Gründe
Zwischen den Beteiligten ist streitig die Weitergewährung einer Rente wegen voller Erwerbsminderung ab 1.11.2013. Mit Urteil
vom 9.7.2019 hat das LSG Baden-Württemberg einen solchen Anspruch der Klägerin verneint und ihre Berufung gegen den Gerichtsbescheid
des SG Stuttgart vom 6.2.2017 zurückgewiesen. Gegen die Nichtzulassung der Revision hat die Klägerin Beschwerde beim BSG eingelegt und einen Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe (PKH) gestellt. Sie beruft sich auf Verfahrensfehler (§
160 Abs
2 Nr
3 SGG).
1. Die Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin ist unzulässig, weil sie nicht formgerecht begründet ist.
Die Revision ist nur zuzulassen, wenn
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (§
160 Abs
2 Nr
1 SGG),
das Urteil von einer Entscheidung des BSG, des GmSOGB oder des BVerfG abweicht und auf dieser Abweichung beruht (aaO Nr 2) oder
ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann (aaO Nr 3).
Derartige Gründe werden in der Beschwerdebegründung nicht nach Maßgabe der Erfordernisse des §
160a Abs
2 Satz 3
SGG dargetan. Die Beschwerde ist daher gemäß §
160a Abs
4 Satz 1 iVm §
169 SGG zu verwerfen.
Wird eine Nichtzulassungsbeschwerde darauf gestützt, dass ein Verfahrensmangel vorliege, auf dem die angefochtene Entscheidung
beruhen könne (§
160 Abs
2 Nr
3 Halbsatz 1
SGG), so müssen bei der Bezeichnung des Verfahrensmangels (§
160a Abs
2 Satz 3
SGG) zunächst die den Verfahrensmangel (vermeintlich) begründenden Tatsachen substantiiert dargetan werden. Darüber hinaus ist
die Darlegung erforderlich, dass und warum die Entscheidung des LSG ausgehend von dessen materieller Rechtsansicht auf dem
Mangel beruhen kann, also die Möglichkeit einer Beeinflussung des Urteils besteht. Gemäß §
160 Abs
2 Nr
3 Halbsatz 2
SGG kann der geltend gemachte Verfahrensmangel nicht auf eine Verletzung der §§
109 und
128 Abs
1 Satz 1
SGG und auf eine Verletzung des §
103 SGG nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt
ist.
a) Wer sich auf eine Verletzung der Amtsermittlungspflicht nach §
103 SGG stützt, muss ua einen für das Revisionsgericht ohne Weiteres auffindbaren Beweisantrag bezeichnen, die Rechtsauffassung des
LSG wiedergeben, aufgrund der bestimmte Tatsachen als klärungsbedürftig hätten erscheinen müssen und die von dem betreffenden
Beweisantrag berührten Tatumstände darlegen, die zu weiterer Sachaufklärung Anlass gegeben hätten (stRspr; vgl zB zuletzt BSG Beschluss vom 17.9.2019 - B 1 KR 63/18 B - juris RdNr 5 mwN). Hierzu gehört nach ständiger Rechtsprechung des BSG die Darlegung, dass ein Beweisantrag bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung gestellt und noch zumindest hilfsweise aufrechterhalten
wurde.
An der Bezeichnung eines solchen Beweisantrages fehlt es hier. Die bereits vor dem LSG anwaltlich vertretene Klägerin trägt
vor, das LSG habe nicht alle Ermittlungsmöglichkeiten ausgeschöpft und einen Beweisantrag im Schriftsatz vom 26.6.2019 übergangen.
Darin habe sie beantragt, ein weiteres Gutachten zu der Frage einzuholen, dass sie unter Berücksichtigung aller Erkrankungen
bereits seit dem Zeitpunkt der begehrten Weiterbewilligung der Erwerbsminderungsrente, spätestens ab November 2015 nicht mehr
in der Lage gewesen sei, einen Pkw zu fahren. Entgegen der Rechtsauffassung der Klägerin ("ein kurz vor dem Termin formulierter
Beweisantrag ist ausreichend") ist ein Beweisantrag zu benennen, der bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung zu Protokoll
gestellt oder zumindest hilfsweise aufrechterhalten wurde oder den das Berufungsgericht in seiner Entscheidung wiedergibt
(vgl BSG Beschluss vom 29.3.2007 - B 9a VJ 5/06 B - SozR 4-1500 § 160 Nr 13 RdNr 11 mwN). Dazu enthält die Beschwerdebegründung keine Angaben. Nähere Ausführungen wären deshalb erforderlich gewesen, weil ausweislich
des Protokolls der mündlichen Verhandlung vom 9.7.2019 die Prozessbevollmächtigte der Klägerin lediglich beantragt hat, "den
Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Stuttgart vom 6. Februar 2017 sowie den Bescheid der Beklagten vom 7. November 2013 in
Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19. März 2014 aufzuheben und ihr Rente wegen voller Erwerbsminderung über den 31. Oktober
2013 hinaus zu gewähren". Einen Beweisantrag hat die Klägerin danach nicht - auch nicht hilfsweise - gestellt. Daraus erklärt
sich auch, dass - wie die Klägerin ebenfalls rügt - das LSG den Beweisantrag im Urteil "nicht einmal erwähnt".
