Tatbestand
Streitig ist Rente wegen voller, hilfsweise wegen teilweiser Erwerbsminderung.
Der 1971 geborene Kläger war nach einer Ausbildung zum Tischler und Schreiner später bis 2001 als Arbeiter im Garten- und
Landschaftsbau beschäftigt. Am 2.1.2001 erlitt er einen Verkehrsunfall, der als Arbeitsunfall anerkannt wurde. Wegen der Unfallfolgen
"unter Falschgelenkbildung verheilter Bruch des rechten Oberschenkels, knöchern verheilte Fraktur im Handwurzelbereich rechts,
Funktionseinschränkung des rechten Handgelenks" bezieht er seit 2004 von der Gartenbau-Berufsgenossenschaft (seit dem 1.1.2013
aufgegangen in der Sozialversicherung für Landwirtschaft, Forsten und Gartenbau (SVLFG), im Folgenden: BG) eine Verletztenrente
nach einem Grad der Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) von zunächst von 30 vom Hundert (vH), später unter Einbeziehung einer
"mittelgradig depressiven Episode" als Unfallfolge nach einem Grad der MdE von 40 vH, seit dem 1.1.2011 50 vH. Der Kläger
ist als Schwerbehinderter anerkannt. Der Grad der Behinderung (GdB) beträgt seit Mitte 2006 50 (Bescheid vom 21.7.2006; zuvor:
100). Nach zwischenzeitlich nur vorübergehender Beschäftigung bis Ende 2005 ist der Kläger seit März 2010 in einem Umfang
von derzeit 4,75 Stunden täglich bei der K GmbH in T als Metallhelfer beschäftigt.
Auf den im September 2006 gestellten Antrag auf Rente wegen Erwerbsminderung zog die Beklagte medizinische Unterlagen der
BG und Berichte über eine Operation der unteren Lendenwirbelsäule (2006) bei. Die als Gutachterin eingeschaltete Internistin
Dr. B aus B hielt (nach Lage der Akten) die Tätigkeit als Landschaftsbauer nicht mehr für zumutbar, den Kläger ansonsten jedoch
für in der Lage, leichte Tätigkeiten überwiegend im Sitzen ohne besondere Belastung des Bewegungs- und Halteapparates und
ohne zusätzliche Gefährdungs- und Belastungsfaktoren 6 Stunden und mehr arbeitstäglich zu verrichten (Gutachten vom 15.12.2006).
Facharzt für Orthopädie Dr. T3 aus B schloss sich als weiterer Gutachter nach Untersuchung des Klägers am 16.11.2006 dieser
Beurteilung an (Gutachten vom 30.11.2006). Die Beklagte lehnte ab, Rente wegen Erwerbsminderung zu gewähren, da der Kläger
auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt noch vollschichtig erwerbstätig sein könne (Bescheid vom 15.1.2007; Widerspruchsbescheid
vom 17.7.2007).
Mit seiner Klage vom 3.8.2007 hat der Kläger behauptet, in der Zusammenschau aller Erkrankungen nicht mehr in der Lage zu
sein, vollschichtig und regelmäßig einer gewinnbringenden Tätigkeit nachzugehen. Die Gesundheitsstörungen seien so schwerwiegend,
dass er unter Bewegungseinschränkungen und großen Schmerzen leide. Es liege eine Vielzahl von Leistungseinschränkungen vor,
insbesondere sei zu beachten, dass er nur noch in wechselnder Körperhaltung und ohne Anforderungen an die rechte Hand arbeiten
könne. Eine zumutbare Verweisungstätigkeit sei weder von der Beklagten benannt noch ersichtlich.
Im Termin zur mündlichen Verhandlung hat der Kläger eine gutachterliche Stellungnahme des Psychiaters T2 aus X (vom gleichen
Tag) vorgelegt. Dieser Arzt hat von einer Behandlung seit Januar 2010 berichtet; aufgrund gravierender psychiatrischer Leistungseinschränkungen
sei eine leichte Tätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt nur noch für 4 bis unter sechs Stunden täglich möglich.
Der Kläger hat beantragt,
die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 15.1.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 17.7.2007 zu verurteilen,
ihm eine Rente wegen voller Erwerbsminderung,
hilfsweise
wegen teilweiser Erwerbsminderung unter Zugrundelegung eines Leistungsfalls vom 1.1.2005 nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen
zu gewähren.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat ihre Entscheidung weiter für richtig gehalten.
