Anspruch auf Sozialhilfe, Kostenbeitrag für ersparte Aufwendungen für den häuslichen Lebensunterhalt wegen der Teilnahme eines
Kindes am Mittagessen in einer Tagesbildungsstätte
Tatbestand:
Die Klägerin wendet sich gegen einen vom Beklagten festgesetzten Kostenbeitrag für seit Januar 2005 ersparte Aufwendungen
für den häuslichen Lebensunterhalt wegen der Teilnahme ihres Sohnes am Mittagessen in einer Tagesbildungsstätte.
Die 1953 geborene Klägerin zog mit ihrem am 14. Februar 1990 geborenen Sohn H. im Oktober 1996 von Alfeld nach Neuenkirchen
in den Zuständigkeitsbereich des Beklagten um. Bei dem Sohn der Klägerin bestehen eine statomotorische und mentale Entwicklungsretardierung
bei Hydrocephalus, ein cerebrales Anfallsleiden und ein Zustand nach Korrekturoperation eines schweren Herzfehlers. Vor dem
Umzug besuchte der Sohn der Klägerin den Heilpädagogischen Kindergarten der Lebenshilfe Alfeld und kurzzeitig die I. in Alfeld.
Am 16. Oktober 1996 wurde er in die Tagesbildungsstätte der Lebenshilfe Soltau e.V. aufgenommen. Es handelt sich hierbei um
eine teilstationäre Betreuung, die auch ein tägliches Mittagessen umfasst. Diese Tagesbildungsstätte besuchte der Sohn der
Klägerin bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres und darüber hinaus.
Mit Bescheid vom 25. November 1996 gab der Beklagte ein Grundanerkenntnis über Eingliederungshilfeleistungen nach den §§ 39, 40 Abs 1 Nr 3 Bundessozialhilfegesetz (BSHG) bis auf weiteres, längstens bis zum Ende der Schulpflicht, ab. Mit weiterem Bescheid vom 25. November 1996 verlangte er
von der Klägerin einen Kostenbeitrag in Höhe von 44,00 DM wegen der ersparten Aufwendungen für den häuslichen Lebensunterhalt.
Die Klägerin wies darauf hin, dass sie und ihr Sohn gemeinsam von der Gemeinde Neuenkirchen Hilfe zum Lebensunterhalt (HLU)
bezögen. Daraufhin hob der Beklagte, seinen Kostenbeitragsbescheid vom 25. November 1997 mit Bescheid vom 29. April 1997 mit
Wirkung ab dem 1. Februar 1997 auf und veranlasste, dass die Gemeinde Neuenkirchen ab dem 1. Februar 1997 den Betrag von 44,00
DM vom HLU-Regelsatz des Sohnes der Klägerin einbehielt.
Vom 1. Januar bis zum 30. Juni 2005 bezog die Klägerin für sich und H. Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach
dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch SGB II, Bescheid der Gemeinde Neuenkirchen vom 22. Dezem-ber 2004. Ein Absetzbetrag vom
Regelsatz für H. wurde nicht (mehr) berücksichtigt. Ab dem 1. Juli 2005 bezog die Klägerin eine bis zum 30. Juni 2008 befristete
Rente wegen voller Erwerbsminderung in Höhe von 693,40 EUR monatlich. Mit Bescheid vom 26. Juli 2005 gewährte daraufhin die
für den Beklagten handelnde Gemeinde Neuenkirchen der Klägerin und ihrem damals 15-jährigen Sohn ab dem 1. Juli 2005 ergänzende
Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung (§§ 41ff SGB XII) bis auf weiteres in Höhe von 189,65 EUR.
Die von der Gemeinde Neuenkirchen anerkannten Kosten der Unterkunft beliefen sich nach diesem Bescheid - wie im Bescheid vom
22. Dezember 2004 über Leistungen nach dem SGB II - auf 315,00 EUR für die Miete und 42,43 EUR Heizkosten bereits abzüglich
des Warmwasseranteils. Tatsächlich zahlte die Klägerin höhere Miete, nämlich inklusive Nebenkosten 600,00 EUR (Kontobelege
B. 121, 132 VA). Beim Regelbedarf des Sohnes der Klägerin erfolgte laut diesem Bescheid weiterhin keine Absetzung der ersparten
Aufwendungen für ein Mittagessen. Ab dem 1. Oktober 2006 wurde für H. Unterhalt in Höhe von 217,00 EUR gezahlt, die Klägerin
erhielt ab dem gleichen Tag Wohngeld in Höhe von 109,00 EUR monatlich. Die Grundsicherungsleistungen wurden zum 1. Ok-tober
2006 eingestellt (Bescheid der Gemeinde Neuenkirchen vom 10. Oktober 2006).
