Tatbestand:
Der Kläger begehrt die Gewährung einer Verletztenteilrente aus der gesetzlichen Unfallversicherung wegen einer Berufskrankheit
(BK) nach Nr. 2108 der Anlage zur
Berufskrankheitenverordnung (
BKV).
Der 1940 geborene Kläger ist gelernter Schlosser und hat als solcher sowie als Kälteanlagenmonteur des S H vom 30. August
1954 bis zum 30. Oktober 1992 dort schwere körperliche Arbeiten verrichtet. Vom 01. November 1992 bis zum 09. Oktober 1994
war er bei der W GmbH als Rohrleger beschäftigt. Danach folgte eine Tätigkeit als Rohrschlosser bei der B GmbH. Ab Januar
1997 bestand Arbeitsunfähigkeit, ab dem 01. Mai 1998 bezog der Kläger Erwerbsunfähigkeitsrente.
Im Mai 2001 beantragte der Kläger die Anerkennung einer BK. Der beigefügte Reha Entlassungsbericht des Reha Klinikums "H"
vom 01. September 1997 wies als Diagnosen eine Haltungs- und Belastungsinsuffizienz der Lendenwirbelsäule bei Spondylolisthesis
L4/5 und Bandscheibenprolaps bei L5/S1, ein Cervikobrachialsyndrom rechts, Adipositas und einen Diabetes mellitus Typ II b
aus.
Unter dem 19. Dezember 2001 stellte der Technische Aufsichtsdienst (TAD) der Beklagten fest, dass die Angaben des Klägers
zu seinen Tätigkeiten in hohem Umfang nicht plausibel seien, z. B. wenn er behaupte, mit Massen von 250 kg Leitern überwunden
zu haben, aber dennoch eine Arbeitsgrundlage habe erstellt werden können, nach der von einer Belastungsdosis von 27 Nh ausgegangen
werden könne. Damit erfülle der Kläger die Mindestvoraussetzung nach dem Mainz Dortmunder Dosismodell (MDD) von 25 Nh als
untere Grenze einer gefährdenden Belastung. Gefährdungen im Sinne der B Ken 2109 und 2110 seien nicht beschrieben worden.
Nach Beiziehung weiterer medizinischer Unterlagen veranlasste die Beklagte ein fachorthopädisches Zusammenhangsgutachten des
Dr. K und des Prof. Dr. P vom 19. März 2002 mit ergänzender Stellungnahme vom 25. April 2002. Die Gutachter führten aus, beim
Kläger bestünden ein Cervikobrachialsyndrom beidseits, eine Unkovertebralarthrose, eine Coxarthrose beidseits rechts, Residuen
nach Scheuermann'scher Erkrankung, ein Pseudoradikulärsyndrom der Lendenwirbelsäule bei Spondylosteochondrose mit Gefügelockerung
nach Bandscheibenvorfall L5/S1 mit Wurzelirritation S 1 links und neuroforaminaler Stenose L5/S1 und Stenosierung in Höhe
L2 bis L4, der Nachweis von Schmorl'schen Knötchen von BWK 11 bis LWK 2 bei anamnestischem Hinweis auf ein Radikulärsyndrom
bei lumbalem Bandscheibenvorfall mit Spondylolisthesis LWK 4 sowie degenerative Veränderungen der Rotatorenmanschette. Es
bestehe zweifellos eine bandscheibenbedingte Erkrankung der Lendenwirbelsäule in Höhe L5/S1. Diese sei dokumentiert und aktenkundig.
