Anspruch auf Grundsicherung für Arbeitsuchende; Berücksichtigung von Unterhaltszahlungen beim Einkommen
Gründe:
Der Antragsteller wendet sich im Wege des vorläufigen Rechtsschutzes gegen die Verminderung der Leistungen zum Lebensunterhalt
nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch - Grundsicherung für Arbeitsuchende (SGB II).
Der am ... 1966 geborene Antragsteller hat einen Abschluss als Diplom-Ingenieur (FH) in Elektrotechnik und darüber hinaus
das Erste Juristische Staatsexamen abgeschlossen. Die Zweite Juristische Staatsprüfung hat der Antragsteller erfolglos unternommen.
Der Antragsteller lebt seit November 2004 von seiner Ehefrau, mit der er ein am. 1992 geborenes gemeinsames Kind hat, getrennt.
Erstmals im Februar 2005 beantragte er Hilfe zum Lebensunterhalt, die ihm auch unter Berücksichtigung des von der Ehefrau
gewährten Trennungsunterhalts gewährt wurde. In einem gerichtlichen Vergleich einigten sich der Antragsteller und seine Ehefrau
auf Trennungsunterhalt seit Oktober 2005 von 375 Euro monatlich zuzüglich eines Betrages in Höhe des hälftigen Kindergeldes
(77 Euro) von seiner Ehefrau. Nach den Angaben des Antragstellers stellte die Ehefrau die Zahlung des Trennungsunterhalts
im Oktober 2008 ein.
Seit dem 2. Januar 2008 arbeitet der Antragsteller bei der e -p. GmbH mit Sitz in H. (bzw. jetzt K.). Der von der Arbeitgeberin
bestimmte Einsatzort ist die K. D. GmbH mit Sitz in K., wo der Antragsteller als Call-Center-Agent im Kundenservicecenter
tätig ist.
Am 1. Juli 2008 stellte der Antragsteller erneut einen Antrag auf Hilfe zum Lebensunterhalt. Er gab an, dass er seinem Kind
Unterhalt in Höhe von 288 Euro zahle. Hierzu legte er ein Schreiben seines Rechtsanwalts an die Rechtsanwälte seiner Ehefrau
vom 17. April 2008 vor, wonach der Unterhaltsanspruch in Höhe von 288 Euro anerkannt und der rückständige Unterhalt geregelt
wurde. Weiter reichte der Antragsteller eine "Pkw-Nutzungsvereinbarung" mit Herrn S. aus L. (dem Vater des Antragstellers)
ein, die auf den 30. Juni 2008 datiert ist und nach der für die Nutzung eines Pkw (nach der Fahrgestellnummer ein Audi 100,
Modelljahr 1991) beginnend ab dem Monat Juli 2008 18 Eurocent je km zzgl. Kfz-Steuer und Versicherung vom Antragsteller zu
zahlen waren.
Im Zusammenhang mit einem Fortzahlungsantrag reichte der Antragsteller im Mai 2009 erstmals eine auf seinen Antrag hin errichtete
Unterhaltsurkunde des Landkreises S. über den Kindesunterhalt vom 29. Oktober 2008 ein, in der er sich verpflichtete, Unterhalt
in Höhe von 288 Euro monatlich zu zahlen. Später legte der Antragsteller eine Unterhaltsurkunde des Landkreises S. vom 16.
Juli 2009 für die Zeit bis Dezember 2009 über 295 Euro monatlich vor. Nach dem weiter eingereichten Schriftwechsel forderten
die Bevollmächtigten der Ehefrau den Antragsteller auf, den nach ihrer Ansicht rechtswidrig befristeten Unterhaltstitel zu
entfristen und 110 % des Mindestunterhalts zu zahlen. Im weiteren Verlauf ließ der Kläger eine Unterhaltsurkunde des Landkreises
S vom 19. November 2009 errichten, wonach er sich - wiederum befristet bis Februar 2010 - verpflichtete, an das Kind Unterhalt
in Höhe von 333 Euro monatlich zu zahlen.
Im Antrag auf Hilfe zum Lebensunterhalt ab Januar 2010 vom 24. November 2009 gab der Antragsteller keine Änderungen an. Er
arbeite in G., das 35 km entfernt liege und müsse an fünf Tagen in der Woche hin und zurück fahren. Der Antragsteller wies
auf die Nutzungsvereinbarung zu dem Kfz hin und verlangte eine pauschale Absetzung für Bekleidung von 50 Euro. Für das Kfz
seien 13,14 Euro monatlich für Versicherungen zu zahlen (jährlich 157,63 Euro für Haftpflicht und 161,65 Euro für die Vollversicherung,
allerdings nach einer Bescheinigung für das Jahr 2009). Für die staatlich geförderte Altersvorsorge zahle er 30,96 Euro monatlich.
Der Kindesunterhalt werde in Höhe von 333 Euro monatlich gezahlt. Der Lohnnachweis für den Oktober 2008 zeigt ein Arbeitsentgelt
von brutto 1.292,44 Euro bzw. netto 993,72 Euro. Die Lohnzahlungen erfolgen in wechselnder Höhe jeweils zur Mitte des Folgemonats.
Mit Bescheid vom 9. Dezember 2009 bewilligte die Antragsgegnerin vorläufig vom Januar 2010 bis Juni 2010 monatlich 37,57 Euro
als Hilfe zum Lebensunterhalt.
In einer ergänzenden Mitteilung vom 9. Dezember 2009 erläuterte die Antragsgegnerin dem Antragsteller, dass Grundlagen einer
endgültigen Bewilligung die Einkommensbescheinigungen für den Dezember 2009 bis zum Mai 2010 sowie Nachweise über die tatsächliche
Unterhaltszahlung durch Kontoauszug darstellen würden. Der Unterhalt sei vorläufig in Höhe von 288 Euro als Freibetrag berücksichtigt.
Sie forderte den Antragsteller auf, sofort den angemessenen Unterhalt durch das Jugendamt anhand der Einkommensbescheinigungen
prüfen zu lassen, da durch die festgelegte Forderung vorsätzlich Hilfebedürftigkeit herbeigeführt werde. Dem Antragsteller
wurde eine Frist bis zum 5. Januar 2010 eingeräumt.
Gegen den Bescheid vom 9. Dezember 2009 erhob der Antragsteller am 14. Dezember 2009 Widerspruch: Die Freibeträge seien für
ihn nicht nachvollziehbar.
Die Antragsgegnerin erhielt auf Nachfrage die Auskunft des Landkreises S. vom 17. Dezember 2009, dass die Beurkundung des
Kindesunterhalts auf der Basis einer anwaltlichen Berechnung erfolgt sei. Der Antragsteller habe den Betrag ausdrücklich auf
eigenen Willen hin beurkunden lassen. Grundsätzlich habe jeder Erwerbstätige einen Freibetrag von 900 Euro. Eine Abänderung
der errichteten Urkunde könne nunmehr nur noch mit dem Einverständnis des Unterhaltsberechtigten erfolgen. Das Jugendamt könne
nur einseitige Erklärungen entgegennehmen.
