LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 04.09.2019 - 2 LW 2/19
Anspruch auf Regelaltersrente von der Sozialversicherung für Landwirte Aufrechnung mit Beitragsrückständen nach pflichtgemäßem Ermessen Zeitraum von rund 70 Jahren zur Tilgung der von der Aufrechnung betroffenen Hälfte der laufenden Rentenzahlungen Beeinträchtigung der finanziellen Absicherung im Leistungsfall
1. Eine nach § 51 Abs. 2 SGB I vorzunehmende Aufrechnung darf nur nach pflichtgemäßem Ermessen erklärt werden.
2. Die Durchsetzung von Beitragspflichten auch noch nach Eintritt des Leistungsfalls hat in der Regel zur Folge, dass damit die im gesetzlichen Ausgangspunkt angestrebte finanzielle Absicherung im Leistungsfall nicht gefördert, sondern beeinträchtigt wird.
3. Ein Zeitraum von rund 70 Jahren zur Tilgung der von der Aufrechnung betroffenen Hälfte der laufenden Rentenzahlungen kommt nicht in Betracht; eine entsprechende Aufrechnungsentscheidung wäre darauf gerichtet, einen Rentenbezieher auf Lebenszeit von dem Anspruch auf die Hälfte der Altersrentenansprüche fernzuhalten.
Normenkette:
SGB I § 51 Abs. 2
Vorinstanzen: SG Braunschweig 04.12.2018 S 5 LW 1/17
Auf die Berufung des Klägers wird unter Abänderung des Urteils vom 4. Dezember 2018 der Bescheid der Beklagten vom 16. Mai 2017 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 29. Juni 2017 und der Änderungsbescheide vom 16. Januar und 17. Dezember 2018 auch insoweit aufgehoben, wie die Beklagte Aufrechnungen der zuerkannten Rentenleistungen mit ihren Gegenforderungen ausgesprochen hat. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil vom 4. Dezember 2018 dahingehend berichtigt, dass die Beklagte zur Gewährung einer Regelaltersrente an den Kläger unter Einbeziehung der Beitragszeiten vom 1. März 1970 bis zum 30. Juni 2014 erst ab dem 1. Juli 2014 verpflichtet wird. Im Übrigen wird die Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Die Beklagte trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Klägers aus beiden Rechtszügen. Die Revision wird nicht zugelassen.

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