Anspruch auf Grundsicherung für Arbeitsuchende; Erbringung von Leistungen der Lernförderung bei automatischer Versetzung in
die 6. Klassenstufe während der Orientierungsstufe
Gründe
I.
Die Beteiligten streiten um die Verpflichtung des Antragsgegners zur Erbringung von Leistungen der Lernförderung zugunsten
des Antragstellers.
Der im _______ 2002 geborene Antragsteller bezieht laufend gemeinsam mit seinem Vater von dem Antragsgegner Leistungen der
Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II). Er besucht derzeit die 5. Klasse der R_________schule U_______, einer Regionalschule. In dem am 31. Januar 2014 erteilten
Halbjahreszeugnis ist das Fach Mathematik mit mangelhaft bewertet worden. Die Fächer Deutsch, Geographie, Englisch, Biologie
und Musik sind mit ausreichend und die Fächer Kunst, Philosophie und Sport mit gut bewertet worden.
Am 4. Oktober 2013 beantragte der Antragsteller beim Antragsgegner die Gewährung von ergänzenden Leistungen der Lernförderung.
Beigefügt war eine Bestätigung der R_________schule U_______, die von der Zeugin K_________ ausgefüllt worden war. Danach
benötigte der Antragsteller in den Fächern Mathematik und Deutsch vorübergehend einen Lernförderbedarf im Umfang von zwei
Zeitstunden wöchentlich für voraussichtlich sechs Monate. Die Zeugin K_________ verneinte dabei ausreichende geeignete schulische
Angebote zur Erreichung und bejahte eine positive Prognose zur Erreichung der Lernziele bei Erteilung der Nachhilfe. Die Versetzung
sei wegen des automatischen Aufstiegs der Schüler (in der Orientierungsstufe) nicht gefährdet. Am 17. Oktober 2010 erstellte
die diplomierte Legasthenietrainerin und Lerntherapeutin L_________________ ein pädagogisches Gutachten über den Antragsteller,
in dem sie bei diesem eine mittelschwere Legasthenie sowie eine schwere Dyskalkulie feststellte. Diese Defizite entsprächen
nicht seinen intellektuellen Möglichkeiten, sein Intelligenzquotient sei nämlich mit 101,5 durchschnittlich. Positiv zu bewerten
sei, dass der Antragsteller trotz aller Schwierigkeiten versuche, alle ihm gestellten Aufgaben zu lösen und nicht aufgebe.
Damit ihm die Lust am Lernen nicht vergehe, werde zu einer Lerntherapie für Legasthenie und Dyskalkulie geraten.
Mit Bescheid vom 22. November 2013 lehnte der Antragsgegner die Gewährung von Lernförderung ab. Zur Begründung führte er aus,
die Versetzung in die nächste Klassenstufe sei nicht geeignet, zudem sei die Herstellung der Sprachfähigkeit in Deutsch Aufgabe
der Schule und Fördermaßnahmen zu Lese- und Rechtschreibschwäche sowie zu Dyskalkulie könnten nicht über das Bildungs- und
Teilhabepaket durchgeführt werden.
Dagegen richtet sich der Widerspruch des Antragstellers vom 10. Dezember 2013, zu dessen Begründung er eine weitere Bestätigung
über den Lernförderbedarf der Zeugin K_________ vorlegte, wobei diese nunmehr in Mathematik und Deutsch einen wöchentlichen
Bedarf von jeweils zwei Unterrichtsstunden à 45 Minuten für sechs bis acht Monate bescheinigte.
Ein Antrag des Antragstellers vom 21. November 2013 auf Gewährung der Lernförderung im Rahmen der Eingliederungshilfe nach
§ 35a SGB VIII war nicht erfolgreich, dieser wurde vom Kreis Pinneberg mit Bescheid vom 21. November 2013 im Hinblick auf das Nichtvorliegen
einer seelischen Behinderung abgelehnt.
Am 23. Januar 2014 hat der Antragsteller vor dem Sozialgericht Itzehoe einen Eilantrag auf Verpflichtung des Antragsgegners
zur Gewährung von Leistungen der Lernförderung im Wege einer einstweiligen Anordnung gestellt.
Er hat beantragt,
den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihm eine Lernförderung nach Maßgabe der Bescheinigung
der R_________schule U_______ zu bewilligen und zu finanzieren.
