Anspruch auf Regelaltersrente von der Sozialversicherung für Landwirte
Aufrechnung mit Beitragsrückständen nach pflichtgemäßem Ermessen
Zeitraum von rund 70 Jahren zur Tilgung der von der Aufrechnung betroffenen Hälfte der laufenden Rentenzahlungen
Beeinträchtigung der finanziellen Absicherung im Leistungsfall
Tatbestand:
Der am 2. März 1949 geborene Kläger begehrt eine höhere Regelaltersrente von der Sozialversicherung für Landwirte.
Bei Erreichen der Regelaltersgrenze im Juni 2014 hatte der Kläger als vormaliger Inhaber eines landwirtschaftlichen Unternehmens
folgende Beitragszeiten in der landwirtschaftlichen Alterssicherung zurückgelegt:
(1) Von März 1970 bis Juni 1984 (entsprechend 172 Beitragsmonate), (2) (3) von Januar 1991 bis Dezember 1994 (entsprechend
48 Beitragsmonate) und (4) (5) für den Monat April 1997 (entsprechend einem weiteren Beitragsmonat). (6) In den Zeiträumen
von Juli 1984 bis Dezember 1994 und von September 1996 bis zum 23. Mai 2007 und vom 20. März 2008 bis zum 16. Mai 2010 unterlag
der Kläger als Inhaber eines landwirtschaftlichen Betriebes ebenfalls der Beitragspflicht in der landwirtschaftlichen Alterssicherung,
die daraus resultierenden Beitragszahlungen hat er jedoch (jedenfalls bis Juni 2014) nicht erbracht (vgl. Schreiben der Beklagten
vom 29. März 2017, Bl. 114 VV).
Befreiungen von der Versicherungspflicht in der landwirtschaftlichen Alterssicherung aufgrund eines außerhalb der Landwirtschaft
erzielten Erwerbseinkommens hat die Beklagte für den Zeitraum Januar 1995 bis August 1996 und für den Monat Oktober 2003 ausgesprochen
(vgl. insbesondere den Widerspruchsbescheid).
Von der Entrichtung von Beiträgen für den Zeitraum Juli 1984 bis Dezember 1991 hat die Beklagte den Kläger gestützt auf die
damalige Regelung in § 1418
RVO ausgeschlossen (vgl. Widerspruchsbescheid).
Aus der Folgezeit resultieren nach Auffassung der Beklagten (vgl. ihr Schreiben vom 29. März 2017, Bl. 114 VV) Beitragsrückstände
in Höhe von 29.024,78 EUR (zuzüglich seinerzeit 27.841,11 EUR Säumniszuschläge, 470,78 EUR Mahngebühren und 522,76 EUR Vollstreckungskosten).
Der Kläger hat in den Antragsunterlagen angegeben, dass er den Betrieb bereits am 12. Juli 2007 bedingt durch eine Insolvenz
aufgegeben habe (Bl. 74 VV).
Neben den streitbetroffenen Renteneinkünften aus der landwirtschaftlichen Alterssicherung bezieht der Kläger Renteneinkünfte
aus der gesetzlichen Rentenversicherung mit einem monatlichen Zahlbetrag von (ausweislich des Bescheides vom 14. Mai 2014,
Bl. 8 VV) 308,84 EUR.
Auf seinen zunächst formlos mit Schreiben vom 26. März 2014 gestellten Rentenantrag bewilligte ihm die Beklagte mit Bescheid
vom 16. Mai 2017 rückwirkend ab dem 1. Juli 2014 (d.h. ab Vollendung der für Versicherte des Geburtsjahrgangs 1949 nach §
87a ALG maßgeblichen Regelaltersgrenze von 65 Jahren und 3 Monaten) dem Grunde nach die Regelaltersrente.
Bei der Berechnung der Höhe dieser Altersrente legte die Beklagte jedoch nur die 49 Beitragsmonate zugrunde, die der Kläger
von Januar 1991 bis Dezember 1994 und im Monat April 1997 zurückgelegt hatte. Die vorausgegangenen Beitragszeiten von März
1970 bis Juni 1984 wurden hingegen bei der Rentenberechnung nicht berücksichtigt.
Ausweislich von den aus ihrer Sicht allein berücksichtigungsfähigen 49 Beitragsmonaten ermittelte die Beklagte laufende Rentenzahlungen
ab Mai 2017 in Höhe von monatlich 57,39 EUR und ab Juli 2017 in Höhe von monatlich 58,49 EUR.
Bezüglich dieser laufenden Zahlbeträge sah der Rentenbescheid eine Auszahlung jeweils zur Hälfte an die vom Kläger mit Abtretungserklärung
vom 25. Oktober 2016 (Bl. 61 VV) benannte (zum vorliegenden Verfahren beigeladene) Abtretungsempfängerin J. vor. Bezüglich
jeweils der anderen Hälfte dieser laufenden Zahlbeträge nahm die Beklagte eine Aufrechnung mit den vorstehend angesprochenen
rückständigen (sich, wie dargelegt, insgesamt auf 29.024,78 EUR belaufenden) Beitragsforderungen vor.
Des Weiteren ermittelte die Beklagte in diesem Rentenbescheid für den Zeitraum Juli 2014 bis April 2017 eine Rentennachzahlung
in Höhe von 1.881,66 EUR, die sie wiederum (aus Sicht der Beklagten in Übereinstimmung mit einer im Rentenantragsformular
vorgedruckten Einverständniserklärung) zur Tilgung ihrer eigenen Forderungen (also insbesondere der rückständigen Beitragsforderungen)
einbehielt.
Den auf Auszahlung einer höheren Rente gerichteten Widerspruch des Klägers wies die Beklagte mit Bescheid vom 29. Juni 2017
insbesondere mit der Begründung zurück, dass die für die Beitragszeiträume März 1970 bis Juni 1984 entrichteten Beiträge nicht
rentenerhöhend zu berücksichtigen seien, da für den Folgezeitraum vom 1. Juli 1984 bis zum 31. Dezember 1990 keine Beiträge
entrichtet worden seien. Diese Lücke stehe nach den gesetzlichen Vorgaben des § 90 ALG einer rentensteigernden Berücksichtigung der für die Beitragszeiträume März 1970 bis Juni 1984 entrichteten Beiträge entgegen.
In den Gründen dieses Widerspruchsbescheides erläuterte die Beklagte weiter, dass der Kläger von Januar 1995 bis August 1996
nicht der Versicherungspflicht in der landwirtschaftlichen Alterssicherung unterlegen habe, da er seinerzeit von dieser antragsgemäß
aufgrund seines damals außerhalb der Landwirtschaft erzielten Erwerbseinkommens befreit gewesen sei. Für den Folgezeitraum
September 1996 bis Mai 2010 habe er erneut der Beitragspflicht unterlegen, dieser Pflicht sei er allerdings - mit Ausnahme
des Beitrages für den Monat April 1997 - nicht nachgekommen.
Mit der am 28. Juli 2017 erhobenen Klage verfolgt der Kläger sein Begehren weiter.
Mit Änderungsbescheid vom 16. Januar 2018 hat die Beklagte eine Neuberechnung der Rente ab dem 1. Januar 2018 mit der Maßgabe
vorgenommen, dass ab Januar 2018 61 Beitragsmonate, entsprechend einem monatlich Rentenbetrag von 72,82 EUR, zugrunde zu legen
sind. Die im Vergleich zur vorausgegangenen Rentenbewilligung in Ansatz gebrachten weiteren 12 Beitragsmonate haben sich aus
Sicht der Beklagten daraus ergeben, dass im Zuge der Aufrechnung der o.g. Rentennachzahlung und der Hälfte der seit Mai 2017
zu erbringenden laufenden Rentenzahlungen mit den Beitragsrückständen des Klägers von der zwischenzeitlichen Erbringung für
Beiträgen für die Beitragsmonate September 1996 bis August 1997 auszugehen sei (vgl. Schriftsätze der Beklagten vom 16. Oktober
2018, Bl. 24 GA, und vom 28. Mai 2019, Bl. 79 GA). Mit weiterem Änderungsbescheid vom 17. Dezember 2018 hat die Beklagte ausgehend
von im Wege der Aufrechnung mit Teilbeträgen der zuerkannten Altersrente erhaltenen Beitragsleistungen für drei weitere Beitragsmonate
die dem Kläger zustehende Altersrente ab Januar 2019 auf monatlich 78,85 EUR neu festgesetzt; auch von diesem Betrag soll
nach Maßgabe des Änderungsbescheides weiterhin die Hälfte zur Tilgung rückständiger Beitragsforderungen einbehalten werden.
Mit Urteil vom 4. Dezember 2018, dem Kläger am 6. Februar 2019 und der Beklagten zugestellt am 11. Februar 2019, hat das Sozialgericht
unter Abweisung der Klage im Übrigen die Beklagte unter Abänderung der angefochtenen Bescheide zur Neuberechnung der dem Kläger
zugesprochenen Altersrente unter Einbeziehung auch der Beitragszeiten vom März 1970 bis Juni 1984 in die Rentenberechnung
verpflichtet.
Zur Begründung hat das Sozialgericht insbesondere ausgeführt, dass auch die für den Zeitraum März 1970 bis Juni 1984 entrichteten
Beiträge in die nach § 23 Abs. 2 ALG zu ermittelnde Steigerungszahl einzubeziehen und damit rentensteigernd zu berücksichtigen seien. Zwar sähen die Bestimmungen
des § 93 Abs. 2 und 3 ALG für bestimmte vor 1995 entrichtete Beiträge einen Ausschluss von einer rentensteigernden Berücksichtigung vor; im vorliegenden
Fall fehlten jedoch bereits die tatbestandlichen Voraussetzungen dieser Ausnahmevorschrift.
Soweit das Vorbringen des Klägers dahingehend verstanden werden könnte, dass er auch eine rentensteigernde Berücksichtigung
von Zeiträumen, bezüglich derer eine Beitragsentrichtung unterblieben sei, begehre, fehle seinem Begehren die erforderliche
gesetzliche Grundlage. Auch die von der Beklagten ausgesprochenen Aufrechnungen seien nicht zu beanstanden.
Dieses Urteil wird von beiden Beteiligten angefochten.
Der anwaltlich vertretene Kläger hat am 4. März 2019 Berufung eingelegt, mit der er sich gegen die Abweisung der Klage bezüglich
der von Seiten der Beklagten erklärten Aufrechnungen von Teilen der zuerkannten Rentenansprüche mit rückständigen Beitragsforderungen
wendet.
Hinsichtlich der Rentenberechnung schließt sich der Kläger den aus seiner Sicht zutreffenden sozialgerichtlichen Ausführungen
an.
Er beantragt,
1. unter Abänderung des Urteils vom 4. Dezember 2018 den Bescheid der Beklagten vom 16. Mai 2017 in der Fassung des Widerspruchsbescheides
vom 29. Juni 2017 und der Änderungsbescheide vom 16. Januar 2018 und vom 17. Dezember 2018 auch insoweit aufzuheben, wie die
Beklagte Aufrechnungen der zuerkannten Rentenleistungen mit ihren Gegenforderungen ausgesprochen hat und 2. 3. die Berufung
der Beklagten zurückzuweisen.
Die Beklagte beantragt mit ihrer am 7. März 2019 eingelegten Berufung,
1. das Urteil vom 4. Dezember 2018 aufzuheben und die Klage insgesamt abzuweisen und 2. 3. die Berufung des Klägers zurückzuweisen.
Die Beklagte ist der Auffassung, dass weiterhin zulasten des Klägers die Beitragslücke vom 1. Juli 1984 bis zum 31. Dezember
1990 zu berücksichtigen sei. Dies ergebe sich im Ergebnis aus § 93 ALG im Hinblick darauf, dass eine allein am Wortlaut dieser Vorschrift orientierte Auslegung "zu kurz greife".
Aus Gründen der Gleichbehandlung müsse eine vor 1995 bestehende Beitragslücke zur Nichtberücksichtigung der vor der Lücke
der zurückgelegten Beitragszeiten führen. Dies gelte sowohl für Versicherte, deren Lücke auf eine zeitweilige Versicherungsfreiheit
zurückzuführen sei, als auch für Versicherte, die seinerzeit pflichtwidrig nicht die von Gesetzes wegen zu entrichtenden Beiträge
gezahlt und damit die Lücke bewirkt hätten. Bis 1994 habe das Erfordernis einer lückenlosen Beitragszahlung ohnehin die Voraussetzung
für die Entstehung eines Rentenanspruchs gebildet.
Die beigeladene Abtretungsempfängerin stellt keinen Antrag.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und auf den Inhalt der beigezogenen
Verwaltungsvorgänge der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufungen beider Hauptbeteiligter sind zulässig. In der Sache hat aber nur die Berufung des Klägers Erfolg, wohingegen
die Beklagte mit ihrer Berufung - abgesehen von der nachfolgend aufgezeigten Korrektur eines erstinstanzlichen Schreibfehlers
- nicht durchzudringen vermag.
1. Dem Sozialgericht ist bei der Abfassung des Urteils ein Schreibfehler unterlaufen, der mit dem Tenor des vorliegenden Berufungsurteils
zu korrigieren ist. Sachlich zutreffend hat das Sozialgericht auf S. 11 seines Urteils ausgeführt, dass der Kläger (entsprechend
dem angefochtenen Bescheid) ab dem 1. Juli 2014 dem Grunde nach die ihm zuerkannte Regelaltersrente in Anspruch nehmen kann,
da er die sich aus § 87a ALG ergebende Regelaltersgrenze für Versicherte seines Jahresgangs ergebende Regelaltersgrenze von 65 Jahren und 3 Monaten am
2. Juni 2014 erreicht hat. Da eine Rente aus eigener Versicherung nach §
99 Abs.
1 Satz 1
SGB VI i.V.m. § 30 Satz 1 ALG von dem Kalendermonat an geleistet wird, zu dessen Beginn die Anspruchsvoraussetzungen für die Rente erfüllt sind, konnte
der Kläger ab dem 1. Juli 2014 die Regelaltersrente in Anspruch nehmen, nachdem er erst am 2. Juni 2014 das erforderliche
Alter von 65 Jahren und 3 Monaten erreicht hatte.
Augenscheinlich aufgrund eines Schreibfehlers hat das Sozialgericht ungeachtet dieses in den Urteilsgründen zutreffend ermittelten
Rentenbeginns am 1. Juli 2014 im Tenor des Urteils irrtümlich bereits zu einer Rentenneuberechnung ab "Juni 2014" (und nicht
erst ab Juli 2014) verpflichtet.
2. Die Berufung des Klägers hat Erfolg. Auf seine Berufung sind die angefochtenen Bescheide nur noch insoweit zu überprüfen,
wie diese hinsichtlich der Rentennachzahlung und jeweils der Hälfte der zuerkannten laufenden Rentenzahlungen eine Aufrechnung
mit den Forderungen der Beklagten angeordnet haben.
Diese Aufrechnungen sind rechtswidrig. Auch wenn der Kläger natürlich im erheblichem Umstand Beitragsrückstände bei der Beklagten
hat, so hat die Beklagte jedoch schon im Ausgangspunkt übersehen, dass eine nach der Ermächtigungsgrundlage des §
51 Abs.
2 SGB I vorzunehmende Aufrechnung, wie sie von Seiten der Beklagten ausgesprochen worden ist, nach den gesetzlichen Vorgaben nur
nach pflichtgemäßem Ermessen erklärt werden darf.
Die - wie im vorliegenden Fall - einseitig durch Verwaltungsakt geregelte Aufrechnung steht im pflichtgemäßen Ermessen des
sie durchführenden Leistungsträgers; insoweit handelt es sich bei dem "Kann" in §
51 Abs.
1 Halbs. 1, Abs.
2 Halbs. 1
SGB I um ein sog "Ermessens-Kann" (BSG, Urteil vom 07. Februar 2012 - B 13 R 85/09 R -, SozR 4-1200 § 52 Nr. 5, Rn. 65).
Mit der Einräumung "echten Ermessens" steht dem die Verrechnung durch Verwaltungsakt regelnden Leistungsträger eine breite
Handlungsmöglichkeit hinsichtlich des Ob und des Umfangs einer Verrechnung zur Verfügung, um so die Besonderheiten des Einzelfalls
und insbesondere die wirtschaftliche Situation des Leistungsempfängers angemessen berücksichtigen zu können. Dabei ist das
Verrechnungsermessen entsprechend dem Zweck der Ermächtigung auszuüben und sind die gesetzlichen Grenzen des Ermessens einzuhalten
(§
39 Abs
1 S 1
SGB I). Damit korrespondierend hat der Leistungsempfänger einen Anspruch auf die pflichtgemäße Ausübung des Ermessens (§
39 Abs
1 S 2
SGB I). In diesem (eingeschränkten) Umfang unterliegt die Ermessensentscheidung der richterlichen Kontrolle, insbesondere auf Ermessensnichtgebrauch,
Ermessensüberschreitung oder Ermessensfehlgebrauch (BSG, aaO, Rn. 66).
Die angefochtenen Bescheide lassen bereits keine Ermessensausübung erkennen.
Im vorliegenden Fall hat die Beklagte mit dem Unterlassen der rechtlichen gebotenen Ermessensausübung insbesondere versäumt,
sich mit folgenden Gesichtspunkten auseinanderzusetzen: Die gesetzliche Beitragspflicht zur landwirtschaftlichen Alterssicherung
soll (ebenso wie die Beitragspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung) schon in ihrem Ausgangspunkt die finanzielle
Absicherung des Versicherten im Versicherungsfall, im vorliegenden Zusammenhang also im Alter, sicherstellen und diese nicht
etwa gefährden. Diesem Grundsatz kommt besondere Bedeutung zu, wenn Beitragsforderungen gerade zulasten des im Ergebnis durch
die Beitragszahlungen zu begünstigenden Versicherten auch noch nach Eintritt des Leistungsfalls durchgesetzt werden sollen.
Die Durchsetzung von Beitragspflichten auch noch nach Eintritt des Leistungsfalls hat jedenfalls in vielen Fällen und insbesondere
auch im vorliegend zu beurteilenden Sachverhalt zur Folge, dass damit die im gesetzlichen Ausgangspunkt angestrebte finanzielle
Absicherung im Leistungsfall nicht gefördert, sondern beeinträchtigt wird.
Nachhaltig schutzwürdige Interesse der Versicherungsträger werden regelmäßig und so auch im vorliegend zu beurteilenden Sachverhalt
durch ein Absehen von einem (gegen den Willen des Versicherten erfolgenden) Durchsetzen der Beitragsforderungen nach Eintritt
des Leistungsfalls nicht beeinträchtigt. Davon ist schon vor dem Hintergrund auszugehen, dass die Nichtentrichtung von Beiträgen
schon von Gesetzes wegen zur Folge hat, dass diese auch nicht rentensteigernd berücksichtigt werden können. Überdies besteht
ein inhaltlicher Wertungswiderspruch zu der von der Beklagten bereits vor vielen Jahren getroffenen Entscheidung, wonach sie
den Kläger von der Entrichtung von Beiträgen für den Zeitraum Juli 1984 bis Dezember 1991 gestützt auf die damalige Regelung
in § 1418
RVO gerade ausgeschlossen hat.
Im vorliegenden Fall ist überdies auch das von der Beklagten ermittelte Ausmaß der Beitragsrückstände zu berücksichtigen.
Diese beliefen sich im März 2017 (auch ohne Berücksichtigung der insgesamt noch einmal in etwa die gleiche Größenordnung erreichenden
Säumniszuschläge und weiteren Nebenforderungen) auf 29.024,78 EUR. Ausgehend von der mit dem angefochtenen Bescheid zuerkannten
geringen Rentenhöhe würde es rechnerisch einen Zeitraum von rund 70 Jahren erfordern, um mit der von der Aufrechnung betroffenen
Hälfte der laufenden Rentenzahlungen die Beitragsrückstände zu tilgen. Selbstverständlich kommt eine Rentenbezugszeit von
dieser Länge gar nicht in Betracht. Im praktischen Ergebnis war die Aufrechnungsentscheidung der Beklagten darauf gerichtet,
den Kläger auf Lebenszeit von dem Anspruch auf die Hälfte der Altersrentenansprüche fernzuhalten.