b) Die Klägerin bezeichnet auch eine Verletzung des rechtlichen Gehörs nicht ausreichend. Wer die Verletzung des Anspruchs
auf rechtliches Gehör (§
62 SGG, Art
103 Abs
1 GG) rügt, muss hierzu ausführen, welchen erheblichen Vortrag das Gericht bei seiner Entscheidung nicht zur Kenntnis genommen
hat, welches Vorbringen des Rechtsuchenden dadurch verhindert worden ist und inwiefern das Urteil auf diesem Sachverhalt beruhen
kann (vgl zB BSG Beschluss vom 18.2.1980 - 10 BV 109/79 - SozR 1500 § 160a Nr 36; aus jüngster Zeit BSG Beschluss vom 27.1.2020 - B 5 RE 3/19 B - Juris RdNr 14). Daran fehlt es hier.
Die Klägerin trägt vor, sie habe mit Schriftsatz vom 4.7.2019 vorgetragen, dass ihr Ehemann für die Gemeinde arbeite und den
Pkw durchgängig für seine Tätigkeit benötige. Dieser Umstand sei für die Frage erheblich gewesen, ob die Klägerin im November
2015 überhaupt noch in der Lage gewesen sei, einen Pkw zu führen. Woraus die Klägerin den Entscheidungsgründen entnimmt, das
LSG habe diesen Vortrag "nicht berücksichtigt", geht aus der Beschwerdebegründung nicht hervor. Das Berufungsgericht hat sich
im angefochtenen Urteil ausdrücklich mit den beiden von der Klägerin angeführten Schreiben vom 26.6.2019 und vom 4.7.2019
befasst und dazu ausgeführt, es habe sich nicht davon überzeugen können, dass der Pkw der Klägerin nicht zur Verfügung gestanden
habe.
Auch mit ihrem weiteren Vorbringen, der Anspruch auf rechtliches Gehör solle verhindern, dass Beteiligte "durch eine Entscheidung
überrascht werden", bezeichnet die Klägerin nicht hinreichend einen Verfahrensmangel. Sie macht dazu geltend, sie habe im
August 2017 im Verfahren der PKH vorgetragen, dass ihr Ehemann nur wenig arbeite. Das LSG habe ihre Angaben "in der Urteilsbegründung
erstmalig zur Bestätigung dafür herangezogen, dass der Ehemann der Klägerin den Pkw nicht benötige und somit der Pkw der Klägerin
spätestens ab November 2015 tatsächlich zur Verfügung stand". Dieses Vorbringen enthält keine hinreichende Bezeichnung eines
Verfahrensmangels in Form einer sog Überraschungsentscheidung. Eine solche Überraschungsentscheidung ist nicht bereits dann
anzunehmen, wenn einer der Beteiligten eine andere Entscheidung des Gerichts erwartet hat. Voraussetzung ist vielmehr, dass
das Gericht einen bis dahin nicht erörterten rechtlichen oder tatsächlichen Gesichtspunkt zur Grundlage seiner Entscheidung
macht und damit dem Rechtsstreit eine Wende gibt, mit der auch ein gewissenhafter Prozessbeteiligter nach dem bisherigen Verfahrensverlauf
selbst unter Berücksichtigung der Vielzahl vertretbarer Rechtsauffassungen nicht zu rechnen braucht (vgl BSG Beschluss vom 16.7.2019 - B 5 R 262/18 B - juris RdNr 8 mwN). Aus welchen Gründen überraschend gewesen sein könnte, dass das LSG zur Argumentation in den Entscheidungsgründen die von
der Klägerin selbst im PKH-Verfahren gemachten Angaben heranzog, begründet die Klägerin nicht.
Soweit die Klägerin in diesem Kontext schließlich vorträgt, das LSG habe ohne einen vorherigen richterlichen Hinweis diese
Angabe aus ihrem Antrag auf Gewährung von PKH vom August 2017 verwertet "als Beweis dafür, dass der Klägerin damals ab 2013,
spätestens ab November 2015 tatsächlich ein Pkw zur Verfügung stand", und es sei erforderlich gewesen, der Prozessbevollmächtigten
ausreichend Zeit einzuräumen, sich hierzu zu äußern, ist schon nicht dargetan, welcher weitere Vortrag der Klägerin - über
den Inhalt der Schriftsätze vom 26.6.2019 und vom 4.7.2019 hinaus - von der Klägerin dadurch verhindert worden sein soll.
Mit ihrem Vorbringen, das LSG habe aufgrund ihrer Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse zu einem
Antrag auf Bewilligung von PKH aus dem Jahr 2017 "sachwidrig unterstellt", sie habe "in den Jahren 2013, 2014 und 2015 sowie
in den weiteren Jahren tatsächlich über einen Pkw verfügt", rügt sie eine aus ihrer Sicht fehlerhafte Beweiswürdigung durch
das Berufungsgericht. Eine Nichtzulassungsbeschwerde kann jedoch nach §
160 Abs
2 Nr
3 Halbsatz 2 Alt 1
SGG ausdrücklich nicht auf eine Verletzung des §
128 Abs
1 Satz 1
SGG gestützt werden.
Von einer weiteren Begründung wird abgesehen (vgl §
160a Abs
4 Satz 2 Halbsatz 2
SGG).
2. