Arbeitsunfall; Gefahren im Straßenverkehr; innere Ursache; ohne erkennbare Ursache; Schutzzweck der Norm; Stress; Wegeunfallversicherung
Tatbestand
Die Klägerin begehrt die Anerkennung eines Ereignisses, das sich am 6. Oktober 2009 in K--- zugetragen hat, als Arbeitsunfall.
Die jetzt 58-jährige Klägerin ist seit 1995 in leitender Position bei der A______________________ beschäftigt. Sie ist die
Leiterin der Einrichtung und der ambulanten Dienste des A__ Service- und Wohnzentrums S___________.
Am 6. Oktober 2009 nahm die Klägerin zunächst um 8:30 Uhr an einer Besprechung in S___________ mit ihren Mitarbeitern teil.
Mittags fuhr sie nach K---. Dort hatte sie eine Besprechung in einem Bürogebäude in der V____straße mit Herrn B____, dem Leiter
des Unternehmensbereichs Pflege. Während einer Pause innerhalb dieser Besprechung, an der lediglich die Klägerin und Herr
B____ teilnahmen, ging die Klägerin hinüber in ein etwa 150m entfernt liegendes anderes Bürogebäude im Sa______weg, um dort
bei einer Mitarbeiterin der Lohnabteilung Lohnabrechnungen abzugeben. Die Lohnabrechnungen hätte die Klägerin bis spätestens
14:30 Uhr dorthin gebracht haben müssen. Auf diesem Fußweg stürzte sie plötzlich und ohne erkennbare Ursache bewusstlos zu
Boden. Sie fiel auf ihr Gesicht, die Brust und die Knie und zog sich eine Platzwunde, Schürfwunden und Prellungen zu. Sie
wachte gegen 14:30 Uhr im Universitätsklinikum Schleswig-Holstein, Campus K---, wieder auf.
Gegenüber den behandelnden Ärzten, in der Unfallanzeige und auf den Fragebögen der Beklagten gab die Klägerin an, dass es
keine erkennbaren Einwirkungen von außen gegeben habe. Sie gab den Hinweis, dass sie am Vortag eine Grippeschutzimpfung erhalten
habe, evtl. habe es hier einen Zusammenhang gegeben.
Der Neurologe Dr. P_______ untersuchte die Klägerin am 22. Oktober 2009 anlässlich des Unfalls vom 6. Oktober 2009 und führte
in seinem Bericht aus, dass sich neurologisch eine Erklärung für das Sturzereignis, insbesondere eine erhöhte Anfallsbereitschaft,
nicht nachweisen lasse.
Mit Bescheid vom 27. Januar 2010 teilte die Beklagte der Klägerin mit, dass es sich bei dem Ereignis am 6. Oktober 2009 nicht
um einen Arbeitsunfall gehandelt habe, da keine äußere Einwirkung erkennbar sei. Eine plötzliche Bewusstlosigkeit ohne äußere
Einwirkungen erfülle nicht die Voraussetzungen eines Arbeitsunfalls.
Dagegen legte die Klägerin am 11. Februar 2010 Widerspruch ein, mit dem sie geltend machte, dass durch den Sturz ein Zahn
abgebrochen sei und für die Frage der Implantatbehandlung die Kostenerstattung geklärt werden müsse.
Den Widerspruch wies die Beklagte durch Widerspruchsbescheid vom 12. August 2010 als unbegründet zurück. Der Sturz sei ausschließlich
durch ein körpereigenes Geschehen verursacht worden. Dies stehe nur dann unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung,
wenn eine besondere Betriebsgefahr wesentlich zur Verletzung beigetragen habe. Eine solche besondere Betriebsgefahr sei hier
nicht ersichtlich.
