Rente wegen Erwerbsminderung
Berufsunfähigkeit
Kein Facharbeiterschutz bei Teil-Berufsqualifikation
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Klägerin Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit
hat.
Die 1954 geborene Klägerin absolvierte vom 1. September 1968 bis 31. Juli 1970 eine Ausbildung zum Textilveredler und war
bis 1972 als Absatzarbeiterin, Bogenfängerin und Arbeiterin tätig. Danach arbeitete sie als Erziehungshelferin, Ringspinnerin,
Verkäuferin und vom 1. Januar 1982 bis 14. Januar 1983 als Be- und Endlader bei dem VEB T. G ... Am 12. Oktober 1983 nahm
sie eine Tätigkeit als Hauptzusteller bei der Deutschen Post in einem Umfang von wöchentlich 27 Stunden und Entlohnung in
der Lohngruppe 7 auf. Im Arbeitsvertrag vom 21. Oktober 1983 werden die Arbeitsaufgaben wie folgt beschrieben: "Fertigt die
Zuschrift der nachzuweisenden Sendungen und der Nachgebühren für die Zustellbezirke seines Hauptzustellbezirkes, nimmt die
Rückschrift einschließlich des Inkassos ab, stellt bestimmte Sendungsarten gemäß den Festlegungen der Verfahrensanweisung
den Empfängern zu, bedient die Paketzustellfachanlagen, kontrolliert die Lagerfristen der eingelegten Sendungen, führt Postsendungen
und Presseerzeugnisse den Stützpunkten zu. Leitet die Zusteller seines Hauptzustellbezirkes an, führt die Aufsicht im Betriebsdienst,
überwacht den Dienst Ablauf in seinem Bereich, kontrolliert den Stand des Inkassos, die Zustellerunterlagen der Zusteller,
die Wertzeichenvorschüsse, organisiert den Arbeitskräfteeinsatz. Unterstützt den Stellensleiter bei der Organisierung des
sozialistischen Wettbewerbes und der sozialistischen Gemeinschaftsarbeit. Ist verantwortlich für den zeitlichen und qualitätsgerechten
Ablauf des Betriebsdienstes, für die politische und fachliche Anleitung der Zusteller seines Hauptzustellbezirkes, für die
Organisierung der gegenseitigen Vertretung der Zusteller an ihren arbeitsfreien Tagen, für die Einhaltung der ASAO und der
Bestimmungen für die innere und äußere Sicherheit in seinem Aufgabenbereich." Ab 1. November 1984 arbeitete die Klägerin als
Zusteller-Dauervertreter in einem Umfang von wöchentlich 25 Stunden und Entlohnung in der Lohngruppe 5. Laut Änderungsvertrag
vom 29. November 1984 umfassen ihre Arbeitsaufgaben: Aushändigen von Postsendungen und Presseerzeugnissen sowie ggf. der Schlüssel
für Paketzustellfachanlagen; Kassieren und Abrechnen von Inkassogeldern; Werben von Abonnenten für Presseerzeugnisse; Durchführen
von Überprüfungen der Berechtigung zur Befreiung von der Zahlung der Rundfunk-/Fernsehgebühren, ggf. Verrichten von Arbeiten
beim Postein- und -abgang; ggf. Leeren von Briefkästen.
Ab 1. Oktober 1987 bis 11. November 1989 arbeitete sie als Zusteller und Mitarbeiter im Abfertigungsdienst bei der Deutschen
Post. Neben den Aufgaben als Zusteller werden im Änderungsvertrag vom 5. Oktober 1987 als Arbeitsaufgaben genannt: "Arbeiten
im Innendienst: Bearbeiten ein- und abgehender Sendungen und Ladungsgegenstände; Durchführen innerbetrieblicher Transportarbeiten;
Nachzählen von Bargeldablieferung" Der Arbeitsplatzwechsel sei auf eigenen Wunsch erfolgt. Seit November 1989 war sie arbeitslos.
Von Januar 2002 bis Januar 2003 absolvierte sie eine Umschulung zur Haus- und Familienpflegerin. Vom 26. März 2004 bis 23.
März 2007 unterlag sie als nicht erwerbsmäßig tätige Pflegeperson der Versicherungspflicht. Seit 1. Mai 2007 ist sie in unterschiedlich
zeitlichem Umfang in der GbR Theaterkantine G. als Servicekraft tätig.
