Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über Krankenbehandlungskosten. Die Klägerin betreibt in H. ein Krankenhaus, die Beklagte ist die
Krankenkasse einer gesetzlich bei ihr versicherten Patientin der Klägerin, die sich in der Zeit vom 23.04.2013 bis 26.04.2013
in stationärer Behandlung befand. Die Aufnahme im Haus der Klägerin erfolgte bei terminaler Niereninsuffizienz und chronischer
Hämodialyse zur Hochverlagerung einer Shuntvene, welche - auch aufgrund von bei der Versicherten vorliegender Adipositas -
zu tief gelegen war. Die Operation erfolgte am 24.04.2013. Die Klägerin berechnete unter Kodierung von OPS 5-396.x:L (Transposition
von Blutgefäßen Sonstige) die Fallpauschale F59B. Die Rechnung wurde durch die Beklagte zunächst bezahlt. Gleichzeitig beauftragte
die Beklagte jedoch den Medizinischen Dienst der Krankenkasse (MDK) mit der Überprüfung der Abrechnung. Der MDK stellte mit
Gutachten vom 27.08.2013 fest, dass die Prozedur 5-396.x:L nicht bestätigt werden könne, im Übrigen sei eine Behandlungsdauer
von mehr als zwei Belegtagen nicht nachvollziehbar. Daher sei lediglich die DRG F59C (Mäßig komplexe Gefäßeingriffe ohne mehrfache
Gefäßeingriffe, ohne äußerst schwere CC, ohne Rotationsthrombektomie, ohne komplizierende Diagnose) zu kodieren Die Beklagte
verrechnete daraufhin am 24.09.2013 einen Betrag von 1736,68 EUR mit unstreitig bestehenden Forderungen der Klägerin. Ein
durchgeführtes Schlichtungsverfahren nach § 17c Abs 4 Gesetz zur wirtschaftlichen Sicherung der Krankenhäuser und zur Regelung der Krankenhauspflegesätze (KHG) blieb ohne Ergebnis. Dem Schlichtungsprotokoll ist als Argumentation zu entnehmen, die vom MDK vorgeschlagene Kodierung
mit dem OPS Kode 5-393.8 (Anlegen eines anderen Shunts und Bypasses an Blutgefäßen: venös) sei abzulehnen, da eine Fistelvene
eines Dialyseshunts nicht mehr als Vene im eigentlichen Sinne zu bezeichnen sei. Die Klägerin habe hierzu ausgeführt: "Nach
Anschluss an die Arterie fließt arterielles Blut durch die Vene mit arteriellem Blutdruck und deutlich erhöhtem Flussvolumen.
Zum Beispiel liegt das Flussvolumen in einer normalkalibrigen Arterie radialis am Unterarm bei 20-30 ml/min. Nach Ausreifen
einer Shuntvene (also nach Erweiterung von zuführender Arterie und Vene) beträgt der normale für die Dialysemaschinen benötigte
Fluss mindestens 300ml, in der Regel eher 600-1000 ml/min. ( ) Die Vene ändert ihre Wandbeschaffenheit, d.h. die Wandstärke
nimmt in der Regel zu. Sie kann auch ähnlich einer Arterie verkalken. Es sei denn, es bildet sich ein Aneurysma aus, dann
kann die Wand auch gefährlich dünn werden. Der Venendurchmesser verändert sich ebenfalls um ein Vielfaches. Eine zur Shuntanlage
geeignete Vene sollte 3 mm Durchmesser aufweisen können. Punktiert werden kann ab 5 mm. Oft entwickeln sich jedoch Shunt-Venen
über 1 cm oder auch mehrere Zentimeter Durchmesser. Summa summarum: Eine Shuntvene hat mit einer Vene nichts mehr gemeinsam!"
