 Nr 1 2. Alt des Gesetzes über die allgemeine Freizügigkeit von Unionsbürgern (FreizügG/EU) sind Unionsbürger
freizügigkeitsberechtigt, die sich zur Arbeitssuche in der Bundesrepublik Deutschland aufhalten wollen. Dabei gewährt das
FreizügG/EU sogar ein unbefristetes Aufenthaltsrecht bei Arbeitsuche und verzichtet im Gegensatz zu Art 14 Abs 4 b Unionsbürgerrichtlinie
(ABl der EU Nr L 158 vom 30. April 2004 S 77, berichtigt in ABl Nr L 229 vom 29. Juni 2004 S 35) auf die Anforderung der "begründeten
Erfolgsaussicht" der Arbeitssuche. Ein Wegfall des Aufenthaltsrechts iS des § 2 Abs 2 Nr 1 2. Alt. FreizügG/EU kommt danach
nur dann in Betracht, wenn aufgrund objektiver Umstände davon auszugehen ist, dass der Unionsbürger in Wirklichkeit keinerlei
ernsthafte Absichten verfolgt, eine Beschäftigung aufzunehmen (vgl Bayrischer Verwaltungsgerichtshof, Beschluss vom 16. Januar
2009 - 19 C 08.3271, juris RdNr 6 f mwN). Der Antragsteller zu 1) ist nach seinem glaubhaften Vortrag um die Aufnahme einer
Beschäftigung bemüht und hat mit der Einholung der Arbeitsberechtigung/EU die entsprechende Voraussetzung geschaffen.
Ihm steht auch kein die Anwendbarkeit des § 7 Abs 1 Satz 2 Nr 2 SGB II ausschließendes Aufenthaltsrecht zu, da er weder aktuell
als Arbeitnehmer beschäftigt oder als Selbständiger tätig ist, noch dies in der Vergangenheit zeitnah und in einem Umfang
war, dass die Beschäftigung oder Tätigkeit noch ein Aufenthaltsrecht vermitteln könnte. Falls der Antragsteller zu 1) durch
die ca 1 ½ Monate dauernde Beschäftigung bei der Fa E bis zum 20. Juli 2008 ein Aufenthaltsrecht als Arbeitnehmer erworben
haben sollte (§ 2 Abs 2 Nr 1 1. Alt. FreizügG/EU, vgl zu den Anforderungen, die an die Erlangung des Arbeitnehmerstatus zu
stellen sind, Senatsbeschluss vom 08. Juni 2009 - L 10 AS 617/09 B ER, juris RdNr 4 f mwN), kann dieses - da die Beschäftigung weniger als ein Jahr andauerte - höchstens für die Dauer von
sechs Monaten fortbestanden haben (§ 2 Abs 3 Satz 2 FreizügG/EU) und ist damit jedenfalls Anfang 2009 erloschen. Für den Antragsteller
zu 1) ergibt sich auch aus seiner selbständigen Tätigkeit als Schrottsammler- und händler ab September 2008 kein Aufenthaltsrecht
nach § 2 Abs 2 Nr 2 FreizügG/EU. Falls der Antragsteller zu 1) aufgrund dieser Tätigkeit niedergelassener selbständiger Erwerbstätiger
iS der Bestimmung gewesen sein sollte, hat er diesen Status mit Ende der Tätigkeit - insoweit hat er sich im Erörterungstermin
glaubhaft dahingehend eingelassen, dass die Tätigkeit nicht über die Gewerbeabmeldung in Juni 2009 hinaus fortgesetzt worden
ist - eingebüßt. Die Voraussetzungen für den Fortbestand eines damals möglicherweise begründet gewesenen Aufenthaltsrechts
nach § 2 Abs 3 Satz 1 FreizügG/EU haben nicht vorgelegen, da die Tätigkeit nicht gesundheitsbedingt aufgegeben wurde (Satz
1 Nr 1) und vor ihrem Ende - auf das der Antragsteller zu 1) keinen Einfluss gehabt haben dürfte - nicht die Dauer von einem
Jahr gehabt hatte (Satz 1 Nr 2). Der Fortdauertatbestand nach Abs 3 Satz 2 betrifft nur kurzfristige abhängige Beschäftigungen;
er wäre auch bei einer Übertragung auf selbständige Tätigkeiten von seiner zeitlichen Reichweite - ein halbes Jahr - nicht
ausreichend, für den Antragsteller zu 1) ein von der Arbeitssuche unabhängiges Aufenthaltsrecht zu begründen.
Aufgrund seiner aktuellen Tätigkeit als Pfandflaschensammler - was die Angaben dazu angeht, war der Antragsteller zu 1) nach
seinem Aussageverhalten glaubwürdig und seine Bekundung auch in Ansehung der Plausibilität des geschilderten Sachverhaltes
glaubhaft - vermag der Senat den Antragsteller zu 1) nicht als "niedergelassenen selbständig Erwerbstätigen" iSv § 2 Abs 2
Nr 2 FreizügG/EU anzusehen. Dies liegt nicht im Umfang und in der wirtschaftlichen Bedeutung dieser Tätigkeit begründet, die
zum Lebensunterhalt der Familie oder auch nur des Antragstellers zu 1) nicht ausreicht, denn insoweit dürften rechtlich -
wie bei abhängiger Beschäftigung (dazu ausführlich Senatsbeschluss vom 08. Juli 2009 aaO., juris RdNr 4) - nur relativ geringe
Ansprüche zu stellen sein (von der Gleichbehandlung abhängiger Beschäftigung und selbständiger Tätigkeit insoweit ausgehend:
Oberverwaltungsgericht [OVG] der Freien Hansestadt Bremen, Beschluss vom 21. Juni 2010 - 1 B 137/10, juris RdNr 11, vgl auch Senatsbeschluss vom 13. Juli 2010 - L 10 AS 1091/10 B ER, juris). Der Antragsteller zu 1) übt aber nach dem derzeitigen Erkenntnisstand eine reine Sammeltätigkeit aus, die als
solche bereits begrifflich keine selbständige Erwerbstätigkeit iS von § 2 Abs 2 Nr 2 FreizügG/EU bzw der gemeinschaftsrechtlichen
Niederlassungsfreiheit (Art 49 [vormals Art 43] des Vertrages zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft, konsolidierte Fassung
der Verträge über die Europäische Union und des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union, Amtsbl Nr C 83 v 30.
März 2010 [EGV]) ist. Insoweit ist es erforderlich, dass mit der Tätigkeit ein Erwerbszweck in der Weise verfolgt wird, dass
die Tätigkeit entgeltlich erbracht wird und eine Teilnahme am Wirtschaftsleben darstellt (OVG der Freien Hansestadt Bremen
aaO., RdNr 7 - dort bejaht für Reinigungstätigkeit). Mit diesem eine Teilhabe am Wirtschaftsleben begründenden Tun muss wirtschaftlicher
Güteraustausch angestrebt werden, der auch ideelle Güter oder Dienstleistungen betreffen kann (Hessisches Landessozialgericht
[LSG], Beschluss vom 14. Oktober 2009 - L 7 AS 166/09 B ER, juris, RdNr 24 - abgelehnt für den Verkauf von Obdachlosenzeitungen); für die Belange des Steuerrechts ist insoweit
formuliert, dass sich der Tätigwerdende mit seiner Verkaufsabsicht an den allgemeinen Markt wenden muss, in der Weise, dass
er eigene Leistungen gegen Entgelt an den Markt bringt, wobei es sich bei seinem Tätigwerden um eine Tätigkeit handeln muss,
die unmittelbar dem Leistungsaustausch dient (Bundesfinanzhof, Urteil vom 06. Juni 1973 - I R 203/71, juris RdNr 13 - abgelehnt für das Einsammeln von Coca-Cola-Flaschen in einem Kino). Die Tätigkeit des Antragstellers zu
1) ist nicht auf die Erbringung von Dienstleistungen gegenüber Dritten auf vertraglicher Basis gerichtet. Er bietet nicht
auf eigenes Risiko seine Arbeitskraft bzw eine auf dieser basierende Dienstleistung gegenüber beliebigen Dritten zu auszuhandelnden
Bedingungen an, sondern setzt seine Arbeitskraft unter Ausnutzung der Regelungen und Marktbedingungen des Getränkepfandes
ein. Soweit bei der Pfandrückgabe Ansprüche entstehen und Umsätze getätigt werden, sind diese nicht Frucht der Teilnahme des
Antragstellers zu 1) am Wirtschaftsverkehr. Der Antragsteller zu 1) bedient sich vielmehr nur einer durch das Pfandsystem
garantierten Einnahmemöglichkeit, wobei ein auf Aneignung, nicht aber ein auf Gewinnerzielung durch Güteraustausch gerichtetes
Tun zu Grunde liegt.
