Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Höhe der Soldatenversorgung des Klägers nach einer früheren Wehrdienstbeschädigung.
Der im Februar 1956 geborene Kläger ist Versorgungsberechtigter nach dem Soldatenversorgungsgesetz (SVG). Mit Bescheid vom 23. September 1982 erkannte das Versorgungsamt Karlsruhe in Ausführung eines vor dem Sozialgericht Karlsruhe
am 30. Juli 1982 geschlossenen Vergleichs als Wehrdienstschädigungsfolgen eines im Oktober 1976 erlittenen Wegeunfalls folgende
Leiden bei einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) von 30 v H an: Zunahme der vorbestehenden Drehverbiegung der Lendenwirbelsäule
nach links, erhebliche Gestaltsänderung des 1. Lendenwirbelkörpers, Blockwirbelbildung mit dem 12. Brust- und dem 2. Lendenwirbelkörpers,
Einschränkung der Beweglichkeit der unteren Brust- und oberen Lendenwirbelsäule mit Muskelverspannungen, knöchern nicht angeheilte
Brüche der linksseitigen Querfortsätze des 1. bis 3. Lendenwirbelkörpers, verminderte Belastbarkeit der Lendenwirbelsäule,
Narbenbildung am linken Handgelenk, leichte Verbildung der Veränderungen des linken Handgelenks.
Mit Schreiben vom 21. November 1997 machte der Kläger geltend, dass sich seine Versorgungsleiden verschlimmert hätten. Der
Beklagte holte den Befundbericht des behandelnden Orthopäden vom 18. Dezember 1997 ein und veranlasste die chirurgische Begutachtung
durch den Versorgungsarzt W vom 3. Juli 1998 und die ergänzende Stellungnahme vom 4. August 1998. Nach ergänzender ärztlicher
Stellungnahme durch Dr. B vom 22. November 2001 lehnte der Beklagte mit Bescheid vom 2. Januar 2002 die Neufeststellung des
Anspruches auf Versorgung ab. Eine wesentliche Änderung in den tatsächlichen Verhältnissen i S von § 48 SGB X könne nicht festgestellt werden. Gemäß § 29 BVG sei nunmehr zu prüfen, ob ein Anspruch auf Höherbewertung der MdE bestehe. Die Gewährung eines Berufsschadensausgleichs für
den Zeitraum vom 17. Juli 1997 bis 31. März 1999 werde abgelehnt.
Gegen diesen Bescheid wandte sich der Kläger mit Widerspruch vom 31. Januar 2002. Mit Schreiben vom 26. Juni 2003 begehrte
er die Neufeststellung des Anspruchs auf Versorgung unter Berücksichtigung seiner Anträge vom Mai 1996 und September 1999
unter Beifügung eines Attestes seiner behandelnden Hausärztin Dr. P vom 5. Mai 2003. Der Beklagte holte einen Befundbericht
der Hausärztin vom 18. Oktober 2003 ein. Mit Bescheid vom 9. Februar 2004 lehnte der Beklagte einen Anspruch auf Höherbewertung
der MdE ab. Er zog das internistische Gutachten aus dem Schwerbehinderten-Verfahren von Dr. D vom 30. April 2004 bei und veranlasste
das chirurgische Gutachten von Dr. O und vom 27. Mai 2004. Mit Bescheid vom 28. Juni 2004 lehnte er den Antrag des Klägers
auf Neufeststellung seines Versorgungsanspruchs ab. Eine wesentliche Änderung sei nicht erkennbar. Es müsse daher bei der
am 23. September 1982 getroffenen Feststellung verbleiben. Der Bescheid werde Gegenstand des Widerspruchsverfahrens.
Mit Widerspruchsbescheid vom 20. Juli 2004 wies der Beklagte die Widersprüche gegen den Bescheid vom 2. Januar 2002 sowie
vom 28. Juni 2004 zurück. Die Bescheide seien zutreffend, weil sich wesentliche Änderungen nicht ergeben hätten. Die Überprüfung
im Widerspruchsverfahren habe ergeben, dass über den Anspruch auf Berufsschadensausgleich neu entschieden werde, weshalb der
Widerspruch auch diesbezüglich keinen Erfolg haben könne.
Auf die Klage hat das Sozialgericht das orthopädische Gutachten vom 10. Oktober 2005 von Dr. W eingeholt. Der Beklagte hat
das chirurgische Gutachten von Dr. L vom 13. Januar 2006 zum Verfahren gereicht. Das Sozialgericht hat mit Gerichtsbescheid
vom 10. Mai 2006 die Klage abgewiesen. Dabei ging das Sozialgericht davon aus, dass der Beklagte hinsichtlich des Berufsschadensausgleichs
die ablehnende Entscheidung durch die Mitteilung, dass eine neue Entscheidung ergehen werde, aufgehoben habe. Das Klagebegehren
sei dahingehend auszulegen, dass es dem Kläger um die Bewertung der Unfallfolgen mit einem höheren Grad der MdE als 30 v H
bei Aufhebung bzw Änderung der Bescheide des Beklagten vom 2. Januar 2002 und 28. Juni 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides
vom 20. Juli 2004 gehe. Eine wesentliche Änderung gegenüber dem Gesundheitszustand des Klägers im März 1982 sei nicht eingetreten.
