SGB-II-Leistungen für EU-Ausländer
Einstweiliger Rechtsschutz
Nachweis der Hilfebedürftigkeit
Vorliegen eines Anordnungsanspruchs
Gründe
I.
Die Antragstellerinnen begehren die Zahlungen von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II.
Die am 00.00.1984 geborene Antragstellerin zu 1) ist die Mutter der am 00.00.2005 geborenen Antragstellerin zu 2). Beide sind
rumänische Staatsangehörige und reisten eigenen Angaben zufolge im Jahr 2011 in die Bundesrepublik Deutschland ein.
Am 16.06.2016 beantragten sie beim Antragsgegner Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II. Bisher seien sie keiner Erwerbstätigkeit nachgegangen, sondern durch die Geschwister der Antragstellerin zu 1) unterstützt
worden. Diese seien aber zurück nach Rumänien gereist. Zur Bedarfsgemeinschaft gehörten zwei Personen, weitere Personen lebten
nicht im Haushalt. Der Vater der Antragstellerin zu 2) sei unbekannt, lebe in Rumänien und zahle keinen Unterhalt. Außer Kindergeld
und Einkommen aus einer geringfügigen Beschäftigung hätten sie kein Einkommen. Die Antragstellerin zu 1) reichte einen vom
01.06.2016 bis 31.05.2017 befristeten Arbeitsvertrag für geringfügig Beschäftigte mit der E GmbH ein, wonach sie zu einer
monatlichen Vergütung von 200,- Euro als Küchenhilfe eingestellt wurde. Zur Sozialversicherung gemeldet wurde die Antragstellerin
zu 1) ab dem 15.06.2016. Die Bezügeabrechnungen weisen für Juni 2016 einen Netto-Verdienst von 122,79 Euro (15 Stunden/Monat)
und für August von 162,77 Euro (20 Stunden/Monat) aus. Die Antragstellerin zu 1) reichte einen Mietvertrag über eine Wohnung
in C, Im X 00, vom 24.03.2016 ein. Als Mieter sind die Antragstellerinnen und Herr S aufgeführt. Die Miete beträgt 440,- Euro
zuzüglich Nebenkostenvorauszahlung von 150,- Euro und Heizkostenvorauszahlung von 110,- Euro. Die (bisherige) Anschrift der
Antragstellerin zu 1) und Herrn S ist im Mietvertrag mit C Straße 00 in L angegeben. Für April 2016 war keine Miete zu zahlen.
Nach einem handschriftlichen Zusatz zum Mietvertrag wurden die Kaution und die Nebenkosten für April bar bezahlt. Der Mietvertrag
ist nur von Herrn S unterschrieben worden.
Mit Schreiben vom 14.06.2016 und 22.06.2016 forderte der Antragsgegner die Antragstellerinnen zur Vorlage verschiedener Unterlagen
und Erklärungen auf. Mit Bescheid vom 16.09.2016 lehnte der Antragsgegner den Antrag ab. Die Hilfebedürftigkeit sei nicht
nachgewiesen. Es fehlten Angaben zu Herrn S, der Zahlungsverbindung für das Kindergeld und zum Familienstand.
Am 22.09.2016 legte die Antragstellerin zu 1) den Bescheid vom 16.09.2016 und den Mietvertrag ohne weitere Erläuterungen beim
Antragsgegner vor.
Am 10.10.2016 haben die Antragstellerinnen beim Sozialgericht Köln beantragt, den Antragsgegner im Wege der einstweiligen
Anordnung zu verpflichten, ihnen Leistungen nach dem SGB II "für den Monat Oktober und den nachfolgenden Bewilligungszeitraum" zu zahlen. Sie hätten vor fünf Monaten Unterlagen eingereicht,
bisher habe der Antragsgegner hierüber nicht entschieden. Ihnen stehe nur Kindergeld und der Lohn aus geringfügiger Beschäftigung
zur Verfügung. Zugleich haben die Antragstellerinnen die Bewilligung von Prozesskostenhilfe beantragt.