Gleichzeitig bestehe eine Spinalkanalstenose und ein Wirbelgleiten im betroffenen Segment L4/L5 S1. Das Wirbelgleiten des
LWK 4 sei als BK unabhängige Erkrankung zu sehen, die gleichzeitig den kernspintomografisch gesicherten Befund einer geringfügigen
Bandscheibenvorfallsituation mit Wurzelirritation S1 links mitbedingt habe. Ebenfalls BK unabhängig sei die vorgefundene hochgradige
neuroforaminale Stenose links und mittelgradige neuroforaminale Stenose L5/S1 rechts als auch die geringe mittelgradige neuroforaminale
Stenose L2 bis L4. Als BK unabhängig seien weiter die Schmorl'schen Knötchen in Höhe von BWK 11 bis L2 als Residuen einer
durchgemachten Scheuermann'schen Erkrankung zu bewerten. Aktuell habe keine radikuläre, sondern lediglich eine pseudoradikuläre
Schmerzsymptomatik beim gleichzeitigen Vorhandensein einer beidseitigen Coxarthrose festgestellt werden können. Im Bereich
der Halswirbelsäule seien ebenfalls BK unabhängige degenerative Veränderungen vorhanden, die ihren Ausdruck in einem Schulter
Arm Syndrom (Zervikobrachialsyndrom) und einer Unkovertebralarthrose fänden. Das Intervall zwischen geleisteter körperlicher
Arbeit und dem Auftreten einer bandscheibenbedingten Erkrankung (Nachweis eines Bandscheibenvorfalls am 10. Januar 1997) sei
zu groß, um einen Zusammenhang zwischen der beruflichen Arbeit und der bandscheibenbedingten Erkrankung im Bereich der Lendenwirbelsäule
zuzulassen. Nach 1992 hätten BK gefährdende Tätigkeiten nicht mehr stattgefunden. Weiter sei zu berücksichtigen, dass eine
Spinalkanalstenose und ein Wirbelgleiten im betroffenen Segment L4/L5 S1 vorgefunden worden seien. Beim Wirbelgleiten des
LWK 4 handele es sich aber eindeutig um eine BK unabhängige Erkrankung. Auch die neuroforaminale Stenose links und mittelgradige
neuroforaminale Stenose L5/S1 als auch die gering mittelgradige neuroforaminale Stenose L2 L4 seien BK unabhängig. Insgesamt
könne ein Zusammenhang zwischen der schweren körperlichen Tätigkeit und den aufgetretenen Lendenwirbelsäulenbeschwerden bei
L5/S1 im Sinne eines Bandscheibenvorfalls nicht festgestellt werden.
Mit Bescheid vom 25. Juli 2002 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 08. Oktober 2002 lehnte die Beklagte einen Anspruch
auf Entschädigung einer BK Nr. 2108 ab, da die vorliegend bestehende Lendenwirbelsäulenerkrankung nicht die Voraussetzungen
der BK Nr. 2108 erfülle. Die nachgewiesenen knöchernen degenerativen Veränderungen an der gesamten Lendenwirbelsäule wiesen
eher auf eine schicksalhafte Erkrankung als auf eine beruflich verursachte Erkrankung hin. Die Ursachen der Lendenwirbelsäulenbeschwerden
mit entsprechender Schmerzsymptomatik lägen in der BK unabhängigen Segmentinstabilität im Bereich der Lendenwirbelkörper L4/5
(Wirbelgleiten) sowie den degenerativen Veränderungen an der Halswirbelsäule, den Hüften und den Knien. Auch der dokumentierte
und aktenkundige Bandscheibenvorfall vom 10. Januar 1997 könne ebenfalls nicht auf die schädigende Tätigkeit, die bis 1992
ausgeübt worden sei, zurückgeführt werden, weil das zeitliche Intervall zwischen der gefährdenden Arbeit und dem Auftreten
der bandscheibenbedingten Erkrankung im Jahre 1997 zu groß sei.