Eine Verschlechterung des Wirbelsäulenschadens sei nicht nachweisbar, neurologische Ausfallerscheinungen seien nicht festgestellt
worden. Die Kammer habe nach eigener kritischer Überprüfung nachvollziehen können, dass die skoliosebedingte Einschränkung
der Seitneigung der Lendenwirbelsäule einen anlagebedingten und insoweit zu erwartenden Verschleißzustand darstelle, der jedoch
nicht Folge der Schädigung sei. Die vom Kläger geklagten Beschwerden würden mit den vorgefundenen, bildtechnisch gesicherten
degenerativen Veränderungen übereinstimmen.
Seine Berufung begründet der Kläger damit, dass der vom orthopädischen Sachverständigen des Sozialgerichts festgestellte GdB
von 40 auch als MdE angenommen werden müsse, weil die Schädigungsfolgen als überwiegend anzusehen seien. Er habe jahrelang
eine Schonhaltung eingenommen, die zu einer Drehverbiegung der Brustwirbelsäule nach rechts geführt habe. Er hat die ärztliche
Bescheinigung seines früheren Orthopäden W vom 22. September 2006 und den Reha-Entlassungsbericht vom 1. Februar 2008 eingereicht.
Der Kläger beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 10. Mai 2006 sowie die Bescheide des Beklagten vom 2. Januar 2002 und 28.
Juni 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20. Juli 2004 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, dem Kläger
ab Mai 1996 eine Versorgungsrente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit bzw. einem Grad der Schädigungsfolgen von 40 v
H bzw 40 zu gewähren.
Der Beklagte hält den Gerichtsbescheid für zutreffend und beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Der Senat hat den Befundbericht der behandelnden Nervenärzte S und K vom 12. Oktober 2007 und die ergänzenden Äußerung der
Sachverständigen des Sozialgerichts vom 6. Oktober 2008 eingeholt.
Dem Senat haben die Verwaltungsvorgänge des Beklagten vorgelegen. Diese waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung. Wegen
der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf die Schriftsätze, die Protokolle und die Verwaltungsvorgänge
des Beklagten.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung konnte keinen Erfolg haben. Das Sozialgericht hat in der Sache zu Recht die Klage abgewiesen und die
angefochtenen Bescheide bestätigt. Der Kläger hat keinen Anspruch auf höhere Versorgungsleistungen nach §§ 80 f SVG und 30 ff BVG.
Nach § 80 SVG erhält ein Soldat, der eine Wehrdienstbeschädigung erlitten hat, nach Beendigung des Wehrdienstverhältnisses wegen der gesundheitlichen
und wirtschaftlichen Folgen der Wehrdienstbeschädigung auf Antrag Versorgung in entsprechender Anwendung der Vorschriften
des BVG. § 80 SVG geht dabei von einer Kette von Tatbestandsvoraussetzungen aus, deren Glieder jeweils in kausaler Verknüpfung stehen müssen.
Das erste Glied ist das Unfallereignis oder andere mit dem Wehrdienst verbundene schädigende Umstände, das zweite Glied die
gesundheitliche Schädigung (Wehrdienstbeschädigung als Primärschaden), als drittes Glied stellt sich die Folge der gesundheitlichen
Schädigung (Schädigungsfolge) dar, also das Versorgungsleiden, dessen Feststellung ein Antragsteller durch die Versorgungsverwaltung
begehrt. Diese drei Glieder der Kausalkette bedürfen grundsätzlich des Vollbeweises.
