Zusatz- und Sonderversorgung der neuen Bundesländer - Bergmannsprämie; Steuerfreiheit; Glaubhaftmachung; Nachweis; Jahresarbeitsentgelt;
Zusätzliche Belohnung im Bergbau
Tatbestand:
Der Kläger begehrt von der Beklagten die Feststellung zusätzlicher Entgelte im Rahmen des Anspruchs- und Anwartschaftsüberführungsgesetzes (AAÜG) auf der Grundlage von zusätzlichen Belohnungen im Bergbau (im Folgenden: Bergmannsprämie).
Der am ... 1939 geborene Kläger besuchte vom 1. September 1966 bis zum 31. Juli 1971 die Ingenieurschule E ... Ausweislich
der Urkunde dieser Einrichtung vom 29. März 1973 erwarb er nach bestandener Prüfung die Berechtigung, die Berufsbezeichnung
Ingenieurökonom zu führen. Nachfolgend war er bis zum 31. März 1974 beim VEB Erdöl und Erdgas G. beschäftigt. Es folgten Tätigkeiten
beim VEB Erdgasförderung S. (1. April 1974 bis 31. Juli 1975) sowie beim VEB Zentrales Reparatur- und Ausrüstungswerk G. (1.
August 1975 bis mindestens 30. Juni 1990). Vom 1. Januar 1972 bis zum 30. Juni 1990 zahlte er Beiträge zur Freiwilligen Zusatzrentenversicherung
(FZR).
Mit Bescheid vom 7. Dezember 2004 stellte die Beklagte den Zeitraum vom 1. März 1973 bis zum 30. Juni 1990 als Zeit der Zugehörigkeit
zur zusätzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz (AVItech) mit den entsprechenden Entgelten fest.
Am 6. November 2007 beantragte der Kläger die Überprüfung der festgestellten Entgelte. Daraufhin stellte die Beklagte mit
Bescheid vom 2. Februar 2009 fest, dass das AAÜG nach § 1 dieses Gesetzes entgegen der Aussage im Feststellungsbescheid vom 7. Dezember 2004 nicht anwendbar sei. Der Feststellungsbescheid
vom 7. Dezember 2004 sei rechtswidrig, könne aber nicht mehr nach § 45 des Zehnten Buches des Sozialgesetzbuches (Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz - SGB X) zurückgenommen werden. Ein Anspruch auf Feststellung von weiteren Pflichtbeitragszeiten bzw. höheren Entgelten nach dem
AAÜG bestehe jedoch nicht. Der Feststellungsbescheid vom 7. Dezember 2004 sei deshalb rechtswidrig, weil für den VEB Zentrales
Reparatur- und Ausrüstungswerk G. am 30. Juni 1990 die betrieblichen Voraussetzungen im Sinne der AVItech nicht mehr vorgelegen
hätten. Den dagegen eingelegten Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 4. Mai 2009 zurück. Das anschließende
Klageverfahren beim Sozialgericht Stendal (Az.: S 6 R 131/09, mit Wirkung vom 1. November 2010 in das Sozialgericht Magdeburg eingegliedert, Az.: S 46 R 90131/09) endete am 24. Januar 2011 mit einem Vergleich dahingehend, dass die Beklagte anerkannte, dass das AAÜG gemäß § 1 Abs. 1 dieser Vorschrift doch anwendbar sei. Die Beklagte verpflichtete sich zudem zu prüfen, in welchem Umfang höhere Verdienste
gemäß § 6 Abs. 1 AAÜG festzustellen seien.