Bereits mit Bescheid vom 15. März 2005 hatte der Beklagte das bisherige Kostenanerkenntnis über Eingliederungshilfeleistungen
für den Sohn der Klägerin mit Wirkung vom 31. Dezember 2004 aufgehoben und ein neues Kostenanerkenntnis gemäß den §§ 53, 54
des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch SGB XII mit Wirkung vom 1. Januar 2005 abgegeben, allerdings ohne die Gewährung des notwendigen
Lebensunterhalts in Einrichtungen nach § 35 Abs 1 SGB XII. Die Klägerin war in dem Bescheid gebeten worden, übergangsweise
wegen des in der teilstationären Betreuung gewährten Mittagessens einen Kostenbeitrag in Höhe von 30 % des Regelsatzes, mithin
82,80 EUR monatlich an den Beklagten zu überweisen. Gegen diesen Bescheid hatte die Klägerin wegen der Zahlungsaufforderung
Widerspruch erhoben.
Mit an die Klägerin gerichtetem Bescheid vom 4. Januar 2006 nahm der Beklagte das Kostenanerkenntnis vom 15. März 2005 gemäß
§ 44 SGB X zurück. Er übernahm nunmehr rückwirkend seit dem 1. Januar 2005 die Leistungen der Eingliederungshilfe sowie den notwendigen
Lebensunterhalt in Einrichtungen nach § 35 Abs 1 SGB XII für H ... Über die Höhe des zu leistenden Kostenbeitrags werde die
Klägerin einen gesonderten Bescheid erhalten. Mit Bescheid vom 5. Januar 2006 teilte der Beklagte der Klägerin sodann mit,
der Kostenbeitrag ab 1. Januar 2005 betrage 55,20 EUR (20 % des Regelsatzes). Die Forderung des Kostenbeitrags beruhe auf
§ 92 SGB XII. Da es auch in der Tagesbildungsstätte der Lebenshilfe Stade jährlich 6 Wochen Ferien gebe, erfolge eine Umrechnung
auf 12 Monate, sodass 48,30 EUR monatlich zu entrichten seien. Für das Jahr 2005 bestehe daher eine Nachforderung in Höhe
von 579,60 EUR und für das Jahr 2006 ab dem 1. Januar ein monatlicher Kostenbeitrag von 48,30 EUR, den die Klägerin zu entrichten
habe. Nach einer konkreten Abrechnung anhand der Anwesenheitsliste der Lebenshilfe ergebe sich für das Jahr 2005 insgesamt
ein Betrag von 522,39 EUR.
Gegen beide Bescheide erhob die Klägerin wegen des Kostenbeitrags am 6. Februar 2006 Widerspruch. Die Berechnung des Kostenbeitrags
sei nicht nachvollziehbar, es sei auch nicht erkennbar, auf welcher Grundlage dieser gefordert werde.
Auf Antrag des Beklagten nahm die Bundesagentur für Arbeit Familienkasse Celle mit Bescheid vom 7. Februar 2006 eine Abzweigung
von dem der Klägerin ausgezahlten Kindergeld in Höhe von 48,30 EUR zu Gunsten des Beklagten vor. Dagegen hat die Klägerin
Einspruch eingelegt. Deshalb erhielt der Beklagte auf Grund des Einspruchs der Klägerin seit April 2006 keine Zahlungen der
Kindergeldkasse mehr. Der Abzweigungsbetrag ging seit April 2006 bis zur endgültigen Klärung des Rechtsstreits auf ein Verwahrkonto
der Familienkasse Celle.