Im Mai 2005 beantragte sie die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung. Die Beklagte holte u.a. ein orthopädisches Gutachten
des Dr. A. vom 14. Juli 2005 (Leistungsbild: leichte bis mittelschwere Arbeiten sechs Stunden und mehr) ein und lehnte mit
Bescheid vom 21. Juli 2005 die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung ab. Den hiergegen gerichteten Widerspruch wies
sie mit Widerspruchsbescheid vom 6. September 2005 zurück. Die Voraussetzungen für die Gewährung einer Rente wegen teilweiser
Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit seien nicht erfüllt, weil die Klägerin aufgrund der zuletzt ausgeübten Tätigkeit als
Postzustellerin auf den allgemeinen Arbeitsmarkt verweisbar sei.
Im Klageverfahren hat das Sozialgericht (SG) diverse Befundberichte und den Rehabilitationsentlassungsbericht der Rehabilitationsklinik Bad C. vom 28. März 2006 (Leistungsbild:
Tätigkeit als Postzustellerin sechs Stunden und mehr, leichte bis mittelschwere Arbeiten sechs Stunden und mehr), einen Auszug
aus dem Rahmenkollektivvertrag über die Arbeits- und Lohnbedingungen für die Mitarbeiter der Deutschen Post (im Folgenden:
RKV Deutsche Post), in Kraft getreten am 1. Januar 1988, sowie Auszüge aus dem "Qualifikationshandbuch für Arbeitsaufgaben
der Facharbeiter in der industriellen Produktion und in den Betriebs- und Verkehrsprozessen des Post- und Fernmeldewesens"
(im Folgenden: Qualifikationshandbuch) beigezogen. Nach dem orthopädischen Gutachten des Dr. N. vom 10. November 2006 und
der ergänzenden Stellungnahme vom 5. Mai 2008 kann die Klägerin noch leichte bis mittelschwere Arbeiten unter Beachtung von
Einschränkungen vollschichtig verrichten. Mit Urteil vom 5. Dezember 2010 hat das SG die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 21. Juli 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 6. September
2005 verurteilt, der Klägerin ab dem Monat der Antragstellung Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit
in gesetzlicher Höhe zu gewähren und im Übrigen die Klage abgewiesen. Die Klägerin sei Facharbeiterin im Sinne des vom Bundessozialgericht
entwickelten Mehrstufenschemas: Dies habe die Beklagte im Verfahren anerkannt. Diese Tätigkeit könne sie nicht mehr ausüben.
Eine zumutbare Verweisungstätigkeit habe die Beklagte nicht benannt und sei der Kammer nicht bekannt.
Im Berufungsverfahren trägt die Beklagte vor, der im erstinstanzlichen Verfahren zuerkannte Berufsschutz als Facharbeiterin
sei nicht zutreffend. Die Klägerin habe weder eine Ausbildung zum Postfacharbeiter noch zum Facharbeiter für Postverkehr absolviert.
Die tatsächlich ausgeübte Tätigkeit lasse keine Gleichstellung mit einem Facharbeiter, insbesondere einer gelernten Dienstleistungsfachkraft
zu. Sie sei nur in Teilbereichen des Ausbildungsberufes der Dienstleistungsfachkraft tätig gewesen und verfüge nicht über
sämtliche hierzu notwendigen theoretischen und praktischen Kenntnisse eines Facharbeiters. Die Entlohnung als Facharbeiterin
beruhe auf qualitätsfremden Merkmalen. Die Klägerin sei allenfalls der Gruppe der angelernten Arbeiter des unteren Ranges
im Mehrstufenschema zuzuordnen.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Altenburg vom 15. Dezember 2010 insoweit aufzuheben, als sie unter Aufhebung des Bescheids vom
21. Juli 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 6. September 2005 verurteilt wurde, der Klägerin Rente wegen teilweiser
Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit ab dem Monat der Antragstellung zu gewähren.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen. Sie verweist auf die Begründung des erstinstanzlichen Urteils.