Im sich daran anschließenden Verwaltungsverfahren legte der Kläger eine Vereinbarung vom 2. Juli 1975 mit dem VEB Zentrales
Reparatur- und Ausrüstungswerk G. vor. Diese hatte - auszugsweise - folgenden Inhalt: "Der Kollege S. übernimmt am 1. August
1975 im VEB ZRAW G. die Funktion des Abteilungsleiters Zentraler Warenein- und -ausgang im Direktionsbereich Beschaffung und
Absatz. (...) Die Bergmannstreueprämie wird in Höhe von 10% weitergewährt, bei Erfüllung der Kennziffern wird eine Leistungsprämie
in Höhe der anteiligen Jahresendprämie für das Jahr 1975 gezahlt. (...)". Auf der Grundlage einer Bescheinigung der R. vom
12. Januar 2011 mit der Anlage "Fiktiv ermittelter Auszahlbetrag "Zusätzliche Belohnung") erkannte die Beklagte mit Bescheid
vom 7. Juni 2011 eine Bergmannsprämie als zusätzliches Entgelt für die Zeit vom 1. Januar bis 31. Juli 1975 in Höhe von 1.656,30
Mark an. Für die Zeit vom 1. März 1973 bis zum 31. Dezember 1974 und vom 1. August 1975 bis zum 30. Juni 1990 könne die geltend
gemachte Bergmannsprämie nicht berücksichtigt werden, da diese weder durch den Kläger noch durch seinen ehemaligen Arbeitgeber
habe nachgewiesen werden können. Die tatsächliche Gewährung und die Höhe der Bergmannsprämien seien von der Erfüllung vielfältiger
Bedingungen abhängig gewesen. Wegen der nicht zweifelsfrei nachvollziehbaren Erfüllung dieser Bedingungen könne eine Berechnung
der Bergmannsprämien durch die Beklagte nicht erfolgen. Den dagegen eingelegten - nicht näher begründeten - Widerspruch wies
die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 14. November 2011 im Rahmen einer Überprüfung nach Aktenlage zurück.
Dagegen hat der Kläger am 14. Dezember 2011 Klage beim Sozialgericht Magdeburg erhoben, mit der er sein Begehren weiterverfolgt
hat. Mit Urteil vom 16. Oktober 2015 hat das Sozialgericht die Beklagte antragsgemäß verpflichtet, für die Zeit von 1976 bis
1990 fünf Sechstel der Bergmannsprämie in Höhe von 10 Prozent des nachgewiesenen Bruttogehaltes des Vorjahres als erzieltes
Arbeitsentgelt anzuerkennen und einen entsprechenden Feststellungsbescheid zu erteilen. Die zusätzlich zu berücksichtigenden
Arbeitsentgelte hat das Sozialgericht in den Entscheidungsgründen näher beziffert. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Bergmannsprämie
sei Arbeitsentgelt im Sinne von § 6 Abs. 1 Satz 1 AAÜG i.V.m. §
14 Abs.
1 des
Vierten Buches des Sozialgesetzbuches (Gemeinsame Vorschriften für Sozialversicherung -
SGB IV). Der Kläger habe den Zufluss der Bergmannsprämie von 1976 bis 1990 glaubhaft gemacht. Das Sozialgericht halte es für überwiegend
wahrscheinlich, dass die Beschäftigten des VEB Zentrales Reparatur- und Ausrüstungswerk G. grundsätzlich einen Anspruch auf
Zahlung der Bergmannsprämie gehabt hätten. Das ergebe sich aus dem Rahmenkollektivvertrag (RKV) Geologie in Verbindung mit
der Staatlichen Verordnung zur Verbesserung der Lage der Bergarbeiter, des ingenieurtechnischen und kaufmännischen Personals
sowie der Produktionsverhältnisse im Bergbau der DDR. Zwar habe der RKV Geologie nur für die Beschäftigten des VEB Kombinat
Erdöl-Erdgas gegolten. Der VEB Zentrales Reparatur- und Ausrüstungswerk G. sei aber ein Kombinatsbetrieb des VEB Kombinat
Erdöl-Erdgas gewesen. Der definierte Anwendungsbereich habe auch die Beschäftigten der jeweiligen Kombinatsbetriebe umfasst.
