Anspruch auf Altersrente für besonders langjährig Versicherte
Rechtmäßigkeit der Aufhebung einer Leistungsbewilligung nach dem Zufluss einer Urlaubsabgeltung
Anrechnung als Hinzuverdienst gemäß § 34 Abs. 2 S. 1 SGB VI a.F.
Maßgeblichkeit des Zeitpunkts des rechtlichen Entstehens des Anspruchs für die rechtliche Zuordnung
Gründe
I.
Der am 00.00.1953 geborene Kläger war bis zum 30.11.2016 bei der Firma U Logistik GmbH & Co.KG beschäftigt. Das Arbeitsverhältnis
wurde aufgrund einer am 16.11.2016 mit dem Arbeitgeber geschlossenen Vereinbarung zu diesem Termin beendet. In dieser Vereinbarung
wurde außerdem bestimmt, dass der Arbeitgeber dem Kläger eine Urlaubsabgeltung für die Jahre 2015 und 2016 in Höhe von insgesamt
5600 Euro brutto zahlt. Der Kläger war zuvor seit dem 05.05.2015 arbeitsunfähig und bezog bis zum 05.10.2016 Krankengeld von
der IKK Classic.
Mit Rentenbescheid vom 27.10.2016 bewilligte die Beklagte dem Kläger ab dem 01.09.2016 eine Altersrente für besonders langjährige
Versicherte in Höhe von 1236 Euro monatlich brutto und 1096,33 Euro monatlich netto. Für die Zeit vom 01.09.2016 bis zum 30.11.2016
wurde eine Nachzahlung in Höhe von 3288,99 Euro errechnet. Von dieser Nachzahlung wurden am 16.11.2016 aufgrund eines Erstattungsanspruchs
1273,16 Euro für den Zeitraum 01.09.2016 bis 05.10.2016 an die IKK Classic überwiesen. Der Restbetrag in Höhe von 2015,83
Euro wurde am gleichen Tag an den Kläger überwiesen.
Mit Lohnabrechnung vom 22.11.2016 rechnete die Firma U Logistik & Co.KG die vereinbarte Urlaubsabgeltung ab. Der Nettobetrag
von 4425,40 Euro wurde am 24.11.2016 auf das Konto des Klägers überwiesen.
Mit Bescheid vom 19.01.2017 stellte die Beklagte daraufhin fest, dass der Rentenanspruch des Klägers mit dem 31.10.2016 ende,
weil im November 2016 wegen der gezahlten Urlaubsabgeltung, die als Hinzuverdienst gemäß §
34 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch (
SGB VI) zu berücksichtigen sei, kein Rentenanspruch mehr bestehe. Mit Rentenbescheid vom 20.01.2017 wurde dem Kläger die Rente für
die Zeit ab dem 01.12.2016 erneut bewilligt. Der Kläger legte gegen beide Bescheide am 07.02.2017 Widerspruch ein. Er habe
gerichtlich für die Auszahlung der Urlaubsabgeltung kämpfen müssen. Hierfür werde er nun durch die Anrechnung auf die Rente
bestraft. Nach Anhörung mit Schreiben vom 09.02.2017 hob die Beklagte den Bescheid vom 27.10.2016 für den Zeitraum November
2016 mit Bescheid vom 13.03.2017 nach § 48 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 Nr. 2 und 4 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) auf. Der Kläger sei zur Erstattung der erbrachten Leistung in Höhe von 1096,33 Euro verpflichtet (§ 50 Abs. 1 Satz 1 SGB X). Der Kläger habe nach Erlass des Bescheides vom 27.10.2016 Einkommen erzielt, das die Hinzuverdienstgrenzen überschritten
habe. Der Rentenanspruch entfalle deshalb für den Monat November 2016 (§
34 SGB VI). Dies habe der Kläger auch erkennen können, da er über die geltenden Hinzuverdienstgrenzen im Bescheid vom 27.10.2016 und
im Rahmen der Anhörung am 09.02.2017 aufgeklärt worden sei. Der Bescheid vom 13.03.2017 werde Gegenstand des Widerspruchsverfahrens
gegen die Bescheide vom 19.01.2017 und vom 20.01.2017. Nach einer Entscheidung des Bundessozialgerichts (BSG) vom 06.09.2017 (Az.: B 13 R 21/15 R) zur der Frage der Anrechnung von Urlaubsabgeltung als Hinzuverdienst wies die Beklagte den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid
vom 06.03.2018 zurück. Das BSG habe nunmehr bestätigt, dass eine Urlaubsabgeltung als Hinzuverdienst zu berücksichtigen sei. Die Hinzuverdienstgrenze liege
bei der vom Kläger bezogenen Rente bei 1594,55 Euro (Rente in Höhe von einem Drittel) und werde durch die Urlaubsabgeltung
überschritten. Die Beklagte habe die Leistungsbewilligung deshalb zu Recht nach § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr, 2 und 4 SGB X aufgehoben und die Erstattung der überzahlten Rente in Höhe von 1096,33 Euro verfügt.