Nach dem Widerspruch gewährte die Antragsgegnerin mit änderndem Bescheid vom 22. Dezember 2009 vorläufig Leistungen ab dem
1. Januar 2010 bis zum 30. Juni 2010 in Höhe von monatlich 298,03 Euro: Über den Anspruch werde nach Vorlage der Einkommensbescheinigungen
abschließend entschieden. Dabei ging die Antragsgegnerin in der Monatsberechnung von einer Regelleistung von 359 Euro und
von einem Bruttoeinkommen in Höhe von 1.292,44 Euro (netto 993,72 Euro) aus. Als Abzüge vom Einkommen berücksichtigte sie:
280 Euro Freibetrag, 30 Euro für Versicherungen, für Kfz-Haftpflicht 13,13 Euro, eine allgemeine Werbungskostenpauschale von
15,33 Euro, Kosten für den Arbeitsweg in Höhe von 330,33 Euro, Beiträge zur Riesterrente von 30,96 Euro und Unterhaltsverpflichtungen
in Höhe von 330 Euro. Als anrechenbares Einkommen errechnete sie einen Betrag von 60,97 Euro.
Mit einem als Anhörung bezeichneten Schreiben vom 10. Februar 2010 - in den Briefkasten des Antragstellers am 15. Februar
2010 eingeworfen - gab die Antragsgegnerin dem Antragsteller Gelegenheit zur Stellungnahme, dass ihm möglicherweise zu Unrecht
Leistungen gewährt worden seien, weil er zu Lasten der Grundsicherung einen freiwilligen Unterhaltstitel errichtet habe. Er
wurde aufgefordert, ab dem 1. März 2010 keinen erhöhten Unterhaltstitel abzuschließen und einen Unterhaltstitel ab dem 1.
März 2010 entsprechend den Einkommensverhältnissen durch das Jugendamt prüfen und entscheiden zu lassen. In seiner Erwiderung
meinte der Antragsteller: Er habe den Unterhaltstitel nicht freiwillig beurkunden lassen, da er von der Kindesmutter hierzu
aufgefordert worden sei. Es sei auch kein erhöhter Unterhalt, sondern der nach den Tabellen des OLG Naumburg einschlägige
Mindestunterhalt festgesetzt worden.
Mit einem wegen der noch nicht bekannten Einkünfte erneut vorläufig erlassenen Bescheid vom 10. Februar 2010 änderte die Antragsgegnerin
die Bewilligung vom 1. Januar 2010 bis 28. Februar 2010 auf nunmehr 346,91 Euro monatlich ab. Hierbei ging sie in der Monatsberechnung
wie folgt vor: Ausgehend vom Bruttoeinkommen in Höhe von 1.292,44 Euro (netto 993,72 Euro) seien 289,24 Euro als Freibetrag
zu berücksichtigen. Weiter absetzbar seien 30 Euro für Versicherungen, für Kfz-Haftpflicht 13,13 Euro, als allgemeine Werbungskostenpauschale
15,33 Euro, für die Kosten des Arbeitswegs 369,97 Euro, als Beiträge zur Riesterrente 30,96 Euro und 330 Euro wegen Unterhaltsverpflichtungen.
Der Regelleistung von 359 Euro stehe daher anrechenbares Einkommen von 12,09 Euro gegenüber.
Mit einem weiteren Bescheid vom 22. Februar 2010 setzte die Antragsgegnerin die Leistungshöhe ab dem 1. März 2010 bis zum
30. Juni 2010 nur noch in Höhe von 13,91 Euro vorläufig fest, da eine endgültige Bewilligung erst nach Vorlage der Verdienstbescheinigungen
ab dem Februar 2010 möglich sei. Als Grund der Änderung gab sie an, dass bei der vorläufigen Einkommensberechnung nunmehr
kein Unterhaltsbetrag in Abzug gebracht werde. Darüber hinaus erließ die Antragsgegnerin unter dem 24. Februar 2010 einen
Bescheid über die teilweise Rücknahme der Bewilligung für die Zeit ab dem 1. März 2010 in Höhe von 284,12 Euro und führte
zur Begründung aus, dass die Berücksichtigung der rechtlichen Unterhaltspflicht mit Wirkung zum 1. März 2010 entfalle.
Mit Widerspruchsbescheid vom 24. Februar 2010 wies die Antragsgegnerin den Widerspruch gegen den Bescheid vom 9. Februar 2010
in der Fassung der Bescheide vom 22. Dezember 2009, 10. Februar 2010 und 22. Februar 2010 zurück: Sie habe die Bewilligung
ab dem 1. März 2010 wegen teilweiser Rechtswidrigkeit nach § 45 Abs. 1 und Abs. 2 Sätze 1 und 2 des Sozialgesetzbuches Zehntes Buch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz (SGB X) aufgehoben. Der Antragsteller sei mit dem Schreiben vom 10. Februar 2010 informiert worden, dass er bei einer weiteren Titulierung
durch das Jugendamt seine Einkommensverhältnisse prüfen lassen solle. Die erneute Titulierung sei nach Mitteilung des Jugendamts
aber erneut auf freiwilliger Basis ohne Prüfung erfolgt. Selbst die Festsetzung des Mindestunterhalts komme nicht in Betracht,
da der Antragsteller nicht leistungsfähig sei. Für die Aufhebung sprächen die Gebote der Rechtmäßigkeit der Verwaltung und
der sparsamen Mittelverwendung. Es sei auch nicht zu erkennen, dass der Antragsteller Vermögensdispositionen getroffen habe,
zumal ohne die erneute Titulierung der Unterhalt ab dem März 2010 nicht weiter vollstreckbar gewesen wäre. Das Vertrauen des
Antragstellers auf den Bestand des Verwaltungsakts sei daher nicht schutzwürdig.
Mit Schreiben vom 26. Februar 2010 teilte der Antragsteller mit, dass er versucht habe, bei dem Jugendamt des Landkreises
den Unterhalt neu titulieren zu lassen. Dies sei aber von der Antragsgegnerin vereitelt worden, da ihre Widerspruchsstelle
dort angerufen und sich gegen die erneute Beurkundung ausgesprochen habe. Er werde die Titulierung aber unverzüglich nachholen.
Nach einer auf Wunsch des Antragstellers erstellten Unterhaltsurkunde - von der Stadt H. ausgestellt - vom 2. März 2010 erklärte
sich der Kläger bereit, seinem Kind nunmehr 334 Euro monatlich (426 Euro abzüglich 92 Euro Kindergeld) befristet bis 30. Juni
2010 zu gewähren. Die Stadt H. bestätigte der Antragsgegnerin, dass keine Einkommensprüfung erfolgt und die Titulierung ausdrücklich
auf den Wunsch des Antragstellers hin vorgenommen sei. In einer weiteren Unterhaltsurkunde der Stadt H. vom 25. Mai 2010 erklärte
sich der Antragsteller befristet bis 31. Oktober 2010 bereit, seinem Kind Unterhalt von 334 Euro (426 Euro abzüglich 92 Euro
Kindergeld) monatlich zu gewähren.
Ein am 1. Juni 2010 beim Sozialgericht Halle (SG) eingegangenes Schreiben des Antragstellers hat das SG als Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz aufgefasst. Der Antragsteller hat beantragt, ihm Leistungen unverändert weiterzuzahlen.
Darüber hinaus hat der Kläger wegen der vorläufigen Leistungen im Zeitraum Januar 2010 bis Juni 2010 eine Klage in der Hauptsache
beim SG erhoben (Az. S 21 As 1641/10), die noch anhängig ist.
Das SG hat mit Beschluss vom 18. Juni 2010 die vorläufige Anordnung höherer Leistung abgelehnt: Die Bescheide seien rechtmäßig.