Der Senat hat u.a. zwei Gutachten eingeholt. Nach dem psychiatrisch-sozialmedizinischen Gutachten der Dr. F. vom 22. Juni
2012 lieget eine chronische Schmerzkrankheit mit körperlichen und psychischen Faktoren vor. Die Klägerin kann noch leichte
bis gelegentlich mittelschwere Tätigkeiten mindestens sechs Stunden täglich ausüben. Aus psychiatrischer Sicht könnte sie
Tätigkeiten als Poststellenmitarbeiterin und Produktionshelferin unter Beachtung der genannten Einschränkungen ausüben. In
seinem orthopädischen Gutachten vom 19. Juli 2012 hat Dr. Z. chronische Lendenwirbelsäulenbeschwerden mit leichten funktionellen
Einschränkungen bei degenerativen Veränderungen, funktionelle Störungen des Beckens, Schmerzsyndrom der Halswirbelsäule ohne
wesentliche funktionelle Störungen, Schmerzsyndrom beider Kniegelenke bei Verschleiß ohne wesentliche funktionellen Einschränkung,
chronische Schmerzkrankheit mit körperlichen und psychischen Faktoren, Knick-Spreiz-Füße beidseits diagnostiziert. Die Klägerin
könnte noch leichte, gelegentlich mittelschwere Tätigkeiten unter Beachtung zusätzlicher Einschränkungen mindestens sechs
Stunden täglich ausüben. Leichte Tätigkeiten als Poststellenmitarbeiterin oder Produktionshelferin sowie leichte Bürotätigkeiten
seien ihr möglich.
Der Senat hat den Beteiligten die anonymisierte Kopie eines Gutachtens der berufskundlichen Sachverständigen J. zur Tätigkeit
einer Poststellenmitarbeiterin aus einem anderen Verfahren des Senats (Az.: L 6 RJ 301/02) vom 6. Juni 2004 zur Kenntnisnahme übersandt.
Die Berichterstatterin hat am 8. März 2013 mit den Beteiligten einen Termin zur Erörterung der Sach- und Rechtslage durchgeführt.
Dort hat die Klägerin erklärt, sie habe die Tätigkeit als Hauptzustellerin bei der Deutschen Post wegen ihrer Rückenprobleme
aufgegeben.
Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf den Inhalt der Prozess- und beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen,
der Gegenstand der Entscheidung gewesen ist.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung der Beklagten ist begründet. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung
bei Berufsunfähigkeit nach den §§
43,
240 des
Sechsten Buches Sozialgesetzbuch (
SGB VI), denn ihre Leistungsfähigkeit ist nicht in dem für eine Rentengewährung erforderlichen Umfang herabgesunken.
Nach §
43 SGB VI haben Versicherte bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung, wenn sie
teilweise erwerbsgemindert sind und die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen erfüllen. Teilweise erwerbsgemindert sind
Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen
des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein (Absatz
1). Nach §
240 Abs.
1 SGB VI haben Versicherte Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Erfüllung der sonstigen Voraussetzungen bis zum
Erreichen der Regelaltersgrenze, die vor dem 2. Januar 1961 geboren und berufsunfähig sind (Absatz 1). Berufsunfähig sind
Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit wegen Krankheit oder Behinderung im Vergleich zur Erwerbsfähigkeit von körperlich, geistig
und seelisch gesunden Versicherten mit ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten auf weniger als
sechs Stunden gesunken ist. Der Kreis der Tätigkeiten, nach denen die Erwerbsfähigkeit von Versicherten zu beurteilen ist,
umfasst alle Tätigkeiten, die ihren Kräften und Fähigkeiten entsprechen und ihnen unter Berücksichtigung der Dauer und des
Umfangs ihrer Ausbildung sowie ihres bisherigen Berufes und der besonderen Anforderungen ihrer bisherigen Berufstätigkeit
zugemutet werden können (Satz 2). Berufsunfähig ist nicht, wer eine zumutbare Tätigkeit mindestens sechs Stunden täglich ausüben
kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen (Satz 4). Die Definition der Berufsunfähigkeit in
§
240 Abs.
2 SGB VI entspricht insofern der in §
43 Abs.
2 SGB VI in der Fassung vor dem 1. Januar 2001 mit dem Unterschied, dass nunmehr auf ein Herabsinken auf weniger als sechs Stunden
abgestellt wird. Die bisherige Auslegung und Rechtsprechung zur Berufsunfähigkeit gilt bei der Neuregelung weiter (vgl. u.a.
Senatsurteil vom 26. Juli 2004 - Az.: L 6 RJ 301/03).