Der Antragsgegner hat beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Das Sozialgericht Itzehoe hat zur weiteren Aufklärung des Sachverhalts im Rahmen eines Erörterungstermins vom 10. Februar
2014 die Mathematiklehrerin des Antragstellers, Frau K_________, sowie dessen Deutschlehrerin, Frau V___, zeugenschaftlich
vernommen. Hinsichtlich des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das in der Gerichtsakte abgeheftete und an die Beteiligten
in Kopie übersandte Protokoll der Sitzung vom 10. Februar 2014 Bezug genommen.
Mit Beschluss vom 12. Februar 2014 hat das Sozialgericht Itzehoe den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet,
dem Antragsteller vorläufig bis 31. Dezember 2014, längstens bis zum Eintritt der Bestandskraft des Ablehnungsbescheides vom
22. November 2013, Lernförderung durch Übernahme der Kosten für außerschulische qualifizierte Einzelförderung bei der Sprachschule
Liedtke & Greiff in U_______ in den Unterrichtsfächern Mathematik im Umfang von zwei Unterrichtsstunden à 60 Minuten wöchentlich
sowie im Unterrichtsfach Deutsch im Umfang von zwei Unterrichtsstunden à 60 Minuten wöchentlich als Gutschein oder Direktzahlung
zu gewähren. Zur Begründung hat das Sozialgericht ausgeführt, ein Anordnungsgrund sei glaubhaft gemacht, denn aufgrund der
Basisdefizite des Antragstellers sei unter Berücksichtigung der Zeugenaussagen nicht zu erwarten, dass er ohne Lernförderung
die Lernziele der 5. Klasse erreichen würde und angesichts der mehrjährigen Wartezeiten für neu eingehende Hauptsachen beim
Sozialgericht Itzehoe sei ihm ein Abwarten in der Hauptsache nicht zuzumuten. Ein Anordnungsanspruch sei ebenfalls glaubhaft
gemacht worden, dieser habe in § 28 Abs. 5 SGB II seine gesetzliche Grundlage. Dessen Voraussetzungen lägen vor. Die Lernziele seien gefährdet, denn der Antragsteller könne
aufgrund seiner Schwächen in den Fächern Deutsch und Mathematik nicht verständnisgeleitet lesen und schreiben und es gelinge
ihm nicht die Grundrechenarten hinreichend sicher anzuwenden. Es sei insoweit nicht erheblich, dass keine Gefährdung der Versetzung
drohe, denn die schulrechtlichen Bestimmungen sähen grundsätzlich eine Wiederholung einer Jahrgangsstufe in der Orientierungsstufe
(Jahrgangsstufen 5 und 6) nicht vor. Allerdings sei das Lernziel für die Schlüsselqualifikation in Deutsch und Mathematik,
die am Ende der Grundschule erreicht werden sollten, verfehlt worden. Bei fortbestehender elementarer Lese- und Rechtschreibschwäche
sowie Dyskalkulie würden sich auch bei einer Weiterversetzung die übrigen schulischen Leistungen und damit der Abstand zum
Klassendurchschnitt immer weiter vergrößern, so dass die mit einem Schulabschluss bezweckte Vermittlung grundlegender Kenntnisse
bereits zu Beginn gefährdet sei. Eine andere Maßnahme, die das Ziel der Lernförderung ebenso gut erreiche, sei nicht ersichtlich,
insbesondere scheide die insoweit freiwillig mögliche Wiederholung der 5. Klasse aus, denn die Zeugin K_________ habe insoweit
überzeugend begründet, dass dies die schulischen Probleme des Antragstellers nicht verändern würde. Auch sei eine Förderung
nach § 28 Abs. 5 SGB II nicht ausgeschlossen, weil es sich nicht nur um eine kurzfristige Förderung handele. Lernschwächen von Kindern aus einkommensschwachen
Haushalten beruhten häufig auf Defiziten, die nicht kurzfristig zu beseitigen seien. Es bedürfe einer nicht zu engen Auslegung
des § 28 Abs. 5 SGB II, um die Lebenschancen der Kinder im Leistungsbezug zu erweitern und sie in die Lage zu versetzen, ihren Lebensunterhalt langfristig
aus eigenen Kräften zu bestreiten. Daher sei auch eine außerschulische Förderung, die voraussichtlich mehr als ein Jahr dauern
würde, noch nicht von Gesetzes wegen ausgeschlossen. Es liege auch keine Konstellation vor, in der aufgrund struktureller
Defizite eine Überforderung des Schülers beim Besuch einer höheren Schule im Raum stehe und anstatt einer Lernförderung ein
Schulformwechsel anzustreben sei. Denn nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme liege bei dem Antragsteller keine durchgehende
Lernschwäche vor. Dies bestätige das pädagogische Gutachten vom 17. Oktober 2013. Die Defizite des Antragstellers konzentrierten
sich vielmehr auf strukturelle Verständnisdefizite in den Bereichen Mathematik und Deutsch. Der Auffassung des Antragsgegners,
Lese- und Rechtschreibschwächen und Dyskalkulie seien generell nicht förderungsfähig, könne sich das Gericht nicht anschließen.