Den Widerspruch wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 20. Dezember 2006 zurück. Zur Begründung verwies er auf § 92
Abs 2 Nr 2 S 3 SGB XII. Danach sei der Klägerin die Aufbringung der Mittel für die Kosten des Lebensunterhaltes ihres Sohnes
bei der Hilfe zu einer angemessenen Schulbildung zuzumuten. Durch Runderlass des Niedersächsischen Sozialministeriums - MS
- vom 24. September 2003 101-200055/1 (Niedersächsisches Ministerialblatt 2004 Seite 5), der bisher nicht aufgehoben worden
sei, habe das Land Niedersachsen als Eigenleistung 20 vH des maßgebenden Regelsatzes festgesetzt. Dieser Betrag sei als zumutbarer
monatlicher Kostenbeitrag zu erheben, da H. in der Tagesstätte das Mittagessen einnehme. Aus Vereinfachungsgründen sei der
Betrag wegen der Ferien auf 12 gleiche Monatsbeträge von 48,30 EUR festgelegt worden. Der Einwand der Klägerin, aus den angefochtenen
Bescheiden ergebe sich nicht, wieso der Kostenbeitrag bezogen auf den Einzelfall gerechtfertigt sei, sei nicht weiterführend.
Denn es handele sich bei der gewährten Hilfe zur angemessenen Schulbildung um eine in § 92 Abs 2 SGB XII genannte Leistung,
sodass der Kostenbeitrag in der festgesetzten Höhe zu fordern sei. Deshalb seien die angefochtenen Bescheide zu Recht ergangen.
Die Klägerin hat am 22. Januar 2007 Klage erhoben. Zur Begründung hat sie ausgeführt, ihr sei die Aufbringung des Kostenbeitrages
nicht zuzumuten. Dies gelte zum einen für den Zeitraum, in dem sie selbst Grundsicherungsleistungen gemeinsam mit ihrem Sohn
H. bezogen habe. Sie beziehe aber auch seit dem 1. Oktober 2006 nur ein so geringes Einkommen, dass ihr kein Kostenbeitrag
zumutbar sei.
Das Sozialgericht Lüneburg (SG) hat mit Urteil vom 7. Juni 2007 der Klage stattgegeben und entsprechend dem in der mündlichen Verhandlung gestellten Antrag
der Klägerin den Bescheid des Beklagten vom 5. Januar 2006 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20. Dezember 2006 aufgehoben.
Es hat die Entscheidung auf den vom Beklagten im Widerspruchsbescheid zitierten Runderlass des MS gestützt. Gemäß Nr 5.4.5,
dritter Spiegelstrich dieses Erlasses dürfe ein Einkommenseinsatz nicht erfolgen, wenn das Einkommen wesentlich unter der
Einkommensgrenze liege. Dies sei hier im gesamten streitigen Zeitraum der Fall gewesen.
Gegen das Urteil hat der Beklagte am 25. Juni 2007 Berufung eingelegt. Die Rechtsauffassung des SG, der Beklagte hätte zu keinem Zeitpunkt einen Kostenbeitrag von der Klägerin fordern dürfen, treffe nicht zu. Bei den nach
§ 92 Abs 2 Nrn 1 bis 6 SGB XII genannten Leistungen werde den in § 19 Abs 3 SGB XII genannten Personen, hier der Klägerin
als Mutter, das Aufbringen der Mittel in Höhe der so genannten häuslichen Ersparungen zugemutet. Deshalb sei das gesamte Einkommen,
also auch das Einkommen unter der Einkommensgrenze einzusetzen. Erhalte ein Leistungsberechtigter in einer Tageseinrichtung
ein Mittagessen, so könne verlangt werden, dass die in § 19 Abs 3 SGB XII genannten Personen die Kosten hierfür in Höhe der
ersparten häuslichen Aufwendungen auch aus ihrem Einkommen unter der Einkommensgrenze trügen (Mergler/Zink, SGB XII, Rdnrn
30 bis 32, Stand: Januar 2007). Schon aus diesem Grunde erübrige sich eine Einkommensüberprüfung. Der Kostenbeitragsbescheid
vom 5. Januar 2006 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20. Dezember 2006 sei zu Recht ergangen. Außerdem sei der Runderlass
des MS vom 24. Oktober 2003 mit Wirkung vom 1. Januar 2005 außer Kraft getreten.
