Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II
Anforderungen an die Berücksichtigung einer Erbschaft als Vermögen
Keine vermögensmindernde Berücksichtigung der Erbschaftssteuerschuld
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um einen Anspruch der Klägerin auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch - Grundsicherung für Arbeitsuchende - (SGB II) für die Monate Januar und Februar 2013.
Die 1963 geborene Klägerin bezog von dem Beklagten seit 2005 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II, wobei der Beklagte (vor dem Hintergrund einer Diabeteserkrankung der Klägerin) einen Mehrbedarf wegen kostenaufwändiger
Ernährung anerkannte.
Im Frühjahr 2012 wurde die Klägerin (gemeinsam mit ihrem Cousin) Erbin nach ihrer Tante, der am 00.03.2012 verstorbenen A
J. Für die Bestattung fielen Kosten i.H.v. 3.988 € an, die von dem Cousin beglichen wurden. Der Erbteil der Klägerin belief
sich auf 23 %. Zum Nachlass gehörten u.a. verschiedene Lebensversicherungen sowie Geldbeträge auf Spar- und Girokonten der
Erblasserin. Hieraus flossen der Klägerin in den Monaten August und September 2012 insgesamt knapp 30.000 € auf ihrem Girokonto
bei der Sparkasse (Konto-Nr. 000) zu. Nach Bekanntwerden der Erbschaft gewährte der Beklagten der Klägerin ab August 2012
keine Leistungen mehr.
Die Klägerin lebte damals gemeinsam mit ihrer Mutter, die Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch - Sozialhilfe - (SGB XII) bezog, in einem im Jahr 1963 erbauten Einfamilienhaus, dessen Miteigentümerinnen beide jeweils zur Hälfte waren. Im Januar
2013 waren hierfür von der Klägerin (höchstens) Kosten i.H.v. 172,74 € (140,24 € Wohngebäudeversicherung; 32,50 € Wasser/Abwasser)
und im Februar 87,54 € (55,04 € Grundsteuer; 32,50 € Wasser/Abwasser) aufzubringen.
Die Klägerin war freiwillig kranken- und pflegeversichert, wofür in den Monaten Januar und Februar 2013 jeweils Beiträge i.H.v.
insgesamt 149,63 € anfielen.
Am 29.01.2013 stellte die Klägerin bei dem Beklagten einen "Weiterbewilligungsantrag".
Dazu teilte sie mit, dass sie bei der Sparkasse zwei Girokonten und bei der Deutschen Bank ein Girokonto unterhalte. Die Kontostände
gab sie mit insgesamt ca. 250 € an. Auf die Frage nach Sparbüchern bzw. Sparkonten benannte sie zwei Konten bei der Sparkasse
mit Guthaben i.H.v. insgesamt 250 €. Ferner verfüge sie noch über Bargeld i.H.v. ca. 10.000 € aus der Erbschaft.
Am 01.01.2013 betrug der Stand des Girokontos Nr. 000 der Klägerin bei der Sparkasse 13.178,63 €. Am 01.02.2013 bzw. 01.03.2013
belief sich das Guthaben auf 10.969,70 € bzw. 9.088,10 €. Hinsichtlich der Einzelheiten der zwischenzeitlichen Kontobewegungen
wird auf die von der Klägerin vorgelegten Kontoauszüge Blatt C 275 f. IVa, D 754 und D 758 IVb der Verwaltungsvorgänge des
Beklagten bzw. Blatt 255 ff. der Prozessakten verwiesen.
Der Beklagte lehnte den Antrag vom 29.01.2013 mit Bescheid vom 15.03.2013 ab. Die Klägerin sei nicht hilfebedürftig. Sie verfüge
über verwertbares Vermögen, das die Freibeträge i.H.v. 8.100 € übersteige. Dies ergebe sich aus dem Stand ihrer Konten. Maßgebend
sei das Vermögen am Anfang des Bewilligungszeitraums, mithin am 01.01.2013. Der Vermögensüberschuss sei i.H.v. dreimal 888,11
€ und dreimal 888,10 € auf die sechs Monate des Bewilligungsabschnitts umzulegen. Diese Beträge überstiegen den monatlichen
Bedarf, der 741,67 € (382 € Regelleistung, 37,40 € Mehrbedarf, 172,64 € Kosten der Unterkunft und Heizung, 149,63 € Kranken-
und Pflegeversicherungsbeiträge) betrage.