Mit der am 15. Oktober 2002 zum Sozialgericht Neuruppin erhobenen Klage hat der Kläger sein Begehren weiterverfolgt. Das Sozialgericht
hat die Akten der Betriebspoliklinik des S H beigezogen, Befundberichte des Praktischen Arztes Dr. B vom 05. Dezember 2002,
der Fachärztin für Allgemeinmedizin Dipl. Med. P vom 13. Dezember 2002 und der Fachärztin für Anästhesiologie Dipl. Med. E
vom 18. Dezember 2002 eingeholt und den Facharzt für Arbeitsmedizin Dr. L mit der Erstellung eines Fachgutachtens beauftragt.
In seinem Gutachten vom 16. September 2003 stellte Dr. L ein chronisches lumbales pseudoradikuläres Schmerzsyndrom bei ausgeprägter
Spondylochondrose der gesamten Lendenwirbelsäule, ein chronisches Cervikalsyndrom bei mäßiggradiger Spondylochondrose der
cervikalen Bewegungssegmente C4/5 und C6/7 und osteophytärer Einengung der Foramina intervertebralia der unteren Halswirbelsäule
fest. Sowohl das cervikale Schmerzsyndrom als auch das chronische pseudoradikuläre lumbale Schmerzsyndrom seien primär bandscheibenbedingte
Erkrankungen. Sowohl in der unteren Halswirbelsäule als auch in der gesamten Lendenwirbelsäule seien eine Reihe von Veränderungen
nachweisbar, die auf eine primäre Schädigung der Bandscheiben in diesen Bereichen zurückzuführen seien. So fänden sich degenerative
Veränderungen im Bereich der Grund- und Deckplatten der Wirbelkörper der unteren Halswirbelsäule und der Lendenwirbelsäule
(Osteochondrosen), massive Randzackenbildungen an den seitlichen und vorderen Wirbelkanten (Spondylosen) und Abnutzungen der
kleinen Wirbelgelenke (Spondylarthrosen). Das Aufeinanderstoßen der Wirbelkörperdornfortsätze, die Einengung der Neuroforamina
und das leichte Wirbelkörpergleiten zwischen L4/L5 seien Ausdruck für die Instabilität und die Annäherung der lumbalen Bewegungssegmente
durch die primäre Bandscheibenschädigung und den damit verbundenen Höhenverlust der Bandscheiben. Als konkurrierende Erkrankungen
zur BK Nr. 2108 seien die Spondylolisthesis (Wirbelkörpergleiten), die Skoliose, eine Hyperlordose, Adipositas und eine Scheuermann'sche
Erkrankung anzuführen. Neben den beruflichen Einwirkungen seien anlagebedingte Faktoren als Mitursache für die Entstehung
des Wirbelsäulenleidens zu diskutieren. In Betracht kämen hier das Übergewicht und das Alter des Versicherten. Wesentliche
Ursache für die Entstehung der bandscheibenbedingten degenerativen Veränderungen im Bereich der Lendenwirbelsäule seien allerdings
langjährige hohe biomechanische Belastungen. Im Falle des Klägers seien lumbale Rückenbeschwerden bereits Ende der 70 er Jahre
bzw. Anfang der 80 er Jahre aufgetreten. Bei dem damals 40 jährigen Patienten seien beim konventionellen Röntgen eindeutig
bandscheibenbedingte degenerative Veränderungen im Bereich der Lendenwirbelsäule nachgewiesen worden. In diesem Alter seien
derartige Befunde nicht altersentsprechend, sondern dem Alter vorauseilend und pathologisch. Die Zeitbeziehung zwischen der
beruflichen Exposition und dem Auftreten der Rückenbeschwerden sowie der degenerativen Veränderungen entspreche den epidemiologischen
Erwartungen. Das Heben und Tragen schwerer Lasten sei daher die wesentliche Ursache für die Entstehung der Lendenwirbelsäulenerkrankung.