Der Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Lüneburg vom 7. Juli 2007 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung des Beklagten zurückzuweisen.
Die Klägerin und Berufungsbeklagte weist darauf hin, dass nach ihrer Auffassung das Einkommen unter der Einkommensgrenze nicht
einzusetzen sei. Die Grundsätze aus dem Runderlass des MS müssten weiterhin gelten, auch wenn dieser bereits aufgehoben sei.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte und die Verwaltungsakten des Beklagten
verwiesen. Diese haben vorgelegen und sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung und Beratung gewesen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung des Beklagten ist statthaft und zulässig, aber nicht begründet. Sein Bescheid vom 05. Januar 2006 in Gestalt
des Widerspruchsbescheides vom 20. Dezember 2006 ist rechtswidrig. Das SG hat der Klage im Ergebnis zu Recht stattgegeben und den angefochtenen Bescheid aufgehoben.
Streitig ist allein die Frage, ob die Klägerin zur Zahlung eines Kostenbeitrags an den Beklagten wegen des ihrem Sohn in der
teilstationären Einrichtung zur Verfügung gestellten Mittagessens verpflichtet ist. Eine entsprechende Verpflichtung besteht
hier aus unterschiedlichen Gründen nicht.
Als Rechtsgrundlage für den streitigen Kostenbeitrag kommt lediglich § 92 Abs 1 SGB XII in Betracht. Nach Satz 2 der Vorschrift
haben die in § 19 Abs 3 genannten Personen (Leistungsberechtigte, ihre nicht getrennt lebenden Ehegatten oder Lebenspartner
und bei minderjährigen und unverheirateten Leistungsberechtigten auch deren Eltern oder Elternteile) zu den Kosten von behinderungsbedingt
erbrachten Sozialhilfeleistungen für eine stationäre Einrichtung oder für eine Tageseinrichtung für behinderte Menschen beizutragen.
Die Aufbringung der Mittel muss für den o. g. Personenkreis zumutbar sein, weil anderenfalls die Hilfen nach dem Fünften bis
Neunten Kapitel des SGB XII unabhängig von deren Einkommen oder Vermögen geleistet würden (§ 19 Abs 3 SGB XII). Nur die Aufbringung
der Mittel für die Kosten des Lebensunterhalts ist gemäß § 92 Abs 2 Satz 1 Nr 2 SGB XII zumutbar, wenn die Hilfe zu einer
angemessenen Schulbildung einschließlich der Vorbereitung hierzu geleistet wird, und zwar unabhängig von vorhandenem Vermögen
(§ 92 Abs 2 Satz 2), also nur aus dem Einkommen.
Unabhängig von allen weiteren Erwägungen kommt damit eine Erstattungspflicht seit dem 14. Februar 2008 nicht in Betracht,
da mit diesem Zeitpunkt eine möglicherweise bestehende Einsatzpflicht der Klägerin ohnehin endete. Denn nach § 19 Abs 3 SGB
XII sind nur Eltern minderjähriger unverheirateter Leistungsberechtigter bei Vorliegen der weiteren Voraussetzungen mit ihrem
Einkommen einsatzpflichtig; am 14. Februar 2008 vollendete H. sein 18. Lebensjahr.
