Ordnungsgeldbeschluss
Beschwerde
Selbständiges Zwischenverfahren
Entsprechende Anwendbarkeit des § 46 Abs. 1 OWiG
1. Das Beschwerdeverfahren gegen einen Ordnungsgeldbeschluss ist ein selbständiges Zwischenverfahren, das einer eigenen Kostenentscheidung
bedarf.
2. Im Hinblick auf die Wesensnähe des mit einem Ordnungsmittel belegten Fehlverhaltens zur Ordnungswidrigkeit wird in der
Rechtsprechung überwiegend die entsprechende Anwendbarkeit des § 46 Abs. 1 OWiG i.V.m. §
467 Abs.
1 StPO bejaht.
3. Dieser Auffassung schließt sich der Senat an; nur durch die Anwendbarkeit der genannten Vorschriften wird zum einen sichergestellt,
dass ein im Beschwerdeverfahren Erfolgreicher, der im Hauptsacheverfahren unterliegt, nicht schließlich doch die ihm im Beschwerdeverfahren
entstandenen Kosten zu tragen hat, zum anderen, dass der am Beschwerdeverfahren nicht beteiligte Gegner im Falle des Unterliegens
im Hauptsacheverfahren auch die Kosten des das Ordnungsgeld betreffenden Beschwerdeverfahren zu tragen hat.
4. An seiner bisherigen Rechtsprechung, dass die Kosten einer erfolgreichen Beschwerde eines Beteiligten gegen die Verhängung
eines Ordnungsgeldes wegen ihres Ausbleibens im Termin zu Lasten des letztlich kostenpflichtigen Beteiligten gehen und die
auf das Beschwerdeverfahren bezogene Kostengrundentscheidung der abschließenden Hauptsacheentscheidung des Sozialgerichts
vorbehalten bleibt, hält der Senat nicht fest.
Gründe
Die am 6. März 2017 beim Sozialgericht Darmstadt eingegangene Beschwerde des Klägers mit dem sinngemäßen Antrag,
den Beschluss des Sozialgerichts Darmstadt vom 27. Januar 2017 aufzuheben, hilfsweise die Höhe des Ordnungsgeldes auf 50,00
Euro herabzusetzen,
ist begründet.
Rechtsgrundlage für die Festsetzung von Ordnungsgeld ist §
202 Sozialgerichtsgesetz (
SGG) i. V. m. §§
141 Abs.
3,
380, 381 Abs.
1 Zivilprozessordnung (
ZPO). Danach kann das Gericht gegen einen Beteiligten, dessen persönliches Erscheinen angeordnet war, ein Ordnungsgeld festsetzen,
wenn er ohne genügende Entschuldigung zu dem Termin nicht erschienen ist. Nach §
381 Abs.
1 Satz 1
ZPO unterbleibt die Festsetzung eines Ordnungsmittels, wenn glaubhaft gemacht wird, dass die Ladung nicht rechtzeitig zugegangen
ist oder wenn das Ausbleiben genügend entschuldigt ist.
Vorliegend hat das Sozialgericht zwar das persönliche Erscheinen des Klägers (§
106 Abs.
3 Nr.
7 SGG) mit der Ladung zur mündlichen Verhandlung und zur Beweisaufnahme am 27. Januar 2017 angeordnet und den Kläger auf die Folgen
seines Ausbleibens (§
111 Abs.
1 Satz 2
SGG) hingewiesen. Die Ladung zur mündlichen Verhandlung ist auch rechtzeitig erfolgt (§
110 Abs.
1 Satz 1
SGG). Der Kläger ist zu dem Termin ohne genügende Entschuldigung nicht erschienen.
Ob der Umstand, dass ein geladener Zeuge zur mündlichen Verhandlung am 27. Januar 2017 nicht erschienen ist, so dass der Rechtsstreit
ungeachtet des Nichterscheinens des Klägers zum Termin vertagt werden musste, der Festsetzung eines Ordnungsgeldes entgegensteht,
bedarf vorliegend keiner abschließenden Beantwortung. Denn die Entscheidung über die Festsetzung eines Ordnungsgeldes steht
nach §
141 Abs.
3 Satz 1
ZPO im Ermessen des Gerichts ("kann festgesetzt werden"). Die Begründung des Beschlusses über die Verhängung eines Ordnungsgeldes
muss insoweit die tragenden Ermessenserwägungen zum Grunde der Festsetzung und zur Höhe des Ordnungsgeldes enthalten (vgl.
