Zulässigkeit der Nichtzulassungsbeschwerde im sozialgerichtlichen Verfahren; Rechtsschutzbedürfnis bei einem Bagatellstreitwert
Gründe:
I. Der Kläger begehrt höhere Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II), zuletzt beziffert auf einen Gesamtbetrag von 0,52 Euro im Hinblick auf die Rundungsregelung des § 41 Abs. 2 Zweites Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) i. d. F. des Vierten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt (im Folgenden: alte Fassung (aF)). In der Klageschrift
hatte der Kläger auch geltend gemacht, die angegriffenen Entscheidungen des Beklagten seien formell rechtswidrig. Ferner hatte
er sich gegen die lediglich teilweise Übernahme der Kosten des Vorverfahrens im Widerspruchsbescheid gewandt. Das Sozialgericht
(SG) hat dem Kläger für Juni und Juli 2008 jeweils um 0,26 Euro, insgesamt also um 0,52 Euro höhere Leistungen nach dem SGB II zugesprochen und den Beklagten dazu verurteilt, die außergerichtlichen Kosten des Klägers zu übernehmen.
II. Die Nichtzulassungsbeschwerde ist schon unzulässig. Dem Beklagten fehlt das Rechtsschutzinteresse. Auch für Rechtsmittel
gilt der allgemeine Grundsatz, dass niemand die Gerichte grundlos oder für unlautere Zwecke in Anspruch nehmen darf (hierzu
etwa BSG, Urteil vom 8. Mai 2007, B 2 U 3/06 R). Das ist aber im Hinblick auf die vorliegende Nichtzulassungsbeschwerde der Fall. Zwar ist das Rechtsschutzbedürfnis keine
besondere Voraussetzung für die Zulässigkeit eines Rechtsmittels, sondern ergibt sich im Allgemeinen ohne Weiteres aus der
formellen Beschwer des Rechtsmittelklägers, der mit seinem Begehren in der vorangegangenen Instanz unterlegen ist (vgl. BSG, Urteil vom 12. Juli 2012 - B 14 AS 35/12 R -). Mit dem Erfordernis der Beschwer ist in aller Regel gewährleistet, dass das Rechtsmittel nicht eingelegt wird, ohne
dass ein sachliches Bedürfnis des Rechtsmittelklägers hieran besteht. Ein derartiges Bedürfnis ist aber unter den hier gegebenen
Umständen nicht anzuerkennen. Der Wert des Beschwerdegegenstandes beschränkt sich auf lediglich 0,52 Euro, zu deren Zahlung
der Beklagte verurteilt worden ist. Diese Summe errechnet sich aus einer Addition des sich nach § 41 Abs. 2 SGB II a. F. ergebenden weiteren monatlichen Betrags von 0,26 Euro für zwei Monate. Dieser Betrag ist so niedrig, dass er die Inanspruchnahme
von gerichtlichem Rechtschutz objektiv nicht gerechtfertigt erscheinen lässt, denn ein wirtschaftlich sinnvoller Vorteil für
den Beklagten ist nicht erkennbar. Das Bundessozialgericht (BSG) hat in dem am 12. Juli 2012 (B 14 AS 35/12 R) entschiedenen Fall befunden, dass für das mit Klageerhebung auf die "Beachtung der Rundungsregel" beschränkte Begehren
das Rechtsschutzbedürfnis fehlt. Spiegelbildlich muss dies nach Auffassung des Senats nach den Umständen des vorliegenden
Einzelfalls - in dem mit 0,26 Euro monatlich ein noch geringeres Interesse in Frage steht als im genannten BSG-Fall - auch für das vom Beklagten hier geführte Rechtsmittel gelten. Dies ergibt sich auch daraus, dass der Beklagte in zahlreichen
anderen dem beschließenden Senat bekannten Fällen letzten Endes die Rundungsregelung angewandt hat. Dem entspricht, dass der
Beklagte ausweislich der Niederschrift über den Termin vom 7. Januar 2011 nur deshalb kein Anerkenntnis abgegeben hat, weil
"ansonsten die Entscheidung über die Kosten nicht rechtsmittelfähig wäre". Das damit angesprochene Kosteninteresse hat nach