Der Kläger habe darüber hinaus glaubhaft gemacht, dass er die persönlichen Voraussetzungen für die Zahlung der Bergmannsprämie
im streitigen Zeitraum erfüllt habe. Die Höhe der für den streitgegenständlichen Zeitraum zu berücksichtigenden Bergmannsprämien
habe 10 Prozent des jährlichen Bruttoverdienstes betragen, da der Kläger 1976 bereits eine zwölfjährige Beschäftigungszeit
aufgewiesen habe. Maßgeblich sei das Bruttoentgelt des jeweiligen vorangegangenen Kalenderjahres gewesen. Die tatsächliche
Höhe der Prämie könne gleichwohl auf der Grundlage dieser Bruttoarbeitsverdienste nicht zweifelsfrei bestimmt werden. Das
nach § 6 Abs. 1 Satz 1 AAÜG i.V.m. §
14 SGB IV zu bestimmende Jahresarbeitsentgelt sei nicht identisch mit dem Bruttoverdienst nach §
3 Abs. 14 der o.g. Verordnung. Nach der bundesrechtlichen Regelung seien Arbeitsentgelt alle laufenden oder einmaligen Einnahmen
aus einer Beschäftigung, gleichgültig, ob ein Rechtsanspruch auf die Einnahmen bestehe, unter welcher Bezeichnung oder in
welcher Form sie geleistet oder ob sie unmittelbar aus der Beschäftigung oder im Zusammenhang mit ihr erzielt worden seien.
Demgegenüber habe der Bruttoverdienst nach § 3 Abs. 14 der o.g. Verordnung den Tariflohn oder das Tarifgehalt sowie die in
den Buchstaben a bis i genannten Lohnersatz- und Ausgleichszahlungen oder Zuschläge erfasst. Das Jahresarbeitsentgelt nach
§
14 SGB IV könne daher höher liegen als der Jahresbruttoverdienst im Sinne der o.g. Verordnung. Da der Kläger die Höhe der jährlichen
Bergmannsprämie nicht nachgewiesen habe, seien die Prämienzahlungen gemäß § 6 Abs. 6 AAÜG auf fünf Sechstel von 10 Prozent des Bruttoentgeltes des vorhergehenden Kalenderjahres zu begrenzen. Daraus ergäben sich
die näher errechneten Beträge.
Gegen das ihr am 20. November 2015 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 7. Dezember 2015 Berufung beim Landessozialgericht
(LSG) Sachsen-Anhalt eingelegt. Der Kläger habe die Zahlung von Bergmannsprämien nicht zumindest glaubhaft gemacht. Unabhängig
davon, dass die einzelnen Kriterien für die Gewährung von Bergmannsprämien ohne das Vorliegen von konkreten Nachweisen durch
den Kläger aus heutiger Sicht nicht mehr zweifelsfrei nachgewiesen werden könne, verweise sie auf die Entscheidung des 1.
Senats des LSG Sachsen-Anhalt vom 27. August 2015 (L 1 RS 23/13). Danach sei die zu DDR-Zeiten gezahlte Bergmannsprämie nach bundesdeutschem Steuerrecht (§
3 Nr. 46 des
Einkommensteuergesetzes -
EStG) steuerfrei gewesen. Im Ergebnis sei die Bergmannsprämie bereits aus diesem Grunde nicht Arbeitsentgelt im Sinne von §
14 SGB IV und zähle somit auch nicht zum tatsächlichen Arbeitsentgelt nach § 6 Abs. 1 AAÜG. Der 3. Senat des LSG Sachsen-Anhalt habe diese Auffassung in der Entscheidung vom 29. Juni 2016 (L 3 RS 12/14) bestätigt.
Die Beklagte beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Magdeburg vom 16. Oktober 2015 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Er hält die Entscheidung des Sozialgerichts für zutreffend und beruft sich im Hinblick auf die Steuerpflicht auf das Urteil
des LSG Berlin-Brandenburg vom 19. November 2015 (L 22 R 585/13). Zur Frage der Glaubhaftmachung von Arbeitsentgelt, im Speziellen der Bergmannsprämie, halte er die Ausführungen des Sozialgerichts
für überzeugend. Im Übrigen stütze er sich auf die Rechtsprechung des Sächsischen LSG im Urteil vom 5. Juli 2016 (L 5 RS 166/14) bezüglich der Glaubhaftmachung der Bergmannsprämie. Aufgrund der unterschiedlichen Rechtsauffassungen der LSG sei aus seiner
Sicht in einem geeigneten Verfahren die Revision zuzulassen.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung des Senats durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt
(Schriftsatz der Beklagten vom 9. Januar 2017, Schriftsatz des Klägers vom 16. Januar 2017).
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten sowie auf die Verwaltungsakte der Beklagten verwiesen. Diese Akten
haben bei der Entscheidungsfindung des Senats vorgelegen.