Der Kläger hat hiergegen am 29.03.2018 Klage vor dem Sozialgericht Dortmund erhoben.
Er beantragt,
die Bescheide vom 19.01.2017 und 13.03.2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 06.03.2018 aufzuheben. Zur Begründung
hat er sich auf sein Vorbringen im Widerspruchsverfahren bezogen.
Das Sozialgericht hat die Klage mit Urteil vom 03.12.2019 abgewiesen. Zur Begründung hat das Sozialgericht auf die Ausführungen
im angefochtenen Widerspruchsbescheid Bezug genommen.
Gegen das ihm am 09.01.2020 zugestellte Urteil hat der Kläger am 03.02.2020 Berufung eingelegt. Zur Begründung macht er im
Wesentlichen geltend, dass ihm das Urlaubsgeld für 2015 und 2016 zustehe, auch wenn es erst während des Rentenbezugs am 24.11.2016
ausgezahlt worden sei. Hintergrund sei ein arbeitsgerichtliches Verfahren mit seinem Arbeitgeber gewesen, der sich zunächst
geweigert habe, ihm das Geld auszuzahlen. Dies könne nicht zu seinen Lasten gehen.
Der Kläger beantragt schriftsätzlich sinngemäß,
das Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom 03.12.2019 zu ändern und die Bescheide vom 19.01.2017 und 13.03.2017 in der Gestalt
des Widerspruchsbescheides vom 06.03.2018 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt schriftsätzlich,
die Berufung zurückzuweisen.
Zur Begründung verweist sie auf ihre Ausführungen im erstinstanzlichen Verfahren und auf das angefochtene Urteil.
Der Senat hat die Beteiligten mit Schreiben vom 22.01.2021 darauf hingewiesen, dass er die Berufung einstimmig für unbegründet
und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Er beabsichtige, die Berufung durch Beschluss nach §
153 Abs.
4 Sozialgerichtsgesetz (
SGG) zurückzuweisen. Die Beteiligten haben Gelegenheit zur Stellungnahme bis zum 09.03.2021 erhalten. Das Schreiben ist dem Kläger
am 28.01.2021 und dem Beklagten am 26.01.2021 zugestellt worden.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf den Inhalt der Gerichtsakten sowie den
Inhalt der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten. Die Akten haben dem Senat vorgelegen und waren Gegenstand der Entscheidung.
II.
Der Senat konnte gemäß §
153 Abs.
4 SGG nach Anhörung der Beteiligten die Berufung durch Beschluss zurückweisen, weil er sie einstimmig für unbegründet und eine
mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Eine Zustimmung des Klägers ist hierzu nicht erforderlich (vgl. Keller
in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt,
SGG, 13. Auflage 2020, §
153 Rn. 14).
Die Berufung ist zulässig, aber unbegründet.
Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Die angefochtenen Bescheide der Beklagten vom 19.01.2017 und 13.03.2017
in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 06.03.2018 sind rechtmäßig. Die Beklagte hat mit diesen Bescheiden die Leistungsbewilligung
für die streitgegenständlichen Zeiträume zu Recht für den Monat November 2016 aufgehoben und die Erstattung der ausgezahlten
Nettorente in Höhe von 1096,33 Euro verfügt.