Der Antragsgegner hat sich auf die Bestandskraft des Bescheides vom 16.09.2016 berufen. Darüber hinaus sei Hilfebedürftigkeit
nicht nachgewiesen. Die erforderlichen und angeforderten Unterlagen seien nicht nachgereicht worden. Zweifel resultierten
auch daraus, dass die Kaution in bar gezahlt worden sei. Die Antragstellerinnen seien gem. § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II von Leistungen ausgeschlossen. Die Tätigkeit als Küchenhilfe werde erst seit kurzem und in geringem Umfang ausgeübt und stelle
sich daher als völlig untergeordnet dar. Die Antragstellerinnen hätten kein Aufenthaltsrecht aus Art. 10 der Verordnung (EU)
492/2011, weil die Antragstellerin zu 1) nach eigenen Angaben seit ihrer Einreise in die Bundesrepublik Deutschland nicht
erwerbstätig gewesen sei.
Nach einer vom Sozialgericht eingeholten Meldeauskunft über Herrn S war dieser bis zum 16.05.2016 in der C Straße 00 und anschließend
Im X 01 in C gemeldet.
Mit Beschluss vom 07.11.2016 hat das Sozialgericht den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung und auf Bewilligung
von Prozesskostenhilfe abgelehnt. Ein Anordnungsgrund sei nicht erkennbar. Die Antragstellerinnen hätten zu den berechtigten
Einwendungen des Antragsgegners keine Stellungnahme abgegeben, eine Notlage sei daher nicht feststellbar. Da der Ablehnungsbescheid
bestandskräftig geworden sei, seien hohe Anforderungen an die Glaubhaftmachung eines Anordnungsgrundes zu stellen.
Mit Schreiben vom 09.11.2016 haben die Antragstellerinnen ausgeführt, es sei ihnen nicht bekannt, welche Unterlagen dem Antragsgegner
noch fehlten. In der Vorlage des Mietvertrages und des Bescheides am 22.10.2016 sei ein Widerspruch gegen den Ablehnungsbescheid
zu sehen. Sie haben Lohnabrechnungen für Juli 2016 (245,56 Euro) und September 2016 (216,53 Euro) eingereicht, zudem Kontoauszüge
für die Zeit bis 26.08.2016, auf denen ein Kindergeldzufluss von 190,- Euro am 04.08.2016 zu verzeichnen ist. Ebenfalls mit
Schreiben vom 09.11.2016 haben die Antragstellerinnen Widerspruch gegen den Bescheid vom 16.09.2016 eingelegt.
Gegen den am 11.11.2016 zugestellten Beschluss haben die Antragstellerinnen am 14.11.2016 Beschwerde erhoben. Die Antragstellerin
zu 1) gehe einer ernsthaften Beschäftigung nach. Die Antragstellerinnen haben ergänzend die Anmeldebestätigung der Antragstellerin
zu 1) bei der Minijobzentrale, die Meldebescheinigung zur Sozialversicherung sowie weitere Lohnabrechnungen vorgelegt (August
2016 162,77 Euro, Oktober 2016 245,56 Euro).
Mit Verfügung vom 01.12.2016 hat der Senat den Antragstellerinnen aufgegeben, umgehend mitzuteilen, ob die Antragstellerinnen
mit Herrn S in einer Bedarfsgemeinschaft leben, wovon Herr S lebt und ob Mietschulden bestehen. Am 31.01.2017 hat der Senat
darauf hingewiesen, die Verfügung vom 01.12.2016 sei nach wie vor nicht hinreichend beantwortet, zudem fehle bisher eine Auseinandersetzung
mit den Ausführungen des Sozialgerichts. Die Antragstellerin haben eine E-Mail der Hausverwaltung vorgelegt, wonach bis auf
Oktober 2016 alle Mieten gezahlt worden seien und die Miete von Herrn S beglichen werde. Es könne aber nicht sein, dass fremde
Personen, die dazu nicht imstande seien, die Hilfebedürftigen ohne gesetzliche Verpflichtung "durchziehen" müssten. Die Antragstellerin
zu 1) habe ihre geringfügige Beschäftigung zum 31.10.2016 beendet.
II.
Die zulässigen Beschwerden sind nicht begründet. Zu Recht hat das Sozialgericht den Antrag auf Erlass einer einstweiligen
Anordnung und die Bewilligung von Prozesskostenhilfe abgelehnt.
Einstweilige Anordnungen sind nach §
86b Abs.
2 Satz 2
SGG zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung
zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint (Regelungsanordnung). Der Erlass einer einstweiligen Anordnung verlangt
grundsätzlich Erfolgsaussichten in der Hauptsache sowie die Erforderlichkeit einer vorläufigen gerichtlichen Entscheidung.
