Zulässigkeit der Anordnung des persönlichen Erscheinens im sozialgerichtlichen Verfahren
Gründe:
I. Die Beschwerde richtet sich gegen die Auferlegung eines Ordnungsgeldes wegen Nichtbefolgung der Anordnung des persönlichen
Erscheinens einer Partei.
Im Ausgangsverfahren (Sozialgericht Frankfurt am Main, S 9 KR 717/05) ist die Krankenhausvergütung der Klägerin (X. GmbH, vormals Zentrum für Soziale Psychiatrie X. gemeinnützige GmbH), deren
wirtschaftlicher Träger der Y. Hessen ist, gegen die beklagte Krankenkasse wegen der stationären Behandlung deren Versicherter
Z. im Zeitraum 25.04. bis 13.05.2004 streitig. Nach dem Wechsel von Stellungnahmen des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung
und der Klägerin gab die beklagte Krankenkasse mit Schriftsatz vom 04.12.2008 ein Teilanerkenntnis ab, wonach die Behandlungskosten
bis zum 30.04.2004 übernommen werden. Die Klägerin nahm dieses Teilanerkenntnis an, hielt aber im Übrigen ihre ursprünglich
auf eine Hauptforderung von 4.991,58 EUR gerichtete Klage aufrecht. Das Sozialgericht beraumte einen Termin zur mündlichen
Verhandlung für den 07.05.2009 an, der dann auf den 04.06.2009 unter Beibehaltung der Ladung im Übrigen verlegt wurde. In
der Ladung ordnete der Vorsitzende der 9. Kammer des Sozialgerichts das persönliche Erscheinen des Geschäftsführers der Klägerin
oder eines umfassend bevollmächtigten und beauftragten Vertreters an. Die Terminsladung wurde zum einen an die Prozessbevollmächtigte
der Klägerin, die beim Y. tätige Verwaltungsoberrätin CF., gegen Empfangsbekenntnis zugestellt. Des Weiteren stellte das Sozialgericht
mittels Postzustellungsurkunde die Ladung dem Beschwerdeführer, der Geschäftsführer der Klägerin ist, zu. In diesem Ladungsschreiben
heißt es: "Sehr geehrter Herr A., in dem Rechtsstreit ist Termin zur mündlichen Verhandlung bestimmt auf Ihr persönliches
Erscheinen oder eines umfassend bevollmächtigten und beauftragten Vertreters zu dem vorgenannten Termin ist angeordnet. Sie
werden zu diesem Termin geladen. Sie müssen auch dann persönlich erscheinen, wenn sie eine(n) Bevollmächtigte(n) entsenden.
Falls Sie ohne Entschuldigung nicht erscheinen, können ihnen die durch das Ausbleiben verursachten Kosten auferlegt werden.
Zugleich kann gegen Sie ein Ordnungsgeld bis zu 1.000,00 EUR festgesetzt werden ". Laut der Niederschrift über die am 04.06.2009
durchgeführte mündliche Verhandlung erschien für die Klägerin deren Prozessbevollmächtigte Frau Verwaltungsoberrätin CF. In
der Sitzungsniederschrift heißt es, der Vorsitzende stellt fest, dass der ordnungsgemäß geladene Geschäftsführer der Klägerin
nicht erschienen ist. Laut Sitzungsniederschrift wurde nach dem Sachbericht des Vorsitzenden das Sach- und Streitverhältnis
mit den anwesenden Vertretern der Parteien erörtert und deren Anträge aufgenommen. Das Protokoll weist weiter aus, dass im
Anschluss hieran folgender Beschluss verkündet wurde: "1. Herrn A. wird ein Ordnungsgeld von 200 Euro wegen unentschuldigtem
Nichterscheinens vor Gericht auferlegt. 2. Der Rechtsstreit wird vertagt. 3. Es ist beabsichtigt, ein Gutachten einzuholen.".