Es gehe nicht darum, diese Beeinträchtigungen vollständig zu beseitigen, sondern darum, dem Antragsteller innerhalb einer
bestehenden Schwäche durch gezielte Förderung die Hebung struktureller Defizite, namentlich ein Zahlenverständnis und das
Beherrschen der Grundrechenarten sowie die Aneignung des Leseverständnisses zu ermöglichen. Die vorrangige Zuständigkeit anderer
Träger oder die Förderung durch die Schule stehe dem Anordnungsanspruch vorliegend nicht entgegen. Hinsichtlich des zeitlichen
Umfangs der Anordnung habe sich das Gericht an der Empfehlung der Schule orientiert. Bezüglich des wöchentlich bestehenden
Förderbedarfs sei eine Orientierung an der Bescheinigung vom 2. Oktober 2013 erfolgt.
Gegen diesen dem Antragsgegner am 13. Februar 2014 zugestellten Beschluss richtet sich dessen Beschwerde vom 18. Februar 2014.
Zur Begründung trägt der Antragsgegner vor, die Voraussetzungen für eine Lernförderung nach § 28 Abs. 5 SGB II lägen nicht vor. Das Sozialgericht habe bei Beschlussfassung nicht ausreichend berücksichtigt, dass die Legasthenie bei der
Notenbewertung in der Schule nicht einfließe, weil es sich um eine anerkannte Lernschwäche handele. Es sei ebenso sehr fraglich,
ob die Lernförderung geeignet sei, die wesentlichen Lernziele zu erreichen. Insoweit sieht sich der Antragsgegner durch die
Angaben der Zeuginnen zu den Ausprägungen der Dyskalkulie und der Legasthenie bestätigt. Es werde nicht hinreichend berücksichtigt,
dass der Antragsteller bereits in der Schule eine Legasthenieförderung in Form eines Gruppenunterrichts erhalte. Ein kurzfristiger
Förderbedarf liege gerade nicht vor. Nach der Gesetzesbegründung sei eine außerschulische Lernförderung als Mehrbedarf aber
nur in Ausnahmefällen geeignet und erforderlich. Dieser sei in der Regel nur kurzfristig notwendig. Eine positive Prognose
könne bezogen auf das Schuljahresende auch nicht gestellt werden, denn die Lehrerinnen gingen von einem dreijährigen bzw.
zweijährigen Förderbedarf aus. Gerade deswegen könne noch nicht abgeschätzt werden, ob die in der Schule durchgeführte Förderung
nicht doch zu einer Verbesserung führen würde. Es stelle sich auch die Frage, ob der Kläger, wenn er als Förderschüler eingestuft
werden würde, nicht eine entsprechende Förderung in Mathematik und Deutsch bekommen würde. Denn laut Gesetzesbegründung sei
Sinn und Zweck des § 28 Abs. 5 SGB II nicht, ein Herabstieg in eine andere Schulform zu verhindern. Unverhältnismäßig seien auch die Kosten für die Lernförderung
im konkreten Fall, die bei 25,00 EUR pro Stunde lägen. In der Regel fielen aber für eine Lernförderung von 45 Minuten Kosten
zwischen 9,00 und 11,00 EUR an. Die entstehenden Kosten seien daher unverhältnismäßig hoch.
Der Antragsgegner beantragt,
den Beschluss des Sozialgerichts Itzehoe vom 12. Februar 2014 aufzuheben und den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung
abzulehnen.