Die Erfolgsaussichten in der Hauptsache (Anordnungsanspruch) und die Eilbedürftigkeit der erstrebten einstweiligen Regelung
(Anordnungsgrund) sind glaubhaft zu machen (§
86b Abs.
2 Satz 4
SGG i.V.m. §
920 Abs.
2 ZPO). Glaubhaftmachung bedeutet das Dartun der überwiegenden Wahrscheinlichkeit des Bestehens von Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund,
wobei durchaus gewisse Zweifel bestehen bleiben können. Es genügt, wenn bei mehreren ernstlich in Betracht zu ziehenden Möglichkeiten
das Vorliegen einer davon relativ am wahrscheinlichsten ist, weil nach Gesamtwürdigung aller Umstände besonders viel für diese
Möglichkeit spricht (vgl. BSG Beschluss vom 07.04.2011 - B 9 VG 15/10 B). Ob ein Anordnungsanspruch vorliegt, ist in der Regel durch summarische Prüfung zu ermitteln. Können ohne Eilrechtsschutz
jedoch schwere und unzumutbare Nachteile entstehen, die durch das Hauptsacheverfahren nicht mehr zu beseitigen wären, ist
eine abschließende Prüfung erforderlich (BVerfG Beschluss vom 12.05.2005 - 1 BvR 569/05 Rn. 24 f). Bei offenem Ausgang muss das Gericht anhand einer Folgenabwägung entscheiden, die die grundrechtlichen Belange
der Antragsteller umfassend zu berücksichtigen hat (BVerfG Beschluss vom 12.05.2005 - 1 BvR 569/05 Rn. 26; ständige Rechtsprechung des Senats, vgl. nur Beschluss vom 21.07.2016 - L 7 AS 1045/16 B ER).
Der Senat lässt offen, ob bereits die Bestandskraft des Bescheides vom 16.09.2016 einem Anordnungsanspruch entgegensteht.
Grundsätzlich dient das einstweilige Rechtsschutzverfahren (nur) der Sicherung des in der Hauptsache mit Aussicht auf Erfolg
geltend gemachten Anspruchs, wenn es dem Betroffenen nicht zumutbar ist, aufgrund der zu erwartenden Dauer des Verfahrens
die Hauptsacheentscheidung abzuwarten. An einer in diesem Sinne sicherungsfähigen Rechtsposition fehlt es, wenn ein Ablehnungsbescheid
bestandskräftig geworden und für die Beteiligten in der Sache bindend geworden ist (§
77 SGG). Die ohne weitere Erläuterungen erfolgte Vorlage des Bescheides vom 16.09.2016 und des Mietvertrages kann auch unter Beachtung
des Meistbegünstigungsgrundsatzes nicht als Widerspruch ausgelegt werden, da nicht einmal ansatzweise deutlich geworden ist,
was die Antragstellerinnen mit dieser Vorlage bezweckten. Der Widerspruch vom 09.11.2016 ist offensichtlich verfristet. Ein
Anordnungsanspruch könnte allerdings für die Zeit ab dem 10.10.2016 bestehen, ohne dass §
77 SGG dem entgegensteht, da der Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz auch als Neuantrag auf Leistungen angesehen werden kann und
der Antragsgegner durch sein Vorbringen im gerichtlichen Verfahren hinreichend deutlich gemacht hat, dass er nach Prüfung
diesem Antrag ebenfalls nicht entsprechen wird.
Indes haben die Antragstellerinnen ihre Hilfebedürftigkeit, die Voraussetzung für Leistungen nach dem SGB II ist (§ 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB II), nicht glaubhaft gemacht. Hilfebedürftig ist, wer seinen Lebensunterhalt nicht oder nicht ausreichend aus dem zu berücksichtigenden
Einkommen oder Vermögen sichern kann und die erforderliche Hilfe nicht von anderen, insbesondere von Angehörigen oder von
Trägern anderer Sozialleistungen, erhält (§ 9 Abs. 1 SGB II).