Im Hinblick auf das Übergewicht sei auszuführen, dass dies in den Jahren 1982 1984 noch nicht vorgelegen habe. Es könne daher
als Entstehungsursache vernachlässigt werden. Da beim Kläger bereits im Lebensalter von 40 Jahren degenerative Veränderungen
nachgewiesen worden seien, könne auch das Alter als Ursache für die Entstehung einer bandscheibenbedingten Erkrankung vernachlässigt
werden. Als Argument gegen den Ursachenzusammenhang könnte angeführt werden, dass die degenerativen Veränderungen bei dem
Versicherten sich nicht auf die Lendenwirbelsäule beschränkten, sondern sich auch im Bereich der Brust- und unteren Halswirbelsäule
fänden. Hier könne aber davon ausgegangen werden, dass der Kläger auch Lasten auf der Schulter zu tragen gehabt habe. Die
degenerativen Veränderungen der Lendenwirbelsäule seien außerdem belastungskonform. Es müsse aber auch deutlich angemerkt
werden, dass der Nachweis von degenerativen Veränderungen der gesamten Wirbelsäule im Allgemeinen bei der Begutachtung einer
BK Nr. 2108 als wichtiges Indiz gegen einen Ursachenzusammenhang angesehen werde und eher als Hinweis für anlagebedingte Schäden
interpretiert werden müsse. Mit diesem Argument müsse ein Zusammenhang zwischen den Schäden an der Lendenwirbelsäule und den
beruflichen Belastungen im Sinne einer BK Nr. 2108 infrage gestellt werden. Die Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) wegen
der Lendenwirbelsäulenschäden betrage 20 v. H.
In der Stellungnahme vom 16. Oktober 2003 führte der Beratende Arzt der Beklagten, der Facharzt für Arbeitsmedizin Dr. R,
aus, dass dem Gutachten des Dr. L im Ergebnis nicht gefolgt werden könne, da der Nachweis degenerativer Veränderungen der
gesamten Wirbelsäule als wichtiges Indiz gegen einen Ursachenzusammenhang spreche. Auch das Wirbelgleiten L4/5 sei ein Argument
gegen die Anerkennung einer BK Nr. 2108. Außerdem sei die vorgeschlagene MdE zu hoch. Eine pseudoradikuläre Symptomatik, wie
vom Gutachter festgestellt, könne lediglich mit einer MdE von 10 v. H. beurteilt werden.
In seiner ergänzenden Stellungnahme vom 07. November 2003 hat Dr. L ausgeführt, er halte an seiner MdE Einschätzung fest.
Das Wirbelgleiten spreche seiner Auffassung nach nicht gegen eine BK Nr. 2108. Vorliegend sei das Wirbelkörpergleiten nämlich
als Sekundärschaden im Zusammenhang mit den degenerativen Veränderungen der Wirbelsäule zu sehen.
Hiergegen hat die Beklagte eingewandt, dass die von Dr. L vorgelegte Literaturstelle gegen seine Auffassung spräche, da auch
Dr. S ausgeführt habe, eine Spondylolisthesis spreche eher für die Unwahrscheinlichkeit einer Kausalitätsbeziehung zwischen
Bandscheibenschaden und beruflichen Belastungen.
Mit Urteil vom 25. Mai 2004 hat das Sozialgericht Neuruppin die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, für die
positive Erfüllung der haftungsausfüllenden Kausalität habe die Kammer die erforderliche Wahrscheinlichkeit nicht gesehen.
Aufgrund der nachweisbaren degenerativen Veränderungen in der unteren Halswirbelsäule und der Lendenwirbelsäule sei von einer
konstitutionellen Veranlagung zur Wirbelsäulendegeneration auszugehen. Soweit der Gutachter die Schäden der Halswirbelsäule
mit einem Tragen schwerer Lasten auf der Schulter im Sinne der BK Nr. 2109 erklärt habe, sei dem nicht zu folgen. Aus den
eigenen Beschreibungen des Klägers und den Feststellungen des TAD der Beklagten ergebe sich, dass eine entsprechende Gefährdung
nicht gegeben gewesen sei. Als Ursache der degenerativen Veränderungen der unteren Halswirbelsäule könne daher nicht auf ein
Heben und Tragen von Lasten von über 50 kg auf der Schulter abgestellt werden.