Im Widerspruchsverfahren wandte die Klägerin ein, der Nachlass sei von vornherein durch Forderungen gemindert. Es handele
sich insoweit insbesondere um die Erbschaftssteuer, auf die allerdings nur Abschläge gezahlt worden seien. Spätestens ab dem
01.02.2013 sei sie wieder leistungsberechtigt. Mit Schreiben vom 16.08.2013 wies sie darauf hin, dass die Erbschaftssteuer
auf 7.140 € festgesetzt worden sei, und legte den entsprechenden (vorläufigen) Bescheid des Finanzamtes Krefeld vom 16.05.2013
vor. Erst mit bestandskräftig gewordenem Erbschaftssteuerbescheid des Finanzamtes Krefeld vom 28.08.2017 wurde die Erbschaftssteuer
gegenüber der Klägerin endgültig auf 4.605 € festgesetzt.
Mit Widerspruchsbescheid vom 28.08.2013 wies der Beklagte den Widerspruch zurück. Die Klägerin sei nicht hilfebedürftig. Sie
verfüge zum Stichtag 01.01.2013 über Barvermögen i.H.v. 13.428,63 € auf ihren drei Girokonten, das zum großen Teil aus ihrer
Erbschaft resultiere. Das Vermögen sei sofort verwertbar. Es übersteige den Freibetrag von 8.100 € um 5.328,63 €. Ihm stehe
Ermessen hinsichtlich der Beurteilung der Wirtschaftlichkeit der Verwertung des Vermögens und des Vorliegens einer besonderen
Härte zu. Eine besondere Härte sei nicht ersichtlich. Eine Schuldentilgung sei nur zulässig, wenn sie wirtschaftlich sinnvoll
sei. Die mit der Erbschaft in Zusammenhang stehenden und als Absetzungen geltend gemachten Kosten stellten keine besondere
Härte dar, denn die Sicherung des eigenen Lebensunterhalts sei hier vorrangig. Absetzungen kämen allenfalls im Hinblick auf
die Erbschaftssteuer und die Rechtsanwaltskosten in Betracht. Letztere seien bisher nicht nachgewiesen. Die Erbschaftssteuer
sei noch nicht durch einen an die Klägerin adressierten entsprechenden Bescheid des Finanzamtes nachgewiesen. Jedenfalls sei
sie bisher nicht beglichen und damit nicht absetzbar. Kosten für Beerdigung und Grabpflege seien weder nachgewiesen noch bereits
beglichen. Ermessensfehler seien nicht ersichtlich. Er sei verpflichtet, im Rahmen der Ermessensausübung dem wirtschaftlichen
Handeln den Vorzug zu geben.
Auf einen Folgeantrag vom 25.03.2013 bewilligte der Beklagte der Klägerin mit Bescheid vom 27.05.2013 erneut Leistungen zur
Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II für den Zeitraum 01.03.2013 bis 31.08.2013 als Darlehen - die Vermögenslage sei ungeklärt, da die Höhe der Erbschaft und
der Nachlassverbindlichkeiten nicht bekannt sei - und mit insofern abhelfendem Widerspruchsbescheid vom 17.10.2013 für die
Zeit vom 01.04.2013 bis 31.08.2013 als Zuschuss.
Am 30.09.2013 hat die Klägerin Klage vor dem Sozialgericht (SG) Düsseldorf erhoben.
Sie hat weiterhin die Auffassung vertreten, im streitgegenständlichen Zeitraum hilfebedürftig gewesen zu sein. Die Erbschaft
stelle kein Vermögen, sondern einmaliges Einkommen dar, welches auf sechs Monate verteilt anzurechnen sei. Gemäß § 11b Abs. 1 Nr. 5 SGB II seien die Nachlassverbindlichkeiten von diesem Betrag abzuziehen. Diese betrügen 15.205,43 € und umfassten u.a. die Erbschaftssteuer.