Da das Aufenthaltsrecht des Antragstellers zu 1) damit "nur" auf § 2 Abs 2 Nr 1 FreizügG/EU beruht - er hält sich zum Zwecke
der Arbeitssuche in Berlin auf - trifft die Ausschlussnorm des § 7 Abs 2 Satz 2 Nr 2 SGB II tatbestandlich auf ihn zu. Dennoch
ist hier eine Folgenabwägung bezüglich der Leistungsgewährung vorzunehmen, denn die Wirksamkeit des Ausschlusses steht nicht
mit hinreichender Sicherheit fest. Zur Frage, ob die in § 7 Abs 2 Satz 2 Nr 2 SGB II getroffene Regelung Bestand hat oder
mit dem Recht der Europäischen Union - konkret der Arbeitnehmerfreizügigkeit - unvereinbar ist, hat der Senat in einem tragend
aus anderen Erwägungen entschiedenen Verfahren (Urteil vom 11. November 2009 - L 10 AS 1801/09, juris; Revision anhängig Bundessozialgericht [BSG] B 14 AS 23/10 R) Folgendes ausgeführt:
"Ob der in § 7 Abs 1 Satz 2 Nr 2 SGB II durch Bundesgesetz bestimmte Ausschlusstatbestand vollen Bestand hat oder ob er als
(ggf teilweise) nicht europarechtskonform Grundsicherungsleistungen ganz oder teilweise nicht auszuschließen vermag, wird
in der obergerichtlichen Rechtsprechung und im Schrifttum unterschiedlich beurteilt (zum Meinungsstand: Hailbronner, ZFSH/SGB
2009, 195, 199ff). Eine klare Positionierung, ähnlich der hier vom SG vertretenen Auffassung, findet sich etwa im Beschluss des Landessozialgerichts [LSG] Berlin-Brandenburg vom 08. Juni 2009
- L 34 AS 790/09 B ER (juris RdNr 5ff). Danach setzt der Ausschluss nach § 7 Abs 1 Satz 2 Nr 2 SGB II, soweit er "solche Leistungen ... betrifft,
die nicht den Zugang zum Arbeitsmarkt erleichtern, sondern den Lebensunterhalt sichern sollen" (was für die Leistung nach
§ 20 Abs 1 SGB II im Gegensatz zu den Leistungen nach dem 3. Kap 1. Abschnitt des SGB II der Fall sei), national die nach
Art 24 Abs 2 Unionsbürgerrichtlinie ausdrücklich erlaubten Begrenzungen um. Art 24 Abs 2 Unionsbürgerrichtlinie verstoße nicht gegen höherrangiges Gemeinschaftsrecht. Art 39 Abs 2 EGV [= Art 45 EGV aktuellerFassung] sei nicht verletzt, solange keine Beschränkung von Leistungen, die den Zugang zum Arbeitsmarkt erleichtern
sollen, vorgenommen werde, zudem könne es an einer hinreichenden Verbindung zum Arbeitsmarkt des Aufenthaltsstaates fehlen.
