Gründe
Die form- und fristgerecht erhobene und auch im übrigen zulässige Beschwerde ist nicht begründet. Das Sozialgericht hat dem
Antragsbegehren im Ergebnis zu Recht nicht entsprochen.
Das Verfahren wird nur von der Antragstellerin geführt, denn nur für sie ist von ihrem rechtskundigen Bevollmächtigten das
einstweilige Rechtsschutzgesuch bei Gericht angebracht worden. Der mit ihr in einer Bedarfsgemeinschaft lebende Q T ist nicht
Beteiligter des Rechtsstreits, denn Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem Sozialgesetzbuch 2. Buch (SGB II) sind Individualleistungen und müssen für jeden Leistungsempfänger im gerichtlichen Verfahren geltend gemacht werden. Dies
ist hier nur in Bezug auf die Antragstellerin geschehen.
Der gestellte Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ist unzulässig. Vorläufiger Rechtsschutz im sozialgerichtlichen
Verfahren richtet sich nach §
86b des
Sozialgerichtsgesetzes (
SGG). Gemäß Abs.
1 dieser Vorschrift kann das Gericht in den Fällen, in denen Widerspruch oder Anfechtungsklage keine aufschiebende Wirkung
haben, die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise anordnen (§
86 Abs.
1 S. 1 Nr.
2 SGG). §
86b Abs.
2 S. 1 i.V.m. S. 2
SGG bestimmt, dass, soweit ein Fall des Abs. 1 nicht vorliegt, das Gericht der Hauptsache auf Antrag eine einstweilige Anordnung
zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis treffen kann, wenn eine solche Regelung
zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint.
Richtiger Antrag ist hier der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs. Das vorliegende Verfahren
ist dadurch gekennzeichnet, dass der Antragstellerin zuletzt mit Bescheid vom 17.05.2020 in der Gestalt des Änderungsbescheides
vom 23.06.2020 bis einschließlich Juni 2021 Leistungsansprüche bewilligt wurden. Mit weiterem Bescheid vom 28.10.2020 wurde
diese Leistungsbewilligung vom 01.10.2020 an wieder aufgehoben. Der gegen den Aufhebungsbescheid eingelegte Widerspruch hat
gemäß §
86a Abs.
2 Nr.
4 SGG i.V.m. § 39 Nr. 1 SGB II keine aufschiebende Wirkung. Deren Anordnung kann jedoch mittels eines Antrags gemäß §
86b Abs.
1 S. 1 Nr.
2 SGG erreicht werden; in der Hauptsache wäre eine Anfechtungsklage die richtige Klageart. Damit liegt kein Fall des nur nachrangig
anwendbaren §
86b Abs.
2 SGG vor, eine dennoch beantragte einstweilige Anordnung zur Aussetzung der Vollziehung ist unzulässig (siehe auch Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt,
SGG Kommentar, 13. Auflage 2020, §
86a Rn. 8).
Ein unzulässiger Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung kann jedoch nach den allgemeinen Grundsätzen zur Auslegung
von Verfahrensanträgen unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Meistbegünstigung in der Regel in einen zulässigen Antrag
auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung umgedeutet werden (siehe auch Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt,
SGG Kommentar, 13. Auflage 2020, §
86b Rn. 9). Der so umgedeutete Antrag hat jedoch ebenfalls keinen Erfolg.
Nach §
86 b Abs.
1 Satz 1 Nr.
2 SGG kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag in den Fällen, in denen Widerspruch oder Anfechtungsklage keine aufschiebende
Wirkung haben (so wie hier gemäß § 39 Nr. 1 SGB II), die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise anordnen. Die näheren Einzelheiten dieser gerichtlichen Anordnungsbefugnis
sind gesetzlich nicht geregelt. Sie sind durch Auslegung zu gewinnen. Diese ergibt, dass die Anordnung der aufschiebenden
Wirkung eines Widerspruchs oder einer Anfechtungsklage Ergebnis einer Interessenabwägung ist. Die aufschiebende Wirkung eines
solchen Rechtsbehelfs ist anzuordnen, wenn im Rahmen der Interessenabwägung dem privaten Aufschubinteresse gegenüber dem öffentlichen
Interesse einer sofortigen Vollziehung des Verwaltungsaktes Vorrang gebührt. Bei dieser Interessenabwägung ist insbesondere
die - nach summarischer Prüfung der Sach- und Rechtslage zu bewertende - Erfolgsaussicht des Rechtsbehelfs in der Hauptsache
zu berücksichtigen. Ferner ist zu beachten, dass der Gesetzgeber in Fällen des §
86 a Abs.
2 Nrn. 1 - 4
SGG das Entfallen der aufschiebenden Wirkung angeordnet und damit grundsätzlich ein überwiegendes Interesse an der sofortigen
Vollziehung des Verwaltungsaktes geregelt hat (vgl. Landessozialgericht [LSG] Nordrhein-Westfalen [NRW], Beschluss vom 21.01.2010,
Az.: L 7 B 446/09 AS, bei juris Rn. 5). Davon abzuweichen besteht nur Anlass, wenn im konkreten Fall ein überwiegendes privates Aufschubinteresse
feststellbar ist. Die Anordnung der aufschiebenden Wirkung muss eine mit gewichtigen Argumenten zu begründende Ausnahme sein
(LSG NRW, Beschluss vom 09.12.2013, Az.: L 2 AS 1956/13 B ER, bei juris Rn. 3). Eine solche Ausnahme liegt vor, wenn der Verwaltungsakt offensichtlich rechtswidrig ist, denn ein
überwiegendes öffentliches Interesse an der Vollziehung rechtswidriger Verwaltungsakte besteht nicht. Ist der Verwaltungsakt
offensichtlich rechtmäßig, ist die aufschiebende Wirkung regelmäßig nicht anzuordnen. Sind die Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs
nicht abschätzbar, ist eine allgemeine Interessenabwägung durchzuführen. Dabei sind die grundrechtlichen Belange des Antragstellers
in die Abwägung einzustellen (Bundesverfassungsgericht [BVerfG], Beschluss vom 12.05.2005, Az. 1 BvR 569/05, bei juris Rn. 26).