Der Antragsteller beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Er trägt vor, richtig sei, dass eine Rechtschreibschwäche nicht zu einer Verschlechterung der Noten führen dürfe. Es sei aber
nach den Ausführungen seiner Deutschlehrerin erforderlich, insbesondere sein Leseverständnis zu heben. Die Schwächen im Leseverständnis
wirkten sich so auch auf andere Fächer aus. Die Lernförderung sei auch geeignet. Es sei zu betonen, dass der Antragsteller
sehr motiviert sei und gerne in die Schule gehe. Alleine der Zeitfaktor könne nicht Maß aller Dinge sein. Auch sei es nach
Bekunden der Mathematiklehrerin durchaus möglich, dass er die Grundrechenarten erlerne und diese denn auch ausüben könne.
Es sei auch nicht so, dass er in der Schule eine spezielle Legasthenieförderung erhalte, er erhalte vielmehr Nachhilfe in
Deutsch, die in Gruppen stattfinde. Für eine spezielle Legasthenieförderung habe die Schule keine Kapazitäten. Es wäre auch
sinnwidrig, ihn als Förderschüler einzustufen, denn sein IQ lasse darauf schließen, dass er ein normal entwickelter Schüler
sei.
Ergänzend wird wegen des Sach- und Streitstandes auf die Schriftsätze der Beteiligten und den weiteren Inhalt der Gerichtsakte
und der den Antragsteller betreffenden Verwaltungsakte des Antragsgegners Bezug genommen.
II.
Die zulässige Beschwerde ist nicht begründet.
Zu Recht und mit zutreffender Begründung hat das Sozialgericht Itzehoe den Antragsgegner zur vorläufigen Gewährung von Leistungen
der Lernförderung verpflichtet.
Gemäß §
86 b Abs.
2 Sozialgerichtsgesetz (
SGG) kann das Gericht auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf einen Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht,
dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung eines Rechtes des Antragstellers vereitelt oder wesentlich
erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustandes zulässig, wenn eine solche
Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint.
Zusammengefasst müssen für den Erlass einer einstweiligen Anordnung regelmäßig zwei Voraussetzungen erfüllt sein: Zum einen
muss es im Ergebnis einer Prüfung der materiellen Rechtslage überwiegend wahrscheinlich sein, dass der Antragsteller mit seinem
Begehren im hauptsächlichen Verwaltungs- oder Klageverfahren erfolgreich sein wird (Anordnungsanspruch). Zum anderen muss
eine gerichtliche Entscheidung deswegen dringend geboten sein, weil es dem Antragsteller wegen drohender schwerwiegender Nachteile
nicht zuzumuten ist, den Ausgang des Hauptsacheverfahrens abzuwarten (Anordnungsgrund). Dabei hat das Gericht die Belange
der Öffentlichkeit und des Antragstellers miteinander abzuwägen.
Vorliegend hat der Antragsteller sowohl einen Anordnungsgrund als auch einen Anordnungsanspruch mit einer für eine Verpflichtung
im Eilverfahren hinreichenden Wahrscheinlichkeit glaubhaft gemacht.
Der Anordnungsgrund ergibt sich, worauf das Sozialgericht zu Recht hingewiesen hat, zwanglos aus der essentiellen Bedeutung
der streitigen Leistungen für den Antragsteller. Für den Antragsteller ist es von hervorragend wichtiger Bedeutung, die schulrechtlichen
Lernziele zu erreichen, sofern dies gegebenenfalls mit Mitteln der Lernförderung möglich erscheint. Dies gilt umso mehr, als
sich der Antragsteller in einer sensiblen Phase der schulischen Ausbildung, nämlich der Orientierungsstufe nach Absolvierung
der Grundschule, befindet. Die Orientierungsstufe umfasst das 5. und 6. Schuljahr und ist daher im Vergleich zu anderen Abschnitten
der schulischen Ausbildung vergleichsweise kurz. In dieser Phase stehen Weichenstellungen für die weitere Schullaufbahn und
damit mittelbar auch für das spätere Erwerbsleben an. Es erscheint unzumutbar, eine gerichtliche Entscheidung über eine Förderung
in diesem Bereich der schulischen Ausbildung über mehrere Jahre abzuwarten. Damit wäre aber angesichts der Belastungssituation
des Sozialgerichts Itzehoe, worauf dieses zutreffend hingewiesen hat, bei einem Abwarten der Entscheidung in der Hauptsache
zu rechnen.