Die Klägerin am 28.10.2015 Klage erhoben. Das Sozialgericht hat Beweis erhoben durch ein fachärztliches chirurgisches Gutachten
nach Aktenlage durch Dr. R. vom 02.12.2016. Der Sachverständige hat unter anderem ausgeführt, dass es sich bei dem operierten
Gefäß um eine Vene handele. Außerdem sei die stationäre Behandlung lediglich für einen Belegtag notwendig gewesen. Nachdem
die Klägerin Stellung zu dem Gutachten genommen und mehrere gerichtliche Gutachten betreffend anderer Rechtsstreite mit ähnlicher
Fragestellung zur Akte gereicht hatte, hat der Sachverständige ergänzend Stellung zu seinem Gutachten genommen, ohne seine
Ansicht zu ändern. Die Klägerin hat sodann noch weitere gerichtliche Gutachten betreffend anderer Rechtsstreite mit ähnlicher
Fragestellung sowie eine Stellungnahme des Deutschen Institut für Medizinische Dokumentation und Information (DIMDI) vom 12.04.2018
zur Akte gereicht. Nach der Stellungnahme sei bei ausgereiften Shuntgefäßen für die Kodes 5-380 bis 5-383, 5-386, 5-388, 5-389
und 5-395 bis 5-397 die Lokalisationsangabe.x (sonstige Blutgefäße) zu verwenden. Das Sozialgericht hat die Klage mit Urteil
vom 19.07.2019 abgewiesen. Der Klägerin und dem DIMDI in seiner Stellungnahme vom 12.04.2018 sei zwar insoweit Recht zu geben,
als die von der Klägerin operierte Shuntvene nach der Liste für die nähere Lokalisationsangabe für die Kodes 5-380 bis 5-383,
5-386, 5-388, 5-389 und 5-395 bis 5-397 (Liste vor Kode 5-38) mit der Bezeichnung ".x&8596;Sonstige" zu bezeichnen sei. Damit
sei eine Transposition einer Shuntvene auch grundsätzlich mit dem OPS 5-396.x zu kodieren, wenn dieser Kodierung keine anderweitigen
Gründe entgegenstünden. Dies sei aufgrund des Exklusivums "Transposition von Venen (5-393.8)" jedoch gerade der Fall. Der
Kodierung der Transposition einer Shuntvene nach dem OPS 5-396.x stehe das genannte Exklusivum gerade entgegen. Die Klägerin
hat am 20.09.2019 gegen das ihr am 23.08.2019 zugestellte Urteil Berufung eingelegt. Sie bezieht sich insbesondere auf das
im erstinstanzlichen Verfahren eingereichte, ihre Ansicht stützende Gutachten von Prof. Dr. M. und auch auf die weiteren bereits
erstinstanzlich zur Akte gereichten Gutachten, die zugunsten der Klägerin befunden haben. Es sei auch nicht verständlich,
was unter dem Kode "sonstiges" Gefäß zu verstehen sei, wenn nicht eine Shuntvene. Denn die Arterien und Venen seien zuvor
abschließend benannt. Eine solche Kodierung sei auch nicht unspezifisch. Dies treffe nur für den Kode mit der 5. Stelle "y"
= "n.n.bez." zu. Zudem sei das DIMDI entsprechend der bekannten Mail der Auffassung der Klägerin.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 19. Juli 2019 aufzuheben und die Beklagte zur Zahlung von 1.736,68 Euro nebst Zinsen
in Höhe von 5% seit dem 24.09.2013 zu verurteilen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die Entscheidung des Sozialgerichts für zutreffend.
Der Senat hat eine ergänzende Stellungnahme des medizinischen Gutachters Dr. Reusch angefordert. In dieser Stellungnahme vom
18. Mai 2020 bleibt der Sachverständige bei seiner Ansicht, dass es sich bei der Shuntvene um eine Vene handele. Maßgebend
sei dafür, dass es sich um ein Gefäß mit Flussrichtung zum Herzen handele.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Prozessakte sowie der Verwaltungsakte der Beklagten
Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Sie hat in der Sache jedoch keinen Erfolg. Zu Recht hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Denn die Klägerin konnte die
durchgeführte Shunt-Revision nicht auch mit den OPS-Kode 5-396.x ("Sonstige") abrechnen.
Dies ergibt sich aus folgenden Überlegungen:
Das der OPS-Untergruppe 5-396 vorangestellte Exklusivum "Transposition von Venen (5-393.8)" umfasst auch die Transposition
von sog. Shuntgefäßen, bei denen es sich auch nach der sog. Arterialisierung um Venen handelt, die nicht im Rahmen der Kodierung
als "sonstige Gefäße" anzusehen sind (vgl. auch Senatsurteile vom heutigen Tag - L 1 KR 141/18, L 1 KR 53/20 und L 1 KR 97/19).
Aus medizinischer Sicht ist eine Vene dadurch gekennzeichnet, dass in ihr das Blut zum Herzen hinfließt, während es in einer
Arterie vom Herzen wegfließt. Das ist der Kern der Abgrenzung. Der Umstand, dass in der Arterie ein höherer Druck herrscht
und daher auch die Gefäßwand anders strukturiert ist als bei einer Vene, ist eine Konsequenz daraus. Danach bleibt eine Vene
eine Vene, auch wenn sie als Shunt genutzt wird.