Das Sozialgericht (SG) hat aus den Streitakten zum Klageverfahren des Klägers gegen die BG (SG Aachen, Aktenzeichen (Az) S 13 U 98/07) die Gutachten des Unfallchirurgen Dr. C vom 30.11.2003 und 14.4.2005, des Orthopäden Prof. Dr. C1 vom 21.6.2004 und 2.5.2006,
des Radiologen Dr. C2 vom 5.12.2006 und des Unfallchirurgen Dr. S vom 9.12.2006 in Ablichtung zu den Akten genommen, einen
Befundbericht (im Folgenden: BB) des behandelnden Neurochirurgen Dr. T1 aus B eingeholt (vom 13.11.2007) und als Sachverständige
Orthopäden Dr. N aus B, Fachärztin für Neurologie, Psychiatrie, Psychotherapie und spezielle Schmerzmedizin Dr. M aus B und
- auf Antrag des Klägers - Facharzt für Psychiatrie/Psychotherapie S1 aus B beauftragt, das Leistungsvermögen des Klägers
zu beurteilen. Dr. N hielt die Leistungsbeurteilung der Beklagten für zutreffend, Psychiater und Psychotherapeut S1 hielt
wegen der Schmerzstörung eine regelmäßige Tätigkeit nur noch für weniger als 6 Stunden arbeitstäglich für möglich und empfahl,
ein schmerztherapeutisches Gutachten einzuholen. Die daraufhin eingeschaltete Nervenärztin und Schmerztherapeutin Dr. M hielt
die Leistungsbeurteilung der Beklagten und von Dr. N auch unter Berücksichtigung der regelmäßigen Schmerzmedikation (Opioide)
weiter für zutreffend. Das SG hat alle 3 Sachverständigen in der mündlichen Verhandlung ergänzend gehört und die Klage abgewiesen: Es sei nicht erwiesen,
dass das Leistungsvermögen des Klägers auf unter 6 Stunden täglich abgesunken sei. Die Schmerztherapeutin Dr. M habe die fachfremde
Einschätzung des Psychiaters S1 nicht bestätigt (Urteil vom 5.5.2010, dem Klägerbevollmächtigten am 9.6.2010 zugestellt).
Mit seiner Berufung vom 17.6.2010 hat der Kläger ein im Auftrag der BG erstattetes Gutachten des Facharztes für Psychiatrie
und Psychotherapie N1 und ein (für das Landgericht Aachen zur Frage einer 2008 bis 2010 bestehenden unfallbedingten Arbeitsunfähigkeit
aufgrund Untersuchung am 26.8.2011 erstattetes) Gutachten von Prof. Dr. L, Direktor der Klinik und Poliklinik für Psychiatrie
und Psychotherapie an der Universität zu L, vorgelegt und vorgetragen, wegen Art und Schwere der Erkrankungen seien konkrete
Verweisungstätigkeiten zu benennen; einen Arbeitsplatz, auf dem im Wechsel der Haltungsarten Gehen/Stehen/Sitzen gearbeitet
werde und nach freiem Entschluss die Haltungsart selbst jederzeit gewechselt werden könne, sei auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt
unüblich; da nur noch Tätigkeiten in geschlossenen Räumen zumutbar seien und Einschränkungen im Bereich der rechten Hand vorlägen,
liege eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen vor. Überdies führten die vom Kläger einzunehmenden Medikamente
zu übermäßiger Müdigkeit.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Aachen vom 5.5.2010 zu ändern und die Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 15.1.2007
in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 17.7.2007 zu verurteilen, dem Kläger auf der Grundlage eines Versicherungsfalls
vom 2.1.2001 ab dem 1.10.2006 Rente wegen voller Erwerbsminderung,
hilfsweise
wegen teilweiser Erwerbsminderung zu gewähren,
hilfsweise, die Sachverständigen Dr. E und Dr. T mündlich ergänzend zu den Ausführungen in ihren schriftlichen Sachverständigengutachten
zu hören sowie den Vater des Klägers als Zeugen dazu zu hören, dass der Kläger, wenn er von der Arbeit nach Hause kommt, müde
und abgeschlagen ist.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