Die Bescheide sind formell rechtmäßig. Die Beklagte hat den Kläger insbesondere ordnungsgemäß mit Schreiben vom 09.02.2017
angehört (vgl. § 24 Abs. 1 SGB X).
Die Bescheide sind auch materiell rechtmäßig.
Rechtsgrundlage für die Aufhebung der Leistungsbewilligung ist § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3, Satz 3 SGB X. Nach § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB X soll ein Verwaltungsakt mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufgehoben werden, soweit nach Antragstellung
oder Erlass des Verwaltungsaktes Einkommen oder Vermögen erzielt worden ist, das zum Wegfall oder der Minderung des Anspruchs
geführt haben würde. Als Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse gilt in den Fällen, in denen Einkommen oder Vermögen auf
einen zurückliegenden Zeitraum aufgrund der besonderen Teile des Gesetzbuches anzurechnen ist, der Beginn des Anrechnungszeitraums,
also der jeweilige Monatsbeginn (§ 48 Abs. 1 Satz 3 SGB X i.V.m. §
100 Abs.
3 Satz 1
SGB VI, vgl. auch BSG, Urteil vom 12.03.2019 - B 13 R 35/17 R, Rn. 13 bei juris).
Diese Voraussetzungen liegen hier vor. Nach Bewilligung der Rente für besonders langjährige Versicherte mit Bescheid vom 27.10.2016
ist im Monat November 2016 eine wesentliche Änderung in den tatsächlichen Verhältnissen ist eingetreten, die zum Wegfall des
Rentenanspruchs für diesen Monat geführt hat. Dem Kläger ist in diesem Monat eine Urlaubsabgeltung in Höhe von 4425,40 Euro
aus einem noch bis zum 30.11.2016 bestehenden Beschäftigungsverhältnis zugeflossen. Diese Urlaubsabgeltung ist als Hinzuverdienst
nach §
34 Abs.
2 Satz 1
SGB VI (in der bis zum 30.06.2017 geltenden Fassung - a.F.) anzurechnen und führt dazu, dass der Kläger für diesen Monat keinen
Rentenanspruch mehr hat.
Die Urlaubsabgeltung ist Hinzuverdienst im Sinne von §
34 Abs.
2 SGB VI a.F., weil sie Arbeitsentgelt im Sinne von §
14 Sozialgesetzbuch Viertes Buch (
SGB IV) ist. Nach §
14 Abs.
1 Satz 1
SGB IV sind alle laufenden und einmaligen Einnahmen aus einer Beschäftigung Arbeitsentgelt. Zu den einmaligen Einnahmen gehört auch
die Zahlung einer Urlaubsabgeltung (vgl. im Einzelnen BSG, Urteil vom 06.09.2017 - B 13 R 21/15 R, Rn. 24 bei juris mwN; BSG, Urteil vom 26.04.2018 - B 5 R 26/16 R Rn. 21 ff. bei juris; BSG, Urteil vom 12.03.2019 - B 13 R 35/17 R, Rn. 15 bei juris). Leistungen zur Urlaubsabgeltung setzen zwar grundsätzlich die Beendigung des Arbeitsverhältnisses voraus,
stehen nach ihrer Zweckbestimmung aber noch im Zusammenhang mit dem Beschäftigungsverhältnis, weil sie einen grundsätzlich
noch bestehenden Urlaubsanspruch erfordern und an die Stelle dieses nicht mehr realisierbaren Anspruchs treten (vgl. BSG, 06.09.2017 - B 13 R 21/15 R, Rn. 25 ff. bei juris). Unerheblich ist insoweit, dass die Urlaubsabgeltung sich auf Urlaubsansprüche bezieht, die bereits
vor dem Rentenbezug erworben worden sind. Dies ergibt sich aus Wortlaut und Zweck der Hinzuverdienstgrenze (Verhinderung von
Doppelleistung bzw. Übersicherung, vgl. BSG, 06.09.2017 - B 13 R 21/15 R, 49 ff. bei juris). Der auf der Urlaubsabgeltung beruhende Hinzuverdienst ist auch während des Rentenbezugs - im November
2016 - aus einem zu diesem Zeitpunkt noch bestehenden Beschäftigungsverhältnis erzielt worden. Das Beschäftigungsverhältnis
endete erst zum 30.11.2016. Die zuvor bestehende Arbeitsunfähigkeit führt nicht zu einem Ende des Beschäftigungsverhältnisses
(vgl. BSG, Urteil vom 12.03.2019 - B 13 R 35/17 R, Rn. 18 bei juris).