Es ist auch kein rechtswirksames Einverständnis auf Seiten des Klägers erkennbar, auf dessen Grundlage die Beklagte von näheren
Ermessenserwägungen hätte absehen dürfen. Die Beklagte beruft sich bezüglich der im Wege der Aufrechnung mit den rückständigen
Beitragsforderungen verrechneten Rentennachzahlung darauf, dass der Kläger am 29. September 2016 einen (nur in Teilen zu den
Verwaltungsvorgängen genommenen, vgl. Bl. 62 f. VV) Rentenantrag unterzeichnet habe, wobei das herangezogene von der Beklagte
herausgegebene Antragsformular u.a. folgende vorgedruckte Erklärung enthielt: "Ich bin damit einverstanden, dass eine Rentennachzahlung
zur Tilgung von Forderungen der Sozialversicherung für Landwirtschaft und Gartenbau (Alterskasse, Berufsgenossenschaft, Krankenkasse,
Pflegekasse) einbehalten wird."
Die Aufnahme einer solchen rechtsgestaltenden Erklärung in einem Antragsvordruck in einer Form, die bei dem Versicherten den
Eindruck einer Pflicht zur Abgabe der entsprechenden Erklärung vermitteln soll, ist rechtswidrig. Dies gilt in besonderem
Maße, wenn dem Versicherten überdies, wie dies die Beklagte mit Schreiben vom 7. September 2016 (Bl. 52 VV) unternommen hat,
empfindliche Rechtsnachteile für den Fall einer Nichtunterzeichnung des (die rechtsgestaltende Erklärung beinhaltenden) Antragsformulars
angedroht werden. In jenem Schreiben hatte die Beklagte die Versagung von Rentenleistungen mangels Mitwirkung für den Fall
einer Nichtunterzeichnung des Antragsformulars angekündigt.
Es fehlt schon an einer gesetzlichen Grundlage im Sinne von §
31 SGB I, um die Gewährung einer Rente von einer Zustimmung des Versicherten mit einer Aufrechnung von Nachzahlungsansprüchen namentlich
mit Beitragsrückständen abhängig machen zu dürfen.
Der Rentenantragsteller hat zwar nach §
60 SGB I die für die Bearbeitung seines Antrages erforderlichen Tatsachen anzugeben. Die Mitwirkungspflichten der Leistungsberechtigten
nach §§ 21 Abs 2 SGB X, 60 ff.
SGB I beschränken sich verfahrensrechtlich ausdrücklich auf die Mitwirkung bei der Aufklärung des Sachverhalts (BSG, Urteil vom 09. Oktober 2012 - B 5 R 8/12 R -, BSGE 112, 74). Rechtsgestaltende Erklärungen wie eine Zustimmung zu Aufrechnungen werden schon im Ausgangspunkt davon nicht erfasst.
Bei dieser Ausgangslage verstößt es gegen das Gebot von Treu und Glauben im Sinne der auch im Sozialrecht zu berücksichtigenden
Grundsätze des §
242 BGB (vgl. BSG, U.v. 19. Oktober 2000 - B 10 LW 21/99 R - SozR 3-5868 § 21 Nr 2), wenn die Beklagte sich im vorliegenden Rechtsstreit auf eine unzulässige - von ihr jedenfalls erschlichene,
wenn nicht sogar abgenötigte - Zustimmung des Klägers mit einer Aufrechnung in dem von ihr herausgegebenen vorgedruckten Antragsformular
beruft.
Da der Kläger mit seinem Anfechtungsbegehren gegen die (Teil-)Aufrechnungserklärungen der Beklagten durchdringt, entfällt
mit der daran anknüpfenden Auszahlung der von der (Teil-)Aufrechnung betroffenen Rentenzahlbeträge an den Kläger naturgemäß
zugleich die Grundlage, dieselben Beträge als Tilgungszahlungen auf die rückständigen Beitragsforderungen der Beklagten mit
daraus resultierenden rentensteigernd zu berücksichtigenden weiteren Beitragsleistungen im Rentenbezugszeitraum, wie solche
den Änderungsbescheiden vom 16. Januar und 17. Dezember 2018 zugrunde liegen, berücksichtigen zu können.
3. Vergeblich wendet sich die Beklagte gegen die erstinstanzlich ausgesprochene Verpflichtung, auch die Beitragszeiträume
von März 1970 bis Juni 1984 bei der Rentenberechnung zu berücksichtigen.
a) Im Ausgangspunkt zutreffend hat die Beklagte dem Grunde nach dem Kläger eine begehrte Regelaltersrente zugesprochen. Der
Kläger erfüllte seit Erreichen der Regelaltersgrenze die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 11 ALG (in der seinerzeit noch maßgeblichen Fassung des RV-Altersgrenzenanpassungsgesetzes vom 20. April 2017, BGBl. I, 554). Er
hatte die Wartezeit von 15 Jahren erfüllt und sein früheres landwirtschaftliches Unternehmen abgegeben.
Da auf die Wartezeit von 15 Jahren nach § 17 Abs. 1 Satz 2 ALG auch Pflichtbeitragszeiten in der gesetzlichen Rentenversicherung anzurechnen sind, hat der Kläger (vgl. auch seinen entsprechenden
Versicherungsverlauf auf S. 31 f. der Verwaltungsvorgänge) diese Voraussetzung unabhängig von der Frage nach einer Einbeziehung
der Beitragszeiträume von März 1970 bis Juni 1984 erfüllt.
Der von der Beklagten zutreffend bejahten Erfüllung der Wartezeit stehen im vorliegenden Fall auch nicht die Vorgaben des
§ 90 Abs. 1 Satz 1 ALG entgegen, wonach Beitragszeiten vor dem 1. Januar 1995 auf die Wartezeit für eine Rente an Landwirte nur angerechnet werden,
wenn der Versicherte mindestens bis zur Vollendung des 60. Lebensjahres oder bis zum Eintritt von Erwerbsunfähigkeit im Sinne
des bis zum 31. Dezember 2000 geltenden Rechts, mit Ausnahme der Zeiten des Bezugs eines vorzeitigen Altersgeldes, einer Landabgaberente
oder eines Hinterbliebenengeldes, längstens jedoch bis 31. Dezember 1994, anrechenbare Beitragszeiten zurückgelegt hat. Da
der Kläger gerade in den Zeiträumen Januar 1991 bis Dezember 1994 und damit lückenlos in den letzten vier Jahren vor Außerkrafttreten
des GAL zum 31. Dezember 1994 durch die insoweit tatsächlichen erfolgten Beitragszahlungen Beitragszeiten in der landwirtschaftlichen
Alterssicherung zurückgelegt hat, kommt ein Ausschluss einer Anrechnung dieser Beitragsjahre auf die Wartezeit schon im Ausgangspunkt
nicht in Betracht.