Die Zumutbarkeit einer Verweisungstätigkeit wird grundsätzlich nach der Wertigkeit des bisherigen Berufes festgestellt, wozu
die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) das so genannte Mehrstufenschema entwickelt hat. Die verschiedenen Stufen sind nach dem qualitativen Wert des bisherigen
Berufes - dieser wird nach Dauer und Umfang der im Regelfall erforderlichen Ausbildung, nicht anhand von Prestige oder Entlohnung
bestimmt - hierarchisch geordnet (vgl. BSG, Urteile vom 14. Mai 1996 - Az.: 4 RA 60/94 in BSGE 78, 207, 218 und vom 24. März 1998 - Az.: B 4 RA 44/96 R, nach juris). Die Arbeiterberufe werden durch das Mehrstufenschema in Gruppen untergliedert, die durch den Leitberuf des
Facharbeiters mit Vorgesetztenfunktion bzw. des besonders hoch qualifizierten Facharbeiters, des Facharbeiters (anerkannter
Ausbildungsberuf mit einer Ausbildungszeit von mehr als zwei Jahren), des angelernten Arbeiters (sonstiger Ausbildungsberuf
mit einer Regelausbildungszeit von drei Monaten bis zu zwei Jahren) und des ungelernten Arbeiters charakterisiert werden (vgl.
BSG, Urteil vom 3. November 1994 - Az.: 13 RJ 77/93 in SozR 3-2200 § 1246 Nr. 49). Im Rahmen der sozialen Zumutbarkeit kann auf eine Tätigkeit der jeweils nächst niedrigeren
Gruppe verwiesen werden.
Die Einordnung einer Tätigkeit in das Berufsschema erfolgt nicht ausschließlich nach der Dauer der förmlichen Berufsausbildung,
sondern auch nach der Qualität der verrichteten Arbeit, das heißt dem aus der Mehrzahl von Faktoren zu ermittelnden Wert der
Arbeit für den Betrieb (vgl. BSG, Urteil vom 29. März 1994 - Az.: 13 RJ 35/93 in SozR 3-2200 § 1246 Nr. 45). Es kommt somit auf das Gesamtbild an, wie es durch die in §
240 Abs.
2 Satz 2
SGB VI genannten Merkmale (Dauer und Umfang der Ausbildung sowie des bisherigen Berufes, besondere Anforderungen der bisherigen
Berufstätigkeit) umschrieben wird. Auch wenn in einem Beruf der herkömmliche Ausbildungsweg nicht durchlaufen wurde, besteht
ein entsprechender Berufsschutz, wenn er nicht nur vorübergehend vollwertig ausgeübt wurde, der Versicherte über die für die
Wettbewerbsfähigkeit erforderlichen theoretischen Kenntnisse und praktischen Fertigkeiten verfügt und sich dies auch in einer
entsprechenden Bezahlung bzw. tariflichen oder tarifvertraglichen Einstufung widerspiegelt (vgl. BSG, Urteile vom 9. April 2003, aaO. und vom 20. Juli 2005 - B 13 RJ 29/04 R, nach juris). Die bloße Ausübung von Facharbeitertätigkeiten in einem Teilbereich reicht grundsätzlich nur für eine Einstufung
als angelernter Arbeiter aus, auch wenn die Entlohnung im Einzelfall derjenigen eines Facharbeiters entsprochen haben sollte
(vgl. BSG, Urteil vom 13. Dezember 2000 - Az.: B 5 RJ 28/99 R, nach juris, m.w.N.). Es kommt auf das Gesamtbild an.
Vorab weist der Senat darauf hin, dass die "Anerkennung" des Berufsschutzes der Klägerin als Facharbeiter durch die Beklagte
nicht möglich war. Anerkannt werden kann nur ein Anspruch insgesamt, nicht jedoch - wie hier - eine Anspruchsvoraussetzung
eines Anspruchs (vgl. Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer,
SGG, 10. Auflage 2012, §
101 Rdnr. 20). Der Amtsermittlungsgrundsatz des Gerichts wird dadurch nicht eingeschränkt. Die Klägerin kann die zuletzt bis
1989 ausgeübte versicherungspflichtige Tätigkeit als Zustellerin bei der Deutschen Post nicht mehr ausüben. Dies ist zwischen
den Beteiligten unstreitig. Aufgrund dieser Tätigkeit hat sie aber keinen Berufsschutz als Facharbeiterin (Ausbildungszeit
von mehr als zwei Jahren) erlangt. Sie hat in der DDR keine Ausbildung zur Facharbeiterin für Postverkehr (vgl. http://www.arbeitsagentur.berufenet.de,
Stichwort: Fachkraft für Brief- und Frachtverkehr, Tätigkeitsbezeichnungen) absolviert. Der Senat ist auch nicht zu der Überzeugung
gelangt, dass die zuletzt auf Dauer ausgeübte Tätigkeit als Zustellerin der Tätigkeit einer Dienstleistungsfachkraft im Postbetrieb
(Ausbildungsverordnung vom 28. Februar 1979 (BGBl I S. 242) gültig bis 31. Juli 1995) gleichwertig war.