Art 12 EGV begünstige nur EU-Bürger mit einer Aufenthaltserlaubnis oder einem Daueraufenthaltsrecht iS von § 2 Abs 2 Nr 7 FreizügG/EU. Diese Rechtsprechung sieht sich mit dem Urteil des EuGH vom 04. Juni 2009 (aaO. [ Europäischer Gerichtshof
- EuG -, Urteil vom 04. Juni 2009, verbundene Rechtssachen C-22/08 und C-23/08, Vatsouras und Koupatantze ./. Arbeitsgemeinschaft - ARGE - Nürnberg 900, juris]) in Einklang, soweit dort ausgeführt wird,
der Ausschluss des "Anspruchs auf Sozialhilfe" (Art 24 Abs 2 Unionsbürgerrichtlinie) verstoße nicht gegen europäisches Primärrecht.
Die so zu umreißende Auffassung ist nur dann tragfähig, wenn die zumeist nicht ausdrücklich problematisierte Voraussetzung
zutrifft, dass der Leistungskatalog des SGB II in solche Leistungen, die als Sozialhilfe zu betrachten sind, und andere (solche,
die den Zugang zum Arbeitsmarkt erleichtern sollen) aufgespalten und in der Folge bzgl der Frage eines europarechtlich wirksamen
Ausschlusses unterschiedlich beurteilt werden kann. Eben dies wird bestritten (LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 25. April
2007 - L 19 B 116/07 AS ER, juris RdNr 27; Spellbrink in Eicher/Spellbrink, SGB II, 2. Aufl. 2008, RdNr 18 zu § 7), wobei (ebenfalls) eine die
postulierte Zielvorstellung tragende Argumentation fehlt. Der EuGH (vgl aaO. zu 43.), dem die Auslegung nationalen Rechts
auch nicht obliegt, hat nur aufgezeigt, dass es als Hinweis darauf angesehen werden könne, dass die Leistungen der Grundsicherung
für Arbeitsuchende Leistungen seien, den Zugang zur Beschäftigung erleichtern sollen, wenn vorgesehen ist, dass der Berechtigte
erwerbsfähig sein müsse".
Der danach naheliegende Befund, dass die zwingende, methodisch unanfechtbare Herleitung eines bestimmten Ergebnisses zur Wirksamkeit
des Leistungsausschlusses in § 7 Abs 2 Satz 2 Nr 2 SGB II für arbeitssuchende EU-Staatsbürger kaum möglich ist, findet Bestätigung
darin, dass eine nur noch schwer zu übersehende Fülle von Entscheidungen der Landessozialgerichte in Verfahren des einstweiligen
Rechtschutzes und Äußerungen im Schrifttum vorliegen, in denen die Frage mit uneinheitlichen Begründungen teils bejaht wird
(etwa LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 23. Dezember 2009 - L 34 AS 1350/09 B ER, LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 29. September 2009 - L 15 AS 905/09 B ER und Hessisches LSG, Beschluss vom 14. Oktober 2009 - L 7 AS 166/09 B ER) vielfach aber auch mit der Konsequenz einer (dann zumeist positiv getroffenen Folgenabwägung) nachdrücklich bezweifelt
wird (etwa LSG NRW, Beschluss vom 17. Februar 2010 - L 19 B 392/09 AS ER und Beschluss vom 26. Februar 2010 - L 6 B 154/09 AS ER; LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 11. Januar 2010 - L 25 AS 1831/09 B ER, LSG Bayern, Beschluss vom 04. Mai 2009 - L 16 AS 130/09 B ER; LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 25. August 2010 - L 7 AS 3769/10 ER-B; aus dem Schrifttum: Valgolio in Hauck/Noftz, § 7 SGB II, RdNr 30; Spellbrink in Eicher/Spellbrink, SGB II, § 7 RdNr
17).