Der Senat hat Befundberichte der behandelnden Ärzte Dr. T1, T2 und Dr. F (Schmerztherapeutin), vom Diplompsychologen L1 sowie
eine gutachterliche Stellungnahme von Prof. Dr. L eingeholt, die Verwaltungsakten der BG beigezogen und als (weitere) Sachverständige
zunächst Arzt für Orthopädie Dr. T aus L und Arzt für Neurologie, Psychiatrie und Psychotherapie und Schmerztherapie Dr. E
aus T eingeschaltet. Dr. T hat den Kläger für in der Lage gehalten, leichte körperliche Tätigkeiten in wechselnden Körperhaltungen
in geschlossenen Räumen arbeitstäglich mindestens sechs aber weniger als acht Stunden zu verrichten, dabei allerdings Arbeiten
unter Leistungsdruck, am Fließband, mit Wechselschicht, auf Gerüsten, auf Leitern und bei Exposition von Zugluft und Kälte
nicht mehr für möglich gehalten. Die zumutbare Wegstrecke betrage leicht über 4 × 500 m innerhalb von 20 Minuten arbeitstäglich,
öffentliche Verkehrsmittel und (für kurze Strecken) ein Pkw könnten benutzt werden (Gutachten vom 8.7.2011). Dr. E hat die
Diagnosen "chronische Schmerzstörung mit organischen und psychischen Faktoren, Somatisierungsstörung, Lumbalgie L5/S1 links
mehr als rechts ohne eindeutig nachweisbare neurologische Auffälligkeiten, medikamentös zur Zeit nicht gut eingestellter Bluthochdruck"
gestellt und die Leistungsfähigkeit des Klägers wie folgt beurteilt: der Kläger könne noch vollschichtig leichte bis zeitweise
mittelschwere Tätigkeiten wechselnd im Sitzen, Stehen und Gehen mit weiteren qualitativen Einschränkungen ausüben; ein gelegentlicher
Haltungswechsel sei ausreichend; eine Störung der Konzentrationsfähigkeit liege nicht vor (Gutachten vom 2.12.2011 mit ergänzender
Stellungnahme vom 14.1.2013). Anschließend hat der Senat - auf erneuten Antrag des Klägers - den Facharzt für Anästhesiologie
und Allgemeinmedizin Dr. G als Sachverständigen beauftragt, der den Kläger nur noch für in der Lage gehalten hat, körperlich
leichte Tätigkeiten mit der rechten Hand, gelegentlich mittelschwere grobe Tätigkeiten [ ] in wechselnder Körperhaltung, bevorzugt
im Sitzen, ein Drittel im Gehen, 10% im Stehen mit einigen weiteren Einschränkungen sowie geistig einfache bis gelegentlich
mittelschwere Tätigkeiten mindestens 3 aber weniger als 6 Stunden arbeitstäglich zu verrichten. Wegen einer möglichen Besserung
sei eine Nachbegutachtung nach zwei Jahren zu empfehlen (Gutachten vom 31.10.2012). Dr. T hat zusammenfassend unter Berücksichtigung
aller Gutachten den Kläger weiter für in der Lage gehalten, körperlich leichte, dem Leistungsbild angepasste Tätigkeiten arbeitstäglich
sechs Stunden und mehr zu verrichten (ergänzende Stellungnahmen vom 21.1. und 8.7.2013).
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Gerichtsakten sowie die Verwaltungsakten der Beklagten
und der BG Bezug genommen, die sämtlich Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.
Entscheidungsgründe
Die Berufung ist unbegründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Kläger ist durch den Bescheid vom 15.1.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids
vom 17.7.2007 (§
95 Sozialgerichtsgesetz (
SGG)) nicht beschwert, §
54 Abs
2 S 1
SGG. Dieser Bescheid ist nicht rechtswidrig, weil die Beklagte zu Recht abgelehnt hat, dem Kläger Rente wegen voller (oder teilweiser)
Erwerbsminderung zu gewähren (im Folgenden I.). Der Rechtsstreit ist entscheidungsreif; weitergehende Beweiserhebungen iS
der Beweisanträge des Klägers sind nicht erforderlich (im Folgenden II.).