Der Antragsteller habe ab dem 1. März 2010 keinen Anspruch auf die Absetzung des Unterhalts. Es handele sich nicht um Aufwendungen,
die der Antragsteller zur Erfüllung seiner gesetzlichen Unterhaltspflicht tätige. Die Voraussetzungen einer gesetzlichen Unterhaltsverpflichtung
gegenüber dem Kind seien dem Grunde nach gegeben. Der Antragsteller sei aber aufgrund seiner finanziellen Situation gar nicht
in der Lage, Unterhalt zu leisten und daher zum Unterhalt gesetzlich nicht verpflichtet. Die Vorschrift des § 11 Abs. 2 Satz
1 Nr. 7 SGB II sei nur dann anwendbar, wenn vor Beginn des Leistungsanspruchs eine Unterhaltsforderung tituliert ist. Der
Grund sei, dass der nunmehr aufgrund der geänderten Verhältnisse hilfebedürftig gewordene Unterhaltsverpflichtete den Unterhaltstitel
nicht sofort abändern kann, aber aufgrund der Titulierung der Gefahr einer Pfändung ausgesetzt sei. Die Vorschrift bezwecke
nicht, dass der Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende anstelle des Unterhaltsverpflichteten dem Kind Unterhalt gewährt.
Der Leistungsträger könne fordern, dass der Hilfebedürftige im Rahmen seiner Selbsthilfemöglichkeiten eine Abänderung des
Unterhaltstitels erwirkt.
Gegen den ihm am 23. Juni 2010 zugestellten Beschluss hat der Antragsteller am 21. Juli 2010 Beschwerde erhoben: Der Antragsteller
meint, dass sich die vom SG herangezogene Begründung nicht aus dem Wortlaut des Gesetzes ergebe und sich auch nicht in den Motiven wiederfinde. Er gehe
auch nach anwaltlicher Beratung davon aus, dass er den Mindestunterhalt erbringen müsse, da mit einer Einkommensfiktion zu
rechnen sei. So habe ihm etwa das AG Halle in einem anderen Zusammenhang ein mögliches Nettoeinkommen von 1.200 Euro unterstellt.
Er könne sich auch nicht der Meinung des SG anschließen, dass er sich zum Unterhalt aufgrund Vollstreckungshindernissen folgenlos verurteilen lassen könne. Er habe dann
zusätzlich die unnötigen Anwalts- und Gerichtskosten zu tragen. Im Übrigen stünde dann die Unterhaltsverpflichtung auf einem
gerichtlichen Titel und wäre einkommensmindernd zu berücksichtigen. Schließlich genieße sein Vertrauen auf die weitere Absetzung
des Unterhalts Schutz. Es gehe nicht an, dass ihn die Antragsgegnerin auffordere, keinen erhöhten Unterhalt festsetzen zu
lassen und wenn er dem folge und nur 100% des Mindestunterhalts festsetzen lasse, überhaupt keine Berücksichtigung mehr vornehme.
Der Antragsteller beantragt,
den Beschluss des Sozialgerichts Halle vom 18. Juni 2010 aufzuheben und die Antragsgegnerin zu verpflichten, ihm für den Zeitraum
vom 1. März 2010 bis zum 30. Juni 2010 über die bereits bewilligten Leistungen hinaus weitere Leistungen unter Berücksichtigung
des für den Unterhalt der Tochter gezahlten Betrages von 334 Euro monatlich zu bewilligen.
Die Antragsgegnerin beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Zur Begründung wiederholt sie ihre Ansicht, dass der Antragsteller seine Hilfebedürftigkeit mit der Titulierung des Unterhaltsanspruchs
ab dem 1. März 2010 selbst herbeigeführt habe. Die Anforderungen an die Erwerbsobliegenheit im unterhaltsrechtlichen Sinne
könnten nicht dazu führen, dass der Träger der Grundsicherung jene Unterhaltsverpflichtung erfüllt.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte und die beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Antragsgegnerin verwiesen.
II. Die form- und fristgerecht im Sinne des §
173 Satz 1 des Sozialgerichtsgerichtsgesetzes (
SGG) erhobene Beschwerde ist zulässig. Insbesondere ist die Beschwerde nicht ausgeschlossen, weil der für die Zulässigkeit der
Berufung in der Hauptsache maßgebliche Wert nicht erreicht wird und die Berufung daher nicht zulässig wäre, §
172 Abs.
3 Nr.
1 SGG. Dieser Beschwerdewert bestimmt sich nach dem Umfang, in dem das Gericht dem Begehren des Rechtsmittelführers nicht gefolgt
ist, wobei der Wert dieser Beschwer bei Einlegung des Rechtsmittels zu ermitteln ist (vgl. LSG Sachsen v. 26. April 2010,
Az. L 7 AS 125/10 B ER - Juris). Der dem Antragsteller einstweilen verwehrte Umfang höherer Leistungen beträgt mehr als 750 Euro (4 x 334 Euro).
Die Beschwerde ist allerdings unbegründet.
Der Erlass der von dem Antragsteller begehrten vorläufigen Anordnung beurteilt sich sowohl nach §
86b Abs.
1 SGG als auch nach §
86b Abs.
2 SGG.
Nach §
86b Abs.
1 Satz 1 Nr.
2 SGG kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag die aufschiebende Wirkung in den Fällen anordnen, in denen Widerspruch oder Anfechtungsklage
keine aufschiebende Wirkung haben. Im Hauptsacheverfahren könnte bezogen auf die Bewilligung für den Zeitraum vom 1. März
bis 30. Juni 2010 mit dem vorläufigen Verwaltungsakt vom 22. Februar 2010 bzw. nach dem Rücknahmebescheid vom 24. Februar
2010 nicht nur eine verbundene Anfechtungs- und Leistungsklage, sondern auch eine reine Anfechtungsklage erhoben werden. Wenn
diese erfolgreich wäre, würde zunächst die Regelung wieder wirksam, wie sie mit änderndem Verwaltungsakt vom 22. Dezember
2009 vorläufig erfolgte, wonach Leistungen bis zum 30. Juni 2010 in Höhe von monatlich 298,03 Euro bewilligt waren. Besonderheiten
ergeben sich hier nicht aus der Vorläufigkeit der Verwaltungsakte, weil bislang keine endgültige Bewilligung erfolgt ist,
die allein eine Erledigung der vorläufigen Verwaltungsakte (ohne dass diese formal aufgehoben werden müssten) zur Folge hätte.
In den Verwaltungsvorgängen und nach dem Vortrag der Beteiligten liegt hingegen noch keine endgültige Entscheidung vor. Der
Widerspruch vom 14. Dezember 2009 wirkt auch gegen die Aufhebung der Leistungen für die Zukunft durch die Verwaltungsakte
vom 22. Februar 2010 bzw. vom 24. Februar 2010 (§
86 SGG) und hat keine aufschiebende Wirkung, weil bei in die Zukunft wirkenden Regelungen eine Entscheidung über die Leistungen
der Grundsicherung im Sinne des § 39 SGB II vorliegt (vgl. Senat v. 27. April 2006, L 2 B 62/09 AS ER - JMBl. 2006, 317; v. 21. Oktober 2008, L 2 B 342/07 AS ER - Juris).
Da der Antragsteller, wie aus seinem Antrag ersichtlich ist, über die Bewilligung durch Verwaltungsakt vom 22. Dezember 2009
hinaus Leistungen begehrt, ist das Begehren in diesem Teil als auf eine Regelungsanordnung gerichteter Antrag im Sinne des
§
86b Abs.
2 SGG statthaft, weil dann in der Hauptsache keine reine Anfechtungsklage zu erheben wäre, sondern statthafte Klageart eine kombinierte
Anfechtungs- und Leistungsklage im Sinne des §
54 Abs.
1 und 4
SGG wäre.
Im Rahmen des §
86b Abs.