Da eine Shuntvene nach Ablauf mehrerer Wochen bis Monate nach der Anastomosierung nur direkt am Shunt arterialisiert, würden
sich bei einer Qualifizierung als "sonstiges Gefäß" im Sinne des OPS praktisch nicht lösbare Probleme bei der gerade möglichst
schnell und einfach vorzunehmenden Kodierung stellen. Da das Shuntgefäß in seinem Verlauf von einem "sonstigen" Gefäß in eine
"normale" Vene mutiert, wäre zu klären, an welcher Stelle im Verlauf des Gefäßes genau diese Mutation stattfindet, ob sie
schon abgeschlossen ist oder sich noch in einem Übergangsstadium befindet und welcher Teil des Gefäßes von der zu kodierenden
Prozedur betroffen ist (unter Umständen sogar beide und zusätzlich verschiedene Übergangsstadien).
Bei den Veränderungen der Shuntvene im Vergleich zu der ursprünglichen Vene handelt es sich schließlich um Abweichungen vom
Normalzustand einer Vene. Bei anderen Organen nimmt man solche Abweichung vom Normzustand nicht zum Anlass, von einem anderen
oder sonstigen Organ zu sprechen. Wenn sich z.B. die Zellen in Teilen der Speiseröhre aufgrund eines Refluxes zu Magenschleimhaut-Zellen
umwandeln, spricht man immer noch von einer Speiseröhre und nicht von einem sonstigen Organ. Wenn sich eine Leber durch einen
Tumor stark vergrößert und geweblich verändert, bleibt es ebenfalls eine (kranke) Leber und kein sonstiges Organ. Der Unterschied,
dass bei der Shuntvene die Veränderungen teilweise erwünscht sind, vermag nichts daran zu ändern, dass es sich um eine veränderte,
aber immer noch um eine Vene handelt.
Darüber hinaus lassen systematische Gründe nach Überzeugung des Senats keinen anderen Schluss zu, als dass eine Kodierung
des OPS 5-396.x vorliegend nicht möglich ist.
Innerhalb der Gruppe 5-396 "Transposition von Blutgefäßen" werden unter den Endziffern 0 bis 8 ausschließlich Arterien nach
ihrer Lage im Körper aufgezählt, sodass naheliegend ist, dass unter den OPS 5-396.x andere Lokalisationen zu fassen sind.
Anders als die Prozessbevollmächtigte der Klägerin meint, ist die Aufzählung davor auch nicht vollständig; z.B. werden Arterien
im Oberarm nicht genannt.
Hinzu kommt, dass der Gruppe 5-393 "Anlegen eines anderen Shuntes und Bypasses an Blutgefäßen", auf die das Exklusivum in
5-396 verweist, ihrerseits ein solches vorangestellt ist, nämlich das "Anlegen eines arteriovenösen Shuntes" (5-392), wodurch
deutlich wird, was der Sachverständige Dr. Bartkowski zutreffend ausgeführt hat, dass die ergebnisorientierte Gruppe 5-392
in Bezug auf das Anlegen eines arteriovenösen Shuntes abschließend ist.
Schließlich zeigt die vorgesehene Differenzierung in den OPS 5-392.10 und 5-392.11 "Ohne bzw. Mit Vorverlagerung der Vena
basilica", auf die in dem OPS 5-393.8 auch noch einmal ausdrücklich Bezug genommen wird, dass im Zusammenhang mit dem Anlegen
eines arteriovenösen Shunts ausschließlich die Vorverlagerung der Vena basilica, nicht jedoch anderer Venen - wie vorliegend
der Vena cephalica - zu einer gesonderten Kodierung führen soll.
Im Übrigen würde es nicht zu lösende Abgrenzungsschwierigkeiten - die es im Rahmen der Kodierung jedoch ausdrücklich zu vermeiden
gilt - mit sich bringen, wenn man eine Maßnahme wie die hier von der Klägerin durchgeführte außerhalb der Gruppe 5-392 insbesondere
in der Gruppe 5-396 kodieren ließe. Denn bei jeder Operation mit dem Anlegen eines arteriovenösen Shunts ist in gewissem Maß
die Transposition von Blutgefäßen erforderlich, und sei es nur über den Zwischenraum von annähernd 2 cm im Bereich des Handgelenks,
in oberen Bereichen des Unterarms auch mehr. Es ist nicht ersichtlich, wie eine Grenze gezogen werden soll, ab welchem Abstand
eine zusätzliche Kodierung gerechtfertigt sein soll.