LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 15.08.2016 - 11 KR 513/16
Einstweiliger Rechtsschutz
Gegenwärtig noch bestehende Notlage
Leistungen für die Vergangenheit
Besonderer Nachholbedarf
1. Der Erlass einer einstweiligen Anordnung setzt das Bestehen eines Anordnungsanspruchs, d.h. des materiellen Anspruchs,
für den vorläufigen Rechtsschutz begehrt wird, sowie das Vorliegen eines Anordnungsgrundes, d.h. die Unzumutbarkeit voraus,
bei Abwägung aller betroffenen Interessen die Entscheidung in der Hauptsache abzuwarten.
2. Können ohne die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes schwere und unzumutbare, anders nicht abwendbare Beeinträchtigungen
entstehen, die durch das Hauptsacheverfahren nicht mehr zu beseitigen wären, sind die Erfolgsaussichten der Hauptsache nicht
nur summarisch, sondern abschließend zu prüfen.
3. Scheidet eine vollständige Aufklärung der Sach- und Rechtslage im Eilverfahren aus, ist auf der Grundlage einer an der
Gewährung eines effektiven Rechtsschutzes orientierten Folgenabwägung zu entscheiden.
4. Im Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Anordnung sollen nur diejenigen Mittel zur Verfügung gestellt werden, die zur
Behebung einer aktuellen, d.h. gegenwärtig noch bestehenden Notlage erforderlich sind.
5. Nur ausnahmsweise, wenn die Nichtgewährung der begehrten Leistungen in der Vergangenheit noch in die Gegenwart fortwirkt
und infolgedessen eine aktuelle Notlage besteht, kann von diesem Grundsatz eine Ausnahme gemacht werden; hierzu müssen die
Tatsachen für einen besonderen Nachholbedarf glaubhaft gemacht werden.
Vorinstanzen: SG Münster 10.06.2016 S 18 KR 408/16 ER
Tenor
Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Münster vom 10.06.2016 wird zurückgewiesen. Kosten
sind im Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten.
Entscheidungstext anzeigen:
Gründe
Die Beschwerde des Antragstellers ist unbegründet.
Das Sozialgericht (SG) Münster hat seinen Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz mit Beschluss vom 10.06.2016 zu Recht abgelehnt.
Gemäß §
86b Abs.
2 Satz 2 des
Sozialgerichtsgesetzes (
SGG) sind einstweilige Anordnungen auch zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis
zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile notwendig erscheint (Regelungsanordnung). Der Erlass
einer einstweiligen Anordnung setzt das Bestehen eines Anordnungsanspruchs, d.h. des materiellen Anspruchs, für den vorläufigen
Rechtsschutz begehrt wird, sowie das Vorliegen eines Anordnungsgrundes, d.h. die Unzumutbarkeit voraus, bei Abwägung aller
betroffenen Interessen die Entscheidung in der Hauptsache abzuwarten. Können ohne die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes
schwere und unzumutbare, anders nicht abwendbare Beeinträchtigungen entstehen, die durch das Hauptsacheverfahren nicht mehr
zu beseitigen wären, sind die Erfolgsaussichten der Hauptsache nicht nur summarisch, sondern abschließend zu prüfen (Senat,
Beschluss vom 30.07.2015 - L 11 KR 303/15 B ER -). Scheidet eine vollständige Aufklärung der Sach- und Rechtslage im Eilverfahren aus, ist auf der Grundlage einer
an der Gewährung eines effektiven Rechtsschutzes orientierten Folgenabwägung zu entscheiden (Bundesverfassungsgericht, Beschluss
vom 12.05.2005 - 1 BvR 569/05 -).
Diese Voraussetzungen liegen nicht vor. Zu Recht hat das SG den Antrag des Antragstellers vom 23.05.2016, gerichtet auf die Verpflichtung der Antragsgegnerin, ihm für die Zeit vom 05.11.2015
bis 14.12.2015 Krankengeld zu zahlen, abgelehnt. Werden Leistungen für die Vergangenheit begehrt, besteht kein Anordnungsgrund
(Senat, Beschluss vom 21.05.2012 - L 11 KR 113/12 B ER - Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 12.08.2013 - L 1 KR 281/13 B ER - und vom 22.01.2014 - L 16 KR 740/13 B -). Im Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Anordnung sollen nur diejenigen Mittel zur Verfügung gestellt werden, die
zur Behebung einer aktuellen, d.h. gegenwärtig noch bestehenden Notlage erforderlich sind (Frehse in Jansen,
SGG, 4. Auflage 2012, §
86b Rdn. 101 m.w.N.). Nur ausnahmsweise, wenn die Nichtgewährung der begehrten Leistungen in der Vergangenheit noch in die Gegenwart
fortwirkt und infolgedessen eine aktuelle Notlage besteht, kann von diesem Grundsatz eine Ausnahme gemacht werden. Hierzu
müssen die Tatsachen für einen besonderen Nachholbedarf glaubhaft gemacht werden (Frehse, a.a.O., m.w.N). Daran fehlt es hier.
Der Antragsteller hat einen besonderen Nachholbedarf trotz Hinweis des SG mit Schreiben vom 24.05.2016 nicht glaubhaft gemacht.
Die Kostenentscheidung folgt aus einer entsprechenden Anwendung des §
193 SGG.
Dieser Beschluss ist mit der Beschwerde nicht anfechtbar (§
177 SGG).