I. Gemäß §
43 Abs
2 S 1
SGB VI haben Versicherte bis zur Vollendung der Regelaltersgrenze Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung, wenn sie voll
erwerbsgemindert sind, in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte
Beschäftigung oder Tätigkeit haben und vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben. Voll erwerbsgemindert
sind zunächst Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außer Stande sind, unter den üblichen
Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein, §
43 Abs
2 S 2
SGB VI. Voll erwerbsgemindert ist außerdem, wer (nur) teilweise erwerbsgemindert ist, wenn ihm ein Teilzeitarbeitsplatz nicht zu
Verfügung steht und auch vom Rentenversicherungsträger nicht angeboten werden kann. Das BSG hat nämlich die gesetzlichen Vorgaben durch Richterrecht zum Teil ergänzt (BSGE 43,75 = SozR 2200 § 1246 Nr 13). Diese Rechtsprechung
betrifft Versicherte, die gesundheitsbedingt in einem zumutbaren Beruf nicht mehr mindestens sechs Stunden einsetzbar, also
nur zu entsprechender Teilzeitarbeit fähig sind. Für diesen Personenkreis hat das BSG den Versicherungsschutz der gesetzlichen Rentenversicherung erweitert und neben das gesetzlich versicherte Gut der Berufsfähigkeit
(Erwerbsfähigkeit) dasjenige der Berufsmöglichkeit (Erwerbsmöglichkeit) gestellt und damit die gesetzlich versicherten Risiken
der Krankheit und Behinderung um dasjenige der Unvermittelbarkeit auf dem Arbeitsmarkt im jeweiligen Antragszeitraum (sog
jeweilige Arbeitsmarktlage) ergänzt; außerdem hat es die Anspruchsschwelle dadurch gesenkt, dass sie auch schon dann überschritten
sein kann, wenn der Versicherte einen zumutbaren Beruf in zeitlicher Hinsicht nur unter sechs Stunden arbeitstäglich verrichten
kann; diese Anspruchsschwelle ist überschritten, falls dem Versicherten binnen eines Jahres kein geeigneter und freier (Teilzeit-)Arbeitsplatz
in einem zumutbaren Beruf angeboten wird; dann ist eine Arbeitsmarktrente in der Form und (im übrigen) nach den Regeln einer
Rente wegen Erwerbsminderung zu bewilligen (BSGE 78, 207 ff = SozR 3-2600 § 43 Nr 13; BSG SozR 3-2200 § 1276 Nr 3). Die zuletzt genannten besonderen Voraussetzungen kommen beim Kläger (jedenfalls ab März 2010) schon deshalb nicht
zum Tragen, weil er einen Teilzeitarbeitsplatz innehat, ohne auf Kosten seiner Gesundheit zu arbeiten. Der Kläger ist aber
auch nicht teilweise erwerbsgemindert.
Teilweise erwerbsgemindert ist, wer aus den oben zur vollen Erwerbsminderung angeführten Gründen außer Stande ist, unter den
üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein, §
43 Abs
1 S 2
SGB VI. Nicht (einmal teilweise) erwerbsgemindert ist dagegen, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes
mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein kann, §
43 Abs
3 1. Hs
SGB VI. Nach diesen Grundsätzen besteht kein Anspruch auf Rente wegen voller oder teilweiser Erwerbsminderung, weil der Kläger zum
einen nicht (einmal) teilweise erwerbsgemindert ist und auch noch unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes
erwerbstätig sein kann. Nach dem Beweisergebnis lässt sich nicht feststellen, dass der Kläger wegen Krankheit oder Behinderung
auf nicht absehbare Zeit außerstande ist, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden
täglich erwerbstätig zu sein; im Gegenteil hat sich herausgestellt, dass der Kläger mit den bei ihm nachweislich vorliegenden
Leistungseinschränkungen noch in der Lage ist, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs
Stunden erwerbstätig zu sein.
Die Fähigkeit des Klägers, einer regelmäßigen Erwerbstätigkeit nachzugehen, wird im Wesentlichen durch die Auswirkungen folgender
Gesundheitsstörungen beeinträchtigt: Chronische Schmerzstörung mit organischen und psychischen Faktoren und erforderlicher
regelmäßiger Einnahme von Opiaten; Somatisierungsstörung, Bewegungseinschränkungen in allen Gelenken der rechten oberen und
unteren Extremitäten mit Beinlängenverkürzung rechts um ca. 2 cm, insbesondere rechts end- bis mittelgradig schmerzhaft eingeschränkte
Handgelenksbeweglichkeit und Rotationseinschränkung des rechten Hüftgelenks mit Gangstörung, Bewegungseinschränkung des linken
Kniegelenks, Lumbalgie bei degenerativen Veränderungen der Lendenwirbelsäule mit Wirbelgleiten L5/S1, Bluthochdruck, erhebliche
Übergewichtigkeit.
