SGB-II-Leistungen
Zuweisung einer bestimmten Arbeitsgelegenheit
Verwaltungsakt
Auf den Einzelfall bezogene Anforderungen an Arbeitsgelegenheiten
Gründe:
I.
Streitig ist im Zugunstenverfahren nach § 44 Sozialgesetzbuch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz - (SGB X) die Zuweisung zu Arbeitsgelegenheiten mit Mehraufwandsentschädigung und Wertersatz für die geleistete Arbeit.
Dem 1955 geborenen, im Leistungsbezug des Beklagten stehenden Kläger, der bereits in den Zeiträumen vom 23. März 2006 bis
30. November 2006 und vom 1. Dezember 2006 bis 31. August 2007 (Vermittlungsvorschlag vom 15. November 2006) in einem zeitlichen
Umfang von 30 Wochenstunden als Bühnenarbeiter bei der K GmbH (KK) beschäftigt gewesen war, schlug der Beklagte mit Vermittlungsvorschlägen
vom 8. April 2008 und 23. März 2009 erneut eine "Arbeitsgelegenheit mit Mehraufwandentschädigung" im selben zeitlichen Umfang
als Bühnenarbeiter vom 1. Mai 2008 bis 31. Januar 2009 bzw vom 1. April 2009 bis 31. Dezember 2009 vor (Gehalt = 1,50 EUR/Stunde)
vor. Der Kläger arbeitete entsprechend den Vermittlungsvorschlägen wiederum bei der KK.
Den Antrag auf Überprüfung der Zuweisungen für die Zeiträume vom 1. Mai 2008 bis 31. Januar 2009 bzw vom 1. April 2009 bis
31. Dezember 2009 und Zahlung von Wertersatz lehnte der Beklagte mit Bescheid vom 9. Oktober 2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides
vom 17. Oktober 2014 ab. Das Sozialgericht (SG) Berlin hat die auf Verpflichtung des Beklagten zur Aufhebung der Vermittlungsvorschläge vom 8. April 2008 und 23. März 2009
und auf Wertersatz auch für die in den Jahren 2006 und 2007 im Rahmen der Arbeitsgelegenheiten gegen Mehraufwandsentschädigung
geleisteten Arbeiten gerichtete Klage abgewiesen (Urteil vom 12. Juli 2016). Zur Begründung ist ausgeführt: Ein Aufhebungsanspruch
des Klägers, der die Arbeitsgelegenheiten jeweils wahrgenommen habe, im Zugunstenverfahren bestehe hinsichtlich der Zuweisungen
nicht. Denn seine Rechtsstellung verbessere sich bei einer Aufhebung nicht. Auch ein Anspruch auf Wertersatz bestehe ungeachtet
dessen, ob die Arbeiten rechtsgrundlos vom Kläger erbracht worden seien, nicht. Denn nach der maßgebenden Rechtsprechung des
Bundessozialgerichts (BSG) stehe einem Anspruch auf Wertersatz entgegen, dass der Betreffende - wie hier der Kläger - den Beklagten nicht zeitnah auf
mögliche rechtswidrige Umstände - hier die mögliche fehlende gesetzliche Voraussetzung der Zusätzlichkeit der Arbeitsgelegenheit
- hingewiesen und diesem daher nicht die Möglichkeit zur Abhilfe gegeben habe (Bezugnahme auf BSG, Urteil vom 22. August 2013 - B 14 AS 75/12 R = SozR 4-4200 § 16 Nr 13).
Mit der Berufung verfolgt der Kläger sein Begehren weiter. Auf seinen Schriftsatz vom 24. August 2016 wird Bezug genommen.
Der Kläger beantragt nach seinem Vorbringen,
das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 12. Juli 2016 und den Bescheid des Beklagten vom 9. Oktober 2014 in der Gestalt des
Widerspruchsbescheides vom 17. Oktober 2014 aufzuheben und den Beklagten unter Aufhebung der Vermittlungsvorschläge vom 8.
April 2008 und 23. März 2009 zu verurteilen, ihm für die in den Jahren 2006, 2007, 2008 und 2009 geleisteten Arbeiten im Rahmen
von Arbeitsgelegenheiten mit Mehraufwandsentschädigung das Tarifentgelt oder übliche Arbeitsentgelt für einen Bühnenarbeiter
unter Abzug der gewährten Grundsicherungsleistungen, der Sozialversicherungsbeiträge und der geleisteten Mehraufwandsentschädigungen
zu zahlen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
Die Gerichtsakte und die - kopierten - Leistungsakten des Beklagten haben vorgelegen und sind, soweit erforderlich, Gegenstand
der Beratung gewesen.