Unzutreffend ist die Auffassung des Beklagten, alleinige und von den Vorschriften der §§ 85 ff SGB XII isoliert zu betrachtende
Rechtsgrundlage für den verlangten Kostenbeitrag sei § 92 Abs 2 SGB XII. Vielmehr regelt diese Vorschrift die gegenüber anderen
Leistungen für behinderte Personen nur eingeschränkte Einkommens- und Vermögensanrechnung bei den dort genannten Leistungen
der Eingliederungshilfe; sie ist auf die Aufbringung der Mittel nur für die Kosten des Lebensunterhaltes beschränkt und nur
in Höhe der für den häuslichen Lebensunterhalt ersparten Aufwendungen anzusetzen. In jedem Fall kann nach § 92 SGB XII ebenso
wie nach § 19 Abs 3 SGB XII - nur ein zumutbarer Kostenbeitrag gefordert werden; hinsichtlich der Zumutbarkeit des Kostenanteils
gilt das Elfte Kapitel, 2. Abschnitt, in dem der Einkommens- und Vermögenseinsatz geregelt ist (so auch Wahrendorf in Grube/Wahrendorf,
SGB XII, 2. Aufl, § 92 Rdnr 5, W. Schellhorn in Schellhorn/Schellhorn/Hohm, SGB XII, 17. Aufl, § 92 Rdnr 34). § 92 Abs 2 SGB
XII schafft insoweit keine außerhalb der allgemeinen Einkommensgrenzen stehende Sonderregelung (s. zu der identischen Vorgängerregelung
in § 43 BSHG BVerwG, Beschluss vom 7. April 1995, 5 B 36/94, FEVS 46, 8), sondern stellt eine Einschränkung des § 92 Abs 1 SGB XII dar; den Ersatzpflichtigen wird lediglich zugemutet,
die Kosten für den Lebensunterhalt aufzubringen, sofern sie überhaupt nach den Vorschriften des Elften Kapitels des SGB XII
(§§ 85 ff) zu einem Kostenbeitrag - für die in Abs 2 genannten Leistungen der Eingliederungshilfe - herangezogen werden können
(Wahrendorf, aaO., § 92 Rdnr 10). Die vom Beklagten in Bezug genommene gegenteilige Auffassung von Lippert (in Mergler/Zink,
SGB XII, Stand September 2008, § 92 Rdnrn 16, 32), bei der Erhebung des Kostenbeitrags nach § 92 Abs 2 SGB XII sei das gesamte
Einkommen - auch unter der Einkommensgrenze - einzusetzen, eine Einkommensprüfung habe nicht zu erfolgen, kann nicht überzeugen.
Zum einen widerspricht sich der Kommentar selbst, vgl die Ausführungen bei Rdnr 29: "Bestimmt ist lediglich die Obergrenze
der Heranziehung. Die Ermittlung der im Einzelfall zumutbaren Kostenbeteiligung muss unter Beachtung der Regelungen des 11.
Kapitels 2. Abschn. erfolgen." Zum anderen spricht gegen die Auffassung, dass es sich auch in § 92 Abs 2 SGB XII um eine Regelung
über einen Kostenbeitrag bei Leistungen der Eingliederungshilfe handelt, für die nach der Gesetzessystematik die Einkommensgrenzen
der §§ 85 ff maßgeblich sind.
Ist mithin § 92 Abs 1 S 2 SGB XII in Verbindung mit § 92 Abs 2 S 3 SGB XII allein ersichtliche Rechtsgrundlage für den verlangten
Kostenbeitrag, setzt der Kostenbeitrag nach diesen Vorschriften voraus, dass tatsächlich Kosten des Lebensunterhalts betroffen
sind. Dies sind nach Auffassung des Beklagten die Kosten des von H. in der Werkstatt für behinderte Menschen eingenommenen
Mittagessens. Bereits hieran bestehen Zweifel.
Gemäß § 35 Abs 1 S 1 SGB XII "umfasst der notwendige Lebensunterhalt in Einrichtungen den darin erbrachten (...) notwendigen
Lebensunterhalt". Nach der Auffassung des BSG trifft § 35 SGB XII keine Aussage darüber, welcher sozialhilferechtlichen Leistung
das in einer Einrichtung erbrachte Mittagessen zuzuordnen ist. § 35 SGB XII habe nur zur Folge, dass die (allein) dem Lebensunterhalt
dienenden Leistungen, die in Einrichtungen erbracht werden, dem Dritten oder Vierten Kapitel des SGB XII zuzuordnen seien
und außer in vollstationären Einrichtungen (§ 97 Abs 4 SGB XII) die Zuständigkeit von zwei Trägern der Sozialhilfe begründen.
Jedenfalls das Mittagessen in einer Werkstatt für behinderte Menschen sei als integraler Bestandteil der Eingliederungshilfe
anzusehen (BSG, Urteil vom 9. Dezember 2008, B 8/9b SO 10/07 R). Es spricht vieles dafür, dass auch das Mittagessen in einer
Tagesbildungsstätte der Lebenshilfe im Rahmen der Hilfe zu einer angemessenen Schulbildung als integraler Bestandteil dieser
Art der Eingliederungshilfe angesehen werden muss. Damit würde ein (nach § 92 Abs 2 Satz 1 SGB XII) auf die Kosten des Lebensunterhalts
beschränkter Kostenbeitrag unabhängig von weiteren Erwägungen nicht zu leisten sein, weil das Mittagessen in der Tagesbildungsstätte
nicht den Kosten des Lebensunterhalts zuzurechnen wäre.