Beschlüsse des erkennenden Senats vom 8. Juni 2009 - L 9 B 246/08 AS ‑ und vom 25. November 2016 - L 9 AS 726/16 B - jeweils m. w. N.; LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 8. März 2010 - L 5 AS 1114/09 B -; Hess. LSG, Beschluss vom 7. September 2010 - L 8 KR 231/09 B -). Hieran mangelt es im vorliegenden Fall. Der angefochtene Beschluss lässt Ermessenserwägungen nur zur Höhe des Ordnungsgeldes
(Auswahlermessen) erkennen, nicht dagegen zu der Frage, ob ein Ordnungsgeld verhängt wird (Entschließungsermessen). Die Begründung
des Beschlusses, eine Festsetzung des Ordnungsgeldes sei erforderlich gewesen, da der Kläger nicht erschienen und seine Befragung
im heutigen Termin erforderlich gewesen sei, lässt es im Übrigen zweifelhaft erscheinen, ob das Sozialgericht sein Entschließungsermessen
überhaupt betätigt hat.
Ist damit bereits der Hauptantrag des Klägers begründet, bedurfte es keiner Entscheidung über den Hilfsantrag.
Das Beschwerdeverfahren gegen einen Ordnungsgeldbeschluss ist ein selbständiges Zwischenverfahren, das einer eigenen Kostenentscheidung
bedarf (vgl. Hess. LSG, Beschluss vom 7. September 2010 - L 8 KR 231/09 B -; LSG Berlin-Brandenburg, Beschlüsse vom 8. März 2010 - L 5 AS 1114/09 B - und vom 21. Mai 2012 - L 10 AS 423/12 B -; a. M. BGH, Beschluss vom 12. Juni 2007 - VI ZB 4/07 - NJW-RR 2007, 1364). Die Kosten des Beschwerdeverfahrens waren nicht dem am Beschwerdeverfahren nicht beteiligten Beklagten, sondern der Staatskasse
aufzuerlegen. Dies folgt aus dem in § 21 Abs. 1 Gerichtskostengesetz (GKG) zum Ausdruck kommenden Rechtsgedanken, dass Kosten, die durch fehlerhaftes Verhalten des Gerichts verursacht werden, den
Beteiligten nicht zur Last fallen dürfen. Allerdings enthält das
SGG keine dahingehende Rechtsgrundlage. §
193 SGG und §
197a SGG i. V. m. §
154 Abs.
1 VwGO finden keine entsprechende Anwendung, da diese Vorschriften die Kostenerstattung im kontradiktorischen Verfahren regeln (vgl.
Hess. LSG, Beschluss vom 7. September 2010 s.o.; LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 8. März 2010 s.o.; a.M. LSG Baden-Württemberg,
Beschluss vom 14. Januar 2009 - L 13 AS 5633/08 B -; LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 7. April 1997 - L 11 S 2/97 - Breith 1997, 921; Leitherer in : Meyer-Ladewig u. a.,
SGG, 11. Aufl. 2014, §
111 Rn. 6c). Eine auf die vorliegende Konstellation anwendbare Kostenerstattungsvorschrift findet sich auch nicht in anderen
Rechtsvorschriften, insbesondere nicht im GKG. Im Hinblick auf die Wesensnähe des mit einem Ordnungsmittel belegten Fehlverhaltens zur Ordnungswidrigkeit wird in der Rechtsprechung
überwiegend die entsprechende Anwendbarkeit des § 46 Abs. 1 Ordnungswidrigkeitengesetz i. V. m. §
467 Abs.
1 Strafprozessordnung (
StPO) bejaht (vgl. BFH, Beschlüsse vom 10. Januar 1986 ‑ IX B 5/85 - BFHE 145, 314 und vom 7. März 2007 - X B 76/06 - BFHE 216, 500; Hess. LSG, Beschluss vom 7. September 2010 s.o.; Bayer. LSG, Beschluss vom 5. Februar 2010 - L 2 R 515/09 B -; LSG Berlin-Brandenburg, Beschlüsse vom 8. März 2010 und vom 21. Mai 2012 s.o.). Dieser Auffassung schließt sich der
Senat an. Nur durch die Anwendbarkeit der genannten Vorschriften wird zum einen sichergestellt, dass ein im Beschwerdeverfahren
Erfolgreicher, der im Hauptsacheverfahren unterliegt, nicht schließlich doch die ihm im Beschwerdeverfahren entstandenen Kosten
zu tragen hat, zum anderen, dass der am Beschwerdeverfahren nicht beteiligte Gegner im Falle des Unterliegens im Hauptsacheverfahren
auch die Kosten des das Ordnungsgeld betreffenden Beschwerdeverfahren zu tragen hat. An seiner bisherigen Rechtsprechung,
dass die Kosten einer erfolgreichen Beschwerde eines Beteiligten gegen die Verhängung eines Ordnungsgeldes wegen ihres Ausbleibens
im Termin zulasten des letztlich kostenpflichtigen Beteiligten gehen und die auf das Beschwerdeverfahren bezogene Kostengrundentscheidung
der abschließenden Hauptsacheentscheidung des Sozialgerichts vorbehalten bleibt (Beschlüsse vom 8. Juni 2009 - L 9 B 246/08 AS - und vom 18. Januar 2010 - L 9 AS 573/09 B -), hält der Senat nicht fest.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§
177 SGG).