Zu Recht hat die Beklagte die Urlaubsabgeltung auch im Monat November 2016 als Hinzuverdienst berücksichtigt. Maßgeblich für
die Zuordnung einer Urlaubsabgeltung ist allerdings nicht der Zuflussmonat, sondern der Zeitpunkt des rechtlichen Entstehens
des Anspruchs (BSG, Urteil vom 12.03.2019 - B 13 R 35/17 R, Rn. 23 bei juris; BSG, Urteil vom 26.04.2018 - B 5 R 26/16 R, Rn. 26 bei juris). Ob diesbezüglich auf den Zeitpunkt des Abschlusses des arbeitsgerichtlichen Vergleichs oder unter Berücksichtigung
von § 7 Abs. 4 Bundesurlaubsgesetz (BUrlG) auf den Zeitpunkt der Beendigung des Arbeitsverhältnisses abzustellen ist (vgl. im Einzelnen BSG, Urteil vom 12.03.2019 - B 13 R 35/17 R, Rn. 25 ff. bei juris), oder es in bestimmten Konstellationen auf den Monat der Auszahlung durch den Arbeitgeber ankommt
(vgl. dazu BSG, Urteil vom 26.04.2018 - B 5 R 26/16 R, Rn. 25 bei juris) kann hier dahinstehen, weil sowohl die Auszahlung der Urlaubsabgeltung als auch der Abschluss der Vereinbarung
mit dem Arbeitgeber im Kalendermonat November 2016 erfolgt sind und auch das Ende des Beschäftigungsverhältnisses (30.11.2016)
in diesem Monat liegt. Ein anderer Zeitpunkt der rechtlichen Zuordnung als der Monat November 2016 ist deshalb nicht denkbar.
Der Kläger hat mit der Berücksichtigung der Urlaubsabgeltung in diesem Monat die Hinzuverdienstgrenze in voller Höhe überschritten
(vgl. §
34 Abs.
3 SGB VI a.F.). Die Rentenbewilligung war deshalb für diesen Monat vollständig aufzuheben. Nach § 48 Abs. 1 Satz 3 SGB X i.V.m. §
100 Abs.
3 Satz 1
SGB VI ist die Rente bei Überschreiten der Hinzuverdienstgrenze in einem Monat bereits vom Monatsbeginn an nicht mehr zu leisten.
Da die Aufhebung der Rentenbewilligung bereits nach § 48 Abs. 1 Satz Nr. 3 SGB X möglich war, kann dahinstehen, ob auch die Voraussetzungen für eine Aufhebung nach § 48 Abs. 1 Satz 2 Nrn. 2 und 4 SGB X erfüllt sind.
Ein atypischer Fall, der die Beklagte zu einer Ermessensentscheidung hätte veranlassen müssen, ist nicht ersichtlich. Die
Jahresfrist des § 45 Abs. 4 Satz 2 SGB X i.V.m. § 48 Abs. 4 SGB X ist eingehalten. Die Aufhebungs- und Erstattungsentscheidung ist bereits wenige Wochen nach Kenntnis von der Zahlung der
Urlaubsabgeltung getroffen worden.
Die Rechtmäßigkeit der geltend gemachten Erstattungsforderung folgt aus § 50 Abs. 1 SGB X.
Die Kostenentscheidung beruht auf §
193 SGG.
Gründe, die Revision zuzulassen (§
160 Abs.
2 SGG), liegen nicht vor.