Es handele sich dabei um eine Verbindlichkeit, die unmittelbar auf der Erbschaft laste und diese in ihrem Wert mindere. Die
Situation sei vergleichbar mit einer Hypothekenschuld oder einem Wohnrecht. Hilfsweise sei § 12 Abs. 3 Satz 1 Nr. 6, 2. Alt. SGB II einschlägig. Damit ergebe sich ein anrechenbares Einkommen i.H.v. nur 8.816,78 € bzw. 1.469,46 € monatlich. Nach Ablauf des
Zeitraums von sechs Monaten seien noch vorhandene Geldbeträge zwar als Vermögen zu werten, das den Freibeträgen nach § 12 SGB II unterliege. Bei ihr sei aber von verbrauchtem Vermögen auszugehen. Nicht entgegen stehe, dass die Nachlassverbindlichkeiten
noch nicht vollständig getilgt gewesen seien. Es sei ausreichend, dass sie entsprechenden Forderungen ausgesetzt gewesen sei.
Jedenfalls ab dem 01.02.2013 habe sie wieder einen Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II, die gegebenenfalls vorläufig zu bewilligen seien.
Die Klägerin hat beantragt,
den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides vom 15.03.2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28.08.2013 zu verpflichten,
ihr Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II für die Monate Januar und Februar 2013 in gesetzlicher Höhe zu gewähren.
Der Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die mit den angefochtenen Bescheiden getroffene Entscheidung sei nicht zu beanstanden.
Mit der Klägerin am 25.10.2017 zugestelltem Urteil vom 27.09.2017 hat das SG die Klage abgewiesen. Die Erbschaft sei gemäß § 11 Abs. 3 SGB II, aufgeteilt auf sechs Monate, beginnend im Monat September 2012 als Einkommen - und nicht, wie der Beklagte gemeint habe,
als Vermögen - anzurechnen. Der monatlich anzurechnende Teilbetrag betrage 3.111,54 €. Diesem stehe ein monatlicher Bedarf
i.H.v. 741,67 € gegenüber. Absetzbeträge nach § 11b SGB II seien nicht zu berücksichtigen. Die Erbschaftssteuer könne nicht berücksichtigt werden, denn sie sei bislang nicht entrichtet
worden. Die Bestattungskosten seien ebenfalls nicht zu berücksichtigen, da sie nicht nachgewiesen und davon abgesehen nicht
der Klägerin, sondern ihrem Cousin entstanden seien. Mit der Bewertung der Erbschaft als Einkommen komme auch ein Härtefall
im Sinne des § 12 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6, 2. Alt. SGB II nicht in Betracht.
Am 26.11.2017 (Sonntag) hat die Klägerin Berufung eingelegt.
Sie räumt inzwischen ein, dass die im streitigen Zeitraum auf ihrem Girokonto befindlichen Beträge als Vermögen und nicht
als Einkommen zu berücksichtigen seien. Hiervon sei aber (jedenfalls) die von dem Finanzamt Krefeld festgesetzte Erbschaftssteuer
in Abzug zu bringen (§ 12 SGB II). Verweise man sie darauf, die zur Entrichtung der Erbschaftssteuer gebildete Rücklage zur Bestreitung ihres laufenden Lebensunterhalts
zu verwenden, liefe dies dem Schutzzweck des § 12 Abs. 3 Satz 1 Nr. 4 SGB II zuwider. Ihr drohe schließlich die Vollstreckung in ihre Immobilie, was eine besondere Härte bedeutete.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 27.09.2017 zu ändern und den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides vom 15.03.2013
in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28.08.2013 zu verpflichten, ihr Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach
dem SGB II für die Monate Januar und Februar 2013 in gesetzlicher Höhe zu gewähren.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält der Klägerin entgegen, eine etwaige besondere Härte könne durch die Inanspruchnahme eines Darlehens nach § 24 SGB II behoben werden.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird ergänzend auf den übrigen Inhalt der Gerichtsakten
und der beigezogenen Verwaltungsakten des Beklagten Bezug genommen, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Berufung ist unbegründet.