1 SGG hat insoweit aufgrund der Regelung im §
39 SGB II nach der Wertung des Gesetzgebers das Vollzugsinteresse im Regelfall Vorrang vor dem Suspensiveffekt des Widerspruchs,
so dass die aufschiebende Wirkung nur anzuordnen ist, wenn ein überwiegendes Interesse der durch den angefochtenen Verwaltungsakt
Betroffenen festzustellen ist (vgl. Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer,
SGG, Kommentar, 9. Aufl., §
86b Rdnr. 12a). Die aufschiebende Wirkung ist aber jedenfalls dann anzuordnen, wenn nach summarischer Prüfung deutlich mehr für
als gegen die Rechtswidrigkeit des angefochtenen Verwaltungsaktes spricht. Denn es kann kein berechtigtes öffentliches Interesse
an der Vollziehung eines rechtswidrigen Verwaltungsaktes bestehen.
Insoweit spricht derzeit bei der im einstweiligen Rechtsschutz hinsichtlich der tatsächlichen Feststellungen summarischen
Prüfung mehr für eine Rechtmäßigkeit des Verwaltungsakts vom 22. Februar 2010 als dagegen.
Der Senat kann offen lassen, ob als rechtliche Grundlage für die Änderung des vorläufigen Verwaltungsaktes hinsichtlich der
Leistungen durch die Verwaltungsakte vom 22. Februar 2010 bzw. 24. Februar 2010 die Regelungen der § 40 Abs. 1 Satz 1 SGB
II i.V.m. § 45 Abs. 1 und Abs. 2 SGB X und § 40 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 SGB II i.V.m. §
330 Abs.
2 des Sozialgesetzbuches Drittes Buch - Arbeitsförderung (
SGB III) in Betracht zu ziehen sind oder die vorläufigen Verwaltungsakte hinsichtlich der nicht bindend geregelten Leistungshöhe
schlicht durch weitere vorläufige Verwaltungsakte geändert werden konnten (vgl. zum Meinungsstand etwa Düe in Niesel/Brand,
SGB III, Kommentar, 5. Aufl., §
328 Rn. 8 - 10 m.w.N.). Vertreten wird, dass ein vorläufiger Verwaltungsakt während seiner Geltungsdauer nur nach den Vorschriften
der §§ 44 ff. SGB X abgeändert werden kann. Hiergegen wird eingewandt, dass dies nur hinsichtlich der nicht als vorläufig gekennzeichneten Teile
der Verfügungssätze gelten kann. Da hier die Entscheidungen gerade in der Leistungshöhe vollständig vorläufig ergingen, d.h.
hinsichtlich sämtlicher Teile der Verfügungssätze vollständig vorläufig waren (die ggf. eigener Bestandskraft fähige Erstattung
der Kosten der Unterkunft Heizung ist nicht geregelt) und die weitere Begründung für die Vorläufigkeit bzw. die Berechnungsschritte
nicht im Einzelnen an der Bestandskraft eines Verwaltungsaktes teilhaben, könnte auf eine förmliche Aufhebung verzichtet werden.
Jedenfalls sieht der Senat auch die Voraussetzungen für eine förmliche Aufhebung als gegeben an.
In formaler Hinsicht begegnet eine Aufhebung keinen Bedenken. Insbesondere hat die Antragsgegnerin den Antragsteller mit Schreiben
vom 10. Februar 2010 wirksam im Sinne des § 24 SGB X angehört, da der Antragsteller vor der Aufhebung Gelegenheit hatte, sich zu der für eine Aufhebung maßgeblichen freiwilligen
Errichtung ungeprüfter weiterer Unterhaltsurkunden zu äußern.
Soweit ein Verwaltungsakt, der ein Recht oder einen rechtlich erheblichen Vorteil begründet oder bestätigt hat (begünstigender
Verwaltungsakt), rechtswidrig ist, darf er, selbst wenn er unanfechtbar geworden ist, nur unter den Einschränkungen des §
45 Abs. 2 - 4 SGB X ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder für die Vergangenheit zurückgenommen werden (§ 45 Abs. 1 SGB X). Ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt darf nicht zurückgenommen werden, soweit der Begünstigte auf den Bestand
des Verwaltungsakts vertraut hat und sein Vertrauen unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse an einer Rücknahme schutzwürdig
ist (§ 45 Abs. 2 Satz 1 SGB X), wobei Schutzwürdigkeit in der Regel dann vorliegt, wenn der Begünstigte erbrachte Leistungen verbraucht oder Vermögensdispositionen
getroffen hat, die er nicht mehr oder nur unter unzumutbaren Nachteilen rückgängig machen kann (§ 45 Abs. 2 Satz 2 SGB X). Auf Vertrauen kann sich der Begünstigte allerdings u.a. dann nicht berufen, wenn er die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsakts
kannte oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht kannte (§ 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 3 SGB X). Liegen die Voraussetzungen des § 45 Abs. 2 Satz 3 SGB X vor, ist der Verwaltungsakt abweichend von den allgemeinen Regelungen zwingend mit Wirkung auch für die Vergangenheit zurückzunehmen
(§
330 Abs.
2 SGB III).
Die Bewilligung durch den Bescheid vom 22. Dezember 2009 erscheint im Zeitraum ab dem 1. März 2010 wenigstens im Umfang der
zunächst berücksichtigten Unterhaltszahlungen rechtswidrig zu hoch. Vorliegend spricht nichts dagegen, dass der Antragsteller
die Voraussetzungen für einen Anspruch auf Hilfe zum Lebensunterhalt nach § 19 SGB II i.V.m. § 7 Abs. 1 SGB II erfüllt, da
er das 15. Lebensjahr vollendet und das 65. Lebensjahr noch nicht vollendet hat (§ 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB II), erwerbsfähig
im Sinne des § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, § 8 SGB II, und seinen gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland (§
7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 SGB II) hat, soweit er hilfebedürftig im Sinne der §§ 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3, 9 SGB II ist.
Nach § 9 Abs. 1 SGB II ist hilfebedürftig, wer seinen Lebensunterhalt und den Lebensunterhalt der mit ihm in einer Bedarfsgemeinschaft
lebenden Personen nicht oder nicht ausreichend aus eigenen Mitteln oder aus dem zu berücksichtigenden Einkommen oder Vermögen
sichern kann und die erforderliche Hilfe nicht von anderen, insbesondere von Angehörigen oder von Trägern anderer Sozialleistungen
erhält.
Zutreffend ging die Antragsgegnerin bei der Feststellung des Hilfebedarfs bzw. ihrer Leistungspflicht von einer monatlichen
Regelleistung von 359 Euro aus (§ 20 Abs. 4 SGB II).
Die Kosten der Unterkunft und Heizung können zunächst außer Betracht gelassen werden, da zum einen nach dem derzeitigen Bewilligungsumfang
noch Teile des Regelleistungsumfangs mit der Folge der Übernahme der Kosten der Unterkunft und Heizung bewilligt sind und
im Übrigen aufgrund der geteilten Trägerschaft die Bewilligung nicht durch die Antragsgegnerin, sondern durch den Landkreis
verfügt ist und diese Bewilligung nicht angefochten ist.
Der abstrakte Hilfebedarf in Höhe der Regelleistung mindert sich nach §§ 9 Abs. 1, 11, 12 SGB II um das zu berücksichtigende
Einkommen und Vermögen.