Vielmehr kommt ein solcher Ausschluss einer Anrechnung entsprechender Beitragszeiten auf die Wartezeit schon im Ausgangspunkt
nach dem Wortlaut des § 90 Abs. 1 Satz 1 ALG nur dann in Betracht, wenn zwischen der letzten Beitragszahlung und dem Stichtag 31. Dezember 1994 noch weitere Monate ohne
Beitragszahlungen verblieben waren.
Ebenfalls anknüpfend an den dargelegten Wortlaut des § 90 Abs. 1 Satz 1 ALG hat das BSG für solche Fallgestaltungen von Lücken zwischen dem letzten Beitragsmonat und dem Stichtag 31. Dezember 1994 den Grundsatz
aufgestellt, wonach Ansprüche auf Leistungen, die vor dem Inkrafttreten des ALG wegen der Nichterfüllung der Wartezeit ausgeschlossen waren, durch das ALG nicht begründet werden sollen, und zwar auch nicht mit Hilfe von Pflichtbeiträgen zur gesetzlichen Rentenversicherung (BSG, B.v. 18. Februar 2004 - B 10 LW 10/03 B - und B.v. 02. Oktober 2015 - B 10 LW 2/15 B -, beide: juris). Dieser Grundsatz darf nicht losgelöst von den seinerzeit vom BSG zu beurteilenden Sachverhalten und den erläuterten gesetzlichen Vorgaben auf anders gelagerte Sachverhaltsgestaltungen übertragen
werden.
b) Zutreffend hat das Sozialgericht die Beklagte verpflichtet, auch die Beitragszeiträume von März 1970 bis Juni 1984 bei
der Rentenberechnung rentensteigernd zu berücksichtigen.
Nach § 23 Abs. 1 ALG ergibt sich der Monatsbetrag der Rente, wenn (Nr. 1) die Steigerungszahl, (Nr. 2), der Rentenartfaktor (im vorliegenden Zusammenhang von 1,0, vgl. § 23 Abs. 6 Ziff. 1 ALG) und (Nr. 3) der allgemeine Rentenwert (in Höhe von 14,33 EUR im Zeitraum vom 1. Juli 2017 bis 30. Juni 2017) mit ihrem Wert bei Rentenbeginn
miteinander vervielfältigt werden.
Dabei ergibt sich die in diese Berechnung einzustellende Steigerungszahl nach den Vorgaben des § 23 Abs. 2 ALG, indem die Anzahl der Kalendermonate mit Beitragszeiten (Nr. 1, vgl. zu - im vorliegenden Fall nicht relevanten - Zurechnungszeiten und Erwerbsminderungsrentenbezugszeiten die Ziffern
2 und 3 dieser Vorschrift) mit dem nach Absatz 3 maßgebenden Faktor vervielfältigt wird.
Zu den in die Berechnung einzustellenden Beitragszeiten in diesem Sinne zählen mithin nach dieser Vorschrift im rechtlichen
Ausgangspunkt alle im Laufe des Versichertenlebens zurückgelegten Beitragszeiten zur landwirtschaftlichen Alterssicherung,
und damit im vorliegenden Fall auch die Monate von März 1970 bis Juni 1984, für die der Kläger tatsächlich Beiträge als Landwirt
entrichtet hat.
Eine Nichtberücksichtigung von vor dem 1. Januar 1995 entrichteten Beiträgen sieht § 93 Abs. 3 ALG nur in einem Ausnahmefall vor: Beiträge, die vor dem 1. Januar 1995 gezahlt wurden, bleiben bei der Rentenberechnung unberücksichtigt,
wenn (Nr. 1) die Voraussetzungen nach Absatz 2 Nr. 1 und 2 vorliegen und vor dem 1. Januar 1995 ein Beitrag als mitarbeitender
Familienangehöriger nicht gezahlt wurde, (Nr. 2) sie nach Vollendung des 65. Lebensjahres gezahlt wurden oder (Nr. 3) sie
bereits bei einer Witwen- oder Witwerrente berücksichtigt sind und für den Überlebenden, der diese Beiträge gezahlt hat, eine
Rente aus eigener Versicherung festzustellen ist.
Die tatbestandlichen Voraussetzungen der Ziffern 2. und 3 der vorstehend erläuterten Vorschrift des § 93 Abs. 3 ALG liegen augenscheinlich nicht vor.
Ebenso wenig sind die tatbestandlichen Voraussetzungen der Ziffer 1. festzustellen. Die dort in Bezug genommenen Vorgaben
des § 93 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 ALG lauten wie folgt:
Beiträge als Landwirt, die vor dem 1. Januar 1995 gezahlt wurden, gelten als Beiträge als mitarbeitender Familienangehöriger,
wenn (Nr. 1) sie nach § 90 nicht auf die Wartezeit angerechnet werden, (Nr. 2a) nach dem letztmaligen, vor dem 1. Januar 1995
erfolgten Fortfall der Beitragspflicht für weniger als 15 Jahre Beiträge ohne Berücksichtigung von Beträgen als mitarbeitender
Familienangehöriger an die landwirtschaftliche Alterskasse gezahlt wurden und eine Altersrente festzustellen ist oder (Nr.
2b) nach dem letztmaligen, vor dem 1. Januar 1995 erfolgten Fortfall der Beitragspflicht vom Verstorbenen für weniger als
5 Jahre Beiträge ohne Berücksichtigung von Beiträgen als mitarbeitender Familienangehöriger an die landwirtschaftliche Alterskasse
gezahlt wurden und eine Witwen- oder Witwerrente oder eine Rente wegen Erwerbsminderung festzustellen ist.
Die mit der erläuterten in § 93 Abs. 3 ALG normierten Regelung in Bezug genommenen tatbestandlichen Voraussetzungen einerseits des § 93 Abs. 2 Nr. 1 und andererseits des § 93 Abs. 2 Nr. 2 ALG müssen kumulativ vorliegen (vgl. die Konjunktion "und" bei den geforderten "Voraussetzungen nach Absatz 2 Nr. 1 und 2" in § 93 Abs. 3 Nr. 1 ALG).
Unabhängig von der Frage, ob die vor dem 1. Januar 1995 erbrachten Beitragszahlungen entsprechend Ziffer 1. auf die (im vorliegenden
Fall, wie dargelegt, ohnehin erfüllte) Wartezeit anzurechnen sein mögen, fehlt es jedenfalls an den tatbestandlichen Voraussetzungen
des § 93 Abs. 2 Nr. 2 ALG. Beide normierten Tatbestandsalternativen haben jeweils einen vor dem 1. Januar 1995 erfolgten Fortfall der Beitragspflicht
zur Voraussetzung.