Der Anordnungsanspruch resultiert aus § 28 Abs. 5 SGB II. Danach wird bei Schülerinnen und Schülern eine schulische Angebote ergänzende angemessene Lernförderung berücksichtigt,
soweit diese geeignet und zusätzlich erforderlich ist, um die nach den schulrechtlichen Bestimmungen festgelegten wesentlichen
Lernziele zu erreichen. Vorliegend sind die Voraussetzungen für eine Lernförderung im Umfang der von dem Sozialgericht vorgenommenen
Tenorierung hinreichend glaubhaft gemacht worden.
Insbesondere ergibt sich aus den Bescheinigungen der R_________schule sowie dem pädagogischen Gutachten der Sachverständigen
L_________________, vor allem aber aus den zeugenschaftlichen Aussagen der Lehrerinnen K_________ und V___, dass das Erreichen
der schulrechtlichen Lernziele in den Fächern Deutsch und Mathematik durch den Antragsteller erheblich gefährdet ist. Dem
kann, anders als der Antragsgegner meint, nicht entgegengehalten werden, dass die Versetzung in die nächsthöhere Klasse nicht
gefährdet ist, denn nicht nur die Versetzung in die nächste Klassenstufe ist ein wesentliches Lernziel, sondern auch das Erreichen
eines ausreichenden Leistungsniveaus (vgl. LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 28. Februar 2012, L 7 AS 47/12; SG Marburg, Beschluss vom 1. November 2012, S 5 AS 213/12 ER, zitiert nach [...]). Das Erreichen eines ausreichenden Leistungsniveaus erscheint schon deshalb gefährdet, weil dem Antragsteller
nach den glaubhaften Angaben der Zeuginnen an einem ausreichenden Leseverständnis und an einem ausreichenden Verständnis für
Zahlen, insbesondere im Zahlenraum über 1.000 fehlt. Zu berücksichtigen ist auch, dass die Versetzung vorliegend nur deshalb
nicht gefährdet erscheint, weil in der Orientierungsstufe regelhaft ein Aufstieg in die nächste Klassenstufe erfolgt und gegen
den Willen der Erziehungsberechtigten keine Wiederholung einer Klassenstufe stattfindet. Ohne diese Regelung erschiene die
Versetzung ausgehend von dem Halbjahreszeugnis gefährdet, wobei zu berücksichtigen ist, dass die ausreichende Benotung im
Fach Deutsch nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme eher eine Tendenz zu mangelhaft hat. Bei Benotung zweier Hauptfächer, hier
Deutsch und Mathematik, mit mangelhaft, erschiene eine Versetzung ungeachtet der Sonderregelungen für die Orientierungsstufe
gefährdet. Ferner ist zu berücksichtigen, dass sich der Abstand zu dem durchschnittlichen Leistungsniveau des Klassenverbandes
wahrscheinlich deutlich erhöhen würde, wenn die Teilleistungseinschränkungen des Antragstellers lediglich im Hinblick auf
die fehlende Versetzungsgefährdung nicht durch Fördermaßnahmen angegangen würden.
Entgegen dem Vorbringen des Antragsgegners kann der grundsätzlichen Förderfähigkeit des Antragstellers auch nicht entgegengehalten
werden, dass die Lernförderung nach § 28 Abs. 5 SGB II nicht für den Besuch einer höheren Schulform, die den Hilfebedürftigen an sich überfordert, eingesetzt werden soll (so für
den Wechsel zu einer höheren Schulform LSG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 28. Juni 2011, L 5 AS 40/11 B ER). Zu berücksichtigen ist, dass der Antragsteller eine Regionalschule besucht und damit die "niedrigere" Schulform des
aus Gymnasien einerseits sowie Gemeinschafts- und Regionalschulen andererseits bestehenden zweigliedrigen Schulsystems Schleswig-Holsteins.
Einen "Aufstieg" in ein Gymnasium strebt der Antragsteller nicht an. Ein "Abstieg" in eine vom Leistungsniveau niedriger angesiedelte
Regelschule ist nicht möglich. Gleichzeitig erscheint es nicht angebracht, den Antragsteller als Schüler mit einem sonderpädagogischen
Förderbedarf einzustufen, denn ausweislich des Gutachtens der Sachverständigen L_________________ liegt eine Intelligenzminderung
oder eine allgemeine Lernschwäche bei ihm nicht vor. Dies deckt sich mit den Zeuginnenaussagen der Lehrerinnen K_________
und V___, die von Teilleistungsschwächen des Antragstellers ausgehen. Aus dem gleichen Grund scheidet die vorrangige Inanspruchnahme
von Leistungen der Eingliederungshilfe nach § 35a SGB VIII bzw. § 53 SGB XII aus. Eine geistige Behinderung, die Voraussetzung für die Inanspruchnahme von Leistungen nach dem SGB XII wäre, liegt ausweislich des ermittelten Intelligenzquotienten des Antragstellers nicht vor. Für eine seelische Behinderung,
die Voraussetzung für die Inanspruchnahme von Leistungen nach § 35a SGB VIII wäre, bestehen keine Anzeichen, der Antragsteller ist gutachterlich vielmehr als motivierter Schüler mit Freude am Lernen
beschrieben worden.