In Anbetracht dieser Situation erachtet es der Senat (ohne aufzugeben, dass dieser Entscheidungsmodus für Eilverfahren regelmäßig
durch tatsächliche Unwägbarkeiten ausgelöst wird, während Rechtsfragen zu entscheiden sind) als angemessen, eine Entscheidung
aufgrund einer Folgenabwägung zu treffen. Denn wenn eine vereinheitlichende höchstrichterliche Entscheidung aussteht und die
ausgetauschten Argumente die entscheidende Fragestellung im Ergebnis nur als offen kennzeichnen, besteht letztlich die vom
BVerfG als maßgeblich erachtete "mögliche Rechtsverletzung", wenn auch im Hinblick darauf, dass keine Rechtsklarheit herrscht.
Eine Regelung aufgrund einer Folgenabwägung trägt der hier festzustellenden "Pattsituation der Auffassungen" insbesondere
deshalb sachgerecht Rechnung, weil sie zuständigkeitsbedingten Zufälligkeiten entgegenwirkt und weil von weiteren Einzelfallentscheidungen
Auswirkungen auf Verwaltungspraxis oder den Diskussionsstand in Rechtsprechung und Schrifttum nicht mehr zu erwarten sind.
Damit hängt es von der Folgenabwägung ab, ob Leistungen vorläufig zuzusprechen sind. Diese ist für den Antragsteller zu 1)
und die mit ihm in Bedarfsgemeinschaft lebenden Antragsteller zu 2) bis 4) - dazu § 7 Abs 3 Nr 4 und 4 SGB II - vorzunehmen,
die nach § 3 Abs 1 Satz 1 iVm Abs 2 Nr 1 FreizügG/EU als Ehegattin - Antragstellerin zu 2) - bzw als Töchter - Antragstellerinnen
zu 3) und 4) - am aufenthaltsrechtlichen Status des Antragstellers zu 1) teilhaben, so dass es für die Antragstellerin zu
2) keiner Prüfung bedarf, ob sie für ihre Person auch arbeitssuchend ist.
Die Folgenabwägung ist hier zugunsten der Antragsteller zu treffen, denen zurzeit kein hinreichendes eigenes Einkommen oder
Vermögen zur Verfügung steht, um elementare Bedürfnisse zu befriedigen. Einer möglichen Rechtsverletzung der Antragsteller
(gegeben für den Fall, dass ihnen ein Leistungsanspruch zusteht) stehen, abgesehen vom Ausfallrisiko im Rückforderungsfalle,
keine darstellbaren Interessen der Antragsgegnerin gegenüber. Allein der fiskalische Gesichtspunkt überwiegt die grundrechtlich
gestützte Position der Antragsteller nicht. Der Senat kann dabei offen lassen, in welchen Fallgruppen und mit welchem Gewicht
er ggf die Rückkehrmöglichkeit ins Heimatland in die Folgenabwägung einbezieht. Hier drängen sich derartige Erwägungen auch
im Hinblick auf die nicht ungünstig zu beurteilenden Erfolgsaussichten des Hauptsacheverfahrens nicht auf, da eine vorläufige
Rückkehr der Antragsteller nach Bulgarienim Hinblick auf die kontinuierlichen Bemühungen des Antragstellers zu 1) um die Sicherung
des Lebensunterhaltes, die Dauer des Aufenthalts, den Schulbesuch der Antragstellerinnen zu 3) und 4) und die Struktur der
Bedarfsgemeinschaft nicht zumutbar erscheint.