Nach den Angaben des Antragstellers steht Vermögen in einem den Hilfebedarf ausschließenden Umfang nicht zur Verfügung. Der
einzig mitgeteilte positive Vermögensgegenstand besteht in einer staatlich geförderten Altersvorsorge, die erst 2007 abgeschlossen
wurde und die unter Berücksichtigung der seitdem entrichteten Beiträge von höchsten 30,96 Euro monatlich den Privilegierungsumfang
von § 12 Abs. 2 Nr. 2 SGB II nicht überschreitet. Da nach den Angaben des Antragstellers ("meine zukünftige Ex-Ehefrau") auch
bislang die Scheidung einschließlich eines etwaigen Zugewinnausgleichs nicht durchgeführt ist, sieht der Senat auch keinen
Grund an den Angaben des Antragstellers zu seinem Vermögen zu zweifeln.
Als Einkommen sind gemäß § 11 Abs. 1 SGB II Einnahmen in Geld oder Geldeswert zu berücksichtigen mit Ausnahme der Leistungen
nach dem SGB II, der Grundrente nach dem Bundesversorgungsgesetz und nach den Gesetzen, die eine entsprechende Anwendung des Bundesversorgungsgesetzes vorsehen und der Renten oder Beihilfen,
die nach dem Bundesentschädigungsgesetz für Schaden an Leben sowie an Körper oder Gesundheit erbracht werden, bis zur Höhe
der vergleichbaren Grundrente nach dem Bundesversorgungsgesetz. Der Kinderzuschlag nach § 6a des Bundeskindergeldgesetzes ist als Einkommen dem jeweiligen Kind zuzurechnen. Dies gilt auch für das Kindergeld für zur
Bedarfsgemeinschaft gehörende Kinder, soweit es bei dem jeweiligen Kind zur Sicherung des Lebensunterhalts benötigt wird.
Vom Einkommen sind nach § 11 Abs. 2 Satz 1 SGB II unter anderem abzusetzen 1. auf das Einkommen entrichtete Steuern, 2. Pflichtbeiträge
zur Sozialversicherung einschließlich der Beiträge zur Arbeitsförderung, 3. Beiträge zu öffentlichen oder privaten Versicherungen
oder ähnlichen Einrichtungen, soweit diese Beiträge gesetzlich vorgeschrieben oder nach Grund und Höhe angemessen sind; hierzu
gehören Beiträge a) zur Vorsorge für den Fall der Krankheit und der Pflegebedürftigkeit für Personen, die in der gesetzlichen
Krankenversicherung nicht versicherungspflichtig sind, b) zur Altersvorsorge von Personen, die von der Versicherungspflicht
in der gesetzlichen Rentenversicherung befreit sind, soweit die Beiträge nicht nach § 26 bezuschusst werden, 4. geförderte
Altersvorsorgebeiträge nach § 82 des Einkommensteuergesetzes, soweit sie den Mindesteigenbeitrag nach § 86 des Einkommensteuergesetzes
nicht überschreiten, 5. die mit der Erzielung des Einkommens verbundenen notwendigen Ausgaben, 6. für Erwerbstätige ferner
ein Betrag nach § 30 SGB II. 7. Aufwendungen zur Erfüllung gesetzlicher Unterhaltsverpflichtungen bis zu dem in einem Unterhaltstitel
oder in einer notariell beurkundeten Unterhaltsvereinbarung festgelegten Betrag, 8. bei erwerbsfähigen Hilfebedürftigen, deren
Einkommen nach dem Vierten Abschnitt des
BAföG oder §
71 oder §
108 SGB III bei der Berechnung der Leistungen der Ausbildungsförderung für mindestens ein Kind berücksichtigt wird, der nach den Vorschriften
der Ausbildungsförderung berücksichtigte Betrag. Bei erwerbsfähigen Hilfebedürftigen, die erwerbstätig sind, ist an Stelle
der Beträge nach § 11 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 bis 5 ein Betrag von insgesamt 100 Euro monatlich abzusetzen. Beträgt das monatliche
Einkommen mehr als 400 Euro, gilt dies nicht, wenn der erwerbsfähige Hilfebedürftige nachweist, dass die Summe der Beträge
nach § 11 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 bis 5 den Betrag von 100 Euro übersteigt.
Die Antragsgegnerin hat die Einnahmen aus der Beschäftigung des Antragstellers rechtsfehlerfrei als Einkommen gewertet. Es
begegnet keinen Bedenken, dass die Antragsgegnerin ihrer nach §
40 Abs.
1 Satz 2 SGB II i.V.m. §
328 SGB III möglichen vorläufigen Bewilligung nach ihrem Ermessen ein Bruttoeinkommen von 1.292,44 Euro (netto 993,72 Euro) zugrunde
gelegt hat. Dies entspricht dem Arbeitsentgelt, das im Monat Oktober 2009 verdient war und im November 2009 zufloss. Im September
2009 hat der Antragsteller 1.248,31 Euro und im November 2009 1.348,40 Euro brutto verdient, so dass der vorläufigen Bewilligung
annähernd ein Mittelwert zugrunde gelegt werden konnte.
Die der vorläufigen Bewilligung weiter zugrunde gelegten - vorläufigen - Absetzungsbeträge sind von der Antragsgegnerin so
hoch angenommen, dass hieraus keine ermessensfehlerhafte Bestimmung der vorläufigen Leistungshöhe folgt. Nach Ansicht des
Senats ist die vorläufige Bewilligung stattdessen zu Gunsten des Antragstellers wegen einiger zu großzügiger Abzugsposten
zu hoch bzw. bedarf noch weiterer Prüfung. Daraus folgt hinsichtlich der vorläufigen Leistungshöhe keine den Antragsteller
belastende Rechtswidrigkeit, aufgrund derer die aufschiebende Wirkung angeordnet werden müsste.
Vom Bruttoeinkommen waren die Arbeitnehmerbeiträge für Sozialversicherungen und die Lohnsteuer von zusammen 298,72 Euro abzusetzen,
§ 11 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 und 2 SGB II.
Darüber hinaus ist monatlich eine Versicherungspauschale in Höhe von 30 Euro absetzbar (§ 11 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 i.V.m. §
3 Abs. 1 Nr. 1 der Arbeitslosengeld II/Sozialgeld - Verordnung (AlgII-V)).
Die Kosten für die Kfz-Haftpflichtversicherung sind nicht nach § 11 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 SGB II zu berücksichtigen. Es ist
schon fraglich, ob die Antragsgegnerin sie mit 13,13 Euro zutreffend berücksichtigt hat, da der Antragsteller nur die für
das Jahr 2009 und nicht die für das Jahr 2010 gültigen Beiträge mitgeteilt hat (Bl. 534 der Verwaltungsakte). Wie aus der
erst mit dem Folgeantrag vom 31. Mai 2010 eingereichten Rechnung für das Jahr 2010 (Bl. 776 der Verwaltungsakte) ersichtlich,
sind die Kosten nunmehr deutlich niedriger (Haftpflicht 9,88 Euro und Vollkasko 3,49 Euro monatlich). Tatsächlich sind die
Kosten aber schon aufgrund der vom Antragsteller gewählten Vertragsform einer Nutzungsvereinbarung für das Kfz höchstens als
Teil der Erwerbsaufwendungen im Sinne des § 11 Abs. 2 Nr. 5 SGB II zu verstehen. Denn der Antragsteller ist nach seinen Angaben
weder Halter noch Versicherungsnehmer und zahlt die Beiträge nicht selbst an die Versicherung, sondern erstattet sie nur aufgrund
der Vereinbarung an den Vater. Unklar ist bislang, wann er die Erstattung der Beiträge jeweils schuldet und wann bzw. ob und
in welcher Form sie tatsächlich erstattet werden.