Nach §§ 81 Abs 6 SVG und 1 Abs 3 BVG genügt zur Anerkennung des Zurechnungszusammenhangs zwischen Dienstbeschädigung und einer Gesundheitsstörung dagegen schon
die hinreichende Wahrscheinlichkeit. Wahrscheinlich ist jede Möglichkeit, der nach sachgerechter Abwägung aller wesentlichen
Umstände gegenüber jeder anderen Möglichkeit ein deutliches Übergewicht zukommt (ständige Rechtsprechung, BSG, Urteil vom
22.09.1977, 10 RV 15/77 in SozR 3900 § 40 BVG Nr 9 S 38; BSG, Beschluss vom 08.08.2001, B 9 V 32/01 B in SozR 3-3900 § 15 Nr 4). Für eine solche hinreichende Wahrscheinlichkeit ist lediglich die Möglichkeit eines Zusammenhanges
oder eine Abfolge mit entsprechendem zeitlichem Zusammenhang nicht ausreichend. Nach der wie im gesamten Sozialrecht auch
im Versorgungsrecht geltenden Theorie der wesentlichen Bedingung ist im Übrigen zu beachten, dass nicht jeder Umstand, der
irgendwie zum Erfolg beigetragen hat, rechtlich beachtlich ist, sondern nur die Bedingungen, die unter Abwägung ihres verschiedenen
Wertes wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg diesen wesentlich herbeigeführt haben (BSG, Urteil vom 09.05.2006, B 2 U 1/05 R JURIS-RdNr 14 m w N). Haben bestimmte Umstände oder ein Umstand eine überragende Bedeutung gegenüber anderen, sind diese
als nicht wesentlich nicht zu berücksichtigen. Gesichtspunkte für die Beurteilung der Wesentlichkeit einer Ursache sind insbesondere
die versicherte Ursache als solche, insbesondere Art und Ausmaß der Einwirkung, der Geschehensablauf, konkurrierende Ursachen
unter Berücksichtigung ihrer Art und ihres Ausmaßes, sowie die gesamte Krankengeschichte. (BSG, Urteil vom 09.05.2006, B 2 U 1/05 R JURIS-RdNr 15 m w N)
Dies zugrunde gelegt, hat der Kläger keinen Anspruch auf Feststellung einer höheren MdE bzw eines höheren Grades der Schädigungsfolgen
(GdS). Die Verschlimmerung der orthopädischen Leiden des Klägers stehen zur Überzeugung des Senats nicht in Zusammenhang mit
der Wehrdienstbeschädigung sondern sind davon unabhängige degenerative Veränderungen (Verschleißerscheinungen), die auch nicht
durch die Wehrdienstbeschädigung beschleunigt oder verstärkt wurden.
Dies entnimmt der Senat den überzeugenden Ausführungen des orthopädischen Sachverständigen des Gerichts. Dieser hat schlüssig
dargestellt, dass die Verschlechterungen überwiegend im Bereich der unteren und mittleren Lendenwirbelsäule zu erkennen seien,
während die Wehrdienstbeschädigung den oberen Bereich der Lendenwirbelsäule betreffe. Die progredienten Verschlechterungen
seien das Resultat der anlagebedingten skoliotischen Verbiegung. Eine Beschleunigung des (schicksalhaften) Verschleißprozesses
durch die unfallbedingte Deformierung des 1. (obersten) Lendenwirbelkörpers sei aus biomechanischen Überlegungen heraus nicht
plausibel. Dies liege daran, dass insbesondere auf die unteren LWS-Abschnitte der Einfluss der verstärkten Verbiegung der
oberen LWS am geringsten wäre. Zudem habe sich die Erhöhung der MdE auf 40 v H nur unter zusätzlicher Berücksichtigung der
Spinalkanalstenose rechtfertigen lassen. Diese Veränderung sei aber nicht im Bereich der oberen Lendenwirbelsäule erfolgt
sondern nur an der unteren. Ein Zusammenhang mit den Unfallfolgen lasse sich daher nicht annehmen. Der Sachverständige hat
dazu auch die neueren Befunde umfassend berücksichtigt. Er hat mit seiner ergänzenden Äußerung im Berufungsverfahren seine
Darstellung ergänzt, soweit sie zunächst nicht in voller Tiefe in seine Argumentation die Unfallfolgen einbezog. Nunmehr erscheinen
seine Ausführungen in vollem Umfange nachvollziehbar und folgerichtig. Anlass zu Zweifeln sieht der Senat nicht. Soweit der
Kläger ablehnt, die Argumentation des Sachverständigen nachzuvollziehen, ist darauf hinzuweisen, dass sich eine generalisierende
Betrachtung von Vorschäden, unfallbedingter Schädigung und späterer Verschlimmerung verbietet, weil eine differenzierte Betrachtung
der einzelnen medizinischen Probleme und der Wechselwirkung der verschiedenen Elemente des Stütz- und Bewegungsapparates geboten
ist. Hinsichtlich der von Kläger erwähnten Rechtsskoliose der Brustwirbelsäule sind keine Funktionsbeeinträchtigungen über
die hinaus bereits berücksichtigten geltend gemacht. Für weitere Ermittlungen von Amts wegen haben sich keine Anhaltspunkte
ergeben.
Über die bereits anerkannten Gesundheitsschäden hinaus gehende Erkrankungen lassen sich nicht auf die Wehrdienstverletzung
zurückführen. Sie können daher, auch wenn sie dem Kläger erhebliche Leiden bereiten, nicht zu einer Erhöhung der Versorgungsleistungen
führen.
Die Kostenentscheidung beruht auf §
193 SGG. Sie berücksichtigt die Erfolglosigkeit der Rechtsverfolgung.
Gründe für die Zulassung der Revision nach §
160 Abs.
2 SGG liegen nicht vor.