Gegenstand des Berufungsverfahrens ist neben dem Urteil des SG der Bescheid des Beklagten vom 15.03.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28.08.2013 (§
95 SGG) und damit ein Anspruch der Klägerin auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II für den Zeitraum 01.01.2013 bis 28.02.2013. Dadurch, dass der Beklagte mit Bescheid vom 27.05.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides
vom 17.10.2013 der Klägerin für den dem Zeitraum 01.03.2013 bis 31.08.2013 erneut Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts
nach dem SGB II gewährt hat, ist insoweit eine Zäsur eingetreten (vgl. dazu bereits Bundessozialgericht [BSG], Urteil vom 11.12.2007, B 8/9b
SO 12/06 R, juris Rn. 8, sowie BSG, Beschluss vom 19.09.2008, B 14 AS 44/08 B, juris Rn. 8). Der Bewilligungsbescheid für die Zeit ab dem 01.03.2013 ist nicht als Änderungsbescheid gegenüber dem Bescheid
vom 15.03.2013 ergangen, sondern ausdrücklich aufgrund entsprechender erneuter Antragstellung der Klägerin.
Die Klage ist zwar als kombinierte kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage nach §
54 Abs.
4 SGG statthaft und auch im Übrigen zulässig. Sie ist aber unbegründet.
Die Klägerin hat für den Zeitraum 01.01.2013 bis 28.02.2013 keinen Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts
nach dem SGB II.
Gemäß § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB II in der in der Zeit vom 01.01.2013 bis 18.03.2013 geltenden Fassung erhalten Leistungen nach dem SGB II Personen, die das 15. Lebensjahr vollendet und die Altersgrenze nach § 7a noch nicht erreicht haben (Nr. 1), erwerbsfähig sind (Nr. 2), hilfebedürftig sind (Nr. 3) und ihren gewöhnlichen Aufenthalt
in der Bundesrepublik Deutschland haben (Nr. 4). Mit Ausnahme des Merkmals der Hilfebedürftigkeit sind diese Voraussetzungen
hier ersichtlich erfüllt und zwischen den Beteiligten nicht streitig.
Hilfebedürftig ist, wer seinen Lebensunterhalt nicht oder nicht ausreichend aus dem zu berücksichtigenden Einkommen oder Vermögen
sichern kann und die erforderliche Hilfe nicht von anderen, insbesondere von Angehörigen oder von Trägern anderer Sozialleistungen,
erhält (§ 9 Abs. 1 SGB II).
Gemäß § 11 Abs. 1 Satz 1 SGB II sind als Einkommen zu berücksichtigen Einnahmen in Geld oder Geldeswert abzüglich der nach § 11b SGB II abzusetzenden Beträge mit Ausnahme der in § 11a SGB II genannten Einnahmen. Einmalige Einnahmen sind in dem Monat, in dem sie zufließen, zu berücksichtigen (§ 11 Abs. 3 Satz 1 SGB II). Sofern für den Monat des Zuflusses bereits Leistungen ohne Berücksichtigung der einmaligen Einnahme erbracht worden sind,
werden sie im Folgemonat berücksichtigt (§ 11 Abs. 3 Satz 2 SGB II). Entfiele der Leistungsanspruch durch die Berücksichtigung in einem Monat, ist die einmalige Einnahme auf einen Zeitraum
von sechs Monaten gleichmäßig aufzuteilen und monatlich mit einem entsprechenden Teilbetrag zu berücksichtigen (§ 11 Abs. 3 Satz 3 SGB II). Gemäß § 11 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und 5 SGB II sind vom Einkommen u.a. abzusetzen auf das Einkommen entrichtete Steuern und die mit der Erzielung des Einkommens verbundenen
notwendigen Ausgaben.
Als Vermögen sind gemäß § 12 Abs. 1 SGB II alle verwertbaren Vermögensgegenstände zu berücksichtigen. Vom Vermögen sind unter anderem abzusetzen ein Grundfreibetrag
i.H.v. 150 € je vollendetem Lebensjahr für jede in der Bedarfsgemeinschaft lebende volljährige Person und deren Partnerin
oder Partner, mindestens aber jeweils 3.100 €; der Grundfreibetrag darf für jede volljährige Person und ihre Partnerin oder
ihren Partner jeweils den nach § 12 Abs. 2 Satz 2 SGB II maßgebenden Höchstbetrag nicht übersteigen (Nr. 1), ein Freibetrag für notwendige Anschaffungen i.H.v. 750 € für jeden in der Bedarfsgemeinschaft lebenden Leistungsberechtigten
(Nr. 4). Bei Personen, die nach dem 31.12.1957 und vor dem 01.01.1964 geboren sind, darf nach § 12 Abs. 1 S. 2 SGB II der Grundfreibetrag nach § 12 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB II jeweils 9.900 € nicht übersteigen. Gemäß § 12 Abs. 3 Satz 1 SGB II sind als Vermögen u.a. nicht zu berücksichtigen ein angemessenes Kraftfahrzeug für jede in der Bedarfsgemeinschaft lebende
erwerbsfähige Person (Nr. 2), ein selbst genutztes Hausgrundstück von angemessener Größe oder eine entsprechende Eigentumswohnung
(Nr. 4) sowie Sachen und Rechte, soweit ihre Verwertung offensichtlich unwirtschaftlich ist oder für den Betroffenen eine
besondere Härte bedeuten würde (Nr. 6).