In dem am 13.07.2009 dem Beschwerdeführer zugestellten Beschlussgründen des Sozialgerichts in der Kammerbesetzung wird ausgeführt,
der Beschwerdeführer sei trotz ordnungsgemäßer Ladung unentschuldigt nicht im Termin zur mündlichen Verhandlung am 04.06.2009
erschienen. Es sei in der Rechtsprechung anerkannt, dass die Anordnung des persönlichen Erscheinens eines Beteiligten nicht
nur dann, wenn er zur Aufklärung des Sachverhaltes beitragen könne, sondern auch dann angezeigt sein könne, wenn es darum
gehe, die mündliche Verhandlung abzukürzen, damit die Möglichkeit genutzt werden könne, einen ggf. fehlerhaft gewürdigten
Sachverhalt mit den Beteiligten zu erörtern. Wenn es durch die Aufklärung des Gerichtes über die Sach- und Rechtslage zu prozessbeendenden
Erklärungen eines oder beider Beteiligten komme, sei dies im Interesse einer zügigen Erledigung des Verfahrens. Wenn somit
das Erscheinen eines Beteiligten angeordnet werde, um eine gütliche Beilegung des Rechtsstreits zu versuchen, stehe dies der
Festsetzung eines Ordnungsgeldes beim unentschuldigten Ausbleiben des Beteiligten nicht entgegen.
Gegen den ihm am 13.07.2009 zugestellten Beschluss hat der Beschwerdeführer am 31.07.2009 Beschwerde eingelegt und beantragt,
die Festsetzung des Ordnungsgeldes aufzuheben.
Er trägt vor, die Verhängung des Ordnungsgeldes gegen ihn sei ermessensfehlerhaft, weil die Anordnung des persönlichen Erscheinens
allein dazu bestimmt sei, die Aufklärung des Sachverhaltes zu fördern. Die Absicht des Gerichtes, eine streitige Entscheidung
zu verhindern und die einvernehmliche Regelung zwischen den Beteiligten zu ermöglichen, rechtfertige nicht die Festsetzung
eines Ordnungsgeldes. §
141 Abs.
3 Satz 1
Zivilprozessordnung (
ZPO), der über §
202 Sozialgerichtsgesetz (
SGG) zur Anwendung komme, bezwecke nicht, eine vermeintliche Missachtung einer richterlichen Anordnung zu ahnden (Hinweis auf:
LSG Berlin, Beschluss vom 10.06.2004 - L 3 B 14/04 U; LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 27.10.2008 - L 5 B 1180/08 AS; LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 14.01.2009 - L 13 AS 5633/08 B; Bundesarbeitsgericht, Beschluss vom 20.08.2007 - L 3 AZB 50/05). Zur Aufklärung des Sachverhaltes habe er in dem Rechtsstreit nichts beitragen können, da es um medizinisch-fachpsychiatrische
Fragen gehe, zu deren Beantwortung er als Betriebsleiter bzw. Geschäftsführer keine Kompetenz besitze. Unabhängig davon könne
ein Ordnungsmittel nicht gegen den gesetzlichen Vertreter einer juristischen Person, sondern nur gegen die Partei selbst festgesetzt
werden (Hinweis auf den Beschluss des Saarländischen Oberlandesgerichtes vom 19.08.2009 - 5 W 224/09 - 80,5 W 224/09).
Das Sozialgericht hat in dem Hauptsacheverfahren mit Beweisanordnung vom 21.07.2009 ein medizinisches Gutachten zur notwendigen
stationären Behandlungsdauer eingeholt, das unter dem Datum vom 23.12.2009 erstattet worden ist. Die Akten mit der Beschwerde
sind danach dem Senat vorgelegt und nach Fertigung von Kopien hieraus dem Sozialgericht zurückgegeben worden.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird ergänzend auf den Inhalt der Beschwerdeakte sowie
der gefertigten Kopien aus der Prozessakte des Sozialgerichts Bezug genommen.