Facharbeiter für Postverkehr tragen wesentlich dazu bei, dass der Nachrichtenaustausch in Form von Postsendungen, Telegrafien
und Ferngesprächen pünktlich und zuverlässig erfolgt, dass der Informationsbedarf der Betriebe und Einrichtungen sowie der
Bevölkerung durch Zeitungen, Zeitschriften und andere Druckerzeugnisse befriedigt und der Scheck- und Sparverkehr reibungslos
abgewickelt wird. Wesentliche Arbeitsgebiete und Tätigkeiten sind das Führen von Nachweisen jeglicher Art, das Verteilen und
Befördern von Postsendungen und Presseerzeugnissen, das Aushändigen von Postsendungen und Presseerzeugnissen an die Empfänger,
das Erledigen von Kundenaufträgen im Postzeitungsvertrieb und Rundfunkdienst sowie das Bedienen und Pflegen technischer Einrichtungen.
Spezialisierungsrichtungen sind der Betriebsdienst, mit der Abfertigung von Postsendungen aller Art, dem Verkauf von Postwertzeichen
und Presseerzeugnissen, der Ein- und Auszahlung von Barbeträgen, der Vermittlung von Ferngesprächen und Telegrammen, der Annahme
von Spielscheinen für Toto und Lotto, der Auszahlung von Gewinnen und der Vornahme von Schalterabrechnungen. Eine weitere
Spezialisierungsrichtung sind die Tätigkeit als Verwalter besonderer Kassen mit der Zuständigkeit für den Bargeldumlauf im
Postamt, der Abrechnung vereinnahmter Beträge mit den Zustellern, der Zuständigkeit für den Abrechnungsverkehr mit den Poststellen
in den Landgemeinden und die Funktion als Hauptzusteller im Zustelldienst mit der Vorbereitung, Organisation und Kontrolle
der Zustellung in abgegrenzten Bereichen und der Leitung eines Kollegiums von Zustellern. Im Postzeitungsvertrieb bearbeiten
Facharbeiter für Postverkehr u.a. Bestellungen von Presseerzeugnissen im Abonnement und den Einzelverkauf. Im Beförderungsdienst
bearbeiten sie im stationären Umschlagdienst Brief- und Kleingutsendungen sowie Presseerzeugnisse. Dazu gehören der Stempel-
und Verteildienst, das Fertigen und Auflösen von Transporteinheiten, das Be- und Entladen von Bahnpostwagen und Kraftfahrzeugen
sowie der innerbetriebliche Transport. Die technischen Einrichtungen sind zu bedienen, zu pflegen und zu überwachen. Die Ausbildung
dauert für Absolventen der zehnten Klasse zwei Jahre, für Absolventen der zehnten Klasse in der Berufsausbildung mit Abitur
drei Jahre (vgl. Gewande/Gomolla, Anerkennung von Übersiedlerzeugnissen, 1990, Seite 165).