Weitere, die Erwerbsfähigkeit signifikant einschränkende Krankheiten oder Behinderungen liegen nicht vor. Mit den von den
gerichtlichen Sachverständigen festgestellten funktionellen Auswirkungen dieser Krankheiten und Behinderungen kann der Kläger
noch körperliche leichte Tätigkeiten in wechselnden Körperpositionen (gelegentlicher Haltungswechsel genügt), ohne einseitige
Zwangshaltungen, in geschlossenen Räumen, ohne besondere Anforderungen an das Reaktionsvermögen zumindest regelmäßig noch
mindestens sechs Stunden arbeitstäglich verrichten. Lediglich Arbeiten unter Leistungsdruck, am Fließband, mit Wechselschicht,
auf Gerüsten oder Leitern oder mit Exposition von Zugluft und Kälte vermag er nicht mehr zu verrichten. Dagegen liegen trotz
regelmäßiger Medikamenteneinnahme Störungen der Konzentrationsfähigkeit nicht vor.
Die gerichtlichen Sachverständigen haben nachvollziehbar begründet, dass trotz der qualitativen Leistungseinschränkungen die
Erwerbsfähigkeit nicht so erheblich eingeschränkt ist, dass er nicht körperlich leichte Tätigkeiten für mindestens sechs Stunden
arbeitstäglich verrichten kann, ohne auf Kosten seiner Gesundheit zu arbeiten. Dem Kläger ist aus sozialmedizinischer Sicht
mithin zumutbar, neben seiner derzeitigen Arbeitszeit von 4,75 Stunden (mindestens) weitere 75 Minuten täglich zu arbeiten,
solange die von den Sachverständigen bezeichneten Einschränkungen beachtet werden (wie offenbar an seinem derzeitigen Arbeitsplatz,
wo er nach eigener Schilderung als "Mädchen für alles" in wechselnder Körperhaltung u.a. als Lagerverwalter am Stehpult, als
Hausmeister und als Fahrer tätig ist).
Das alles steht zur Überzeugung des Senats nach dem Ergebnis der gesamten Beweisaufnahme fest. Der Senat stützt sich dabei
auf die Gutachten der gerichtlichen Sachverständigen Dres. N, M, insbesondere aber die ausführlichen, alle Besonderheiten
des Falls würdigenden Gutachten der Sachverständigen Dres. E und T. Die Sachverständigen haben den Kläger persönlich untersucht
und ihre Diagnosen unter Einbeziehung sämtlicher aktenkundiger medizinischer Unterlagen (insbesondere der BG und aus dem Parallelverfahren
gegen die BG) und Berücksichtigung und Würdigung des Klägervorbringens gestellt und daraus nachvollziehbar die resultierenden
Leistungseinschränkungen hergeleitet. Die Gutachten der gerichtlichen Sachverständigen S1 und Dr. G und die im Wege des Urkundsbeweises
verwerteten Gutachten der Ärzte N1 und Prof. Dr. L hindern diese Überzeugungsbildung nicht.