Gegen das ihm am 10. Juni 2004 zugestellte Urteil wendet sich der Kläger mit der Berufung vom 24. Juni 2004. Er trägt vor,
Dr. L sei in seiner Kausalitätsbewertung zu folgen. Er habe sich eingehend mit den beruflichen Belastungen und dem körperlichen
Befund in seinem Gutachten auseinandergesetzt und so überzeugend einen Ursachenzusammenhang begründet. Dem vom Landessozialgericht
eingeholten Gutachten des Dr. S vom 28. Dezember 2005 einschließlich seiner ergänzenden Stellungnahme vom 15. Januar 2008
könne nicht gefolgt werden. Die Richtigkeit der Erwägungen des Dr. L ergebe sich auch aus der Stellungnahme seines behandelnden
Facharztes für Chirurgie Dr. S in seiner Bewertung vom 25. Juni 2008.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Neuruppin vom 25. Mai 2004 sowie den Bescheid der Beklagten vom 25. Juli 2002 in der Gestalt
des Widerspruchsbescheides vom 08. Oktober 2002 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm wegen der Folgen einer BK
Nr. 2108 der Anlage zur
BKV Verletztenrente nach einer MdE von 20 v. H. zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie bezieht sich auf den Inhalt ihrer Bescheide und das ihrer Auffassung nach zutreffende Gutachten des Dr. S im Berufungsverfahren.
Das Landessozialgericht hat ein Gutachten des Arztes für Chirurgie und Unfallchirurgie Dr. S vom 28. Dezember 2005 eingeholt.
Dieser hat ausgeführt, beim Kläger bestünden eine generalisierte Verschleißerkrankung der Lendenwirbelsäule mit krankhaften
Veränderungen der Bandscheiben und knöcherne Verschleißumformungen. Das nachgewiesene Verschleißleiden der Lendenwirbelsäule
lasse sich nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit ursächlich auf eine berufliche Tätigkeit des Klägers mit langjährigem
Tragen schwerer Lasten oder eine langjährige Tätigkeit in extremer Rumpfbeugehaltung zurückführen. Segmental begrenzte Bandscheibenschäden
lägen beim Kläger nicht vor. Es bestünden vielmehr eine generalisierte knöcherne Verschleißumformung der Rumpfwirbelsäule
und der unteren Halswirbelsäulensegmente sowie ausgeprägte Bandscheibendegenerationen aller in der bildgebenden Diagnostik
mittels MRT erfassten unteren Teile der Brustwirbel und der gesamten Lendenwirbelsäule. Die Instabilität des Bandscheibensegments
zwischen dem 4. und 5. Lendenwirbel mit der Folge einer funktionellen Einengung des Spinalkanals und der hintere Bandscheibenvorfall
im Segment L5/S1 entspreche dabei der üblichen Verteilung und sei nicht mit einer besonderen beruflichen oder vergleichbaren
Belastungssituation der Wirbelsäule zu begründen. Ein belastungskonformes Schadensbild sei nicht nachzuweisen. Beim Tragen
schwerer Lasten in aufrechter Position seien die Druckbelastungen aller Bandscheiben an der Lendenwirbelsäule im Wesentlichen
gleich. Bei Rumpfvorbeuge werde die untere Lendenwirbelsäule am stärksten belastet. Daraus ergebe sich, dass nur Bandscheibenschäden
mit Betonung der unteren Lendenwirbelsäule belastungskonform seien. Belastungsadaptive Veränderungen an der Lendenwirbelsäule
einschließlich des Übergangs zur Brustwirbelsäule seien beim Kläger nicht auszumachen. Eine Anpassung des Achsorgans an erhöhte
Belastungen bestehe einerseits in einer entsprechenden Konditionierung der die Wirbelsäule stabilisierenden Muskulatur und
anderseits in belastungsinduzierten Veränderungen der Wirbelkörper, die an Verdichtungen der Abschlussplatten (Osteochondrose,
Sklerose) und Kantenanbauten an den Wirbelkörpern (Spondylose) erkennbar seien. Ein hier anzutreffendes typisches Verteilungsmuster
mit vermehrten Osteochondrosen an der unteren Lendenwirbelsäule und vermehrten Spondylosen an der oberen Lendenwirbelsäule
und der unteren Brustwirbel liege beim Kläger nicht vor.