II. Die gemäß §§
172 Abs.
1 und
173 Satz 1
SGG zulässige Beschwerde ist auch begründet.
Bleibt ein Beteiligter, dessen persönliches Erscheinen nach §
111 Abs.
1 Satz 1
SGG angeordnet worden ist, im Termin aus, so kann gegen ihn Ordnungsgeld wie gegen einen im Vernehmungstermin nicht erschienenen
Zeugen festgesetzt werden (§
141 Abs.
3 Satz 1
ZPO, der über §
202 SGG auch in sozialgerichtlichen Verfahren Anwendung findet). Beteiligte im Sinne des §
69 SGG können auch juristische Personen des privaten und des öffentlichen Rechts sein (vgl. §
70 SGG). Demzufolge kann die Anordnung des persönlichen Erscheinens auch gegen juristische Personen gerichtet werden. Dem steht
nicht entgegen, dass eine juristische Person im Gerichtstermin nicht persönlich anwesend sein, sondern nur durch ein Organ
repräsentiert werden kann. Dies hat aber nur zur Folge, dass bei juristischen Personen die Anordnung des persönlichen Erscheinens
in dem Sinne zu verstehen ist, dass der Anordnung, da eine juristische Person durch ihre Organe handelt, der gesetzliche Vertreter
Folge zu leisten hat. Dem hat das Sozialgericht auch Rechnung getragen, in dem es die Anordnung des persönlichen Erscheinens
nicht nur der Prozessbevollmächtigten der Klägerin, sondern auch dem Beschwerdeführer in seiner Eigenschaft als Geschäftsführer
der Klägerin zugestellt und damit deutlich gemacht hat, dass dieser der Anordnung Folge zu leisten habe. Auf die Frage, ob
dann, wenn eine juristische Person mehrere gesetzliche Vertreter hat, allein diese zu bestimmen hat, wer als gesetzlicher
Vertreter der Anordnung Folge leiste, kommt es hier nicht an (vgl. zu diesem Fragenkreis und zum Vorstehenden: Frehse, Die
Verhängung eines Ordnungsgeldes gegen den anordnungswidrig nicht erschienenen Beteiligten, SGb 2010, 388, 393 - 1. Teil - sowie SGb 2010, 458, 462 - 2. Teil - mit jeweils weiteren Nachweisen). Dass der Beschwerdeführer der Anordnung des persönlichen Erscheinens nicht
Folge geleistet und sein Ausbleiben auch nicht entschuldigt hat, genügt indessen nicht, um ein Ordnungsgeld zu verhängen.
Anders als für den Fall des Ausbleibens eines geladenen Zeugens, für den §
380 Abs.
1 Satz 2
ZPO vorgibt, dass gegen ihn ein Ordnungsgeld festgesetzt wird, stellt die hier einschlägige Vorschrift des §
141 Abs.
3 Satz 1
ZPO die Festsetzung eines Ordnungsgeldes in das pflichtgemäße Ermessen des Gerichtes. Es heißt nämlich in §
141 Abs.
3 Satz 1
ZPO bewusst, dass dann, wenn die Partei im Termin ausbleibt, gegen sie Ordnungsgeld festgesetzt werden "kann". Dabei steht dem
Gericht nicht nur ein die Höhe des zu verhängenden Ordnungsgeldes betreffendes Auswahl-, sondern auch im Hinblick auf das
"Ob" der Festsetzung von Ordnungsgeld ein Entschließungsermessen zu. Bei der pflichtgemäßen Ausübung des Ermessens hat sich