Ein solcher Fortfall ist im vorliegenden Fall gerade nicht festzustellen. Auch die Beklagte geht davon, dass der Kläger bis
zum 31. Dezember 1994 der Versicherungspflicht als Landwirt nach den damaligen Bestimmungen des GAL unterlegen hat. Der Kläger
unterlag ab Beginn der Beitragspflicht als Inhaber eines die Mindestgröße überschreitenden landwirtschaftlichen Betriebes
fortlaufend bis zum 31. Dezember 1994 der Beitragspflicht nach dem damaligen GAL. Eine Befreiung von dieser Beitragspflicht
ist erstmals mit Wirkung ab dem 1. Januar 1995 (und damit nicht, wie vom Gesetz gefordert, bereits "vor" dem 1. Januar 1995)
ausgesprochen worden.
Im Gegensatz zur Auffassung der Beklagten besteht keine Grundlage, um abweichend von den gesetzlichen Vorgaben auch in Fallgestaltungen
der vorliegenden Art vor dem 1. Januar 1995 zurückgelegte Beitragszeiten von einer rentensteigernden Berücksichtigung auszunehmen.
Die Gerichte dürfen sich nicht dem vom Gesetzgeber festgelegten Sinn und Zweck des Gesetzes entziehen, sondern müssen die
gesetzgeberische Grundentscheidung respektieren und den Willen des Gesetzgebers möglichst zuverlässig zur Geltung bringen.
Sie haben hierbei den Methoden der Auslegung zu folgen. Eine Interpretation, die sich über den klar erkennbaren Willen des
Gesetzgebers hinwegsetzt, greift unzulässig in die Kompetenzen des demokratisch legitimierten Gesetzgebers ein. Für die Beantwortung
der Frage, welche Regelungskonzeption dem Gesetz zugrunde liegt, kommt neben Wortlaut und Systematik den Gesetzesmaterialien
eine Indizwirkung zu. So verwirklicht sich die in Art.
20 Abs.
3 und Art.
97 Abs.
1 GG vorgegebene Bindung der Gerichte an das "Gesetz". Sie ist eine Bindung an die im Normtext zum Ausdruck gebrachte demokratische
Entscheidung des Gesetzgebers, dessen Erwägungen zumindest teilweise in den Materialien dokumentiert sind (BVerfG, B.v. 26.
November 2018 - 1 BvR 318/17 -, NJW 2019, 351, Rn. 32 mwN).
Im vorliegenden Fall besteht die maßgeblich die im Normtext zum Ausdruck gebrachte demokratische Entscheidung des Gesetzgebers
gerade darin, dass (abgesehen von den im vorliegenden Zusammenhang nicht einschlägigen Tatbeständen des § 93 Abs. 3 Ziff. 2 und 3 ALG) eine Nichtberücksichtigung von vor dem 1. Januar 1995 erbrachten Beiträgen zur landwirtschaftlichen Alterssicherung bei
der Ermittlung der Rentenhöhe nur dann in Betracht kommt, wenn - anders als im vorliegenden Fall - ein bereits vor dem 1.
Januar 1995 erfolgter Fortfall der Beitragspflicht festzustellen ist.
An diese gesetzgeberische Entscheidung ist der Senat ebenso wie die Beklagte gebunden.
Schon im rechtlichen Ausgangspunkt bleibt damit kein Raum, den von der Beklagten angeführten - im Ergebnis letztlich als rechtspolitisch
zu wertenden - Erwägungen durch eine vom Gesetzeswortlaut abweichende Ausgestaltung der maßgeblichen tatbestandlichen Voraussetzungen
Rechnung zu tragen.
Bei dieser Ausgangslage ist letztlich nur ergänzend darauf hinzuweisen, dass der Senat der Beklagten auch nicht dahingehend
zu folgen vermag, dass ein sog. Erfordernis der Lückenlosigkeit in dem von der Beklagten herangezogenen Wortverständnis das
Rentenrecht in der Alterssicherung der Landwirte bis zum Inkrafttreten des Agrarsozialreformgesetzes (ASRG) zum 01.01.1995
geprägt habe und dass diese von Seiten des Gesetzgebers mit der Regelung des § 93 ALG im Ergebnis fortgeschrieben worden wäre.
Die damalige Bestimmung des § 2 Abs. 1 GAL sah vor, dass (Abs. 1) ein landwirtschaftlicher Unternehmer Altersgeld erhielt,
wenn er (a) das 65. Lebensjahr vollendet hat und (b) mindestens bis zur Vollendung des 60. Lebensjahres mit Ausnahme der Zeiten
des Bezugs eines vorzeitigen Altersgeldes oder eines Hinterbliebenengeldes und für mindestens 180 Kalendermonate Beiträge
als landwirtschaftlicher Unternehmer oder nach § 27 an die landwirtschaftliche Alterskasse gezahlt und (c) das Unternehmen
abgegeben hat.
Ergänzend bestimmte § 2 Abs. 2 GAL, dass ein landwirtschaftlicher Unternehmer vorzeitiges Altersgeld erhielt, wenn er (a)
erwerbsunfähig im Sinne des
Sechsten Buches Sozialgesetzbuch ist, (b) mindestens bis zur Vollendung des 60. Lebensjahres oder bis zum Eintritt der Erwerbsunfähigkeit mit Ausnahme der
Zeiten des Bezugs eines vorzeitigen Altersgeldes oder eines Hinterbliebenengeldes und für mindestens 60 Kalendermonate Beiträge
als landwirtschaftlicher Unternehmer oder nach § 27 an die landwirtschaftliche Alterskasse gezahlt und (c) das Unternehmen
abgegeben hat.
Weder die Bestimmung des § 2 Abs. 1 GAL über das sog. Altersgeld (welches der Struktur der heutigen Altersrente entspricht)
noch die des Abs. 2 über das sog. vorzeitige Altersgeld (entsprechend der Struktur nach der heutigen Erwerbsminderungsrente)
verlangte eine "Lückenlosigkeit" der Beitragsentrichtung von Beginn einer Versicherungspflicht bis zum 60. Lebensjahr. Verlangt
wurden lediglich nur Beitragszeiten (der Sache nach im Sinne von Wartezeiten) von fünfzehn bzw. fünf Jahren. Bezogen auf diese
Wartezeiten wurde eine lückenlose Beitragsentrichtung verlangt. Ferner wurde eine lückenlose Fortentrichtung von Beiträgen
im Zeitraum nach Erfüllung der genannten Wartezeiten bis zur Vollendung des 60. Lebensjahres oder (bezogen auf das vorzeitige
Altersgeld) bis zum Eintritt der Erwerbsunfähigkeit gefordert (§ 2 Abs. 1 b und Abs. 2 b GAL, zu Ausnahmen vgl. § 2 Abs. 2
b GAL).