An dieser Stelle bedarf es keiner Prüfung, ob die Klägerin die Tätigkeit als Hauptzustellerin aus gesundheitlichen Gründen
aufgab. Sie hatte keine Ausbildung zur Facharbeiterin für Postverkehr absolviert und die Tätigkeit als Hauptzustellerin weniger
als zwei Jahre und damit eine kürzere Zeitspanne ausgeübt, als die Ausbildung in dem Ausbildungsberuf beansprucht hätte. Es
ist auch nicht ersichtlich, dass sie die vollen theoretischen und praktischen Kenntnisse eines Facharbeiters für Postverkehr
in der Funktion als Hauptzustellerin in Teilzeit erworben hat. Sie arbeitete zuvor in einem gänzlich anderen Bereich und absolvierte
keine Fortbildung oder Qualifikation zum Facharbeiter für Postverkehr oder überhaupt in diesem Bereich. Insoweit ist es unerheblich,
dass im Arbeitsvertrag vom 21. Oktober 1983 als Arbeitsaufgaben eine Vielzahl von Tätigkeiten genannt wird, die dem Beruf
des Facharbeiters für Postverkehr entsprechen. Der Senat geht davon aus, dass die Entlohnung nach der Lohngruppe 7 auf qualitätsfremden
Gründen beruhte, weil sie nach dem Qualifikationshandbuch (Arbeiten in der vereinigten Zustellung), das nach Maßgabe des §
12 Abs. 2 RKV-Post maßgebend für die Eingruppierung der Arbeitnehmer ist, einen Facharbeiterabschluss und spezialisierte Fähigkeiten
mit langjähriger Berufserfahrung (mindestens fünf Jahre) voraussetzte. Beide Voraussetzungen erfüllte die Klägerin nicht.
Nach § 12 Abs. 7 RKV-Post bestand daneben die Möglichkeit, bewährten Mitarbeitern mit langjährigen praktischen Erfahrungen
den Nachweis der für die vereinbarte Arbeitsaufgabe geforderten Qualifikation zu erlassen, wenn sie die erforderlichen Kenntnisse,
Fähigkeiten und Fertigkeiten für die Arbeitsaufgabe durch entsprechende Leistungsentwicklung nachweisen und aufgrund ihres
Alters nicht mehr zum Studium zugelassen bzw. ihnen aus Alters- oder Gesundheitsgründen ein Studium oder eine Qualifizierung
nicht mehr zugemutet werden kann. Auch diese Voraussetzungen lagen in der Person der Klägerin im Jahr 1984 offensichtlich
nicht vor. Es ist auch nicht ersichtlich, dass die Klägerin danach die vollen theoretischen und praktischen Kenntnisse eines
Facharbeiters für Postverkehr in diesem Sinne erwarb oder dass ihre zuletzt ausgeübte Tätigkeit als Zustellerin und Mitarbeiterin
im Abfertigungsdienst die Kenntnisse voraussetzte, die in der zweijährigen Ausbildung erworben wurden. Sie hat ab 1. November
1984 nur noch als Zustellerin bzw. ab 1. Oktober 1987 als Zustellerin und Mitarbeiterin im Abfertigungsdienst gearbeitet und
war damit nur in einem Teilbereich eines Facharbeiterausbildungsberufes der DDR tätig. Die Tätigkeit kann auch nicht mit dem
Ausbildungsberuf "Dienstleistungsfachkraft im Postbetrieb" gleichgestellt werden. Dieser erschöpft sich ebenfalls nicht in
der Vermittlung der theoretischen und praktischen Kenntnisse der Brief- und Paketzustellung. Laut Verordnung über die Berufsausbildung
zur Dienstleistungsfachkraft im Postbetrieb vom 28. Februar 1979 (aaO.) wurden dort eine berufliche Grundbildung (Wirtschaftslehre
und Informationsverarbeitung) und eine berufliche Fachbildung (allgemeine Fachbildung, Vorschriften für den Versand von Postsendungen
innerhalb des Bereichs der Deutschen Bundespost, Vorschriften für den Postverkehr mit der DDR und Berlin (Ost), Vorschriften
für den Versand von Zeitungspostsendungen, Gebührenvorschriften, Gebührenberechnung, Einlieferung der Sendungen, Annahme von
Paketen, Beförderung der Sendungen, Eingang der Sendungen, Ausgabe der Sendungen, Briefzustellung einschließlich der Vorschriften,
die für mehrere Zustellarten gelten, Paketzustellung, vereinigte Eilzustellung, Landzustellung) vermittelt.