Die Antragstellerinnen tragen vor, sie hätten mit Ausnahme von 190,- Euro Kindergeld und schwankendem Erwerbseinkommen der
Antragstellerin zu 1) aus einer geringfügigen Beschäftigung keine Mittel zur Verfügung. Zwar wurde dies nicht an Eides Statt
versichert (§§
202 SGG,
294 Abs.
1 ZPO). Das Gericht kann aber seine Überzeugung auch ohne Vorlage dieser Versicherung allein auf den Vortrag der Beteiligten stützen,
wenn dies im Rahmen freier Beweiswürdigung möglich erscheint, d.h. die Aussage glaubhaft und schlüssig ist und nicht zu anderen
Beweisergebnissen im Widerspruch steht (Beschluss des Senats vom 27.04.2016 - L 7 AS 384/16 B; BSG Beschluss vom 10.02.1998 - B 2 U 2/98 B mwN). Daran fehlt es hier.
Die Antragstellerinnen haben nicht schlüssig dargelegt, wovon sie in der Zeit ab Antragstellung im Juni 2016 bis heute, mithin
über einen Zeitraum von ca. neun Monaten, ihren Lebensunterhalt bestritten haben. Selbst wenn man berücksichtigt, dass die
Miete offenbar von Herrn S gezahlt wurde, besteht hinsichtlich der Bedarfe zur Sicherung des Lebensunterhalts eine erhebliche
Unterdeckung. Die Antragstellerin zu 1) hat nur in drei Monaten mehr als 200,- Euro verdient, im Übrigen ca. 150 - 170,- Euro
monatlich, zudem hat sie lediglich von Juni 2016 bis Oktober 2016 gearbeitet. Auch wenn man unterstellt, dass das Kindergeld
jeden Monat auf dem Konto der Antragstellerin zu 1) eingeht, was anhand der Kontoauszüge nur für einen Monat nachgewiesen
ist, so ist nicht nachvollziehbar, dass die Antragstellerinnen allein von diesen Einkünften ihren Lebensunterhalt bestritten
haben wollen, also ab November 2016 bis aktuell ausschließlich vom Kindergeld für die Antragstellerin zu 2) gelebt haben wollen.
Trotz Ankündigung haben die Antragstellerinnen bis heute keine aktuellen Kontoauszüge vorgelegt. Der letzte Auszug datiert
auf Ende August 2016 und gibt damit nicht die aktuellen Verhältnisse wieder.
Nicht schlüssig sind die Angaben zur Wohnsituation, wenn die Antragstellerin zu 1) einerseits gemeinsam mit Herrn S, der denselben
Nachnamen trägt wie die Antragstellerin zu 2), einen Mietvertrag über eine Wohnung abschließt, andererseits bei Antragstellung
angibt, die Wohnung ausschließlich mit der Antragstellerin zu 2) zu bewohnen. Dies gilt umso mehr als Herr S ursprünglich
unter derselben Adresse wie die Antragstellerinnen amtlich gemeldet war. Die Antragstellerinnen sind hierzu trotz mehrfacher
Nachfragen auch durch den Senat eine Erklärung schuldig geblieben.
Nach Aktenlage ergeben sich Anhaltspunkte für Unterstützungsleistungen Dritter. So waren die Antragstellerinnen (und Herr
S) den Angaben im Mietvertrag zufolge jedenfalls in der Lage, die Kaution iHv 800,- Euro zuzüglich der Nebenkosten für den
Monat April 2016 (150,- Euro, evtl. zuzüglich der Heizkostenvorauszahlung von 110,- Euro) in bar zu zahlen, zudem wurde die
Miete den Angaben der Antragstellerinnen zufolge bisher durchgehend monatlich - mit Ausnahme des Monats Oktober 2016 - gezahlt.
Ob die Zahlung der Miete nur darlehensweise oder als Überbrückungsleistungen erfolgt ist (hierzu BSG Urteil vom 20.12.2011 - B 4 AS 46/11 R), lässt sich nicht überprüfen. Hierzu fehlt es bereits an einem belastbaren Beteiligtenvortrag.
Nachdem unter Zugrundelegung des Vorbringens der Antragstellerinnen die Rechtsverfolgung von Beginn an keine Aussicht auf
Erfolg hatte, kommt die Bewilligung von Prozesskostenhilfe nicht in Betracht (§§ 73a Abs. 1 Satz 1
SGG, 114 ff.
ZPO).
Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung von §
193 SGG.
Kosten im Beschwerdeverfahren gegen die Ablehnung von Prozesskostenhilfe sind nicht erstattungsfähig (§§ 73a Abs. 1 Satz 1
SGG, 127 Abs. 4
ZPO).