Hiergegen hat die Klägerin am 10. September 2010 Klage beim Sozialgericht Kiel erhoben, die sie am 8. Juni 2012, also knapp
drei Jahre nach dem Unfall, begründet hat. In der Klagebegründung gab sie erstmals an, an dem Unfalltag unter besonderem Stress
gestanden zu haben. Sie habe ein erhebliches Arbeitspensum absolvieren müssen und es sei ein wichtiger und anstrengender Besprechungstermin
gewesen. In der mündlichen Verhandlung vor dem Sozialgericht Kiel schilderte die Klägerin, dass es der A__ zur damaligen Zeit
generell wirtschaftlich schlecht gegangen sei. Speziell das von ihr geleitete Haus habe jedoch wirtschaftlich noch ganz gut
dagestanden. In der Besprechung mit Herrn B____ sei es um Wirtschaftsplanung und Personalangelegenheiten gegangen. Ein solches
Gespräch finde einmal im Quartal statt.
Die Beklagte hat in der mündlichen Verhandlung vor dem Sozialgericht Kiel ein Vorerkrankungsverzeichnis der Klägerin eingereicht,
wonach die Klägerin im November 2002 eine Fußwurzelprellung nach einem Kreislaufkollaps erlitten hat. Weiterhin sind dort
im Dezember 2009 und Oktober 2010 Schwindel und Traumel sowie seit Juli 2001 immer wieder Migräne diagnostiziert.
Die Klägerin hat beantragt,
unter Aufhebung des Bescheides vom 27. Januar 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12. August 2010 festzustellen,
dass es sich bei dem Unfall am 6. Oktober 2009 um einen Arbeitsunfall handelt.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Das Sozialgericht Kiel hat mit Urteil vom 30. April 2013 die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass kein
äußeres Ereignis erkennbar sei. Soweit das Bundessozialgericht auch bei geistig-seelischen Ereignissen das Vorliegen eines
Arbeitsunfalls bejaht habe, sei die von der Klägerin geschilderte Situation mit den Beispielen in der Rechtsprechung nicht
vergleichbar. Insbesondere sei kein besonderer Zeitdruck erkennbar gewesen, es habe sich auch inhaltlich eher um ein typisches
Quartalsgespräch gehandelt. Zudem habe die Klägerin den besonderen Stress, den sie nunmehr geltend mache, erst knapp drei
Jahre nach dem Unfall erstmals erwähnt.
Gegen das der Klägerin am 13. Mai 2013 zugestellte Urteil hat diese am 12. Juni 2013 Berufung eingelegt, zu deren Begründung
sie geltend macht, dass ausweislich der Entscheidung des Landessozialgerichts Baden-Württemberg, Urteil vom 11. Januar 2012
(Az.: L 6 2574/09), ein Arbeitsunfall dann anzunehmen sei, wenn eine innere Ursache nicht feststellbar sei. Auch müsse es
sich bei dem auf den Körper einwirkenden zeitlich begrenzten Ereignis um kein besonderes, ungewöhnliches Geschehen handeln,
sondern es reiche ein einfaches Stolpern. Dabei reiche nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts schon ein schlichter
Sturz aus, um von einem Arbeitsunfall auszugehen. Eine Ausnahme gelte nur dann, wenn sich der Unfall infolge einer nicht betriebsbedingten
krankhaften Erscheinung ereignet und zur Schwere der Verletzung keine Gefahr mitgewirkt habe, der der Verunfallte auf dem
Weg ausgesetzt gewesen sei. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts könne eine äußere Einwirkung auch dann vorliegen,
wenn eine außergewöhnliche Anstrengung in einer betriebsbezogenen Stresssituation vorgelegen habe. Bei ihr, der Klägerin,
habe am Unfalltag eine Stresssituation vorgelegen, da sie von einem Termin zum anderen habe hetzen müssen. Dabei sei völlig
unerheblich, wann sie dies erstmals vorgetragen habe. Das Gericht habe nicht angemessen berücksichtigt, dass es vor allem
bei dem ersten Gespräch, das sie, die Klägerin im Bürogebäude in der V____straße habe führen müssen, um sehr wichtige Fragen
gegangen sei. Die wirtschaftlichen Schwierigkeiten ihres Arbeitgebers, die den gesamten Bereich Pflege in Schleswig-Holstein
betroffen hätten, hätten zu Unsicherheiten der Mitarbeiter über deren berufliche Existenz geführt. Daher habe weit mehr Druck
auf ihr gelastet als bei anderen Besprechungen. Insofern sei durchaus in Betracht zu ziehen, dass die Arbeitsbelastung an
diesem Tag zu dem Sturz geführt haben könnte. Konkret seien folgende Stressfaktoren vorhanden gewesen:
- Angst um Arbeitsplätze der Mitarbeiter und deren berufliche Existenz,
- Angst um den eigenen Arbeitsplatz,
- Verantwortung, den Anforderungen des Arbeitsplatzes in der besonderen wirtschaftlichen Situation auch gerecht zu werden,
- Verantwortung dafür, dass auch die von ihr, der Klägerin, betreute Einrichtung nun "rote Zahlen" geschrieben habe und die
damit verbundene Auswirkung auf die Existenz ihrer Einrichtung,
- Zeitdruck, weil die Gehaltsabrechnungen rechtzeitig an die Mitarbeiterin in dem anderen Bürogebäude hätten ausgehändigt
werden müssen und diese nur bis zu einem bestimmten Zeitpunkt hätte erreicht werden können,
- keine richtige Pause zur Erholung, da die Pause auch noch zu einer Verrichtung genutzt worden sei.