Nicht entgegengehalten werden kann dem Anspruch des Antragstellers ferner, dass prognostisch eine Förderung über das Schuljahresende
hinaus nötig ist oder gar, dass die Förderung von Teilleistungsschwächen wie Legasthenie oder Dyskalkulie grundsätzlich nicht
im Wege der Lernförderung nach § 28 Abs. 5 SGB II erfolgen könne. Zwar hat der Antragsgegner zutreffend darauf hingewiesen, dass die Gesetzesbegründung davon ausgeht, dass
der Bedarf im Regelfall nur kurzzeitig notwendig sei, um vorübergehende Lernschwächen zu beheben. Es ist aber zu berücksichtigen,
dass der Gesetzeswortlaut selbst keine zeitlichen Einschränkungen vornimmt und die Gesetzesbegründung auch nur auf einen Regelfall
abstellt, also Ausnahmen davon bereits im Blick hat. So ist in der Rechtsprechung auch anerkannt, dass § 28 Abs. 5 SGB II auch die längerfristigere Förderung zum Ausgleich von Teilleistungsschwächen wie Dyskalkulie und Legasthenie zulässt (vgl.
SG Marburg, Beschluss vom 1. November 2012, S 5 AS 213/12 ER; SG Braunschweig, Urteil vom 8. August 2013, S 17 AS 4125/12; SG Oldenburg, Beschluss vom 11. April 2011, S 49 AS 611/11 ER). Dem schließt sich der erkennende Senat an. Von entscheidender Bedeutung ist dabei nicht, ob, wie die Vertreterin des
Antragsgegners vorträgt, recherchiert zu haben, eine Dyskalkulie oder eine Legasthenie sich nicht vollständig beheben lassen
und grundsätzlich ein Leben lang bestehen, vielmehr ist entscheidend, dass ein Ausgleich dieser Schwächen durch spezifische
Förderung möglich erscheint, der zu einer verbesserten Lese- und Rechenkompetenz führt. Es geht insoweit nicht darum, Dyskalkulie
oder Legasthenie vollständig zu heilen, sondern ihre Auswirkung auf das schulische Leistungsniveau zu mindern.
Im Falle des Antragstellers erscheint eine Minderung der Auswirkungen der Legasthenie und der Dyskalkulie auf sein schulisches
Leistungsniveau durch die angestrebte Lernförderung auch möglich, so dass die Maßnahme geeignet ist. Hinsichtlich der anzustellenden
Prognose dürfen keine allzu strengen Anforderungen gestellt werden. So kann insbesondere keine Erfolgsgarantie der Maßnahme
gefordert werden. Zum einen bestünde andernfalls die Gefahr, dass das mit § 28 Abs. 5 SGB II verfolgte Ziel der Aktivierung der Lernpotentiale leistungsschwächerer, hilfebedürftiger Kinder bei zu strengen Anforderungen
an die Prognose vereitelt wird. Zum anderen ist die Entwicklung des Lernverhaltens von Kindern im Alter des Antragstellers
schon lebensaltersbedingt sehr schwer zu prognostizieren. Ausgehend von diesen Maßstäben kann eine positive Prognose gestellt
werden. Die Sachverständige L_________________ hat überzeugend ausgeführt, dass zu erwarten sei, dass bei einem konsequenten
Training über einen längeren Zeitraum sich die Rechenkompetenz des Antragstellers verbessern würde. Ferner hat die Zeugin
K_________ ausgeführt, es sei aus ihrer Sicht ohne Weiteres möglich, dass der Antragsteller die Grundrechenarten erlernen
würde und eine Negativprognose, die eine grundlegende Verbesserungsmöglichkeit ausschlösse, nicht zu stellen sei. In die gleiche
Richtung gingen die Ausführungen der Zeugin V___, die die prognostischen Ausführungen ihrer Kollegin grundsätzlich bestätigt
hat, allerdings etwas skeptischer hinsichtlich der zu erwartenden Kompetenzverbesserung im Fach Deutsch war. Dabei ist allerdings
zu berücksichtigen, dass sie die Gefahr einer Verschlechterung des Leistungsniveaus in anderen Schulfächern bei fehlender