Entscheidungsgründe:
Der Senat konnte den Rechtsstreit gemäß §§
153 Abs.
1,
124 Abs.
2 Sozialgerichtsgesetz (
SGG) durch Urteil ohne mündliche Verhandlung entscheiden, weil sich die Beteiligten hiermit einverstanden erklärt haben.
Die zulässige Berufung der Beklagten ist begründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Feststellung weiterer Entgelte in Gestalt
von Bergmannsprämien. Das Begehren des Klägers scheitert daran, dass die geltend gemachten Bergmannsprämien in Anwendung der
Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) kein durch die Beklagte festzustellendes Arbeitsentgelt sind (vgl. Urteil des erkennenden Senats vom 29. Juni 2016 - L 3 RS 12/14 - zur Veröffentlichung vorgesehen; so bereits Urteil des 1. Senats des LSG Sachsen-Anhalt vom 27. August 2015 - L 1 RS 23/13 -, juris).
Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG (Urteil vom 23. August 2007 - B 4 RS 4/06 R - RdNr. 24 ff.; Urteil vom 30. Oktober 2014 - B 5 RS 1/13 R - RdNr. 15, 16; Urteil vom 23. Juli 2015 - B 5 RS 9/14 R - RdNr. 13, 14, sämtlich juris) bestimmt sich der Begriff des Arbeitsentgelts im Sinne des § 6 Abs. 1 Satz 1 AAÜG nach §
14 SGB IV. Bei einem Vorliegen von Arbeitsentgelt im Sinne von §
14 SGB IV ist im zweiten Prüfungsschritt festzustellen, ob sich insbesondere auf der Grundlage von §
17 SGB IV i. V. m. § 1 Arbeitsentgeltverordnung ausnahmsweise ein Ausschluss ergibt. Dieser kommt dann in Betracht, wenn u.a. "Zulagen, Zuschläge, Zuschüsse sowie ähnliche
Einnahmen" sowohl "zusätzlich" zu Löhnen oder Gehältern gezahlt werden als auch lohnsteuerfrei sind. Soweit es im letztgenannten
Zusammenhang auf Vorschriften des Steuerrechts ankommt, ist das am 1. August 1991 - dem Tag des Inkrafttretens des AAÜG - geltende Steuerrecht maßgeblich.
Gemäß §
14 Abs.
1 Satz 1
SGB IV sind Arbeitsentgelt alle laufenden oder einmaligen Einnahmen aus einer Beschäftigung, gleichgültig, ob ein Rechtsanspruch
auf die Einnahmen besteht, unter welcher Bezeichnung oder in welcher Form sie geleistet werden und ob sie unmittelbar aus
der Beschäftigung oder im Zusammenhang mit ihr erzielt werden. Zu den Einkünften aus nicht selbstständiger Arbeit gehören
nicht solche Vorteile, die sich bei objektiver Würdigung aller Umstände nicht als Entlohnung, sondern lediglich als notwendige
Begleiterscheinungen einer betriebsfunktionalen Zielsetzung erweisen. Ein Vorteil wird dann aus ganz überwiegend eigenbetrieblichem
Interesse gewährt, wenn aufgrund einer Gesamtwürdigung der für die Zuwendung maßgebenden Umstände zu schließen ist, dass der
jeweils verfolgte betriebliche Zweck ganz im Vordergrund steht. Ist aber neben dem eigenbetrieblichen Interesse des Arbeitgebers
ein nicht unerhebliches Interesse des Arbeitnehmers gegeben, so liegt die Vorteilsgewährung nicht in ganz überwiegend eigenbetrieblichem
Interesse des Arbeitgebers und führt zur Bewertung als Lohnzuwendung (LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 31. Januar 2013 -
L 22 R 449/11 -, juris, RdNr. 89 unter Hinweis auf Bundesfinanzhof (BFH), Urteil vom 21. Januar 2010 - VI R 51/08 -, juris).