Soweit sich die Beklagte auf das Vorliegen einer inneren Ursache berufen wolle, müsse die Beklagte dies auch beweisen. In
ihrem Fall, dem der Klägerin, könne jedoch nicht ohne Weiteres eine innere Ursache angenommen werden, weil völlig unklar sei,
warum sie gestürzt sei.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Kiel vom 30. April 2013 sowie den Bescheid der Beklagten vom 27. Januar 2010 in der Gestalt
des Widerspruchsbescheides vom 12. August 2010 aufzuheben und festzustellen, dass es sich bei dem Unfall am 6. Oktober 2009
um einen Arbeitsunfall gehandelt hat.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die angegriffene Entscheidung für richtig. Die Klägerin selbst habe nach dem Unfall Bewusstlosigkeit als Grund für
den Sturz angegeben. Dem entspreche auch das Fehlen von Abstützreaktionen, die bei einem nicht bewusstlosen Menschen reflexartig
erfolgten und einen Sturz auf das Gesicht verhindern würden. Auch sei die seitens der Klägerin geschilderte Stresssituation
als nicht so überdurchschnittlich einzuschätzen, dass sich daraus eine geistig-seelische und damit äußere Einwirkung ergebe.
Nach mündlicher Verhandlung am 23. November 2016 hat der Senat den Rechtsstreit vertagt und weitere Ermittlungen zu möglichen
Erkrankungen der Klägerin eingeholt.
Der Facharzt für Neurologie Prof. Dr. G____ hat in seinem Bericht vom 2. Januar 2017 ausgeführt, dass sich die Klägerin seit
dem 23. April 2010 in dortiger neurologisch-schmerztherapeutischer Behandlung befinde. Hinweise, dass sie zu plötzlicher Bewusstlosigkeit
aus innerer Ursache neigen könnte, seien nicht bekannt. Die Klägerin leide nicht unter einer Migräne mit Hirnstammauren, bei
der es zu einem Bewusstseinsverlust kommen könne. Allerdings sei schon im ersten Arztbrief vom 23. April 2010 dokumentiert,
dass es in einer Migräne-Attacke im Rahmen einer Dehydrierung zu einer Somnolenz kommen könne.
Die Hausarztpraxis der Klägerin Dr. H_______ /Sb______ hat mit Schreiben vom 9. Januar 2017 und telefonisch mitgeteilt, dass
zu den Erkrankungen der Klägerin aus den Jahren 2009 und früher keine Angaben gemacht werden könnten, da entsprechende Unterlagen
des Praxisvorgängers, bei dem die Klägerin damals in Behandlung gewesen sei, überwiegend vernichtet worden seien.
Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die beigezogenen Verwaltungsakten der Beklagten sowie die Gerichtsakten
Bezug genommen; sie sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung und der Beratung gewesen.
Entscheidungsgründe
Die Berufung ist zulässig, jedoch nicht begründet. Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der angefochtene Bescheid
vom 27. Januar 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12. August 2010 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin
nicht in ihren Rechten.