Das Landessozialgericht hat einen Erörterungstermin vom 15. März 2006 durchgeführt, in dem es auf die Aussichtslosigkeit des
Berufungsverfahrens hingewiesen hat. Die Beteiligten hatten sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden
erklärt.
Unter dem 28. Dezember 2007 hat der Senat beim Gerichtsgutachter angefragt, ob sich eine Änderung seiner Beurteilung aus einem
Röntgenbefund vom 14. August 2007 ergäbe. In seiner ergänzenden Stellungnahme vom 15. Januar 2008 hat Dr. S ausgeführt, dass
dies nicht der Fall sei, weil die nachgewiesenen Körperschäden an der Brust- und Lendenwirbelsäule in seinem Sachverständigengutachten
bereits Berücksichtigung gefunden hätten.
Auf Anfrage des Senats, ob wegen des Zeitablaufs weiterhin Einverständnis mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung
besteht, hat der Kläger unter dem 19. August 2008 mitgeteilt, dass er mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung nicht
einverstanden sei.
Wegen der weiteren Einzelheiten der Sachdarstellung und der Rechtsausführungen wird auf den Inhalt der Verwaltungsakten der
Beklagten und auf die Gerichtsakten Bezug genommen. Diese haben im Termin vorgelegen und waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung des Klägers ist unbegründet, da er keinen Anspruch auf Anerkennung seiner Lendenwirbelsäulenerkrankung
als BK Nr. 2108 und damit auch keinen Anspruch auf Gewährung einer Verletztenrente wegen dieser Erkrankung hat. Das Sozialgericht
Neuruppin hat die Klage gegen die angefochtenen Bescheide daher zu Recht abgewiesen.
BKen sind nach §
9 Abs.
1 Satz 1 Sozialgesetzbuch/Siebtes Buch (
SGB VII) Krankheiten, welche die Bundesregierung durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates als BKen bezeichnet und die
ein Versicherter bei einer der in den §§
2,
3 oder 6
SGB VII genannten Tätigkeiten erleidet. Als BKen kommen solche Krankheiten in Betracht, die nach den Erkenntnissen der medizinischen
Wissenschaft durch besondere Einwirkungen verursacht sind, denen bestimmte Personengruppen durch ihre Arbeit in erheblich
höherem Grade als die übrige Bevölkerung ausgesetzt sind (§
9 Abs.
1 Satz 2
SGB VII). In Nr.
2108 der Anlage zur
BKV sind bandscheibenbedingte Erkrankungen der Lendenwirbelsäule durch langjähriges Heben oder Tragen schwerer Lasten oder durch
langjährige Tätigkeiten in extremer Rumpfbeugehaltung, die zur Unterlassung aller Tätigkeiten gezwungen haben, die für die
Entstehung, die Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der Krankheit ursächlich waren oder sein können, als BKen anerkannt.
Für die Anerkennung einer BK Nr. 2108 ist ein Ursachenzusammenhang zwischen der versicherten Tätigkeit und den schädigenden
Einwirkungen und zwischen diesen Einwirkungen und der Erkrankung erforderlich sowie ein Unterlassen aller gefährdenden Tätigkeiten
(vgl. zuletzt Urteile des Bundessozialgerichts (BSG) vom 27. Juni 2006, Az.: B 2 U 9/05 R, und Urteil vom 30. Oktober 2007, Az.: B 2 U 4/06 R, beide zitiert nach juris).