Bezogen auf die Bergmannsprämie ist ein erhebliches wirtschaftliches Interesse des Arbeitnehmers erkennbar. Nach dem Recht
der DDR (§ 3 Abs. 1 der Verordnung zur Verbesserung der Lage der Bergarbeiter, des ingenieurtechnischen und kaufmännischen
Personals sowie der Produktionsverhältnisse im Bergbau der DDR vom 10. August 1950 (GBl. der DDR I, S. 832) in der Fassung
der Fünften Verordnung zur Verbesserung der Lage der Bergarbeiter, des ingenieurtechnischen und kaufmännischen Personals sowie
der Produktionsverhältnisse im Bergbau der DDR vom 9. April 1964 (GBl. der DDR II, S. 313, im Folgenden: Prämien-VO)) wurde
die Bergmannsprämie als eine zusätzliche Belohnung für die ununterbrochene Beschäftigung in einem Bergbaubetrieb gezahlt und
diente als Anerkennung für die geleistete Arbeit der im Bergbau Beschäftigten (§ 3 Abs. 18 dieser Verordnung). Der möglicherweise
auch verfolgte betriebliche Zweck der Bindung von qualifizierten Arbeitskräften an den Betrieb dürfte in dem sozialistischen
System der Arbeitskräftelenkung allenfalls eine untergeordnete Bedeutung gehabt haben. Die Bergmannsprämie ist also grundsätzlich
als Arbeitsentgelt zu qualifizieren.
Diese zusätzlich zu den Löhnen bzw. Gehältern gezahlten Prämien gehörten damit gemäß §
19 EStG in der am 1. August 1991 geltenden Fassung (danach zählten zu den Einkünften aus nicht selbstständiger Arbeit u. a. Gehälter,
Löhne, Gratifikationen, Tantiemen und andere Bezüge und Vorteile, die für eine Beschäftigung im öffentlichen oder privaten
Dienst gewährt werden) zu den Einkünften aus nicht selbstständiger Arbeit. Sie waren jedoch steuerfrei.
Nach §
3 Nr. 46
EStG in der am 1. August 1991 geltenden Fassung waren Bergmannsprämien nach dem Gesetz über Bergmannsprämien steuerfrei. Eine
direkte Anwendung dieser Vorschrift scheidet aus. Denn §
3 EStG in der am 1. August 1991 geltenden Fassung hatte als bundesdeutsches Gesetz nicht die Bergmannsprämie im Blick, die vor dem
Beitritt der DDR zum Geltungsbereich des
Grundgesetzes im Beitrittsgebiet gezahlt wurde. Vielmehr betrifft §
3 Nr. 46
EStG die nach dem bundesdeutschen Gesetz über Bergmannsprämien vom 20. Dezember 1956 (BGBl I, S. 927) geregelten Zuwendungen an Bergleute im Bundesgebiet. Hinzu kommt, dass die korrekte Bezeichnung der umstrittenen Zahlungen
nicht "Bergmannsprämie" ist, sondern "zusätzliche Belohnung für eine Beschäftigung im Bergbau". Außerdem war im alten Bundesgebiet
nur begünstigt, wer als Arbeitnehmer des Bergbaus unter Tage beschäftigt war. Dagegen profitierten in der ehemaligen DDR auch
Beschäftigte über Tage von der Bergmannsprämie (§ 3 Abs. 3 Buchst. c) Prämien-VO).
Nach der Konzeption des BSG kann es nur um eine sinngemäße Anwendung von §
3 Nr. 46
EStG in der am 1. August 1991 geltenden Fassung gehen. Eine solche sinngemäße Anwendung ist hier zwingend, weil die Zielstellung
der Bergmannsprämien sowohl in der alten Bundesrepublik wie auch in der ehemaligen DDR im Wesentlichen gleich war, nämlich
die Kohleindustrie als Motor für einen Wirtschaftsaufschwung nach dem Krieg zu fördern. Denn in der Begründung zum Entwurf
eines Gesetzes über Bergmannsprämien in der Bundesrepublik ist ausdrücklich aufgeführt, dass die Bergmannsprämie eine Anerkennung
für die schwere, gefahrvolle Arbeit des Bergmanns darstellen sollte. Sie sollte den Bergmannsberuf unter anderen Berufen hervorheben
und ihn wieder anziehender machen (vgl. Protokoll der 128. Kabinettssitzung am 28. März 1956, Tagesordnungspunkt C.; http://www.bundesarchiv.de/
cocoon/barch/0/k/k1956k/kap1 2/kap2 20/para3 9.html).