Bei dem Unfall der Klägerin vom 6. Oktober 2009 handelt es sich nicht um einen Arbeitsunfall. Gemäß §
8 Abs.
1 Sozialgesetzbuch, Siebtes Buch (
SGB VII), sind Arbeitsunfälle Unfälle von Versicherten, die sie infolge einer versicherten Tätigkeit erleiden. Unfälle sind dabei
zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse, die zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führen.
Unstreitig und unzweifelhaft handelte es sich bei dem von der Klägerin zurückgelegten Weg zwischen den beiden Bürogebäuden
um eine versicherte Tätigkeit. Auch das Vorliegen eines Unfalls ist zu bejahen, da zumindest das Aufschlagen der Klägerin
auf den Gehweg als ein plötzlich auf den Körper einwirkendes Ereignis anzusehen ist. Dieses Ereignis hat auch zu einem Gesundheitsschaden
geführt, da sich die Klägerin in Folge des Aufpralls Verletzungen im Gesicht und an den Knien zugezogen hat.
Allerdings ist vorliegend nicht erweislich, dass der Unfall der Klägerin auch infolge der versicherten Tätigkeit eingetreten
ist. Das Tatbestandsmerkmal "infolge" in §
8 Abs.
1 Satz 1
SGB VII setzt dabei voraus, dass die sogenannte Unfallkausalität vorliegt, also zwischen der Verrichtung der versicherten Tätigkeit
und dem Unfall ein kausaler Zusammenhang besteht. Der ursächliche Zusammenhang ist im Unfallversicherungsrecht stets zweistufig
zu prüfen. Ausgangspunkt ist die Ursachenermittlung nach der Bedingungs- oder Äquivalenztheorie. Nach dieser naturwissenschaftlich-philosophischen
Betrachtungsweise ist ursächlich jede Bedingung, die nicht hinweggedacht werden kann, ohne dass der Erfolg entfällt (conditio
sine qua non). Im Hinblick auf die theoretische Unbegrenztheit der sich danach ergebenden Ursachen ist das so gefundene Ergebnis
auf einer zweiten Stufe zu korrigieren. Ursächlich im Rechtssinne sind nur diejenigen Bedingungen im naturwissenschaftlich-philosophischen
Sinne, die unter Abwägung ihres verschiedenen Wertes wegen ihrer besonderen Beziehung zu dem Erfolg zu dessen Eintritt wesentlich
(nach der Theorie der wesentlichen Ursache) mitgewirkt haben (stRspr: vgl. nur BSG, Urteil vom 9. Mai 2006 - B 2 U 1/05, [...]).
Im vorliegenden Fall, in dem sich die Klägerin zum Zeitpunkt ihres Sturzes auf einem Betriebsweg befand, kann zumindest hinsichtlich
des konkreten Sturzereignisses ein kausaler Zusammenhang im philosophisch-naturwissenschaftlichen Sinne grundsätzlich bejaht
werden. Allerdings müssen im Übrigen alle Fragen zur konkreten Ursache und hinsichtlich möglicher konkurrierender Ursachen,
etwa im Hinblick auf innere Vorgänge, offen bleiben, da sie nicht aufklärbar sind.
Zunächst kann nicht festgestellt werden, dass ein äußeres Ereignis, das aus dem Verkehrsraum heraus auf die Klägerin eingewirkt
haben könnte, etwa ein Stolpern oder Ausrutschen beim Gehen oder ein Zusammenstoß mit einem anderen Verkehrsteilnehmer, unfallursächlich
war. Für das Vorliegen eines solchen Ereignisses liegen keinerlei Anhaltspunkte vor. Die Klägerin kann sich an ein solches
Geschehen nicht erinnern und entsprechende objektive Hinweise, etwa durch Beobachtungen von Dritten oder aufgrund der Beschaffenheit
der Unfallstelle, gibt es ebenfalls nicht.