Vorliegend steht fest, dass der Kläger schädigenden Einwirkungen im Sinne der BK Nr. 2108 ausgesetzt war, da der TAD der Beklagten
in seiner Stellungnahme vom 19. Dezember 2001 festgestellt hat, dass der Kläger einer Belastungsdosis nach dem MDD von 27
Nh ausgesetzt war. Der Kläger erfüllt damit die so genannten arbeitstechnischen Voraussetzungen der geltend gemachten BK,
so dass es im Hinblick auf diese BK auf die im Urteil des BSG vom 30. Oktober 2007 (aaO.) dargestellten Grundsätze nicht ankommt.
In der angefochtenen Entscheidung hat das BSG im Wesentlichen ausgeführt, dass die arbeitstechnischen Voraussetzungen auch
dann erfüllt sein können, wenn die Gesamtbelastungsdosis nicht 25 Nh, sondern weniger betrage. Darauf kommt es vorliegend
nicht an. An der Richtigkeit der Feststellungen des TAD der Beklagten hat der Senat keine Zweifel, denn die Übertreibungen
des Klägers im Hinblick auf die stattgefundene Belastung hat der TAD bereits bereinigend berücksichtigt.
Ohne Zweifel besteht beim Kläger auch eine bandscheibenbedingte Erkrankung der Lendenwirbelsäule, die bereits Prof. Dr. P
und Dr. K im Gutachten für die Beklagte festgestellt haben. Danach besteht ein Pseudoradikulärsyndrom der Lendenwirbelsäule
bei Spondylosteochondrose mit Gefügelockerung nach Bandscheibenvorfall L5/S1 mit Wurzelirritation S1 links und neuroforaminaler
Stenose L5/S1 und Stenosierung in Höhe von L2 bis L4.
Das Bestehen einer bandscheibenbedingten Erkrankung und das Vorliegen der so genannten arbeitstechnischen Voraussetzungen
indiziert aber keineswegs den notwendigen Kausalzusammenhang zwischen beruflicher Belastung und aufgetretener Erkrankung.
Für den Ursachenzusammenhang zwischen den beruflichen Belastungen und der Erkrankung genügt die hinreichende Wahrscheinlichkeit,
nicht aber die bloße Möglichkeit einer Verursachung. Hinreichend wahrscheinlich ist ein Zusammenhang dann, wenn die beruflichen
Belastungen die wesentliche Ursache der aufgetretenen Erkrankung im Sinne der im Sozialrecht herrschenden Theorie von der
wesentlichen Bedingung darstellen und mehr für als gegen einen solchen Ursachenzusammenhang spricht (ständige Rechtssprechung
vgl. z. B. BSG Urteil vom 2. Mai 2001, SozR 3-2200, § 551
RVO Nr. 16, m. w. N.).
Dabei ist nach dem Merkblatt zu der BK Nr. 2108 der Anlage zur
BKV (BArbBl. 10/2006, Seite 30 ff.) zu berücksichtigen, dass bandscheibenbedingte Erkrankungen der Lendenwirbelsäule eine multifaktorielle
Ätiologie haben, weit verbreitet sind und in allen Altersgruppen, sozialen Schichten und Berufsgruppen vorkommen. Bei der
Kausalitätsbetrachtung sind bandscheibenbedingte Erkrankungen der Lendenwirbelsäule von konkurrierenden vertebralen und extravertebralen
Ursachen abzugrenzen. Da einem Schadensbild nach noch heute herrschender wissenschaftlicher Meinung nicht anzusehen ist, ob
es durch schweres Heben und Tragen oder Arbeiten in extremer Rumpfbeugehaltung verursacht ist oder andere Ursachen hat, ist
im Rahmen der Kausalitätsbetrachtung eine Gesamtschau aller möglichen Faktoren anzustellen. Dabei haben insbesondere Prof.