Entgegen der Feststellung der BG lässt sich zur Überzeugung des Senats nicht mit der erforderlichen an Sicherheit grenzenden
Wahrscheinlichkeit feststellen, dass beim Kläger außer den von Dr. E festgestellten Krankheiten ein - von den genannten Ärzten
für unterschiedliche Zeitpunkte angenommenes - bedeutsames chronisches depressives Syndrom mit mittelgradigen depressiven
Episoden in einem rechtlich erheblichen Zeitumfang (von mindestens sechs Monaten) vorliegt oder vorgelegen hat und zu einer
quantitativen Leistungseinschränkung führt oder geführt hat. Dr. G geht zwar vom Vorliegen mehrerer depressiver Episoden in
der Vergangenheit aus, macht jedoch keine Angaben zu Zeitpunkt, Länge und Schwere der depressiven Symptomatik. Auch im Übrigen
kann sein Gutachten nicht überzeugen. Die ungeordneten und weitgehend theoretischen Ausführungen ohne konkreten Bezug zum
Kläger lassen eine genaue Beschreibung der Krankheiten und Leistungsbeeinträchtigungen des Klägers nicht erkennen. Dr. G hat
darüber hinaus nicht (nachvollziehbar) begründet, woraus und inwiefern eine zeitliche Einschränkung der Leistungsfähigkeit
auf unter sechs Stunden arbeitstäglich resultieren soll. Ebenso wenig kann aus dem Gutachten von Prof. Dr. L auf eine bedeutende
dauerhafte Minderung der Erwerbsfähigkeit geschlossen werden. Prof. Dr. L hat nicht zu einer Minderung der Erwerbsfähigkeit
Stellung genommen, sondern (nur) die Arbeitsunfähigkeit des Klägers in der Zeit von 2008 bis 2010 festgestellt. Dabei ist
nicht einmal klar, ob er (zutreffend) die Arbeitsunfähigkeit nach den Bedingungen der letzten Beschäftigung vor dem Unfall
bewertet hat. Prof. Dr. L geht zwar von einem chronischen depressiven Syndrom im von ihm beurteilten Zeitraum aus, beschreibt
aber eine Besserung seit Arbeitsaufnahme, evtl kurz zuvor (also Anfang 2010), während der Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie
N1 zwar von einer depressiven Symptomatik seit 2003, von einer mittelgradigen depressiven Störung aber erst seit Januar 2010
ausgeht, also ungefähr ab dem Zeitpunkt, ab dem sich nach Prof. Dr. L eine Besserung eingestellt hat. Gegen die Annahme einer
eine dauerhafte Erwerbsminderung bedingenden depressiven Symptomatik in der von Prof. Dr. L angenommenen Zeit spricht auch,
dass Psychiater S1 im Juni 2008 festgestellt hat, die (von ihm angenommene) depressive Symptomatik bewirke keine Erwerbsminderung.
Zumindest bis Januar 2010 (Erstvorstellung beim Psychiater T2) fand überdies keine fachpsychiatrische Behandlung statt. Bei
diesen nicht miteinander in Einklang stehenden Beurteilungen überzeugt, dass weder Dr. M noch Dr. E eine depressive Symptomatik
festgestellt haben und im Längsschnitt auch nicht vom Vorliegen einer solchen Erkrankung ausgehen.
Die beim Kläger unzweifelhaft vorliegende Somatisierungsstörung führt entgegen der Beurteilung des Sachverständigen S1 nicht
zu einer Einschränkung der täglichen Arbeitszeit auf unter 6 Stunden. Der Sachverständige hat seine Leistungsbeurteilung auf
den fachfremd geäußerten Verdacht einer Schmerzstörung gestützt und die Einholung eines schmerztherapeutischen Gutachtens
empfohlen. Die daraufhin gehörten Schmerztherapeuten Dr. M und Dr. E haben die Diagnose bestätigt, jedoch nachvollziehbar
begründet, dass daraus keine rechtserhebliche Reduzierung der täglich möglichen Arbeitszeit resultiert.
Auch aus den schriftlichen Äußerungen der behandelnden Ärzte ergibt sich zur Überzeugung des Senats nichts Abweichendes. Soweit
Facharzt für Psychiatrie T2 den Kläger für nicht mehr im Stande hält, zumindest noch sechs Stunden leichten Tätigkeiten nachzugehen,
überzeugt diese allgemein gehaltene sozialmedizinische Einordnung schon deshalb nicht, weil die von ihm (u.a.) zugrunde gelegten
(weiteren) Krankheiten "posttraumatische Belastungsstörung, andauernde Persönlichkeitsänderung, Panikstörung, selbstunsichere
und asthenische Persönlichkeitsakzentuierung und atypische Bulimia nervosa" nicht von Dr. E und auch nicht von Prof. Dr. L
festgestellt, sondern von diesen Ärzten ausgeschlossen wurden. Eine zeitliche Einschränkung der Erwerbsfähigkeit auf "drei
bis unter sechs Stunden" ergibt sich auch nicht aus den (Zeugen-)Angaben des behandelnden Neurochirurgen Dr. T1 (BB vom 13.11.2007).
Vielmehr hat er später (BB vom 18.11.2010) eine Schmerzbesserung ab 2006 beschrieben. Zwischen Ende 2008 und November 2010
hat er den Kläger weder untersucht noch behandelt, so dass er über diesen Zeitraum keine Aussage treffen kann. Die von Dr.
T1 angegebenen Befunde wurden in den Gutachten der Sachverständigen ausreichend berücksichtigt. Seiner nicht weiter begründeten
Leistungsbeurteilung sind die Sachverständigen zu Recht nicht gefolgt.