II. Der Senat hat gemäß §
153 Abs.
4 Satz 1
Sozialgerichtsgesetz (
SGG) die zulässige Berufung des Klägers durch Beschluss zurückweisen können, weil er dieses Rechtsmittel einstimmig für unbegründet
und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich gehalten hat. Die Beteiligten sind hierzu vorher gehört worden (vgl.
§
153 Abs.
4 Satz 2
SGG).
Der Kläger hat im Zugunstenverfahren nach § 44 SGB X iVm § 40 Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch - Grundsicherung für Arbeitsuchende - (SGB II) keinen Anspruch darauf, dass der Beklagte die Zuweisungen für die Arbeitsgelegenheiten mit Mehraufwandsentschädigung vom
8. April 2008 und 23. März 2009 aufhebt. Die entsprechende kombinierte Anfechtungs- und Verpflichtungs(Bescheidungs-)Klage
ist bereits unzulässig. Seine daneben im Wege der Klagehäufung erhobene und statthafte Leistungsklage auf Wertersatz in Ausfluss
eines öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruchs nach §
54 Abs
5 SGG (vgl BSG Urteil vom 29. September 2009 - B 8 SO 11/08 R - juris Rn 9; BSG, Urteil vom 13. April 2011 - B 14 AS 101/10 R = SozR 4-4200 § 16 Nr 8 Rn 19 ist unbegründet.
Bei den genannten Zuweisungen handelt es sich zwar um Entscheidungen des Beklagten der zur Regelung eines Einzelfalls auf
dem Gebiet des öffentlichen Rechts, der auf unmittelbare Rechtswirkung nach außen gerichtet ist (Verwaltungsakt iS des § 31 Satz 1 SGB X). Das im Zugunstenverfahren geltend gemachte Begehren auf Aufhebung dieser Zuweisungen durch den Beklagten ist indes unzulässig,
weil es an einem entsprechenden Rechtsschutzbedürfnis des Klägers fehlt. Dies setzte voraus, dass nach Aufhebung der Zuweisungen
durch den Beklagten ein öffentlich-rechtlicher Erstattungsanspruch in Betracht kommt (vgl BSG aaO. Rn 18), was indes nicht der Fall ist.
Soweit der Träger der Grundsicherung den erwerbsfähigen Hilfebedürftigen in eine bestimmte Arbeitsgelegenheit nach § 16 Abs. 3 Satz 2 SGB II in der Fassung des Gesetzes zur Fortentwicklung der Grundsicherung für Arbeitsuchende vom 20.7.2006 (BGBl I 1706) bzw seit
Inkrafttreten des Gesetzes zur Neuausrichtung der arbeitsmarktpolitischen Instrumente vom 21. Dezember 2008 (BGBl I 2917)
zum 1. Januar 2009 in § 16d Satz 2 SGB II geregelt) zuweist, handelt es sich nach dem Gesamtzusammenhang der gesetzlichen Regelungen regelmäßig um einen Verwaltungsakt
iS des § 31 Satz 1 SGB X. Die auf den Einzelfall bezogenen Anforderungen an solche Arbeitsgelegenheiten, die systematisch zum Katalog der Eingliederungsleistungen
(vgl § 14 SGB II) gehören, und die daraus folgenden Obliegenheiten des Hilfebedürftigen lässt der maßgebliche Gesetzestext weder in § 2 Abs 1 Satz 2 SGB II ("Grundsatz des Forderns") noch in § 3 Abs 1 SGB II ("Leistungsgrundsätze") noch in §§ 14, 16 Abs 3 SGB II ohne weitere Umsetzungen ausreichend konkret erscheinen. Der Gesetzgeber gibt für den Einsatz von erwerbsfähigen Hilfebedürftigen
bei im öffentlichen Interesse liegenden zusätzlichen Arbeiten vielmehr einen weit gesteckten Rahmen vor, der im Einzelfall
durch Festlegungen hinsichtlich des konkreten Inhalts der Arbeitsgelegenheit und der Erbringung der Mehraufwandsentschädigung
auszufüllen (vgl BSG aaO. Rn 15 mwN) ist. Jedenfalls wenn - wie vorliegend - in einer Eingliederungsvereinbarung (oder einem sie ersetzenden Verwaltungsakt)
keine Konkretisierung über eine Arbeitsgelegenheit vorgenommen worden ist, bedarf es dieser Festlegungen "im Nachgang", die
- sofern keine ergänzenden Vereinbarungen zwischen Träger der Grundsicherung und Hilfebedürftigem geschlossen werden - durch
einseitige Regelung des Trägers erfolgen. Die Zuweisung bestimmt abschließend gegenüber dem Hilfebedürftigen, welche Leistungen
zu seiner Eingliederung in Arbeit vorgesehen sind, damit er auf dieser Grundlage seine Entscheidung über die Teilnahme an
der Maßnahme treffen kann. Der Beklagte hat in den Zuweisungen vom 8. April 2008 und 23. März 2009 eine konkrete Maßnahme
bezeichnet und Aussagen zur Art der Tätigkeit, dem Maßnahmeträger, dem Arbeitsort, dem zeitlichen Umfang, der Lage und Verteilung
und dem Zeitpunkt der Aufnahme der Tätigkeit sowie der Höhe der Mehraufwandsentschädigung getroffen. Damit liegen Verwaltungsakte
im oben dargestellten Sinne vor.