Erwerbsfähige Leistungsberechtigte erhalten nach § 19 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 Satz 1 SGB II Arbeitslosengeld II bzw. Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts. Die Leistungen umfassen den Regelbedarf, Mehrbedarfe
und den Bedarf für Unterkunft und Heizung (§ 19 Abs. 1 Satz 3 SGB II). Im Jahr 2013 betrug der Regelbedarf nach der Regelbedarfsstufe 1 382 €. Bei Leistungsberechtigten, die aus medizinischen
Gründen einer kostenaufwändigen Ernährung bedürfen, wird nach § 21 Abs. 5 SGB II ein Mehrbedarf in angemessener Höhe anerkannt. Bedarfe für Unterkunft und Heizung werden in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen
anerkannt, soweit diese angemessen sind (§ 22 Abs. 1 S. 1 SGB II).
Nach dieser Maßgabe war die Klägerin im Zeitraum 01.01.2013 bis 28.02.2013 nicht hilfebedürftig.
Ihr Bedarf betrug im Januar 2013 592,04 € und im Februar 2013 506,94 €. Er umfasste unstreitig jeweils den Regelbedarf i.H.v.
382 € und einen Mehrbedarf wegen kostenaufwändiger Ernährung nach § 21 Abs. 5 SGB II i.H.v. 37,40 € zuzüglich 149,63 € für Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge. Die Bedarfe für Unterkunft und Heizung betrugen
in den Monaten Januar und Februar 2013 172,74 € bzw. 87,54 €. Sofern der Beklagte die gekündigte Wohngebäudeversicherung nicht
berücksichtigt hat, für die am 02.01.2013 (zusätzlich) ein Beitrag i.H.v. 123,51 € in Rechnung gestellt wurde, hat die Klägerin
im Termin zur mündlichen Verhandlung den im Monat Januar 2013 zu berücksichtigenden Bedarf auf die Kosten der neuen Wohngebäudeversicherung
beschränkt.
Diesem Bedarf der Klägerin stand zum maßgebenden Zeitpunkt jeweils übersteigendes Vermögen gegenüber.
Das Guthaben auf dem Girokonto der Klägerin bei der Sparkasse (Nr. 000), das im Wesentlichen aus der ihr im Frühjahr 2012
angefallenen Erbschaft resultierte, ist, wovon auch die Beteiligten inzwischen einvernehmlich ausgehen, im streitgegenständlichen
Zeitraum entgegen der Auffassung des SG nicht als Einkommen zu bewerten.
Die Abgrenzung von Einkommen und Vermögen erfolgt anhand der modifizierten Zuflusstheorie, derzufolge Einkommen alles das
ist, was jemand nach der Antragstellung wertmäßig dazu erhält, und Vermögen das, was jemand vor der Antragstellung bereits
hatte; auszugehen ist dabei vom Zeitpunkt des tatsächlichen Zuflusses, es sei denn, rechtlich wird ein anderer Zeitpunkt als
maßgeblich bestimmt (Lange in Eicher/Luik, SGB II, Kommentar, 4. Auflage 2017, § 12 Rn. 22). Ein solcher rechtlich maßgeblicher Zufluss liegt bei einem Erbfall vor, weil nach §