Es liegt auch kein Sonderfall vor, in dem dem Versicherten trotz der Fähigkeit, mindestens sechs Stunden auf dem allgemeinen
Arbeitsmarkt arbeiten zu können, der Arbeitsmarkt nach §
43 Abs
3 SGB VI verschlossen ist, weil er nicht mehr unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes (1) erwerbstätig (2) sein
kann bzw. von der Beklagten zur Abwendung des Rentenanspruchs eine konkrete Tätigkeit benannt werden müsste.
Es liegen keine besonderen Sachverhalte, nach denen
(1) der Kläger nicht mehr unter den üblichen Bedingungen des Arbeitsmarktes arbeiten kann (wie zB eine rechtlich erhebliche
Einschränkung der Wegefähigkeit), und er deshalb wegen einer unwiderleglich vermuteten Verschlossenheit des Arbeitsmarktes
voll erwerbsgemindert ist (auch: "Seltenheits bzw. Katalogfälle"; vgl im Einzelnen BSGE 80, 24, 34f = SozR 3-2600 § 44 Nr 8 S 28 f; BSGE 109, 189 ff = SozR 4-2600 § 43 Nr 16), oder
(2) berechtigte Zweifel am Vorhandensein eines leistungsgerechten Arbeitsplatzes bestehen und die Beklagte zur Widerlegung
einer vermuteten Verschlossenheit des Arbeitsmarktes zur Abwendung des Rentenanspruchs eine konkrete Tätigkeit benennen muss,
die der Kläger mit seinem Leistungsvermögen noch regelmäßig verrichten kann ("Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen";
"schwere spezifische Leistungseinschränkung"; vgl zuletzt: BSGE 109, 189f = SozR 4-2600 § 43 Nr 16f; BSG, Urteil vom 9.5.2012, Az B 5 R 68/11 R = SozR 4-2600 § 43 Nr 18).
Insbesondere ist keine der erwiesenen Leistungseinschränkungen ungewöhnlich und begründet deshalb erhebliche Zweifel am Vorhandensein
geeigneter Arbeitsplätze auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt, schränkt also das bereits auf leichte Tätigkeiten begrenzte Leistungsspektrum
weiter erheblich ein. Das gilt auch für die vom Kläger hervorgehobene Leistungseinschränkung im Bereich der rechten oberen
Extremität. Die Beweglichkeit des rechten Handgelenks ist nach den Feststellungen von Dr. T und der (im Berufungsverfahren
gegen die BG als Sachverständige gehörten) Chirurgin Dr. E1 vielmehr nur end- bis allenfalls mittelgradig eingeschränkt. Damit
besteht auch kein begründeter Anlass zu der Annahme, dass das Spektrum der noch möglichen leichten Tätigkeiten auf dem allgemeinen
Arbeitsmarkt deshalb wesentlich eingeschränkt ist (vgl dazu insbesondere BSGE 109, 189ff). Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger
mit dem verbliebenen Restleistungsvermögen etwa nicht mehr diejenigen körperlich leichten Verrichtungen auszuführen vermag,
die in den Arbeitsfeldern ungelernter Tätigkeiten in der Regel gefordert werden, wie Zureichen, Abnehmen, Transportieren,
Reinigen, Bedienen von Maschinen, Kleben, Sortieren, Verpacken, Zusammensetzen von Teilen, Kopieren, Sortieren, Beschriften
etc. bestehen vor diesem Hintergrund nicht.
Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit steht dem Kläger nicht zu, weil er nicht vor dem 2.1.1961, sondern
1971 geboren wurde, §
240 Abs
1 Nr
1 SGB VI.
II. Der Rechtsstreit ist entscheidungsreif. Der Senat fühlt sich nicht gedrängt, die bereits sehr umfassende medizinische
Sachverhaltsaufklärung noch auszuweiten, §
103 SGG. Es besteht auch keine Veranlassung, einem der hilfsweise gestellten Beweisanträge nachzugehen.
Eine (allgemeine) ergänzende Befragung der Sachverständigen Dr. T und Dr. E im Termin zu ihren schriftlichen Gutachten ist
nicht erforderlich. Eine Anhörung von Sachverständigen im Termin ist nicht bereits dann notwendig, wenn sich mehrere Gutachten
in der Leistungsbeurteilung widersprechen (Keller in: Meyer-Ladewig.