Selbst nach Aufhebung der genannten Zuweisungen bestünde indes kein Anspruch auf Wertersatz für die vom 1. Mai 2008 bis 31.
Januar 2009 bzw vom 1. April 2009 bis 31. Dezember 2009 verrichteten Arbeiten. Der vorliegend allein in Betracht zu ziehende
öffentlich-rechtliche Erstattungsanspruch setzt als aus den allgemeinen Grundsätzen des öffentlichen Rechts abgeleitetes Rechtsinstitut
voraus, dass im Rahmen eines öffentlich-rechtlichen Rechtsverhältnisses Leistungen ohne rechtlichen Grund erbracht wurden
oder sonstige rechtsgrundlose Vermögensverschiebungen stattgefunden haben. Auch ohne ausdrückliche Normierung wird dem Anspruchsinhaber
durch den in weitgehender Analogie zu den §§
812 ff
Bürgerliches Gesetzbuch (
BGB) entwickelten öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch ein Recht auf Herausgabe des Erlangten verschafft (vgl BSG, Urteil vom 27. August 2011 - B 4 AS 1/10 R = SozR 4-4200 § 16 Nr 9 Rn 24 ff mwN). Dem Anspruch des Klägers auf Wertersatz für die og Zeiträume steht jedoch entgegen,
dass er seine Obliegenheit aus dem sozialrechtlichen Grundverhältnis gegenüber dem Beklagten verletzt hat, dieses auf mögliche
rechtswidrige Umstände - hier die mögliche fehlende Zusätzlichkeit der Arbeiten - hinzuweisen und die Möglichkeit zur Abhilfe
zu geben, wenn aus dem Grundverhältnis weitere Ansprüche abgeleitet werden sollen. Auf die Entscheidung, ob der Rechtsgrund
für die Arbeiten eine Eingliederungsvereinbarung oder ein Verwaltungsakt ist, kommt es insofern nicht an (vgl BSG, Urteil vom 22. August 2013 - B 14 AS 75/12 R = SozR § 16 Nr 13 Rn 26 mwN). Ein solcher Hinweis ist einem Leistungsbezieher auch regelmäßig zumutbar und entspricht -
wenn auch nicht direkt - den Obliegenheiten aus §
60 Abs
1 Satz 1 Nr.
1 und
2 Sozialgesetzbuch - Allgemeiner Teil - (
SGB I), Tatsachen anzugeben, die für die Leistung erheblich sind, und ebensolche Änderungen mitzuteilen. Unterlässt er diesen Hinweis,
besteht ab dem Kennenkönnen auch kein Anspruch auf Wertersatz mehr, vielmehr ist eine Anspruchsbegrenzung ab dem Zeitpunkt
anzunehmen, ab dem auch aus der Laienperspektive Anlass bestanden hätte, den Beklagten auf die Fehlerhaftigkeit der Zuweisung
hinzuweisen ("hier läuft etwas schief"; vgl BSG aaO.). Dem Kläger war ausweislich seiner Klagebegründung und dem Vorbringen in der mündlichen Verhandlung bei den Zeiträumen
vom 1. Mai 2008 bis 31. Januar 2009 und vom 1. April 2009 bis 31. Dezember 2009 schon bei Arbeitsantritt aus seiner Laiensicht
bewusst, dass in der KK "nur Hartz IV-Empfänger" tätig gewesen seien und "richtige Arbeitsplätze" gar nicht bestanden hätten.
Denn er hatte unter denselben Bedingungen dort bereits in den Jahren 2006 und 2007 gearbeitet. Es hätte ihm daher oblegen,
auf die fehlende Zusätzlichkeit bereits vor Antritt der Stellen und unmittelbar nach Erhalt der Zuweisungen hinzuweisen. Auf
die zutreffenden Ausführungen des SG nimmt der Senat im Übrigen insoweit entsprechend §
153 Abs.
2 SGG Bezug.
Der Klage auf Wertersatz für die in den Jahren 2006 und 2007 ausgeführten Arbeiten steht bereits entgegen, dass diese nicht
ohne Rechtsgrund erbracht wurden. Denn die entsprechenden Zuweisungen hat der Kläger nicht angegriffen - auch nicht im Wege
des hier streitgegenständlichen Überprüfungsantrags vom 18. Januar 2012.
Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung von §
193 SGG.
Gründe für eine Zulassung der Revision gemäß §
160 Abs.
2 SGG liegen nicht vor.