Im vorliegenden Verfahren kann eine Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs nicht erfolgen, weil der Verwaltungsakt
(der Aufhebungsbescheid vom 28.10.2020) nicht rechtzeitig angefochten wurde und deshalb bestandskräftig geworden ist. Ein
verfristeter Widerspruch schließt die Anordnung der aufschiebenden Wirkung grundsätzlich aus (so auch Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt,
SGG Kommentar, 13. Auflage 2020, §
86a Rn. 10).
Der Aufhebungsbescheid vom 28.10.2020 wurde nach den Angaben des Antragsgegners am selben Tage zur Post gegeben. Er gilt damit
gemäß § 37 Abs. 2 Sozialgesetzbuch 10. Buch (SGB X) mit dem dritten Tag nach der Aufgabe zur Post als bekannt gegeben, hier mithin am 31.10.2020. Die einmonatige Frist zur
Einlegung eines Widerspruchs begann damit am 01.11.2020 und endete am Montag, den 30.11.2020. Der Widerspruch ging jedoch
erst am 02.12.2020 bei dem Antragsgegner ein.
Lediglich ergänzend weist der Senat darauf hin, dass nach Lage der Akten keine Anhaltspunkte für eine Rechtswidrigkeit des
Aufhebungsbescheides in Bezug auf den Leistungsbezug der Antragstellerin erkennbar sind. Eine (unterstellte) rechtzeitige
Einlegung des Widerspruchs führte mithin zu keinem anderen Ergebnis im Rechtsstreit, denn bei der dann anzustellenden Interessenabwägung
wäre zum Nachteil der Antragstellerin entscheidend zu berücksichtigen, dass sie im Verfahren nur äußerst schleppend mitwirkt
und von daher ein besonderes Interesse an einer schnellen Entscheidung des Gerichts zu ihren Gunsten (dies würde auch in Bezug
auf einen Anordnungsgrund im Sinne von §
86b Abs.
2 SGG gelten) nicht ersichtlich ist. Grundsätzlich ist bei der Beanspruchung von Grundsicherungsleistungen nach dem SGB II wegen der existenzsichernden Funktion dieser Mittel von einer besonderen Eilbedürftigkeit des Verfahrens für den Betroffenen
auszugehen. Dies gilt aber nicht, wenn vom ihm, ohne dass dafür nachvollziehbare Gründe ersichtlich wären, nicht im gebotenen
und zumutbaren Umfang im Rahmen des Verfahrens mitgewirkt wird. Wenn existenzsichernde Leistungen wie das Arbeitslosengeld
II für gegenwärtige Zeiträume beansprucht werden, ist ein besonderes Interesse des seine Bedürftigkeit behauptenden Antragstellers
daran zu erwarten, dass eine Entscheidung des Gerichts oder der Behörde unverzüglich erfolgt. Wer ohne existenzsichernde Mittel
ist, muss bestrebt sein, alles in seiner Macht Stehende zu unternehmen, diese Mittel möglichst schnell zu erhalten, um so
den Eintritt einer finanziellen Notlage zu vermeiden oder zu überwinden. Vor diesem Hintergrund ist für das Beschwerdegericht
nicht nachvollziehbar, dass von der Antragstellerin schon im Verwaltungsverfahren nur sehr zögerlich mitgewirkt wurde und
vom Antragsgegner angeforderte Unterlagen (Kontoauszüge etc.) nur nach Erinnerungen eingereicht wurden. Auch der weitere Verfahrensgang
lässt eine besondere Dringlichkeit für die Antragstellerin nicht erkennen. Die Beschwerde gegen den erstinstanzlichen Beschluss
erfolgte erst am letzten Tag der Monatsfrist für das Rechtsmittel. Auf die Aufforderung des Gerichts, die Beschwerde binnen
fünf Tagen zu begründen, erfolgt innerhalb dieser Frist und auch bis zur Beschlussfassung im Beschwerdeverfahren keine Reaktion.
Ist die Entscheidung des Sozialgerichts mithin im Ergebnis nicht zu beanstanden, gilt dies auch für die Ablehnung der Bewilligung
von Prozesskostenhilfe für das Antragsverfahren mangels hinreichenden Erfolgsaussichten desselben (§
73a SGG i.V.m. §
114 der
Zivilprozessordnung)
Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung von §
193 SGG; eine Kostenerstattung bezüglich des Beschwerdeverfahrens gegen die Ablehnung von Prozesskostenhilfe ist gesetzlich nicht
vorgesehen, §
73 a SGG in Verbindung mit §
124 Abs.
4 ZPO.
Eine Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren kam mangels hinreichender Erfolgsaussichten ebenfalls
nicht in Betracht.
Dieser Beschluss ist nicht mit einer Beschwerde an das Bundessozialgcericht anfechtbar (§
177 SGG).