Auch das Vorliegen einer inneren Ursache, die durch der versicherten Tätigkeit zuzurechnende Umstände ausgelöst sein könnte,
kann vorliegend nicht als Unfallursache festgestellt werden. Die Klägerin macht diesbezüglich geltend, dass selbst wenn eine
plötzliche Bewusstlosigkeit als wesentliche Unfallursache anzusehen sein sollte, ein solches möglicherweise stattgefundenes
inneres Geschehen letztlich auf betriebliche Faktoren zurückzuführen sei, da sie am Unfalltag unter einer enormen Stressbelastung
gelitten habe. Dieser Einschätzung vermag der Senat nach Abwägung aller hierzu vorgetragenen Umstände jedoch nicht zu folgen.
Er macht sich diesbezüglich nach eigener Prüfung der Sach- und Rechtslage den Inhalt der angefochtenen Entscheidung des Sozialgerichts
zu Eigen und nimmt zwecks Vermeidung von Wiederholungen auf die Entscheidungsgründe des Urteils gemäß §
153 Abs.
2 Sozialgerichtsgesetz (
SGG) Bezug. Auch den Senat vermochte die Klägerin nicht zu überzeugen, dass am Unfalltag eine besondere Stressbelastung vorgelegen
hat, die hier als betriebliche Einwirkung anzusehen wäre. Dabei berücksichtigt, wie bereits das Sozialgericht, auch der Senat,
dass die Klägerin in den zahlreichen von ihr selbst getätigten Unfallschilderungen nicht einmal von einer besonderen Stressbelastung
gesprochen hat. Erst Jahre nach dem Unfall hat sie durch ihre Prozessbevollmächtigte erstmals auf eine besondere Belastungssituation
hingewiesen. Dabei ist bereits kein besonderer Zeitdruck nachzuvollziehen, den die Klägerin mit der Berufung geltend macht.
Wie sie im Rahmen der mündlichen Verhandlung vor dem Sozialgericht Kiel geschildert hat, ging sie in einer Pause während ihrer
Besprechung mit Herrn B____ hinüber in das andere Bürohaus, in dem sich die Lohnbuchhaltung befindet, um dort Unterlagen abzugeben.
Dabei gab es keinen fest verabredeten Termin. Die Unterlagen hätten an diesem Tag bis spätestens 14:30 Uhr abgegeben sein
müssen. Der Unfall ereignete sich jedoch bereits um 13:45 Uhr, so dass zu diesem Zeitpunkt kein besonderer Zeitdruck bestanden
haben kann. An der Besprechung mit Herrn B____ nahmen keine anderen Mitarbeiter teil, so dass auch für die Rückkehr zu dem
Gespräch mit Herrn B____ aus Sicht des Senats nicht von einem Zeitdruck ausgegangen werden kann. Es verbleibt insofern nur
bei dem Vortrag, dass die Inhalte des Gesprächs mit Herrn B____ und die Gesamtsituation des Betriebs eine besondere Belastung
für die Klägerin darstellten. Allerdings erschließt sich auch dies nicht hinreichend. Insofern ist zu berücksichtigen, dass
es sich hier nicht um ein spezifisches Krisengespräch, sondern um eine regelmäßig quartalsweise stattfindende Besprechung
gehandelt hat. Für die Klägerin als Bereichsleiterin dürfte es dabei grundsätzlich zum gewöhnlichen Aufgabenbereich gehören,
Gespräche auch über die berufliche Zukunft von Mitarbeitern zu führen. Dass die Klägerin persönlich konkret in ihrer wirtschaftlichen
Existenz bedroht gewesen sein sollte, lässt sich ihrem Vortrag nicht entnehmen. Vielmehr hat sie es im Rahmen der mündlichen
Verhandlung vor dem Sozialgericht Kiel so dargestellt, dass gerade ihr Bereich wirtschaftlich im Verhältnis zu anderen Bereichen
noch verhältnismäßig gut dagestanden habe. Soweit die Klägerin schließlich geltend macht, dass sie an jenem Tag keine richtigen
Pausen zur Erholung gehabt habe, da sie die Pause im Gespräch mit Herrn B____ für den Gang in die Lohnabteilung genutzt habe,
ist dies ebenfalls nicht ganz schlüssig, da das Gespräch mit Herrn B____ nach ihren Angaben erst mittags, nach der Erinnerung
der Klägerin erst um 13.30 Uhr, begonnen hatte, sich der Unfall aber bereits relativ kurz nach dieser Zeit ereignete. Insofern
ist nicht ersichtlich, dass zu diesem Zeitpunkt überhaupt schon die Notwendigkeit einer Pause in der Besprechung zur Erholung
gegeben war.