1922 Abs.
1 Bürgerliches Gesetzbuch mit dem Tod einer Person deren Vermögen als Ganzes auf die Erben übergeht (Gesamtrechtsnachfolge); bereits ab diesem Zeitpunkt
kann ein Erbe aufgrund seiner durch den Erbfall erlangten Position über seinen Anteil am Nachlass verfügen; ob der Erbe schon
zum Zeitpunkt des Erbfalls tatsächlich Vorteile aus seiner Erbenstellung ziehen kann, ist dabei zunächst ohne Belang; § 11 Abs. 1 Satz 1 SGB II setzt nicht voraus, dass der Einnahme bereits ein "Marktwert" zukommt (BSG, Urteil vom 08.05.2019, B 14 AS 15/18 R). Entscheidend für die Abgrenzung von Einkommen und Vermögen ist daher, ob der Erbfall vor oder nach der ersten Antragstellung
des laufenden Leistungsfalls eingetreten ist; liegt der Erbfall vor der ersten Antragstellung, handelt es sich um Vermögen,
anderenfalls um Einkommen (BSG a.a.O.; Söhngen in Schlegel/Voelzke, juris-PK-SGB II, Stand: 26.06.2020, § 11 Rn. 38). Wenn im Erbfall zwischen dessen Eintritt und dem Zufluss bereiter Mittel aus der Erbschaft (Auskehrung) die Hilfebedürftigkeit
für mindestens einen Kalendermonat entfallen und damit der Leistungsfall beendet war, ist der (spätere) Zufluss von Mitteln
aus der Erbschaft ebenfalls Vermögen, nicht Einkommen (BSG a.a.O; Söhngen a.a.O. Rn. 39).
Hier trat der Erbfall mit dem Ableben der Tante der Klägerin, A J, am 13.03.2012 während des Bezugs von Leistungen zur Sicherung
des Lebensunterhalts nach dem SGB II durch die Klägerin ein, so dass die im August und September zugeflossenen Zahlungen aus der Erbschaft zunächst Einkommen
darstellten.
Nach der Unterbrechung des Leistungsbezugs ab August 2012 begründete der Antrag der Klägerin vom 29.01.2013 jedoch einen neuen
Leistungsfall, der die weitere Berücksichtigung der Erbschaft als Einkommen ausschließt.
Das Vermögen der Klägerin betrug am 01.01.2013 (mindestens) 13.428,63 € und am 01.02.2013 (mindestens) 11.219,70 €. Es setzt
sich zusammen aus dem Guthaben auf dem Girokonto Nr. 000 der Klägerin bei der Sparkasse i.H.v. 13.178,63 € (Stand: 01.01.2013,
die nächsten Abbuchungen erfolgten erst am 02.01.2013) bzw. 10.969,70 € (Stand: 01.02.2013). Hinzuzurechnen sind auch noch
die Guthaben auf den weiteren Spar- und Girokonten der Klägerin, die jedoch nicht im Einzelnen belegt sind.
Dieses Vermögen ist (jedenfalls) i.H.v. 5.328,63 € (Januar) bzw. 3.119,70 € (Februar) verwertbar. Denn abzusetzen ist von
den genannten Beträgen lediglich ein Betrag i.H.v. 8.100 €, der den Grundfreibetrag i.H.v. 150 € je vollendetem Lebensjahr
(§ 12 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SGB II), mithin 7.350 € für die im Jahr 1963 geborene Klägerin, sowie den Freibetrag für notwendige Anschaffungen i.H.v. 750 € (§
12 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 SGB II) umfasst.
Die Erbschaftssteuerschuld ist nicht zusätzlich vermögensmindernd zu berücksichtigen.
Dies ergibt sich aus § 12 Abs. 4 SGB II. Danach ist das Vermögen mit seinem Verkehrswert zu dem Zeitpunkt zu berücksichtigen, zu dem der Antrag auf Bewilligung oder
erneute Bewilligung der Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende gestellt wird, wobei wesentliche Änderungen des Verkehrswertes
zu berücksichtigen sind. Unter Verkehrswert ist der Betrag zu verstehen, der durch eine Verwertung des Vermögensgegenstandes
am Markt zu erzielen ist (Formann in Schlegel/Voelzke, juris-PK-SGB II, Stand: 15.10.2020,§ 12 Rn. 102). Bei der Ermittlung des Verkehrswerts sind aber nur solche Belastungen zu berücksichtigen, die unmittelbar auf dem
Vermögensgegenstand ruhen, so dass der Gegenstand nicht ohne entsprechende Abzüge veräußert werden kann (Lange a.a.O. Rn.
122). Bei Immobilien sind dies die dinglichen Belastungen Grundschulden, Hypotheken und Nießbrauch (Formann a.a.O. Rn. 103).