Allein aus der Entlohnung nach der Lohngruppe 5 kann nicht auf eine Facharbeitertätigkeit im Sinne des oben genannten Mehrstufenschemas
geschlossen werden. Nach dem Urteil des Bundessozialgerichts vom 16. November 2000 (Az.: B 13 RJ 79/99 R, nach juris) wird die Zuordnung zum Leitberuf des Facharbeiters auch ohne die erforderliche Ausbildung bejaht, wenn die
Tätigkeit ihrer Qualität nach der eines vergleichbaren Versicherten (Facharbeiters) entsprach und nicht nur vorübergehend
vollwertig ausgeübt wurde, sodass eine "Wettbewerbsfähigkeit" im Vergleich zu anderen Versicherten derselben Berufsgruppe
besteht. Dies ist dann nicht der Fall, wenn es sich bei der ausgeübten Tätigkeit nur um einen Teilbereich eines anerkannten
Ausbildungsberufes handelt. Etwas anderes kann nur dann gelten, wenn sich der Teilbereich im Zuge zunehmender Konzentration
und Spezialisierung zu einem eigenständigen Berufsbild entwickelt hat, dem von den am Wirtschaftsleben beteiligten Kreisen
Facharbeiterqualität beigemessen wird. Eine derartige Entwicklung ist für den Beruf der Arbeiterin im Briefzustelldienst jedoch
nicht zu konstatieren. Bei dieser Tätigkeit werden keine Kenntnisse und Fähigkeiten verlangt, die gegenüber denen eines ausgebildeten
Facharbeiters für Postverkehr (DDR) bzw. Dienstleistungsfachkraft im Postbetrieb (BRD) als gleichwertig erachtet werden können
(vgl. BSG, Urteil vom 22. August 2002 - Az.: B 13 RJ 19/02 R, nach juris).
Die Klägerin ist insofern allenfalls als Angelernte oberen Ranges einzustufen und damit auf alle angelernten Tätigkeiten und
Arbeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes verweisbar, die nicht nur ganz geringwertig sind. Der Senat verweist sie auf die ihr
angesichts der gesundheitlichen Einschränkungen zumutbare Bürohilfstätigkeit als Poststellenmitarbeiterin (Entlohnung nach
Vergütungsgruppe IX BAT, nach der Neuregelung des Tarifrechts zum 1. November 2006: Entgeltgruppe 2). Nach dem Gutachten der berufskundlichen Sachverständigen
Janke vom 6. Juni 2004 (Az.: L 6 RJ 301/02) gehört diese Tätigkeit zur Berufsgruppe der Bürohilfskräfte, für die im Allgemeinen keine Berufsausbildung erforderlich
ist und bei der fehlende Kenntnisse durch Einarbeitung beziehungsweise Anlernen in weniger als drei Monaten erworben werden
können. Es sind einfache wiederkehrende kaufmännisch verwaltende körperlich leichte Arbeiten in geschlossenen Räumen (z.B.
Öffnen und Auszeichnen sowie Verteilen von Post, Kuvertieren und Frankieren der ausgehenden Post usw.), die überwiegend im
Sitzen mit der Möglichkeit zum zeitweisen Gehen und Stehen ausgeführt werden; zum Teil erfordern sie Umgang mit Kommunikationsmitteln.
Entlohnt wird die Tätigkeit in der Vergütungsgruppe IX BAT-Bund/Länder (so die Sachverständige Janke), teilweise in der Vergütungsgruppe X Nr. 1 BAT-Ost (vgl. Senatsurteil vom 29. November 2000 - Az.: L 6 RJ 238/97), heute in der Entgeltgruppe 2. Stellen für Bürohilfskräfte sind in ausreichender Menge auf dem Arbeitsmarkt der gesamten
Bundesrepublik vorhanden.
Mit dem festgestellten Leistungsvermögen ist die Klägerin in der Lage, diese Tätigkeit mindestens sechs Stunden täglich auszuführen.
Der Senat stützt sich insoweit insbesondere auf das orthopädische Gutachten des Dr. Z. vom 19. Juni 2012 und das psychiatrisch-sozialmedizinische
Gutachten der Dr. F. vom 22. Juni 2012. Nach dem Gutachten der Dr. F. vom 22. Juni 2012 kann die Klägerin leichte bis gelegentlich
mittelschwere Tätigkeiten mindestens sechs Stunden täglich ausüben. Aus psychiatrischer Sicht ergeben sich aus dem chronischen
Schmerzsyndrom qualitative, aber keine quantitativen Leistungseinschränkungen. Anhaltspunkte für eine eigenständige Somatisierungsstörung
fanden sich in der ergänzenden psychologischen Testung nicht. Bei der ergänzenden körperlichen Untersuchung ergaben sich aus
neurologischer Sicht keine akute Nervenwurzelreiz- oder Ausfallsymptomatik und keine eindeutigen peripheren Nervenschädigungszeichen.