das Gericht am Zweck der Vorschrift zu orientieren. Zweck des §
141 Abs.
3 Satz 1
ZPO ist es nicht, wie der Beschwerdeführer zutreffend dartut, eine vermeintliche Missachtung des Gerichtes zu ahnden. Vielmehr
soll mit der Verhängung von Ordnungsgeld das Erreichen des mit der Anordnung des persönlichen Erscheinens verbunden Zweckes
sichergestellt werden (vgl. BGH, Beschluss vom 12.06.2007 - VI. ZB 4/07, veröffentlicht in juris; LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 08.03.2010 - L 5 AS 1114/09 B, veröffentlicht in juris). Dementsprechend ist im Rahmen der Ermessensentscheidung über die Verhängung von Ordnungsgeld
zu prüfen, ob die Anordnung des persönlichen Erscheinens zum Zeitpunkt des Termins, zu dem der Beteiligte fern geblieben ist,
geboten war.
Entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers war die Anordnung des persönlichen Erscheinens nicht bereits deshalb ermessensfehlerhaft
und damit deren Nichtbefolgung nicht sanktionierbar, weil das persönliche Erscheinen einer Partei nur zur Sachaufklärung angeordnet
werden darf. Schon der Wortlaut des §
111 Abs.
1 Satz 1
SGG spricht dafür, dass die Anordnung des persönlichen Erscheinens im sozialgerichtlichen Verfahren nicht den Restriktionen des
§
141 Abs.
1 ZPO unterliegt. §
141 Abs.
1 Satz 1
ZPO bestimmt: "Das Gericht soll das persönliche Erscheinen beider Parteien anordnen, wenn dies zur Aufklärung des Sachverhalts
geboten erscheint". Daraus ist vor allem in der zivilrechtlichen Judikatur hergeleitet worden, die persönliche Anwesenheit
solle das gerichtliche Verfahren fördern und in diesem Zusammenhang vor allem die Möglichkeit geben, das Wissen der Partei
um den Sachverhalt zu nutzen (vgl. BGH, Beschluss vom 12.06.2007, VI ZB 4/07, veröffentlicht u. a. in juris). Hingegen ist ein bestimmter Zweck für die Anordnung des persönlichen Erscheinens in §
111 Abs.
1 Satz 1
SGG im Gegensatz zu §
141 Abs.
1 ZPO nicht angeführt. Dies spricht dafür, dass die Vorschrift der Verfahrensförderung im weitesten Sinne einschließlich der Sachverhaltsaufklärung
dient. Sie ist somit auf die Sachaufklärung nicht eingegrenzt. Vielmehr ist auch das Ziel, die Beteiligten "an einen Tisch
zu bringen", um auf eine gütliche Einigung hinzuwirken, als Grund für die Anordnung des persönlichen Erscheinens anzuerkennen.
Dürfte das persönliche Erscheinen eines Beteiligten nämlich nur zur Förderung der Sachaufklärung angeordnet werden, so könnte
von einem Vertreter zwar verlangt werden, dass er über die erforderliche Sachkunde verfügt, nicht aber, dass er zur Abgabe
der gebotenen Erklärungen und insbesondere zum Vergleichsabschluss bevollmächtigt ist. Nur wenn sein Vertreter diesen nach