Bei der Erbschaftssteuerschuld handelt es sich nicht um eine dingliche, sondern lediglich um eine rein schuldrechtliche und
damit gegenüber dem Kontoguthaben selbständige Belastung. Schuldrechtliche Verbindlichkeiten haften einem Vermögensgegenstand
nicht unmittelbar an und sind daher für die Verwertbarkeitsprüfung und die Wertermittlung unerheblich. Dies gilt selbst dann,
wenn die Verbindlichkeiten - wie hier - unmittelbar mit dem Erwerb des Vermögensgegenstandes in Zusammenhang stehen (vgl.
Lange a.a.O. Rn. 21 unter Hinweis auf BSG, Urteil vom 02.11.2000, B 11 AL 35/00 R). Auch eine drohende Zwangsvollstreckung wegen etwaiger sonstiger Verbindlichkeiten in den fraglichen Vermögensgegenstand
ändert hieran nichts, so dass im Recht der Grundsicherung für Arbeitsuchende die Tilgung privater Schulden grundsätzlich hinter
der Sicherstellung des Existenzminimums zurückzustehen hat (Lange a.a.O. unter Hinweis auf BSG, Urteil vom 15.04.2008, B 14 AS 27/07 R, sowie BSG, Urteil vom 11.12.2012, B 4 AS 29/12 R). Einer Berücksichtigung der Erbschaftssteuerschuld steht im Übrigen allein schon entgegen, dass der (erste vorläufige)
Bescheid des Finanzamtes Krefeld hierzu erst am 16.05.2013 und damit nach Abschluss des streitigen Zeitraumes erging. Die
Steuerschuld war damit weder im Januar noch im Februar 2013 "rechtlich konkretisiert".
Sofern die Klägerin einwendet, dass der zur Begleichung der Erbschaftssteuer benötigte Barbetrag nach § 12 Abs. 3 Satz 1 Nr. 6, 2. Alt. SGB II abzusetzen sei, gibt es auch dafür keine Veranlassung. Bei dem Begriff der besonderen Härte handelt es sich um einen unbestimmten
Rechtsbegriff, der der vollen gerichtlichen Überprüfung unterliegt; ob von einer besonderen Härte im Sinne des § 12 Abs. 3 Satz 1 Nr. 6, 2. Alt SGB II auszugehen ist, richtet sich nach den Umständen des Einzelfalls; maßgebend sind dabei nur außergewöhnliche Umstände, die
nicht durch die ausdrücklichen Freistellungen über das Schonvermögen (§ 12 Abs. 3 Satz 1 SGB II) und die Absetzungsbeträge nach § 12 Abs. 2 SGB II erfasst werden; demnach setzt § 12 Abs. 3 Satz 1 Nr. 6 SGB II voraus, dass die Umstände dem Betroffenen ein deutlich größeres Opfer abverlangen als eine einfache Härte und erst recht
als die mit der Vermögensverwertung stets verbundenen Einschnitte; es sind nur besondere, bei anderen Leistungsberechtigten
regelmäßig nicht anzutreffende Umstände beachtlich und in ihrem Zusammenwirken zu prüfen (BSG, Urteil vom 30.08.2017, B 14 AS 30/16 R; Landessozialgericht [LSG] Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 18.10.2019, L 21 AS 529/18; dass., Urteil vom 28.03.2019, L 19 AS 1096/17). Von solchen außergewöhnlichen Umständen ist hier nicht auszugehen. Denn durch die Nichtberücksichtigung der Erbschaftssteuerschuld
wird der Klägerin nicht mehr zugemutet als jedem Anderen, dem es nach den vorstehenden Ausführungen (rechtlich) verwehrt ist,
seine Gläubiger zu Lasten der Sicherung des eigenen Existenzminimums zu befriedigen.
Eine Berücksichtigung der Erbschaftssteuerschuld analog § 11b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 bzw. 5 SGB II kommt ebenfalls nicht in Betracht, und zwar unabhängig von der Frage, ob eine planwidrige Regelungslücke vorliegt. Das BSG subsumiert die Erbschaftssteuer allein unter den Begriff der entrichteten Steuern nach § 11 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SGB II in der in der Zeit vom 01.01.2007 bis 31.12.2010 geltenden Fassung (BSG, Urteil vom 25.01.2012, B 14 AS 101/11 R). Umfasst sind die tatsächlich entrichteten Steuern (Söhngen a.a.O. § 11b Rn. 19), und zwar solche, die an die Einnahmeerzielung anknüpfen (Hengelhaupt in Hauck/Noftz, SGB II, Stand: 08/17, § 11b Rn. 74). Sofern die Klägerin die Erbschaftssteuer vor dem 01.01.2013 nicht bereits entrichtet hatte, mag dies nicht entgegenstehen.