Hintergrund war der Umstand, dass die Steinkohlenförderung in der Zeit von 1936 bis 1955 nur um 12 Prozent gewachsen war,
während die gesamte industrielle Entwicklung um mehr als 100 Prozent zugenommen hatte. Wegen der schnelleren Ausweitung der
kohlenverbrauchenden Industrie waren 1955 sieben Millionen Tonnen amerikanischer Kohle eingeführt worden, die zudem teurer
war als die deutsche Kohle. Nach den Berechnungen des Bundesministers für Wirtschaft fehlten 17.000 Untertage-Bergleute. Vor
diesem Hintergrund sollte der Beruf des Bergmanns, der für die wirtschaftliche Entwicklung als wichtig angesehen wurde, attraktiver
gemacht werden (vgl. Protokoll der Kabinettssitzung am 8. Februar 1956, Tagesordnungspunkt 6.; http://www.bundesarchiv.de/cocoon/barch/0/k/k1956k/kap1
2 kap2 8/para3 8.html). Ähnlich war die Situation Anfang der Fünfzigerjahre in der ehemaligen DDR. Dies kommt in der Präambel
der Prämien-VO vom 10. August 1950 anschaulich zum Ausdruck. Auch hier ist bereits im ersten Satz von der entscheidenden wirtschaftlichen
Bedeutung des gesamten Bergbaus für die weitere wirtschaftliche Entwicklung die Rede. Notwendig sei die "aktivste Mitarbeit"
aller in den Betrieben und Verwaltungen Beschäftigten. Als eine der bedeutsamsten Maßnahmen zur Weiterentwicklung der Bergbauwirtschaft,
zur Erfüllung der Pläne und zum Wirksamwerden der technischen Neuerungen war die Verbesserung der Entlohnung und der sozialen
Lebensbedingungen für die im Bergbau Beschäftigten angesehen worden. Dabei sollte die Vertiefung des Verständnisses für die
Bedeutung des gesamten Bergbaus in der Bevölkerung gefördert werden und es sollten geeignete Nachwuchskräfte geworben werden.
§ 2 Abs. 1 Prämien-VO besagte unmissverständlich, dass die in den verschiedenen Bergbaubetrieben geltenden Tarifverträge so
zu verändern seien, dass die Facharbeiterlöhne und Angestelltengehälter entsprechend der Bedeutung des Bergbaus an der Spitze
der Facharbeiterlöhne und Gehälter aller Industrien stehen müssten.
Darüber hinaus spricht auch die Konzeption der zusätzlichen Belohnung in Abhängigkeit zur Arbeitsmoral der Bergleute für eine
sinngemäße Anwendung der bundesdeutschen Steuergesetze. Fehlschichten, also unentschuldigtes Fernbleiben vom Arbeitsplatz,
wurden nach beiden Rechtsnormen bei der Prämienvergabe negativ berücksichtigt. Während im Bundesgebiet gemäß § 2 des Gesetzes
über Bergmannsprämien die Bergmannsprämie von zehn DM nur für jede - tatsächlich - unter Tage verfahrene volle Schicht vorgesehen
war, wurde die zusätzliche Belohnung im Beitrittsgebiet gemäß § 1 Abs. 8 Prämien-VO für jede unentschuldigte Fehlschicht gekürzt.
Somit besteht auch insoweit - trotz unterschiedlicher Herangehensweise - eine weitgehende Identität der beiden Leistungen.
Nicht die konkret am Arbeitsplatz erbrachte Arbeitsleistung, sondern die Erfüllung der arbeitsvertraglichen Anwesenheitspflicht
am Arbeitsplatz war entscheidend für die Frage der Gewährung der zusätzlichen Belohnung. Schließlich waren nach dem Wortlaut
sowohl des § 1 Abs. 17 der Prämien-VO als auch des § 4 des Gesetzes über Bergmannsprämien die zusätzlichen Leistungen ausdrücklich
lohnsteuer- und auch sozialversicherungsfrei.