Weiter sind die mit der Erzielung des Einkommens notwendigen Ausgaben absetzbar, § 11 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 SGB II. Soweit kein
höherer Nachweis erbracht wird, können 15,33 Euro angenommen werden, § 3 Abs. 1 Nr. 3 lit. a AlgII-V. Einen höheren Nachweis
hat der Antragsteller nicht durch die pauschale Behauptung von erhöhten Bekleidungsaufwendungen und insbesondere nicht durch
den Nachweis höherer Fahrtkosten wegen des Wegs zur Arbeit erbracht. § 3 Abs. 1 Nr. 3 AlgII-V unterscheidet bei den Pauschalen
zwischen den notwendigen Ausgaben ("Werbungskosten") und den Fahrtkosten, so dass bei höherem Nachweis der Fahrtkosten die
Pauschalierung der notwendigen Ausgaben - anders als im Steuerrecht, wo der allgemeine Werbungskostenpauschbetrag auch die
Kosten der Wege zur Arbeitsstätte umfasst - nicht entfällt. Hinzu kommen die Kosten für die Wege zur Arbeitsstätte. Die Antragsgegnerin
hat sich auch hier vorläufig an der Bewilligungsentscheidung für November 2009 mit angenommenen Kosten von 396,97 Euro orientiert.
Sie sollen sich nach der Berechnung der Antragsgegnerin aus den reinen angemessenen Fahrtkosten von 330,33 Euro (Bl. 548 der
Verwaltungsakte) und den Kosten für die Kfz-Steuer von jährlich 302 Euro bzw. monatlich 25,17 Euro und den Kaskobeiträgen
von 161,65 Euro jährlich bzw. monatlich 13,47 Euro (Bl. 352 der Verwaltungsakte) zusammensetzen. Tatsächlich ergäbe diese
Berechnung aber nur 368,97 Euro. Wie bereits ausgeführt, wären die Kfz-Haftpflichtbeiträge hier einzurechnen, sind aber bereits
wie auch die Kaskobeiträge zu hoch berücksichtigt und es ist zweifelhaft, ob der Antragsteller die Beiträge monatlich erstattet,
so dass eine monatliche Berücksichtigung gerechtfertigt wäre. Einen aktuellen Kfz-Steuernachweis hat der Antragsteller nicht
eingereicht. Eine endgültige Entscheidung konnte durch die Antragsgegnerin diesbezüglich nicht ergehen, da - wie beim SG in einem früheren Verfahren strittig und den Beteiligten daher bekannt - für die Frage, in welchem Umfang die Kosten für
die Nutzung des Pkw des Vaters nach der Nutzungsvereinbarung als nach § 11 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 SGB II vom Einkommen absetzbar
angesehen werden können, die Arbeitsschichten des Antragstellers bekannt sein müssen. Andernfalls lässt sich nicht im Sinne
des § 3 Abs. 2 AlgII-V feststellen, ob ggf. statt des Pkw der preislich günstigere öffentliche Nahverkehr zumutbar genutzt
werden kann. Allerdings hat der Senat trotz Kenntnis der in den Verwaltungsvorgängen enthaltenen Entscheidung des SG Zweifel, ob die Aufwendungen abzugsfähig sind. Die Vereinbarung datiert gerade einen Tag vor der Antragstellung auf Alg II.
Sie ist für ein Fahrzeug geschlossen, das nach der Fahrgestellnummer um die 17 Jahre alt ist. Die jährliche Vergütung dürfte
3.000 Euro überschreiten (35 km x 2 Fahrten arbeitstäglich x 19 Arbeitstage x 12 Monate x 0,18 Eurocent). Fraglich ist auch,
wer tatsächlich für die sonstigen Unterhaltskosten und Reparaturen aufkommt. Trotz der beschränkten Vereinbarung scheint der
Antragsteller nämlich nach den eingereichten Quittungen für Betriebsstoffe wie Öl usw. selbst aufzukommen. Erklärungsbedürftig
ist auch die Laufleistung des Kfz, das nach den Aufzeichnungen des Antragstellers im Januar 2009 trotz des Alters gerade einmal
20.000 km gelaufen sein soll. Im Übrigen ist nicht geklärt worden, aus welchen Gründen der Antragsteller seine Arbeitsstelle
zunächst ab Januar 2008 ohne Fahrzeug bzw. mit dem Fahrzeug ohne Abschluss der Nutzungsvereinbarung erreichen konnte. Darüber
hinaus ist klärungsbedürftig, um welchen Fahrtkostenersatz es sich handelt, den der Kläger nach seiner Einkommensteuererklärung
für das Jahr 2008 in Höhe von gerundet 1.727 Euro als erhalten angegeben haben wird, wenn ein solcher im Einkommensteuerbescheid
für das Jahr 2008 erwähnt wird (Bl. 768 der Verwaltungsakte).
Die Beiträge zur staatlich geförderten Altersvorsorge sind nur in den Grenzen von § 11 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 SGB II abzusetzen.
Die Antragsgegnerin hat hier zugunsten des Antragstellers die vollen Beiträge von 30,96 Euro monatlich ab 1. Juni 2009 (Bl.
532) berücksichtigt. Eine nähere Klärung, ob der Mindesteigenbeitrag nach §
86 EStG nach den Einkünften des Jahres 2009 überschritten wird, kann der endgültigen Bewilligung vorbehalten bleiben.
Weiter ist dem Antragsteller nach § 11 Abs. 2 Satz 1 Nr. 6 SGB II i.V.m. § 30 SGB II ein Freibetrag vom Bruttoeinkommen von
zusammen 189,20 Euro zu gewähren (140 Euro zzgl. 49,20 Euro). Der Antragsteller "hat" noch bis zum Oktober 2010 ein minderjähriges
Kind, auch wenn er mit diesem nicht in einem Haushalt lebt.
Die weitere Absetzung von Unterhaltszahlungen in Höhe von 334 Euro monatlich war ab dem März 2010 nicht mehr im Sinne des
§ 11 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 SGB II (eingefügt durch das Gesetz zur Fortentwicklung der Grundsicherung für Arbeitsuchende, BGBl.
I S. 1706, in Kraft ab 1. August 2006) vorzunehmen. Nach der Vorschrift sind Aufwendungen zur Erfüllung gesetzlicher Unterhaltsverpflichtungen
bis zu dem in einem Unterhaltstitel oder in einer notariell beurkundeten Unterhaltsvereinbarung festgelegten Betrag von dem
Einkommen absetzbar.
Unterhaltsleistungen waren auch bereits vor Einführung des § 11 Abs. 2 Nr. 7 SGB II nur dann einkommensmindernd zu berücksichtigen,
wenn ein titulierter Unterhaltstitel vorlag (vgl. zur Sozialhilfe nach dem BSHG BVerwG v. 15. Dezember 1977, V C 35.77 - Juris Rn. 16; zu dem Problemfeld auch LSG Sachsen-Anhalt v. 29. Oktober 2009, L 5 As 16/05 - Juris Rn. 56 ff.). Erst wenn
das zu berücksichtigende Einkommen nicht uneingeschränkt zur Verfügung steht, kann eine Hilfegewährung unter Heranziehung
des sozialhilferechtlichen Faktizitätsprinzips in Betracht kommen (vgl. BSG v. 13. November 2008, B 14 AS 2/08 R - juris Rn. 32, sowie v. 11. Dezember 2007, B 8/9b SO 23/06 R - juris Rn. 15). Nur wenn die Unterhaltsverpflichtung tituliert
und somit der Pfändbarkeit unterworfen ist, steht dem Hilfebedürftigen das Einkommen tatsächlich nicht mehr ungeschmälert
zur Verfügung. Erst dann ist es insoweit seiner Disposition entzogen. Bei freiwillig erbrachten Unterhaltsleistungen gilt
dies nicht (vgl. BSG v. 1. Juli 2009, B 4 AS 17/09 B - juris Rn. 14). Ausgehend vom Grundsatz der Subsidiarität staatlicher Hilfeleistungen (§ 3 Abs. 3 SGB II) ist der Hilfebedürftige
verpflichtet, alle ihm zur Verfügung stehenden Mittel einzusetzen, um seinen Lebensunterhalt und den der mit ihm in einer
Bedarfsgemeinschaft lebenden Personen zu sichern (§§ 2 Abs. 2 Satz 1, 9 Abs. 1 SGB II). Das der Bedarfsgemeinschaft zur Verfügung
stehende Einkommen ist zunächst zur Deckung ihres Bedarfs zu verwenden. Anderenfalls würde der Einsatzpflichtige durch den
Entzug der notwendigen Mittel, die er für die Deckung seines eigenen Lebensunterhalts bzw. für den Bedarf der von ihm versorgten
Bedarfsgemeinschaft benötigt, selbst hilfebedürftig. Eine solche Auslegung und Anwendung der Vorschrift verstieße gegen das
Grundrecht auf Achtung und Schutz der Menschenwürde (Art.