Förderung betont hat. Danach kann eine positive Prognose, wenn auch nicht unbedingt im Sinne einer Verbesserung des Leistungsniveaus
im Fach Deutsch dann doch immerhin im Sinne einer Verhinderung der Verschlechterung des Leistungskurses in anderen Fächern
getroffen werden. Der Senat erachtet die Angaben der Zeuginnen als kompetent und tragfähig. Diese stellen eine hinreichend
valide Grundlage für die Entscheidung im Eilverfahren dar. Die Bezeichnung der Zeuginnen als sachverständige Zeuginnen durch
das Sozialgericht ist insoweit nicht zu beanstanden. Dem steht nicht entgegen, dass sie keine ausgewiesenen Expertinnen für
Legasthenie bzw. Dyskalkulie sind. Sie haben professionell über Beobachtungen aus ihrem beruflichen Alltag im Hinblick auf
den Antragsteller berichtet und über die im beruflichen Kontext entwickelten Lösungsstrategien und Perspektiven. Hierzu sind
sie als Fachlehrerinnen und Pädagoginnen auch berufen. Insoweit sind die Angaben der Zeuginnen zu den Förderperspektiven des
Antragstellers jedenfalls deutlich valider als die eigenen Recherchen der Vertreterin des Antragsgegners.
Die Förderung in Form einer qualifizierten Einzelförderung erscheint auch erforderlich, ebenso geeignete, aber weniger intensive
Maßnahmen sind nicht ersichtlich. So kann insbesondere nicht auf den Förderunterricht im Fach Deutsch verwiesen werden. Dieser
wird in Form eines Gruppenunterrichts durchgeführt und hat keine spezifische Zielsetzung zur Behebung der Legasthenie. Es
liegt auf der Hand, dass im Rahmen dieser begleitend sicherlich sinnvollen Nachhilfeförderung ein spezifisches Eingehen auf
die ausgeprägten Defizite des Antragstellers nicht möglich ist.
Die für die Einzelförderung entstehenden Kosten erscheinen auch nicht unangemessen hoch. Soweit der Antragsgegner auf durchschnittliche
Kosten von 9,00 bis 11,00 EUR für eine Lernfördereinheit verweist, so bezieht sich dies ausweislich der in der Verwaltungsakte
befindlichen Unterlagen auf "normalen" Nachhilfeunterricht in kleinen Lerngruppen und nicht eine spezifische Einzelförderung
zur Behebung von Teilleistungsschwächen.
Der zeitliche Umfang der vom Sozialgericht vorgenommenen Verpflichtung ist ebenfalls nicht zu beanstanden. Zwar ist in den
schriftlichen Bescheinigungen der Schule zunächst ein Förderbedarf von sechs bis acht Monaten prognostiziert worden, allerdings
hat die Zeugin K_________ in dem Erörterungstermin vor dem Sozialgericht Itzehoe glaubhaft bekundet, dass ihres Erachtens
eine kontinuierliche Förderung über zwei Jahre erfolgen müsste. Diese Ausführungen erscheinen dem erkennenden Senat überzeugend.
Zur Wahrung des vorläufigen Charakters der einstweiligen Anordnung erscheint aber eine Befristung der Leistungsgewährung bis
zum Ende des laufenden Kalenderjahres erforderlich und auch ausreichend. Auch die Ermittlung des wöchentlichen Förderbedarfes
pro Fach durch das Sozialgericht ist nicht zu beanstanden.
Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung von §
193 Abs.
1 SGG und folgt der Sachentscheidung.
Die Entscheidung zur Prozesskostenhilfe beruht auf §
73a SGG in Verbindung mit §§
114 ff.
ZPO. Die Prozesskostenhilfe war hier mangels wirtschaftlicher Prozesskostenhilfebedürftigkeit abzulehnen, denn der Antragsteller
erwirbt durch diesen Beschluss einen unanfechtbaren Kostenerstattungsanspruch gegen den Antragsgegner.
Dieser Beschluss kann gemäß §
177 SGG nicht mit der Beschwerde angefochten werden.