In Anwendung der Rechtsprechung des BSG (Urteil vom 23. August 2007 - B 4 RS 4/06 R - RdNr. 24 ff.; Urteil vom 30. Oktober 2014 - B 5 RS 1/13 R - RdNr. 15, 16; Urteil vom 23. Juli 2015 - B 5 RS 9/14 R - RdNr. 13, 14, juris) ist die Bergmannsprämie nach alledem kein durch die Beklagte festzustellendes Arbeitsentgelt. Der
gegenteiligen Ansicht des LSG Berlin-Brandenburg (z.B. Urteil vom 19. November 2015 - L 22 R 588/13 -, juris) folgt der Senat nicht. Das LSG Berlin-Brandenburg meint, der entscheidende Unterschied zwischen der bundesdeutschen
Bergmannsprämie als (steuerrechtliche) Subvention einerseits und der zusätzlichen Belohnung im Bergbau in der DDR als Bestandteil
des Arbeitsverdienstes andererseits werde vom 1. Senat des LSG Sachsen-Anhalt nicht berücksichtigt (Urteil vom 19. November
2015 - a.a.O. -, RdNr. 66). Es ist zutreffend, dass es sich bei der bundesdeutschen Bergmannsprämie um eine steuerrechtliche
Subvention handelte, diese also letztlich aus dem Staatshaushalt finanziert wurde. Die Auszahlung erfolgte aber durch den
Arbeitgeber (§ 3 Abs. 1 Satz 1 des Gesetzes über Bergmannsprämien). Angesichts der staatlichen Planwirtschaft der DDR vermag
der Senat insoweit keinen wesentlichen Unterschied zu erkennen. Denn auch in der DDR mit ihren volkseigenen Bergbaubetrieben
war die zusätzliche Belohnung im Bergbau zumindest mittelbar eine staatliche Subvention. Entscheidend ist für den Senat die
dargestellte, im Wesentlichen identische Zielstellung der Zahlungen, nämlich die Kohleindustrie als Motor für einen Wirtschaftsaufschwung
nach dem Krieg zu fördern.
Selbst wenn die Bergmannsprämie grundsätzlich zu berücksichtigendes Arbeitsentgelt wäre, ist hier der tatsächliche Zufluss
an den Kläger weder nachgewiesen noch glaubhaft gemacht, worauf die Beklagte zutreffend hingewiesen hat. Bereits in der Bescheinigung
vom 12. Januar 2011 hatte die R. mitgeteilt, dass für die Zeit von März 1973 bis März 1974 keine Unterlagen über Entgeltzahlungen
an den Kläger vorhanden seien. Mit einem weiteren Schreiben vom 24. Mai 2011 hatte sie angegeben, dass für den Kläger im Zeitraum
vom 1. August 1975 bis zum 30. Juni 1990 ebenfalls keine Unterlagen für Prämienzahlungen vorhanden seien. Es kommt insoweit
nicht darauf an, ob der Kläger glaubhaft machen oder sogar nachweisen kann, dass er einen Anspruch auf die Zahlung von Bergmannsprämien
hatte. Der Nachweis oder die Glaubhaftmachung muss sich nämlich auch darauf beziehen, dass er die geltend gemachten Bergmannsprämien
tatsächlich erhalten hat. Das ist vorliegend nicht gelungen. Es liegen weder Auszahlungslisten, Quittungen, Kontoauszüge noch
sonstige Beweismittel vor, die eine tatsächliche Zahlung glaubhaft machen oder sogar nachweisen könnten. Der Hinweis des Klägers
auf das Urteil des Sächsischen LSG vom 5. Juli 2016 (L 5 RS 166/14, juris) führt ebenfalls nicht weiter, denn in dem dortigen Einzelfall konnte der Kläger, anders als hier, den Bezug - also
die tatsächliche Auszahlung - von Bergmannsprämien nach der Auffassung des dortigen Senats zumindest glaubhaft machen (vgl.
juris, a.a.O., RdNr. 67).
Die Kostenentscheidung beruht auf §
193 SGG.
Gründe für eine Zulassung der Revision im Sinne von §
160 Abs.
2 SGG liegen nicht vor. Der Senat hat den geltend gemachten Anspruch auf der Grundlage der gefestigten Rechtsprechung des BSG geprüft. Eine entscheidungserhebliche Abweichung von einer Entscheidung des BSG, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts liegt ebenfalls nicht vor.