1 Abs.
1 GG), weil sie denjenigen, der sich selbst helfen kann, verpflichten würde, seine Mittel für andere einzusetzen, mit der Folge,
dass er dadurch selbst mittellos würde und auf staatliche Hilfe angewiesen wäre (vgl. BVerwG v. 26. November 1998, 5 C 37/97 - juris Rn. 10). Dieser Grundsatz gilt auch für gesetzlich bestehende Unterhaltsverpflichtungen gegenüber den nicht in der
Bedarfsgemeinschaft lebenden Kindern eines Mitglieds der Bedarfsgemeinschaft (vgl. für Weiterleitung des Kindergelds als Unterhaltszahlung
BSG, v. 1. Juli 2009, B 4 AS 17/09 B - Juris). Es ist nicht Aufgabe des SGB II, dafür zu sorgen, dass Unterhaltsansprüche von Kindern gegenüber Leistungsempfängern
des SGB II befriedigt werden. Vielmehr müssen die Kinder von Leistungsempfängern nach dem SGB II, wenn sie mit diesen nicht
in einer Bedarfsgemeinschaft leben, eigene Ansprüche auf staatliche Transferleistungen geltend machen, soweit dafür die Voraussetzungen
gegeben seien sollten. Die zur Deckung des eigenen Lebensunterhalts vorgesehenen Leistungen des SGB II sind nicht dazu bestimmt,
den Empfänger in die Lage zu versetzen, etwaigen Unterhalts- oder Unterstützungspflichten gegenüber Dritten nachzukommen (vgl.
BSG, v. 19. März 2008, B 11b AS 13/06 R - juris Rn. 14).
Der Senat sieht an diesen Grundsätzen mit der Einführung des § 11 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 SGB II nichts geändert. Es ist daher
nicht überzeugend, dass es wie der Antragsteller meint, nach der Regelung auf Dauer möglich sein soll, freiwillig Unterhaltstitel
errichten zu lassen und sich dadurch (vermehrt) im Sinne der Grundsicherung für Arbeitsuchende bedürftig zu machen. Es ist
nicht allein ausschlaggebend, dass dem Wortlaut des § 11 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 SGB II folgend eine Titulierung des Unterhalts
erfolgt. Die Anwendung der Vorschrift nur nach dem Wortlaut wird dem Sinn der Vorschrift nicht hinreichend gerecht. Nach Ansicht
des Senats führt die Regelung in § 11 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 SGB II nur die Praxis weiter, dass vom Einkommen der Hilfebedürftigen
Unterhaltszahlungen nur absetzbar sind, weil sie sich (noch) einer titulierten Unterhaltsforderung ausgesetzt sehen, so dass
Teile des Einkommens als nicht verfügbar angesehen werden müssen. Dem entspricht auch die Begründung zur Einführung der Regelung
(vgl. BT-Drs. 16/1410 S. 20), wonach die Zahlungen vom Einkommen des Leistungsberechtigten abzuziehen sind, weil sie diesem
tatsächlich nicht zur Verfügung stehen und die Regelung deshalb auf die titulierten Unterhaltsforderungen erstreckt wurde,
weil aus diesen jederzeit vollstreckt werden kann. In der Folge sind titulierte Unterhaltszahlungen absetzbar, aber die Absetzung
kann nur für eine angemessene Übergangszeit akzeptiert werden, solange die Titel noch nicht den veränderten Umständen angepasst
werden konnten. Im Übrigen ist § 11 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 SGB II auch für den Fall anzuwenden, dass gesetzlich eine Unterhaltspflicht
dem Grunde nach besteht und diese nach den Grundsätzen der zivilrechtlichen Unterhaltspflicht auch tatsächlich zu erfüllen
ist. Dann kann der zivilrechtliche Unterhaltstitel trotz Abänderungsbemühungen nicht abgeändert werden. Wenn aus zivilrechtlicher
Sicht Unterhaltsansprüche zumutbar erfüllbar sind, etwa weil das Zivilrecht die Verpflichtung zur Bedarfsdeckung bei den restlichen
Mitgliedern der Bedarfsgemeinschaft als unbeachtlich ansieht (z.B. wenn zivilrechtlich ihnen gegenüber keine Unterhaltspflicht
besteht), stehen die Einkünfte ebenso nicht zur eigenen Bedarfsdeckung zur Verfügung.
Die Obliegenheit zur Anpassung des Unterhaltstitels folgt zum einen aus §§ 2, 3 Abs. 3 SGB II und daraus, dass der Sinn und
Zweck der Regelung in § 11 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 SGB II gerade nicht ist, genügende Mittel für den Unterhalt von Personen außerhalb
einer Bedarfsgemeinschaft zur Verfügung zu stellen. Die Rechtfertigung der Regelung folgt wie gezeigt vielmehr aus dem Gedanken,
dass nur tatsächlich zum Lebensunterhalt verfügbare ("bereite") Mittel auch eingesetzt werden können. Dies ist nicht der Fall,
wenn Einkommensteile von Anfang gepfändet sind oder aber jederzeit gepfändet werden können. Durch § 11 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7
SGB II wird folglich auch keine Aussage zum Rangverhältnis zwischen der Pflicht, selbst für den eigenen Bedarf und den der
Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft zu sorgen und den bürgerlich-rechtlichen Unterhaltspflichten dergestalt getroffen, dass
die zivilrechtlichen Unterhaltspflichten stets vorrangig sind und folglich entsprechende Mittel der Grundsicherung zur Verfügung
zu stellen sind.
Dies entspricht auch der ständigen Praxis im bürgerlich-rechtlichen Unterhaltsrecht. Es ist anerkannt, dass niemand durch
die Leistung von Unterhalt selbst hilfebedürftig im Sinne der Sozialhilfe werden darf (vgl. BGH v. 10. Juli 1996, XII ZR 121/95 - FamRZ 1996, 1272; BGH v. 15. März 2006, XII ZR 30/04 - FamRZ 2006, 683; BGH v. 9. Januar 2008, XII ZR 170/05 - FamRZ 2008, 594). Mithin endet der Anspruch des Kindes des Antragstellers auf zivilrechtlichen Unterhalt spätestens dann, wenn dem Antragsteller
nicht mehr das (hier vom SGB II bestimmte) Leistungsniveau des soziokulturellen Existenzminimums zur Verfügung steht (BVerfG
v. 20. August 2001, 1 BvR 1509/97 - FamRZ 2001, 1685). Daran ändert sich im Grundsatz auch nichts dadurch, dass die Praxis der Zivilgerichte Unterhaltsschuldnern, die ihren Erwerbsobliegenheiten
nicht oder nicht genügend nachkommen, gegebenenfalls Unterhalt auch zu einem fiktiven Einkommen auferlegt (vgl. BVerfG v.