§
141 Abs.
3 Satz 2
ZPO kummulativ zu erfüllenden Anforderungen gerecht wird, braucht ein Beteiligter, dessen persönliches Erscheinen angeordnet
ist, im Falle seines Ausbleibens im Termin nicht die Auferlegung eines Ordnungsgeldes zu befürchten (so zutreffend: LSG Berlin-Brandenburg,
Beschluss vom 08.03.2010, L 5 AS 1114/09 B, zitiert nach juris; ebenso Frehse, SGb 2010, 388, 389 ff. m. w. N.). Die Anordnung des persönlichen Erscheinens ist somit zur Erörterung rechtlicher Gesichtspunkte zulässig,
auch wenn das persönliche Erscheinen gerade deswegen angeordnet wird, um mit den betreffenden Beteiligten ein Rechtsgespräch
mit dem Ziel zu führen, auf eine sachgerechte Prozesserledigung hinzuwirken. Die gilt insbesondere auch für solche Prozesskonstellationen,
in denen verhindert werden soll, dass sich die Parteien auf vorgefasste Auffassungen und starre Forderungen versteifen, sich
eines argumentativen Diskurses unter Einbeziehung der Meinungen des Gerichts und des Gegners entziehen und hierdurch die mündliche
Verhandlung zu einer sinnentleerten Veranstaltung machen. Die Anordnung des persönlichen Erscheinens darf deshalb auch erfolgen,
um auf den Abschluss eines Vergleichs, auf die Annahme eines Anerkenntnisses sowie auf die Rücknahme der Klage oder Berufung
hinzuwirken. Allerdings darf die Anordnung des persönlichen Erscheinens sowie die Androhung oder Festsetzung eines Ordnungsgeldes
nicht dazu verwendet werden, um einen Vergleichsabschluss oder eine Rücknahmeerklärung zu erzwingen (vgl. Frehse, SGb 2010,
388, 391 m. w. N.). Letzteres wird hier weder von dem Beschwerdeführer vorgetragen, noch ist es aus den Akten erkennbar. Dass
die vom Sozialgericht vorgenommene Anordnung des persönlichen Erscheinens der Klägerin und dessen Geschäftsführers zum Termin
zur mündlichen Verhandlung von der Überlegung getragen war, eine konsensuale Konfliktlösung des Rechtsstreits zu versuchen,
was sich auch aus den Gründen des angefochtenen Beschlusses vom 18.06.2009 ergibt, macht diese nicht wegen Ermessensüberschreitung
rechtswidrig. Das Nichtbefolgen der Anordnung des persönlichen Erscheinens der Klägerin kommt somit grundsätzlich als Anknüpfungspunkt
für eine Sanktion nach §
141 Abs.
3 ZPO in Betracht.
Allerdings bestimmt §
141 Abs.
3 Satz 2
ZPO, dass ein Ordnungsgeld nicht festgesetzt werden kann, wenn die Partei zur Verhandlung einen Vertreter entsendet, der zur
Aufklärung des Sachverhalts in der Lage und zur Abgabe der gebotenen Erklärungen, insbesondere zu einem Vergleichsabschluss
ermächtigt ist. Sowohl die an die Prozessbevollmächtigte der Klägerin gerichtete Terminsladung als auch die an den Beschwerdeführer
in seiner Eigenschaft als Geschäftsführer der Klägerin gerichtete Terminsladung weisen auf diese Regelung hin. §
141 Abs.
3 Satz 2
ZPO ist auch im Sozialgerichtsgesetzverfahren anwendbar. Im Termin zur mündlichen Verhandlung war zwar nicht der Beschwerdeführer,
aber die Prozessbevollmächtigte der Klägerin anwesend. Zu prüfen ist somit, ob diese als sachkundige Vertreterin im Sinne
des §
143 Abs.
3 Satz 2
ZPO anzusehen ist. Diese Prüfung hat das Sozialgericht in den Gründen des angefochtenen Beschlusses nicht durchgeführt. Jedenfalls
hat es nicht dargelegt, dass die im Termin zur mündlichen Verhandlung für die Klägerin anwesende Verwaltungsoberrätin CF.
nicht in der Lage gewesen ist, über klärungsbedürftige Vorgänge Auskunft zu geben und im Innenverhältnis gegenüber der Klägerin
nicht über die Befugnis verfügt habe, im Termin ohne Rücksprache über den Streitgegenstand in vollem Umfang zu verfügen. Dabei
kann als sachverhaltskundig ein Vertreter gelten, wenn er die klärungsbedürftigen Vorgänge aus eigener Anschauung kennt oder
so umfassend informiert ist, dass er wie die Partei Auskunft geben kann. Im Regelfall wird daher ein Anwalt der Partei, der
nur über deren schriftsätzliche Erklärungen informiert ist, als Vertreter im Sinne von §