Solange die genannten Zeiträume lückenlos mit Beitragszeiten belegt waren, wiesen vorausgegangene Beitragslücken nach dem
bis 1994 maßgeblichem Recht des GAL keine rentenschädliche Relevanz auf. Ein Landwirt, der seinerzeit - beispielsweise - trotz
fortbestehender Versicherungspflicht nur vom 20. bis 25. Lebensjahr und vom 50. bis 56. Lebensjahr Beiträge entrichtet hatte,
hatte angesichts der vorausgegangenen lückenlos mit Beiträgen belegten fünfjährigen Wartezeit bei Eintritt einer Erwerbsunfähigkeit
bei Ende des 56. Lebensjahrs nach altem Recht trotz der in den noch weiter vorausgegangenen Jahren zu verzeichnenden 25jähriger
Beitragslücke Anspruch auf vorzeitiges Altersgeld (und zwar in voller Höhe des sich aus § 4 Abs. 1 Satz 1 GAL ergebenden Grundbetrages,
der vom 1. Juli 1991 an für den verheirateten Berechtigten 655,40 Deutsche Mark und für den unverheirateten Berechtigten 437,20
Deutsche Mark ausmachte. § 4 Abs. 1 Satz 1 GAL sah hinsichtlich der Rentenhöhe im Ausgangspunkt diesen von der Zahl der individuellen
Beitragsmonate unabhängigen Grundbetrag vor, dieser erhöhte sich nach § 4 Abs. 1 Satz 4 GAL für je zwölf Kalendermonate an
Beiträgen als landwirtschaftlicher Unternehmer oder nach § 27 zur landwirtschaftlichen Alterskasse, die über die Zahl 180
hinaus und für Zeiten vor Vollendung des 65. Lebensjahres entrichtet worden waren, um drei vom Hundert.).
Soweit sich die Beklagte anknüpfend an den Beschluss des BSG vom 02. Oktober 2015 (- B 10 LW 2/15 B - juris dort auch mit weiteren Rechtsprechungsnachweisen) auf ein sich aus den Bestimmungen des früheren GAL ergebendes Erfordernis
"Lückenlosigkeit" der Beitragsentrichtung verweist, ist zu berücksichtigen, dass der in Bezug genommene Begriff einer "Lückenlosigkeit"
der Beitragsentrichtung unterschiedlich verstanden werden kann und wird.
Das BSG (aaO) bezieht das Erfordernis einer solchen "Lückenlosigkeit" - entsprechend den erläuterten gesetzlichen Vorgaben des GAL
- auf die lückenlose Erfüllung der genannten Wartezeiten von 5 bzw. 15 Jahren sowie auf die wiederum lückenlose Fortentrichtung
von Beiträgen im Zeitraum nach Erfüllung der genannten Wartezeiten bis zur Vollendung des 60. Lebensjahres oder (bezogen auf
das vorzeitige Altersgeld) bis zum Eintritt der Erwerbsunfähigkeit. Die Beklagte fordert hingegen eine weitergehende "Lückenlosigkeit"
der Beitragsentrichtung auch in dem Sinne, dass über die genannten Zeiträume hinaus auch die vorausgegangenen Zeiträume einer
dem Grunde nach bestehenden Beitragspflicht "lückenlos" mit tatsächlich entrichteten Beiträgen belegt sein müssten. Für eine
solche Erweiterung fehlte jedoch schon nach Maßgabe der früheren Bestimmungen des GAL die erforderliche gesetzliche Grundlage.
Soweit der Gesetzgeber sich bei der Neufassung des § 93 ALG durch das Gesetz zur Änderung des Gesetzes zur Reform der agrarsozialen Sicherung (ASRG-ÄndG) von der Annahme hat leiten
lassen, dass damit sichergestellt werde, "dass - wie nach altem Altershilferecht - aus Beiträgen als Landwirt keine Rentenleistungen
zu erbringen sind, wenn diese nach § 90 nicht auf die Wartezeit für eine Rente an Landwirte anrechenbar sind und auch bis
Ende 1994 kein Beitrag als mitarbeitender Familienangehöriger gezahlt wurde" (BT-Drs. 13/2747, S. 16), ist vorsorglich Folgendes
klarzustellen: Nach den früheren Bestimmungen des GAL wurden bezogen auf den erläuterten Grundrentenbetrag nach § 4 Abs. 1
Satz 1 GAL keine Rentenleistungen "aus Beiträgen" in dem Sinne geleistet, dass deren Höhe von der Zahl (und ggfs. der Höhe
der Beiträge) abhing. § 4 Abs. 1 Satz 1 GAL sah vielmehr einen einheitlichen Rentengrundbetrag vor, der lediglich bei Zurücklegung
von mehr als 16 Beitragsjahren für jedes über das 15. Beitragsjahr hinausgehende Jahr nach § 4 Abs. 1 Satz 4 GAL um 3 % zu
erhöhen war.
Gerade angesichts der Gewährung des ganz überwiegenden Teils der Rentenleistungen in Form eines einheitlichen Grundbetrages,
hatte nach der früheren bis 1994 maßgeblichen Rechtslage die Frage, "aus" welchen - im Laufe des Versichertenlebens erbrachten
- Beiträgen die Rente zu gewähren war, nicht die ihr nach heutigem - keinen solchen Grundbetrag mehr vorsehenden - Recht zukommende
Bedeutung.
Bei dieser Ausgangslage ist der Gesetzgeber letztlich, soweit sich dies anhand der Materialien erschließt, einem Motivirrtum
unterlegen, als er offenbar annahm, dass auch schon nach dem früheren GAL (wie seinerzeit schon im allgemeinen Rentenrecht)
die Höhe der Rentenleistungen entscheidend von der Zahl der Beitragsmonate abhing. Sich aus einem solchen Motivirrtum ggfs.
ergebende Diskrepanzen im Hinblick auf sachgerechterweise zu verfolgende Regelungsziele bedürfen erforderlichenfalls der Korrektur
durch den Gesetzgeber im Rahmen eines zielgerichteten Regelungskonzepts. Bezüglich eines solchen Konzepts kommen naturgemäß
unterschiedliche rechtspolitische Ansätze in Betracht, deren Bewertung dem Gesetzgeber, nicht aber den Gerichten obliegt.
Ohnehin hat der Gesetzgeber im Wortlaut des insoweit in Betracht kommenden § 93 Abs. 3 ALG, wie dargelegt, gerade keinen allgemeinen Grundsatz des Inhalts normiert, wonach aus Beiträgen als Landwirt keine Rentenleistungen
zu erbringen seien, wenn diese nach § 90 ALG nicht auf die Wartezeit für eine Rente an Landwirte anrechenbar sind. Er hat vielmehr explizit weitere - im vorliegenden
Fall gerade fehlende - spezifische tatbestandliche Voraussetzungen für eine Nichtberücksichtigung von vor 1995 erbrachten
Beiträgen normiert. Damit hat der Gesetzgeber im Ergebnis gerade seinen Willen dokumentiert, vor 1995 erbrachte Beitragszahlungen
nur in solchen spezifischen Ausnahmefällen (zu denen der vorliegend zu beurteilende Sachverhalt nicht zählt) von einer rentensteigernden
Berücksichtigung ausschließen zu wollen.