29. Oktober 2009, 1 BvR 443/09 - juris). Die Leistungsfähigkeit eines Unterhaltsschuldners wird nicht allein durch dessen tatsächlich vorhandenes Einkommen
bestimmt, sondern auch durch seine Erwerbsfähigkeit und seine Erwerbsmöglichkeiten (vgl. BVerfG v. 18. März 2008, 1 BvR 125/06 - juris; BGH v. 9. Juli 2003, XII ZR 83/00 - juris). Es besteht eine unterhaltsrechtliche Obliegenheit, sich ausreichend um Arbeit zu bemühen. Daher ist es verfassungsrechtlich
auch nicht zu beanstanden, einen Unterhaltspflichtigen für verpflichtet zu halten, sich neben oder statt einer nach diesen
Maßstäben zu gering vergüteten Erwerbstätigkeit um eine besser bezahlte Anstellung zu bemühen. Ein Unterhaltspflichtiger muss
dabei seine Arbeitskraft entsprechend seiner Vorbildung, seinen Fähigkeiten und der Arbeitsmarktlage bestmöglich einsetzen
und ist seinen minderjährigen Kindern gegenüber verpflichtet, alle zumutbaren Erwerbsmöglichkeiten auszuschöpfen. Allerdings
muss feststehen, dass subjektiv ungenügende Erwerbsbemühungen des Unterhaltsschuldners unternommen werden und die zur Erfüllung
der Unterhaltspflichten erforderlichen Einkünfte müssen für den Verpflichteten objektiv überhaupt erzielbar sein, was von
seinen persönlichen Voraussetzungen wie beispielsweise Alter, beruflicher Qualifikation, Erwerbsbiografie und Gesundheitszustand
sowie dem Vorhandensein entsprechender Arbeitsstellen abhängt (BVerfG v. 11. März 2010, 1 BvR 3031/08 - Juris). Nach diesen Maßgaben verstoßen die Zivilgerichte mit der Annahme eines fiktiven Einkommens gerade nicht gegen die
oben dargestellten Grundsätze des Unterhaltsrechts. Letztendlich bewirkt die Verurteilung zu Unterhalt nach einem objektiv
erzielbaren fiktiven Einkommen zudem, dass der Unterhaltsanspruch auch bei nicht genügenden Erwerbsbemühungen zumindest durch
eine in späteres Einkommen oder Vermögen vollstreckbare Titulierung verwirklicht werden könnte. Auch die Titulierung nach
einem fiktiven Einkommen ändert nichts daran, dass der Unterhaltstitel zunächst nicht vollstreckt werden kann, wenn der Pfändungsschutz
(vgl. z.B. §§
850 ff.
ZPO) greift. Macht der Unterhaltsgläubiger die Forderung aber nicht bzw. nicht in dem Umfang eines fiktiven Einkommens geltend,
verliert er den Unterhaltsanspruch insoweit.
Der hier auftretende Konflikt zwischen den unterschiedlichen Grundsätzen der Leistungsfähigkeit im Unterhaltsrecht und denen
der Grundsicherung, in der sich die Bedarfsdeckung nicht nach den Möglichkeiten, sondern der tatsächlichen Einkommenssituation
bemisst, kann nur in der Weise gelöst werden, dass der Hilfebedürftige ihm zumutbare Anstrengungen unternimmt, die nicht mehr
zutreffende Unterhaltstitulierung abändern zu lassen bzw. einen Unterhaltstitel, der einen fiktiven Unterhalt festsetzt, abändern
zu lassen (so auch LSG Sachsen v. 12. Mai 2009, L 7 AS 146/09 B ER - Juris mit zustimmender Anm. von Schürmann, jurisPR-FamR, 1/2010 Anm. 3; a.A. LSG Baden-Württemberg v. 22. April 2010,
L 7 AS 5458/09 - Juris, nicht rechtskräftig, Revision beim BSG unter dem Az. B 4 AS 78/10 R anhängig). Dass mögliche gerichtliche Abänderungsverfahren mit Kosten verbunden sind, steht dem nicht entgegen, da die
Möglichkeit von Prozesskostenhilfe besteht.
Letztendlich kommt es vorliegend auf eine Abänderbarkeit der Unterhaltsurkunden nicht an. Die die Unterhaltstitel bestehen
nur, weil der Antragsteller sie ohne jede Prüfung seiner zivilrechtlichen Unterhaltsverpflichtung durch die jeweiligen Jugendämter
beurkunden ließ. Die Titel sind auch stets befristet. Es bestand daher für die Antragsgegnerin keine Notwendigkeit, dem Antragsteller
eine Übergangsfrist ab dem 1. März 2010 einzuräumen. Der Antragsteller hat ab dem März 2010 nicht nur von einer ihm möglichen
Form der Selbsthilfe durch Abänderungsbemühungen keinen Gebrauch gemacht, obwohl ihm dies möglich und zumutbar war, sondern
hat aktiv seine Situation durch Veranlassung weiterer ungeprüfter Unterhaltsurkunden verschlechtert. Der Antragsteller wird
hier ebenso behandelt, als hätte er freiwillig auf die Geltendmachung ihm zustehender Einnahmen verzichtet.
Schließlich sind auch die weiteren Voraussetzungen der Aufhebung nach § 40 Abs. 1 Satz 1 SGB II i.V.m. § 45 Abs. 1 und Abs. 2 SGB X und § 40 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 SGB II i.V.m. §
330 Abs.
2 SGB III als erfüllt anzusehen. Der Antragsteller kann sich nicht auf Vertrauensschutz nach § 45 Abs. 1 und 2 SGB X berufen. Bei einer Rücknahme für die Zukunft können noch nicht gezahlte Mittel nicht verbraucht sein. Für nicht rückgängig
zu machende Vermögensdispositionen aufgrund der ursprünglichen Bescheide ist nichts ersichtlich, da diese dem Antragsteller
gerade nahelegten, keine Unterhaltstitel errichten zu lassen. Im Übrigen war dem Antragsteller bewusst, dass die Bewilligung
jedenfalls teilweise rechtswidrig zu hoch war und er damit mit der Rücknahme der Bewilligung rechnen musste: Hätte er keinen
Unterhaltstitel beurkunden lassen, wäre der Grund für die Absetzung in dieser Höhe weggefallen. Für den Fall der Errichtung
weiterer - ungeprüfter - Unterhaltsurkunden war ihm von der Antragsgegnerin mitgeteilt worden, dass die Bewilligung ebenfalls
aufzuheben sein wird. Dies genügt unter Berücksichtigung der juristischen Vorbildung des Antragstellers mindestens für die
Annahme grober Fahrlässigkeit im Sinne des § 45 Abs. 2 Nr. 3 SGB X.
Ermessen war danach wegen §
330 Abs.
2 SGB III nicht auszuüben.
Da nach Vorstehendem keine Anordnung nach §
86b Abs.
1 SGG zu treffen war, fehlt es auch an einem Anordnungsanspruch für den Antragsumfang, der nach §
86b Abs.
2 SGG zu beurteilen war.
Die Kostenentscheidung beruht auf entsprechender Anwendung des §
193 Abs.
1 und 4
SGG und berücksichtigt den Verfahrensausgang.
Die Entscheidung ist endgültig, §
177 SGG.