141 Abs.
3 Satz 2
ZPO ungeeignet sein. Insbesondere kommt der Prozessbevollmächtigte einer Partei als Vertreter dann nicht in Frage, wenn es auf
höchstpersönliche Kenntnisse der Partei ankommt. Vielmehr muss der Vertreter den Kenntnisstand über die die Grundlage des
Rechtsstreites bildenden Lebensvorgänge besitzen, den die vertretene Partei selber hat. Da die Anwesenheit eines Vertreters
im Sinne des §
141 Abs.
3 Satz 2
ZPO der persönlichen Anwesenheit der Partei in jeder Hinsicht gleichwertig sein muss, ist in der Regel die Anwesenheit eines
anwaltlichen Prozessbevollmächtigten im Termin nicht mit der Entsendung eines Vertreters im Sinne von §
141 Abs.
3 Satz 2
ZPO gleichzusetzen. Dies gilt insbesondere für einen im Termin als Unterbevollmächtigter auftretenden Rechtsanwalt, der noch
nicht einmal die wesentlichen sachvortragenthaltenden Schriftsätze der eigenen Partei bzw. des Hauptbevollmächtigten kennt.
Eine "Ermächtigung" im Sinne des §
141 Abs.
3 Satz 2
ZPO erfordert - im Unterschied zur üblichen Prozessvollmacht -, dass der Vertreter befugt ist, Erledigungserklärungen oder Anerkenntnisse
abzugeben, einen unbedingten Prozessvergleich im Termin abzuschließen oder auch ggf. die Klage zurückzunehmen (vgl. zum Vorstehenden:
Frehse, SGb 2010, 458, 459 f.).
Im Ausgangsfall besteht die Besonderheit, dass als Prozessbevollmächtigte für die Klägerin nicht ein Anwalt sondern die Juristin
des Y. Hessen, der über gesellschaftsrechtliche Besonderheiten Träger verschiedener Kliniken und auch der Klinik der Klägerin
ist, fungiert, nämlich die Verwaltungsoberrätin Frau CF. Diese ist in einer großen Zahl von Krankenhausvergütungsstreitigkeiten
für Kliniken des Y. Hessen tätig und verfügt insoweit über besondere Fach- und Rechtskenntnis, wie der Senat aus eigener Erfahrung
weiß. Im hiesigen Ausgangsrechtsstreit kam es nicht auf höchstpersönliche Kenntnisse der Partei, sondern auf den medizinischen
Sachverhalt, der zur stationären Behandlung der bei der beklagten Versicherten in dem Krankenhaus der Klägerin führte und
auf den Verlauf des Krankheitsprozesses während des stationären Aufenthaltes an. Dabei spielt insbesondere die Auswertung
der Patientenakte und die Auswertung medizinischer Stellungnahmen von Krankenhausärzten der Klägerin und Ärzten des MDK eine
maßgebliche Rolle. Bei dieser Sachlage liegt es jedenfalls nicht auf der Hand, dass die im Termin zur mündlichen Verhandlung
anwesende Prozessbevollmächtigte der Klägerin nicht so umfassend informiert war, dass sie, wie der im Wege der Anordnung des
persönlichen Erscheinens der Klägerin geladene Beschwerdeführer Auskunft geben konnte. Dass dem nicht so war, hat das Sozialgericht
in seinem Beschluss nicht in einer in tatsächlicher Hinsicht überprüfbaren und konkreten Begründung dargelegt. Entsprechendes
gilt für das vom Sozialgericht unterstellte Nichtvorhandensein einer umfassenden "Ermächtigung" im Sinne des § 141 Abs. 3
Satz 2 zur Abgabe der gebotenen Erklärungen, insbesondere zu einem Vergleichsabschluss. Bei dieser Sachlage bestand kein Entschließungsermessen
im Hinblick auf die Verhängung eines Ordnungsgeldes, da das negative Tatbestandsmerkmal des §
141 Abs.
3 Satz 2
ZPO nicht nachgewiesenermaßen erfüllt war. Auf die Frage, ob bei der Anordnung des persönlichen Erscheinens einer juristischen
Person im Falle der Nichtbefolgung das Ordnungsgeld statt gegen die juristische Person gegen deren gesetzliches Vertretungsorgan
zu verhängen ist (vgl. zu diesem Fragenkreis Frehse, SGb 2010, 458, 462 m. w. N.) kommt es somit nicht mehr an.