Auffassung des Senats wegen §
144 Abs.
4 Sozialgerichtsgesetz (
SGG) außer Betracht zu bleiben. Danach ist die Berufung ausgeschlossen, wenn es sich um die Kosten des Verfahrens handelt. Wenn
die eigentliche Beschwer lediglich in der Kostentragung liegt, muss der Rechtsmittelausschluss auch für ein Rechtsmittel gelten,
das formal auch die Hauptsache angreift (vgl. Leitherer, in: Meyer-Ladewig,
SGG, §
144 Rn. 48a). Dem entspricht der vorliegende Fall, in dem der Beklagte ursprünglich nur deshalb eine Entscheidung erstritten
hat, um die Kostenentscheidung angreifen zu können. Soweit das Bundessozialgericht ein sachliches Bedürfnis des Rechtsmittelklägers
auch dann anerkennt, wenn die eigentliche Beschwer vorwiegend von der ihn belastenden Kostenentscheidung ausgeht (Urteil vom
12. Juli 2012 - B 14 AS 35/12 R - Rdnr. 10 unter Bezug auf das Urteil des Bundesgerichtshofs - BGH - vom 3. November 1971 - IV ZR 26/70), folgt der Senat dem nicht, weil ein dem dem Urteil des BGH zu Grunde liegenden Sachverhalt vergleichbarer Fall hier nicht
vorliegt. Dort ging es um eine Klage, die entgegen dem Antrag des Klägers, den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt
zu erklären, mit einer ihn belastenden Kostenentscheidung abgewiesen worden war. Dabei handelt es sich um eine völlig anders
geartete prozessuale Konstellation, so dass der Senat die in dem Urteil des BGH angestellten Erwägungen selbst dann nicht
für übertragbar hält, wenn die Vorschriften des
SGG in ähnlicher Weise zu handhaben wären wie die vom BGH angewandten Vorschriften des Zivilprozesses. Dieses Resultat rechtfertigt
sich auch daraus, dass die mit der Beschwerde vorgebrachten Zulassungsgründe offensichtlich nicht vorliegen. Dass § 41 Abs. 2 SGB II a. F. ein subjektiv öffentliches Recht darstellt, war bereits seit langem in der Rechtsprechung des BSG geklärt und ist mit dem BSG-Urteil vom 12. Juli 2012 lediglich noch einmal ausdrücklich bestätigt worden, ohne dass es den geringsten Anhalt dafür gäbe,
dass dies hinsichtlich der Leistungen für Unterkunft und Heizung anders zu beurteilen sein könnte. Auch die übrigen vom Beklagten
mit der Beschwerde aufgeworfenen Aspekte sind spätestens mit der BSG-Entscheidung geklärt. Soweit diesbezüglich eine mögliche Divergenz der angegriffenen Entscheidung in Rede steht, ist festzustellen,
dass ein Zulassungsgrund deshalb nicht vorliegt, weil der Kläger im vorliegenden Fall neben der gerügten Rundung auch Einwendungen
gegen die formelle Rechtmäßigkeit des Bewilligungsbescheids erhoben und sich gegen die Kostenentscheidung im Widerspruchsbescheid
gewandt hatte. Im Übrigen ist nicht recht einzusehen, warum die vom BSG angestellten Erwägungen zum Rechtsschutzinteresse nicht auch für eine Klage gelten, bei der die Beschwer vorwiegend von einer
für den Kläger negativen Kostenentscheidung im Widerspruchsbescheid ausgeht. Die Kostenentscheidung beruht auf §
193 SGG. Mit der Ablehnung der Nichtzulassungsbeschwerde wird das Urteil des Sozialgerichts rechtskräftig (§
145 Abs.
4 Satz 4
SGG). Der Beschluss kann nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden (§
177 SGG).