Auf der anderen Seite sind aber auch keine reinen inneren Ursachen - bei denen die Unfallkausalität zu verneinen wäre - für
das Sturzereignis positiv feststellbar. Zwar dürfte der direkte Aufprall der Klägerin auf ihr Gesicht grundsätzlich eher dafür
sprechen, dass die Bewusstlosigkeit bereits vor dem Sturz und nicht infolge des Sturzes eingetreten ist, da ansonsten zu erwarten
gewesen wäre, dass Abfangbewegungen den direkten Sturz auf das Gesicht hätten verhindern können. Auch hat die Klägerin nach
dem Vorerkrankungsverzeichnis wohl offenbar bereits im Jahr 2002 einmal einen Kreislaufkollaps erlitten, nähere Anhaltspunkte
hierzu ließen sich jedoch nicht aufklären, da evtl. früher vorhandene Unterlagen in der damaligen Hausarztpraxis vernichtet
wurden. Auch die MRT-Untersuchungen aus den Jahren 2009 und 2012 gaben keinen Anhaltspunkt für eine entsprechende Neigung
der Klägerin zu plötzlicher Bewusstlosigkeit. Dass es aufgrund der bestehenden schwerwiegenden Migräneerkrankung der Klägerin
zur Bewusstlosigkeit gekommen sein könnte, dürfte nach dem Bericht des Schmerztherapeuten Prof. Dr. G____ vom 2. Januar 2017
eher nicht anzunehmen sein. Der Senat sieht es bei dieser Sachlage nicht als aussichtsreich an, durch Einholung eines medizinischen
Sachverständigengutachtens zu weiteren Erkenntnissen hinsichtlich des Vorliegens einer inneren Ursache gelangen zu können,
so dass diese Frage als nicht aufklärbar einzustufen ist.
Nach alledem können hier weder äußere, tendenziell dem betrieblichem Risiko zuzuordnende, Ursachen noch innere Ursachen als
hinreichend wahrscheinlich für die Auslösung des Unfallhergangs festgestellt werden.
In solchen Fällen, in denen außer dem kausalen Anknüpfungspunkt der versicherten Tätigkeit keine anderen Tatsachen festgestellt
sind, die als Konkurrenzursachen wirksam geworden sein könnten, hat das Bundessozialgericht in zahlreichen früheren Entscheidungen
die Unfallkausalität zwischen der Verrichtung zur Zeit des Unfalls und dem Unfallereignis vermutet (vgl. BSG, Urteile vom 28. Juli 1977 - 2 RU 15/76, [...] Rn. 15; vom 26. Januar 1982 - 2 RU 45/81, [...] Rn. 14; vom 29. Februar 1984 - 2 RU 24/83, [...] Rn. 16; vom 30. Januar 2007 - B 2 U 23/05 R, [...] Rn. 15 und vom 17. Februar 2009 - B 2 U 18/07 R, [...] Rn. 13). Zur Begründung hat es ausgeführt, dass jede andere Betrachtung dem Versicherten die objektive Beweislast
dafür auferlegen würde, warum es gerade zu diesem Zeitpunkt aufgrund von Ursachen, die der versicherten Tätigkeit zuzurechnen
sind, zu dem Unfall gekommen sei, und damit den Versicherungsschutz in der gesetzlichen Unfallversicherung und die mit ihm
verfolgten Ziele des sozialen Schutzes und des Betriebsfriedens in vielen Fällen leerlaufen lassen würde. Auch die in §
7 Abs
2 SGB VII getroffene Regelung, dass verbotswidriges Verhalten den Versicherungsschutz nicht ausschließe, wolle eine Ursachenforschung
in der Regel vermeiden und würde sonst keinen Sinn ergeben. Letztlich stehe einer anderen Auslegung der seit Jahrzehnten angewandte
und vom Gesetzgeber in §
8 Abs
1 Satz 2
SGB VII übernommene Begriff des Unfalls entgegen, weil für das zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignis
nach völlig einhelliger Auffassung gerade kein besonderes Geschehen gefordert werde, sondern alltägliche Vorgänge genügten
und dieser Begriff vor allem der Abgrenzung zur inneren Ursache dienen solle. Erfordere ein Unfallereignis aber kein besonderes
Geschehen, so würde es die Anforderungen an die Feststellung der Unfallkausalität überspannen, wenn jeweils eine besondere
Feststellung der versicherten Ursachen für das Unfallereignis notwendig wäre (BSG, Urteil vom 30. Januar 2007 - B 2 U 23/05 R, [...] Rn. 16). Daher müsse, wenn bei Ausübung einer Verrichtung, die im sachlichen Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit
stehe, ein Unfallereignis eintrete, vom Vorliegen der Unfallkausalität ausgegangen werden, es sei denn, es sei eine konkurrierende
Ursache, wie z.B. eine innere Ursache, eine eingebrachte Gefahr oder der unversicherte Teil bei einer gemischten Tätigkeit
feststellbar (BSG, Urteil vom 30. Januar 2007 - B 2 U 23/05 R, [...] Rn. 17).
Diese Rechtsprechung hat das Bundessozialgericht in einigen neueren Entscheidungen zwar nicht generell aufgegeben, allerdings
insofern eingeschränkt, dass es nunmehr explizit in den Blick nimmt, ob sich durch das versicherte Handeln konkret ein Risiko
verwirklicht hat, gegen das der jeweils erfüllte Versicherungstatbestand gerade Schutz gewähren soll. Eine Rechtsvermutung
dafür, dass die versicherte Verrichtung wegen ihrer objektiven Mitverursachung der Einwirkung auch rechtlich wesentlich war,
bestehe nicht. Die Wesentlichkeit der Wirkursache sei vielmehr zusätzlich und eigenständig nach Maßgabe des Schutzzwecks der
jeweils begründeten Versicherung zu beurteilen (BSG, Urteil vom 13. November 2012 - B 2 U 19/11 R, [...] Rn. 37). Wirkursachen sind dabei nur solche Bedingungen, die erfahrungsgemäß die in Frage stehende Wirkung ihrer Art
nach notwendig oder hinreichend wahrscheinlich herbeiführen. Das Zurücklegen eines Weges steht dementsprechend nur insoweit
unter dem Schutz der Wegeunfallversicherung, wie Gefahren gerade aus der Teilnahme am öffentlichen Verkehr, also aus eigenem
oder fremdem Verkehrsverhalten oder äußeren Einflüssen durch die Beschaffenheit des Verkehrsraumes hervorgehen (vgl. Schur,
jM 2016, 415, 417). Zu berücksichtigen ist allerdings, dass für das Bejahen des Wegerisikos kein besonders ungewöhnliches
Geschehen erforderlich ist, alltägliche Vorgänge wie Stolpern, Ausrutschen oder ähnliches genügen (vgl. BSG, Urteil vom 12. April 2005 - B 2 U 27/04 R -, Rn. 12, [...]).
Diese Betrachtung nach dem Schutzzweck des Wegeunfallversicherungsrechts hat das Bundessozialgericht in seiner jüngsten Entscheidung
vom 17. Dezember 2015 (B 2 U 8/14 R) zu einer entsprechenden Fragestellung hinsichtlich des Arbeitsunfalls eines Studenten, der auf dem zur Universität führenden
Weg ohne erkennbare äußere Ursache gestürzt ist und ein Schädel-Hirn-Trauma mit Blutungen im Gehirn erlitten hat, nochmals
konkretisiert und hierzu ausgeführt, dass die Frage, ob eine Ursache rechtlich wesentlich ist, auch dann zu prüfen sei, wenn
sie als alleinige Ursache festgestellt sei, weil andere (Mit-)Ursachen nicht erwiesen oder nicht in Betracht zu ziehen seien.