Es bedurfte einer Kostenentscheidung, da der Beschluss über die Beschwerde den Abschluss eines selbständigen, nicht kontradiktorischen
Zwischenverfahrens darstellt, das vom Hauptsacheverfahren sachlich unabhängig ist (so zutreffend: LSG Berlin-Brandenburg,
Beschluss vom 08.03.2010 - L 5 AS 1114/09 B, veröffentlicht in juris). Als Rechtsgrundlage für die Entscheidung über die außergerichtlichen Kosten kommen indessen
weder §
193 SGG noch §
197a SGG i. V. m. §
155 Abs.
1 Satz 1 der
Verwaltungsgerichtsordnung in Betracht. Beide Kostenregelungen gehen davon aus, dass ein kontradiktorisches Verfahren vorliegt und Beteiligte vorhanden
sind, die einander etwas erstatten könnten. An einer solchen Konstellation fehlt es hier aber. Eine Rechtsgrundlage, die unmittelbar
angewandt werden könnte, findet sich weder im
SGG noch an anderer Stelle, insbesondere auch nicht im Gerichtskostengesetz (GKG). Auch die Prozessordnungen anderer Gerichtsbarkeiten sind insoweit unvollständig. Die damit bestehende planwidrige Lücke
kann wegen der letztlich auch heute noch bestehenden Wesensnähe des mit einem Ordnungsmittel belegten Fehlverhaltens zur Ordnungswidrigkeit
am besten durch die Anwendung des in § 46 Abs. 1 des Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten (OWiG) i. V. m. §
467 Abs.
1 Strafprozessordnung (
StPO) zum Ausdruck kommenden Rechtsgedankens, dass dann, wenn es nicht zu einer Verurteilung kommt, die Kosten des Betroffenen
der Staatskasse zur Last fallen, geschlossen werden. Insoweit schließt sich der Senat der Rechtsauffassung des Landessozialgerichts
Berlin-Brandenburg in dessen Beschluss vom 08.03.2010 an. Dieser dogmatische Weg schließt auch aus, dass ein im Beschwerdeverfahren
Erfolgreicher, der im Hauptsacheverfahren unterliegt, schließlich doch noch die ihm Beschwerdeverfahren entstandenen Kosten
tragen muss, noch hat der am Beschwerdeverfahren in keiner Weise beteiligte Gegner im Hauptsacheverfahren zu befürchten, die
Kosten tragen zu müssen. Dass dann, wenn das Gericht zu Unrecht ein Ordnungsmittel verhängt und der Betroffene sich erfolgreich
zur Wehr gesetzt hat, die Staatskasse die dadurch verursachten Kosten übernehmen muss, ist kein dem Rechtsempfinden zuwiderlaufendes
Ergebnis. Auch diejenigen Gerichte, welche die Kostenentscheidung in gleichgelagerten Fällen auf "§
193 SGG in entsprechender Anwendung" und auf "§
197a SGG i. V. m. §
154 Abs.
1 Verwaltungsgerichtsordnung" stützen, legen die Kosten der Staatskasse nicht dem anderen Beteiligten auf (auf die in dem Beschluss des Landessozialgerichts
Berlin-Brandenburg vom 08.03.2010 enthaltenen umfangreichen Nachweise wird verwiesen).
Dieser Beschluss ist gemäß §
177 SGG unanfechtbar.