Dr. P, Dr. K und Dr. S herausgearbeitet, dass zum einen die Schmorl'schen Knötchen eine durchgemachte Scheuermann'sche Erkrankung
im Jugendalter belegen, die als konkurrierende Ursache zu den beruflichen Belastungen für den nun eingetretenen Schaden in
Betracht gezogen werden muss (vgl. hierzu die kritischen Anmerkungen in den Konsensempfehlungen in "Trauma und Berufskrankheit",
2005, S 211, 239, 244). Daneben besteht eine Spondylolisthesis, also ein Wirbelgleiten bei L4/5, das selbst nach der von Dr.
L vorgelegten Fundstelle in der Literatur für die Unwahrscheinlichkeit eines Zusammenhanges zwischen beruflichen Belastungen
und aufgetretenen bandscheibenbedingten Erkrankungen spricht (vgl. zur Spondylolisthesis - Wirbelgleiten -, aaO., S 230).
Gegen einen beruflichen Zusammenhang sprach weiter, dass die gesamte Wirbelsäule des Klägers geschädigt ist. Soweit Dr. L
die Schäden an der Halswirbelsäule als nicht gegen eine berufliche Verursachung der Lendenwirbelsäulenschäden sprechend ansehen
wollte, weil der Kläger entsprechenden Belastungen ausgesetzt gewesen sei, die eine berufliche Verursachung der Halswirbelsäulenerkrankung
belegten, so kann der Senat dem nicht folgen. Im Bericht des TAD ist ausgeführt, dass der Kläger nicht durch langjähriges
Tragen schwerer Lasten auf der Schulter belastet war. Es ist auch nicht plausibel, dass er Belastungen ausgesetzt war wie
z. B. Fleischträger, die Tierhälften oder viertel auf dem Kopf bzw. auf dem Schultergürtel tragen. Folglich müssen die Schäden
der Halswirbelsäule so interpretiert werden, dass sie für eine anlagebedingte Schädigung sprechen.
Auch aus dem ergänzend vorgelegten Röntgenbefund vom 14. August 2007 ergeben sich erhebliche degenerative Schäden der Brustwirbelsäule,
die durch schweres Heben und Tragen bzw. Arbeiten in extremer Rumpfbeugehaltung nicht erklärt werden können, da diese die
Lendenwirbelsäule und nicht die Brustwirbelsäule betreffen. Auch dies spricht für einen anlagebedingten Schaden.
Weiter spricht gegen die berufliche Verursachung, dass Dr. S weder ein belastungskonformes Schadensbild der Lendenwirbelsäule
noch die so genannten belastungsadaptiven Zeichen an den Wirbelkörpern der belasteten Lendenwirbelsäule und unteren Brustwirbelsäule
finden konnte.
Abschließend hat der Senat darauf hinzuweisen, dass bereits Dr. L sein Ergebnis infrage gestellt hat und dies völlig zu Recht,
indem er auf Seite 29 seines Gutachtens ausführt, dass an dieser Stelle deutlich angemerkt werden müsse, dass der vorliegend
auch gegebene Nachweis von degenerativen Veränderungen der gesamten Wirbelsäule im Allgemeinen als Indiz gegen einen Ursachenzusammenhang
zur beruflichen Belastung angesehen wird. Warum dies dann im vorliegenden Fall nicht so sein soll, ergibt sich aus seinem
Gutachten nicht. Angesichts der Vielzahl der oben aufgeführten Umstände, die gegen einen Ursachenzusammenhang sprechen, kann
nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit festgestellt werden, dass die gegebenen beruflichen Belastungen die wesentliche
Ursache der nun aufgetretenen Bandscheibenschäden sind.
Die Berufung war daher zurückzuweisen.
Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des §
160 Abs.
2 Nr.
1 und
2 SGG nicht vorliegen.