Auch wenn man das dem Sohn der Klägerin in der Tagesbildungsstätte gewährte Mittagessen nicht als integralen Bestandteil der
Eingliederungshilfe im Sinn der oben genannten Rechtsprechung des BSG ansieht, sondern als Kosten des Lebensunterhalts im
Sinn des § 92 Abs 2 S 1 SGB XII, kann ein Kostenbeitrag von der Klägerin nicht verlangt werden. Ein Kostenbeitrag ist ihr
nicht zuzumuten.
Ob und in welcher Höhe die Erhebung eines Kostenbeitrags aus dem Einkommen der Klägerin in Betracht kommt (Vermögen ist gemäß
§ 92 Abs 2 Satz 2 SGB XII ohnehin nicht zu berücksichtigen), richtet sich nach den obigen Ausführungen nach den Vorschriften
des Elften Kapitels des SGB XII. Zunächst ist das Einkommen der Klägerin und ihres Sohnes nach § 85 SGB XII zu ermitteln und
dann zu prüfen, ob sie mit dem gemäß § 85 Abs 2 Satz 1 SGB XII gemeinsamen zu berücksichtigenden Einkommen über der dortigen
Einkommensgrenze liegen. Dies war nicht der Fall. Die Klägerin und ihr Sohn bezogen bis September 2006 Grundsicherungsleistungen
nach dem SGB XII bzw entsprechende Leistungen nach dem SGB II; seit Oktober 2006 hatten sie - unbereinigte - Einkünfte in
Höhe von monatlich 1.173,78 EUR (Rente: 693,78 EUR, Kindergeld: 154,00 EUR, Unterhaltszahlung für H.: 217,00 EUR sowie Wohngeld:
109,00 EUR), wobei die Kindergeldzahlungen trotz der Abzweigung in voller Höhe angesetzt und Versicherungsbeiträge noch nicht
berücksichtigt worden sind. Das Pflegegeld ist, worauf das SG bereits zutreffend hingewiesen hat, nicht als Einkommen zu berücksichtigen. Es ist einerseits für den Pflegebedürftigen zweckbestimmtes
Einkommen nach § 83 Abs 1 SGB XII und daher nicht für seinen Lebensunterhalt einzusetzen. Wird es an Pflegepersonen weitergeleitet,
ist es ebenfalls nicht als deren Einkommen iS von § 82 Abs 1 SGB XII zu behandeln (Senatsbeschluss vom 7. Oktober 2005, L
8 SO 60/05 ER; LSG NRW, Beschluss vom 2. August 2007, L 20 B 42/07 AY ER; Grube in Grube/Wahrendorf, SGB XII, 2. Auflage 2008, § 64 Rdnr 3). Damit erreichten die noch unbereinigten Einkünfte
der Klägerin und ihres Sohnes in Höhe von 1.173,78 EUR monatlich seit Oktober 2006 nicht die Einkommensgrenze des § 85 Abs
2 SGB XII. Diese belief sich bei einem zweifachen Eckregelsatz von 690,00 EUR, einem Familienzuschlag von 70 vH des Eckregelsatzes
von 242,00 EUR und unter Zugrundelegung der vom Beklagten anerkannten angemessenen Kosten der Unterkunft in Höhe von 370,20
EUR bis Juni 2007 auf 1.302,20 EUR; durch die Erhöhung des Eckregelsatzes um 2,00 EUR ab Juli 2007 erhöhte sich die Einkommensgrenze
auf 1.307,20 EUR.
Folglich ist § 88 SGB XII maßgeblich, der den Einsatz des Einkommens unter der Einkommensgrenze regelt. Weil jedoch § 88 Abs
1 Satz 1 Nr 3 SGB XII mit Wirkung vom 7. Dezember 2006 gestrichen worden ist, fehlt für die Zeit ab dem 7. Dezember 2006 für
die Erhebung eines Kostenbeitrages von der Mutter des Leistungsempfängers eine Rechtsgrundlage, wie ein Blick auf die Rechtsentwicklung
verdeutlicht.