Denn auch in diesem Fall werde die Einstandspflicht des Unfallversicherungsträgers nur begründet, wenn sich durch den Unfall,
der durch die versicherte Verrichtung objektiv verursacht worden sei" eine Gefahr verwirklicht habe, gegen die die Versicherung
schützen solle. Diese Voraussetzung werde zwar zumeist erfüllt sein, bedürfe aber stets der Entscheidung (BSG, Urteil vom 17. Dezember 2015 - B 2 U 8/14 R, [...] Rn. 21).
Im Ergebnis führt dieser Ansatz des Bundessozialgerichts dazu, dass sich die Nichterweislichkeit konkreter äußerer Einwirkungen
bzw. die Verwirklichung äußerer Risiken, wie z.B. das Stolpern oder Ausrutschen beim Gehen oder ein Zusammenstoß mit Gegenständen
oder anderen Personen, zu Lasten des Versicherten auswirkt. Es bestehe keine Vermutungsregelung, dass bei Verrichtung einer
versicherten Tätigkeit unmittelbar vor dem Unfallereignis der Unfall objektiv und rechtlich wesentlich durch die versicherte
Tätigkeit verursacht wurde (BSG vom 17. Dezember 2015, - B 2 U 8/14 R, [...] Rn. 24). Seien die Umstände, die vor dem Unfallereignis unmittelbar auf den Versicherten eingewirkt hätten, unbekannt,
könne nicht mit dem erforderlichen Grad der Wahrscheinlichkeit festgestellt werden, dass der Sturz durch ein Risiko verursacht
worden sei, gegen das die gesetzliche Unfallversicherung Schutz gewähren solle. Es könne ohne Feststellung der konkreten Kausalkette
nicht aus der bloßen Tatsache des "Auf-dem-Weg-Seins" abgeleitet werden, dass sich auch eine Gefahr realisiert habe, die in
den Schutzbereich der Wegeunfallversicherung falle (BSG vom 17. Dezember 2015, - B 2 U 8/14 R, [...] Rn. 25).
Diesem rechtlichen Ansatz des Bundessozialgerichts folgt der Senat. Da das Recht der gesetzlichen Unfallversicherung weder
einen generellen "Betriebsbann", das heißt die Erfassung aller Unfälle, die sich in einem Betrieb ereignen, unabhängig davon,
ob sie durch die Verrichtung verursacht sind, noch dementsprechend einen allgemeinen "Wegebann" kennt (vgl. Wagner, jurisPR-SozR
20/2016, Anmerkung zu BSG, Urteil vom 17. Dezember 2015 - B 2 U 8/14 R), ist es folgerichtig und entspricht den generellen Regeln der Beweislastverteilung, dass nicht jedes auf einem Betriebsweg
stattfindende Unfallereignis, für das weder äußere noch innere Ursachen festgestellt werden können, zu Lasten der Unfallversicherung
als Arbeitsunfall anzuerkennen ist. Dabei ist der Schutzbereich der Wegeversicherung insgesamt sehr weit zu fassen, so dass
grundsätzlich alle Risiken, die sich durch das Zurücklegen eines versicherten Wegs verwirklichen können, umfasst sind. Lediglich
für den Fall, dass die Verwirklichung eines spezifischen Wegerisikos nicht im Ansatz ersichtlich ist, verbleibt das Risiko
der Nichterweislichkeit beim Versicherten.
Im vorliegenden Fall führt dies zu einer Beweislastentscheidung zu Lasten der Klägerin. Wie bereits ausgeführt, konnte der
Senat weder feststellen, dass sich ein spezifisches Risiko durch das Zurücklegen des Fußweges verwirklicht hat, noch dass
bei unterstellter innerer Ursache diese durch eine besondere betriebliche Belastung ausgelöst worden wäre.
Gründe, die Revision gemäß §
160 Abs.
1, Abs.
2 Nr.
1 oder Nr.
2 SGG durch den Senat zuzulassen, bestehen nicht.