SGG Kommentar. 10. Auflage, §
118 Rdnr 12f). Solche Widersprüche können durch die Beweiswürdigung ausgeräumt werden. Konkret zu stellende Fragen hat der Kläger
im Termin selbst nicht (mehr) formuliert. Soweit er früher (zB in den Schriftsätzen vom 16.8.2011, 18.4.2012 oder 16.4.2013)
Fragen formuliert/andeutet, sind diese nicht erheblich.
Der Hinweis, Dr. E habe unterlassen, eine umfängliche Analyse und Erhebung der vorhandenen Schmerzen vorzunehmen, gibt keinen
Anlass zu einer ergänzenden Befragung. Tatsächlich hat Dr. E wie Dr. G psychologische Tests durchgeführt und ausgewertet.
Aus einem Vergleich des Gutachtens von Dr. E mit demjenigen von Prof. Dr. L lassen sich ebenfalls keine sachdienlichen Fragen
herleiten. Erst recht ergeben sich solche nicht aus dem Vortrag des Klägers, er könne die Beurteilung des Leistungsvermögens
unter der Diagnose einer chronischen Schmerzstörung durch Dr. T nicht nachvollziehen, da der Gutachter kein kompetenter, psychosomatisch
geschulter und ausgebildeter Facharzt sei, der das nötige Einfühlungsvermögen zur Beurteilung chronisch Schmerzkranker habe.
Diese subjektiven Wertungen zielen offensichtlich nicht auf die Klärung des Sachverhalts, sondern auf die Beweiswürdigung
des Senats ab. Eine Befragung darf indes nicht (allein) dazu dienen, die Fachkompetenz des Sachverständigen auszuforschen
oder die Kompetenz eines anderen Sachverständigen als überlegen darzustellen (Keller. AaO, Rdnr 12f). Soweit der Klägerbevollmächtigte
bemängelt, dass Dr. T das Klagevorbringen nicht erwähne, ist darauf hinzuweisen, dass Dr. T auftragsgemäß die Beweisfragen
beantwortet. Dazu muss er nicht den Akteninhalt wiederholen. Soweit der Kläger ins Blaue hinein fragen möchte, ob ein Postnukleotomiesyndrom
Grad III vorliegt, ist anzumerken, dass keiner der behandelnde Ärzte und Sachverständigen eine solche Behinderung gesehen
hat. Entscheidend für die Leistungsbeurteilung sind überdies nicht Diagnosen, sondern Leistungseinschränkungen. Dass beim
Kläger starke, laufend therapiebedürftige Rückenschmerzen vorliegen, die seine Leistungsfähigkeit einschränken, ist unstreitig.
Auch eine (erneute) Befragung zu Nebenwirkungen der (Schmerz-)Medikamente ist nicht sachdienlich. Dazu hat das SG die erstinstanzlich beauftragten Sachverständigen bereits ausführlich befragt. Im Übrigen beschreibt keiner der behandelnden
Ärzte, dass der Kläger wegen der Medikamenteneinnahme an vermehrter Müdigkeit leide.
Der weitere Beweisantrag zielt nach seinem Wortlaut darauf ab, den Vater des Klägers als Zeugen dazu zu vernehmen, ob der
Kläger müde und abgeschlagen ist, wenn er von der Arbeit nach Hause kommt. Der Senat unterstellt als wahr, dass der Kläger
gelegentlich - wie viele andere Arbeitnehmer auch - nach getaner Arbeit müde ist. Aus einer vom Vater bestätigten Müdigkeit
(bestätigt werden könnten im Übrigen nur Indizien, die aus subjektiver Sicht des Zeugen den Schluss auf Müdigkeit zulassen)
lässt sich nichts für den streitigen Anspruch herleiten, insbesondere nicht, dass der Kläger bereits jetzt auf Kosten seiner
Gesundheit arbeitet oder über eine tägliche Arbeitszeit von 4,75 Stunden nicht weiter belastbar ist. Die behandelnden Ärzte
und die gerichtlichen Sachverständigen haben in Kenntnis des vollständigen Akteninhalts eine verstärkte oder vorzeitige (etwa
medikamenteninduzierte) Ermüdung als leistungslimitierenden Faktor nicht festgestellt.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§
183 S 1, 193 Abs
1 SGG.
Anlass, die Revision zuzulassen, besteht nicht, §
160 Abs
2 SGG. Maßgeblich für die Entscheidung sind die konkreten Umstände des Einzelfalls.