Ursprünglich war nach dem Gesetz zur Änderung des Gesetzes zur Einordnung des Sozialhilferechts in das Sozialgesetzbuch vom
09. Dezember 2004 (BGBl I S.3305) in § 82 Abs 4 S 1 SGB XII folgende Regelung enthalten: "Lebt eine Person in einer teilstationären
oder stationären Einrichtung, kann die Aufbringung der Mittel bei Leistungen nach dem Dritten Kapitel von ihr verlangt werden,
soweit Aufwendungen für den häuslichen Lebensunterhalt erspart werden." § 88 Abs 1 Nr 3 SGB XII ermöglichte (entsprechend § 85 Abs 1 Nr 3 BSHG) den Einkommenseinsatz unter der Einkommensgrenze, "soweit bei teilstationären oder stationären Leistungen Aufwendungen für
den häuslichen Lebensunterhalt erspart werden."
Beide Vorschriften, die als systemwidrig angesehen wurden, u.a. da sie die Herauslösung des Lebensunterhalts aus den Leistungen
nach den Kapiteln 5 bis 9 nicht konsequent umsetzten (vgl hierzu W. Schellhorn in Schellhorn/Schellhorn/Hohm, SGB XII, 17.
Aufl. § 88 Rdnr 15), wurden mit Wirkung vom 7. Dezember 2006 (Gesetz zur Änderung des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch und
anderer Gesetze vom 2. Dezember 2006, BGBl I, 2670) gestrichen. Zur Begründung hieß es im Gesetzentwurf der Bundesregierung:
"Da nach der Konzeption des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch die Hilfe zum Lebensunterhalt nicht mehr Bestandteil der Leistungen
nach dem Fünften bis Neunten Kapitel ist, kann bei teilstationären oder stationären Leistungen nach dem Fünften bis Neunten
Kapitel kein häuslicher Lebensunterhalt erspart werden. Die Vorschrift ist daher insoweit zu streichen" (BT-Drs. 16/2711,
S. 12).
Die entsprechende Vorschrift für den Einkommenseinsatz bei Leistungen für Einrichtungen findet sich seither in dem mit Wirkung
vom 7. Dezember 2006 eingefügten § 92a SGB XII, der den bisherigen § 82 Abs 4 SGB XII ersetzt. § 92a Abs 1 SGB XII lautet:
"Erhält eine Person in einer teilstationären oder stationären Einrichtung Leistungen, kann die Aufbringung der Mittel für
die Leistungen in der Einrichtung nach dem dritten und vierten Kapitel von ihr und ihrem nicht getrennt lebenden Ehegatten
oder Lebenspartner aus dem gemeinsamen Einkommen verlangt werden, soweit Aufwendungen für den häuslichen Lebensunterhalt erspart
werden."
Diese Vorschrift enthält keine Rechtsgrundlage für die Erhebung eines Kostenbeitrages von Eltern minderjähriger und unverheirateter
Kinder für die Leistungen in der Einrichtung. Sie verlangt die Einsatzpflicht lediglich von der leistungsberechtigten Person
und ihrem Lebenspartner oder Ehegatten. Den Vorschlag des Bundesrates, die Eltern minderjähriger Leistungsberechtigter in
§ 92a SGB XII mit aufzunehmen, hat der Gesetzgeber nach einer ablehnenden Gegenäußerung der Bundesregierung (BT-Drs 16/2753)
nicht umgesetzt. Auf § 92a SGB XII kann sich der Beklagte zur Erhebung des Kostenbeitrags von der Klägerin für die Zeit seit
7. Dezember 2006 daher nicht stützen.
Der Kostenbeitragsbescheid ist auch für den Zeitraum vom 1. Januar 2005 bis 6. Dezember 2006 wegen Ermessensunterschreitung
rechtswidrig. Rechtsgrundlage ist für diese Zeit § 92 Abs 1 S 2, Abs 2 Satz 1 Nr 2 SGB XII iVm § 85 Abs 2 und § 88 SGB XII
in der bis zum 6. Dezember 2006 gültigen Fassung. Auch in diesem Zeitraum lagen die zu berücksichtigenden Einkünfte der Klägerin
und von H. unterhalb der Einkommensgrenze des § 85 Abs 2 SGB XII (1.302,20 EUR; zur Berechnung des Einkommens s. oben).