Denn es wird die Auffassung vertreten, dass aus Sinn und Zweck des § 11b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB II herzuleiten ist, dass auch die zum maßgeblichen Zeitpunkt kraft Gesetzes entstandenen, jedenfalls aber die am maßgeblichen
Anrechnungsstichtag konkretisierten Steuern maßgebend sind (Hengelhaupt a.a.O. Rn. 77). Die Erbschaftssteuerschuld der Klägerin
ist aber frühestens mit Bescheid des Finanzamtes Krefeld vom 16.05.2013 konkretisiert gewesen (s.o.). Stellt man auf die endgültige
Festsetzung der Steuerschuld ab, wäre sogar erst der entsprechende Bescheid des Finanzamtes Krefeld vom 28.08.2017 maßgebend.
Sofern die Klägerin argumentiert, es liefe dem Schutzzweck des § 12 Abs. 3 Satz 1 Nr. 4 SGB II zuwider, wenn man sie darauf verwiese, die zur Entrichtung der Erbschaftssteuer gebildete Rücklage zur Bestreitung ihres
laufenden Lebensunterhalts zu verwenden, da ihr dann die Vollstreckung in ihre Immobilie drohe, ist ihr entgegen zu halten,
dass ihr Grundbedürfnis "Wohnen" keineswegs tangiert würde. Nach § 12 Abs. 3 Satz 1 Nr. 4 SGB II ist ein selbst genutztes Hausgrundstück von angemessener Größe nicht als Vermögen zu berücksichtigen. Schutzzweck der Norm
ist der Schutz der Wohnung i.S.d. Erfüllung des Grundbedürfnisses "Wohnen" und als räumlicher Lebensmittelpunkt (Lange in
Eicher/Luik, SGB II, Kommentar, 4. Auflage 2017, § 12 Rn. 86). Die Klägerin wäre ggf. lediglich gehalten, ihre Immobilie zu beleihen.
Weitere denkbare Absetzungsbeträge von dem anrechenbaren Vermögen der Klägerin sind weder geltend gemacht noch anderweitig
ersichtlich. Sofern die Klägerin diesbezüglich zunächst noch eine Absetzung von Bestattungskosten geltend gemacht hat, ist
sie davon im Laufe des Berufungsverfahrens abgerückt. Mit Blick darauf, dass sie vorgetragen hat, ihrem Cousin gegenüber zur
Erstattung von ihm geleisteter Bestattungskosten verpflichtet gewesen zu sein, hat sie die Höhe der gegen sie gerichteten
Forderung im Übrigen zu keinem Zeitpunkt näher beziffert geschweige denn konkret belegt.
Übersteigt der Betrag des in den beiden streitigen Monaten zu berücksichtigenden Vermögens (i.H.v. mindestens 5.328,63 € im
Januar 2013 bzw. 3.119,70 € im Februar 2013) den zu deckenden Bedarf (von 542,04 € im Januar 2013 bzw. 506,94 € im Februar
2013) damit nach alledem deutlich, war die Klägerin in dem genannten Zeitraum nicht bedürftig, sodass das SG die Klage (im Ergebnis) zu Recht abgewiesen hat. Aus der Entscheidung des BSG vom 20.02.2020, B 14 AS 52/18, ergibt sich für den vorliegenden Fall zwischenzeitlich nichts Anderes, weil Ende des Monats Februar 2013 das Guthaben allein
auf dem Girokonto Nr. 000 (9.088,10 €) abzüglich der Freibeträge (8.100 €) immer noch höher gewesen ist als der Bedarf der
Klägerin und auch in dem gesamten Zeitraum davor seit dem 01.01.2013 kein geringeres Guthaben auf dem Konto zu Buche stand.
Die Kostenentscheidung beruht auf §
193 SGG.
Gründe für eine Zulassung der Revision i.S.d. §
160 Abs.
2 SGG liegen nicht vor.