Nach dem Gutachten des Dr. Z. vom 19. Juli 2012 begründen die auf orthopädischem Fachgebiet bestehenden Einschränkungen ebenfalls
keine quantitative Einschränkung des Leistungsvermögens. Insoweit stimmt er mit dem erstinstanzlich beauftragten Sachverständigen
Dr. N. in dem Gutachten vom 10. November 2006 und der ergänzenden Stellungnahme vom 5. Mai 2008 überein. Die Klägerin ist
danach in der Lage, leichte bis gelegentlich mittelschwere Tätigkeiten mindestens sechs Stunden täglich ausüben. Aus orthopädischer
Sicht finden sich lediglich leichte funktionelle Störungen der Hals-, Brust- und Lendenwirbelsäule sowie der rechten Schulter
bei bestehenden degenerativen Veränderungen, die mit leichten Funktionseinschränkungen verbunden sind. Sie bestehen in Bewegungseinschränkungen
und in Schmerzen. Die sich aus den auf orthopädischem und psychiatrischem Fachgebiet bestehenden Erkrankungen ergebenden Einschränkungen
fasst Dr. Z. dahingehend zusammen, dass es sich um Tätigkeiten handeln soll, die in wechselnder Körperhaltung, im Sitzen,
Stehen und Gehen durchgeführt werden können. Zu vermeiden sind das Tragen von Lasten, Arbeiten unter Absturzgefahr, Arbeiten
in Zwangshaltungen insbesondere vorn übergebeugt oder über Kopf sowie die Exposition von Kälte, Nässe und Zugluft. Ständiges
Bücken oder Heben von Lasten von mehr als zehn Kilogramm und Arbeiten in Schichten oder Akkordarbeit sollen nicht erfolgen.
Arbeiten mit besonderen Anforderungen an das Konzentrations- und Reaktionsvermögen dürfen wegen des Erfordernisses der Schmerzbehandlung
nicht mehr abverlangt werden. Einschränkungen ergeben sich dahingehend, dass Arbeiten unter Zeitdruck, Tätigkeiten mit Selbst-
und Fremdgefährdung, insbesondere Arbeiten unter Absturzgefahr, sowie mit besonderen Anforderungen an das Konzentrations-
und Reaktionsvermögen wegen des Erfordernisses der Schmerzbehandlung nicht mehr abverlangt werden dürfen. Betriebsunübliche
Pausen sind nach dem Ergebnis beider Begutachtungen nicht erforderlich. Die Wegefähigkeit ist erhalten. Die nach den Gutachten
der Dres. Z. und F. zu beachtenden Einschränkungen werden bei der Tätigkeit als Poststellenmitarbeiterin berücksichtigt: die
Tätigkeiten können in wechselnden Körperhaltungen ausgeübt werden. Es handelt sich um Arbeiten, die nicht mit häufigem Bücken,
häufigem Knien, unter Absturzgefahr, Bewegen von Lasten über 10 Kilogramm und Überkopfarbeiten einhergehen. Ein besonderes
Reaktions- und Konzentrationsvermögen wird nicht abverlangt. Die Arbeit wird in geschlossenen Räumen ohne Exposition von Kälte,
Nässe und Zugluft ausgeübt. Die Dres. Z. und F. haben die Möglichkeit der Ausübung einer Tätigkeit als Poststellenmitarbeiterin
ausdrücklich bestätigt.
Ob der Klägerin eine entsprechende Tätigkeit vermittelt werden kann, ist unwesentlich. Für vollschichtig einsatzfähige Versicherte
besteht im Allgemeinen ein offener Arbeitsmarkt (vgl. BSG in SozR 2200 § 1246 Nr. 90). Eine Versicherte muss sich nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts grundsätzlich auf dem Arbeitsmarkt
im gesamten Gebiet der Bundesrepublik Deutschland verweisen lassen. Dort gibt es noch eine hinreichende Anzahl zumutbarer
Arbeitsplätze, unabhängig davon, ob diese offen oder besetzt sind. Das Risiko, einen entsprechenden Arbeitsplatz zu finden,
trägt nicht die Beklagte, sondern die Arbeitslosenversicherung.
Die Kostenentscheidung beruht auf §
193 SGG.
Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des §
160 Abs.
2 SGG nicht vorliegen.