Gemäß § 88 Abs 1 Nr 3 SGB XII in der oben genannten Fassung kann die Aufbringung der Mittel, auch soweit das Einkommen unter
der Einkommensgrenze liegt, verlangt werden, soweit bei teilstationären oder stationären Leistungen Aufwendungen für den häuslichen
Lebensunterhalt erspart werden. Bei dieser Vorschrift handelt es sich allerdings um eine Ermessensvorschrift. Der Sozialhilfeträger
entscheidet über die Heranziehung nach § 88 Abs 1 SGB XII nach pflichtgemäßem Ermessen. Eine Heranziehung ist rechtswidrig,
wenn der Träger der Sozialhilfe bei Festsetzung des Kostenbeitrags Ermessen nicht ausgeübt hat. Verlautbarte Ermessenserwägungen
sind mit Rücksicht darauf unverzichtbar, dass die Skala der Entscheidungen unter Berücksichtigung der Besonderheiten des Einzelfalles
vom Verzicht auf die Erhebung eines Kostenbeitrages bis zur vollen Heranziehung des Einkommens reichen kann (BVerwG, Urteil
vom 25. November 1982, 5 C 13/82, FEVS 32, 309; Schoch in LPK- SGB XII, 1. Aufl., § 88 Rdnr 10; Wahrendorf aaO., § 88 Rdnr 2; W. Schellhorn aaO. § 88 Rdnr
4).
Weder der Bescheid vom 5. Januar 2006 noch der Widerspruchsbescheid vom 20. Dezember 2006 enthalten Ermessenserwägungen. Aus
der Begründung der Bescheide ergibt sich vielmehr, dass der Beklagte fehlerhaft davon ausgegangen ist, § 92 Abs 2 SGB XII
sei so zu verstehen, dass unabhängig von einer Einkommensprüfung und unabhängig von Ermessenserwägungen bei der Hilfe zu einer
angemessenen Schulbildung einschließlich der Vorbereitung hierzu den in § 19 Abs 3 SGB XII genannten Personen die Aufbringung
der Mittel nur für die Kosten des Lebensunterhaltes in jedem Fall zuzumuten sei. Dieses Verständnis des § 92 SGB XII ist jedoch
nicht zutreffend, wie oben bereits ausgeführt wurde.
Der Beklagte hätte nur den Weg wählen können, den Bedarf von H. bei der Berechnung der ihm zustehenden Hilfe zum Lebensunterhalt
ab dem 1. Juli 2005 nach dem dritten Kapitel des SGB XII (nicht nach dem vierten Kapitel, die Anspruchsvoraussetzungen lagen
für den 15-Jährigen gemäß § 41 Abs 1 Nr 2 SGB XII in der im Jahre 2005 geltenden Fassung, jetzt § 41 Abs 3 SGB XII, nicht
vor) um den in § 28 Abs 1 S 1 SGB XII festgeschriebenen normativen Bedarf für die Kosten des Mittagessens nach § 28 Abs 1
S 2 SGB XII abzusenken und abweichend festzulegen (s. hierzu BSG, Urteil vom 11. Dezember 2007, B 8/9b SO 21/06 R; Urteil
vom 09. Dezember 2008, B 8/9b SO 10/07 R). Während des Bezuges von Sozialgeld nach dem SGB II vom 1. Januar bis 30. Juni 2005
hätte auch diese Möglichkeit nicht bestanden, weil das SGB II eine abweichende Festlegung des Bedarfs im Einzelfall nicht
vorsieht.
Die Revision war wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zuzulassen (§
160 Abs
2 Nr
1 SGG).
Die Streitwertfestsetzung berücksichtigt den Zeitraum bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres von H. am 13. Februar 2008.
Sie bestimmt sich nach § 63 Abs 2 Satz 1 Gerichtskostengesetz (GKG) iVm § 42 Abs 3 S 1 GKG.