Überdies hat der Gesetzgeber dem Gleichheitsgrundsatz nach Art.
3 Abs.
1 GG Rechnung zu tragen.
Der allgemeine Gleichheitssatz gebietet, alle Menschen vor dem Gesetz gleich zu behandeln, ohne dass dem Gesetzgeber damit
jede Differenzierung verwehrt wäre. Differenzierungen bedürfen allerdings stets der Rechtfertigung durch Sachgründe, die dem
Differenzierungsziel und dem Ausmaß der Ungleichbehandlung angemessen sind. Aus dem allgemeinen Gleichheitssatz ergeben sich
je nach Regelungsgegenstand und Differenzierungsmerkmalen unterschiedliche Grenzen für den Gesetzgeber, die von gelockerten
auf das Willkürverbot beschränkten Bindungen bis hin zu strengen Verhältnismäßigkeitserfordernissen reichen können. Eine strengere
Bindung des Gesetzgebers ist insbesondere anzunehmen, wenn die Differenzierung an Persönlichkeitsmerkmale anknüpft, wobei
sich die verfassungsrechtlichen Anforderungen umso mehr verschärfen, je weniger die Merkmale für den Einzelnen verfügbar sind
oder je mehr sie sich denen des Art.
3 Abs.
3 GG annähern. Eine strengere Bindung des Gesetzgebers kann sich auch aus den jeweils betroffenen Freiheitsrechten ergeben. Umgekehrt
kommt dem Gesetzgeber im Bereich der gewährenden Staatstätigkeit für die Abgrenzung der begünstigten Personengruppen grundsätzlich
ein weiter Gestaltungsspielraum zu. Ob er bei der Ausgestaltung dieses Gestaltungsspielraums die gerechteste und zweckmäßigste
Lösung trifft, ist vom Bundesverfassungsgericht nicht zu überprüfen (BVerfG, B.v. 09. November 2011 - 1 BvR 1853/11 -, Rn. 10, NJW 2012, 214).
Bezogen auf beitragsfinanzierte Lohnersatzleistungen hat das BVerfG folgende Bemessungsgrundsätze aufgestellt: Wenn es der
Gesetzgeber dabei belässt, die Höhe der jeweiligen Lohnersatzleistung grundsätzlich an den beitragspflichtigen Arbeitsentgelten
zu orientieren , so müssen alle beitragspflichtigen Arbeitsentgelte berücksichtigt werden. Dies gilt unabhängig davon, wie
der Gesetzgeber das konkrete Sicherungsziel bestimmt Solange die Bemessung der Lohnersatzleistung nicht in einer ganz unbedeutenden
Weise durch das bisherige beitragspflichtige Arbeitsentgelt mit bestimmt wird, müssen alle Arbeitsentgeltbestandteile, die
der Beitragspflicht unterworfen werden, einen grundsätzlich gleichen Erfolgswert haben. Allein dies entspricht Art.
3 Abs.
1 GG (BVerfG, Beschluss vom 24. Mai 2000 - 1 BvL 1/98 -, BVerfGE 102, 127, Rn. 55).
Übertragen auf das Rentenrecht bringen diese Grundsätze zum Ausdruck, dass der Gesetzgeber, der die Bemessung der Rentenhöhe
schon im Ausgangspunkt von der Zahl der Beitragsmonate abhängig macht, regelmäßig dafür Sorge zu tragen hat, dass folgerichtig
zumindest im Ausgangspunkt dann auch alle Beitragsmonate (jedenfalls tendenziell im Sinne eines gleichen Erfolgswerts) Berücksichtigung
finden müssen. Einen solchen gleichen Erfolgswert im Sinne einer Berücksichtigung aller Beitragszeiten unabhängig von der
Frage, ob solche fortlaufend oder nur mit zwischenzeitlichen Lücken zu verzeichnen sind, sieht bezogen auf eine Berücksichtigung
der Beitragszeiträume dem Grunde nach insbesondere auch das allgemeine Rentenrecht vor (welches anknüpfend an die dort grundsätzlich
vorgesehene einkommensabhängige Beitragshöhe daneben natürlich auch der Höhe der jeweils entrichteten Beiträge Rechnung trägt).
Damit verbundene Beeinträchtigungen schützenswerter Belange der Rentenversicherungsträger sind überhaupt nicht erkennbar.
Mit Wirkung zum 1. Januar 1995 hat sich der Gesetzgeber mit Einführung des ALG auch in Bezug auf das Recht der landwirtschaftlichen Alterssicherung dazu entschlossen, die Höhe der Rentenbezüge schon im
Ausgangspunkt von der Zahl der Beitragsmonate abhängig zu machen. Hieran anknüpfend ist es im Ausgangspunkt nur konsequent,
wenn nach den gesetzlichen Vorgaben (von den im vorliegenden Zusammenhang aus den dargelegten Gründen nicht einschlägigen
Ausnahmebestimmungen des § 93 Abs. 3 ALG einmal abgesehen) auch unabhängig von etwaigen zwischenzeitlichen Beitragslücken alle tatsächlich zurückgelegten Beitragsmonate
rentensteigernd zu berücksichtigen sind.
Die tatsächliche Beitragsentrichtung und der in ihr zum Ausdruck kommende Solidarbeitrag entfallen nicht dadurch, dass in
Folgezeiträumen keine weiteren Beiträge entrichtet werden. Soweit keine spezifischen - im vorliegenden Zusammenhang nicht
ersichtlichen - Sachgründe eine Ausklammerung von vor einer Beitragslücke liegenden Beitragszeiten bei der Rentenberechnung
ausnahmsweise (aus Sicht des Gesetzgebers unter Berücksichtigung der ihm zuzubilligenden Einschätzungsprärogative) als sachgerecht
erscheinen lassen, ist es systemgerecht, alle tatsächlich zurückgelegten Beitragszeiten dem Grunde nach gleichmäßig bei der
Rentenberechnung zu berücksichtigen. Dieser Grundsatz entspricht zugleich den Vorgaben des Gleichheitsgebots nach Art.
3 Abs.
1 GG und dem verfassungsrechtlichen gewährleisteten grundrechtlichen Schutzes der Rentenanwartschaften nach Art.
14 GG (vgl. auch Senatsbeschluss vom 17. März 2010 - L 2 LW 5/09 -, juris).
Die Kostenentscheidung folgt aus §
193 SGG.
Gründe, die Revision zuzulassen (§
160 Abs.
2 SGG), sind nicht gegeben. Insbesondere stellt § 93 ALG eine sog. Übergangsvorschrift dar, bezüglich deren Auslegung kein fortbestehender revisionsgerichtlicher Klärungsbedarf festzustellen
ist (vgl. dazu Leitherer in Meyer/Ladewig/Keller/Leitherer,
SGG, 12. Aufl., §
160 Rn. 8d).