Der Senat hält es für den einstweiligen Rechtsschutz für sachgerecht und ausreichend, den Antragstellern - neben den auf Bedarfsseite
hier unstreitig mit 500,00 Euro (= aktuelle Bruttowarmmiete) anzusetzenden angemessenen Leistungen für Unterkunft und Heizung
- die Regelleistungsbeträge (für die gemäß § 6 Abs 1 Satz 1 Nr 1 SGB II die Bundesagentur für Arbeit zuständig ist) mit einem
Abschlag von 85% zuzusprechen. Er erkennt in vergleichbaren Eilverfahren die Regelleistung regelmäßig nur den Hilfebedürftigen
in voller Höhe zu, die nach dem vorliegenden Erkenntnisstand im Hauptsacheverfahren voraussichtlich Erfolg haben werden. Erscheint
hingegen ein Obsiegen des jeweiligen Antragstellers im Hauptsacheverfahren als unwahrscheinlich, beschränkt der Senat den
Ausspruch in der Regel auf die unabdingbar notwendigen Leistungen, wobei er den Maßstab aus § 31 Abs 1 und 3 Satz 6 SGB II
entnimmt, wonach das Arbeitslosengeld II unter bestimmten Voraussetzungen in einer ersten Stufe um 30% gekürzt wird bzw bei
einer Kürzung der Regelleistung um mehr als 30% ergänzende Sachleistungen zu erwägen sind (vgl Senatsbeschluss vom 04. Juli
2007 - L 10 B 855/07 AS ER). Ist die Beurteilung der Sache indes - wie hier - offen, erachtet es der Senat demgemäß als sachgerecht, zwischen
dem maximalen Abschlag von 30% und der vollen Regelleistung zu mitteln und auf 85% der Regelleistung zu erkennen (vgl Senatsbeschluss
vom 19. August 2008 - L 10 B 1481/08 AS ER).
Von der auf jeden Antragsteller entfallenden Regelleistung war zunächst das in der Bedarfsgemeinschaft zu verteilenden Einkommen
des Antragstellers zu 1) in Höhe von 300,00 Euro aus Pfanderlösen ohne Einräumung von Freibeträgen abzusetzen. Dies erscheint
sachgerecht, da die vom Antragsteller zu 1) nur geschätzten Einnahmen akzeptiert werden und zudem die Grundlagen der Freibetragsregelungen
(Anreizfunktion im Erwerbszusammenhang, Pauschalierung allgemein vorhandener Versicherungen) angesichts des Lebenssachverhalts
keine Rolle spielen dürften. Weiter war bei den Antragstellerinnen zu 3) und 4) deren Kindergeld abzusetzen. Von den so berechneten
Beträgen war der Abschlag von 15% vorzunehmen. Hinzu kommt jeweils ein anteiliger (nach dem Kopfteilsprinzip) Anspruch auf
Kosten der Unterkunft und Heizung von jeweils 125,00 Euro.
Soweit die Beschwerde mehr als die zugesprochenen Leistungen zum Gegenstand hatte, war sie zurückzuweisen. Die zugesprochenen
Leistungen sind ab dem Zeitpunkt des Zugangs dieses Beschlusses als Telefax bei der Antragsgegnerin - für September 2010 also
anteilig - zu gewähren, da nur für die Befriedigung des gegenwärtigen und zukünftigen Bedarfs die besondere Dringlichkeit
einer vorläufigen Entscheidung gegeben ist; für die Vorzeit bleibt die Beschwerde daher erfolglos. Der Senat begrenzt die
Verpflichtung im Hinblick auf den Zeitpunkt, bis zu dem das Revisionsverfahren BSG - B 14 AS 23/10 R entschieden sein dürfte (voraussichtlicher Termin 19. Oktober 2010) bis zum 31. Oktober 2010. Falls das BSG in dem genannten
Verfahren eine Entscheidung zur Wirksamkeit von § 7 Abs 2 Satz 2 Nr 2 SGB II trifft, kann diese für den Folgemonat umgesetzt
werden, andernfalls hätte die Antragsgegnerin die Fortschreibung der hier getroffenen Regelung zu erwägen.
Die Kostenentscheidung beruht auf §
193 SGG.
Da der Rechtsverfolgung vor dem Sozialgericht Berlin eine Erfolgsaussicht nach dem vorhergehenden Ausführungen nicht abgesprochen
werden kann, war der Beschwerde auch im Hinblick auf die Entscheidung über die Gewährung von Prozesskostenhilfe stattzugeben.
Dieser Beschluss ist nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht (BSG) anfechtbar, §
177 SGG.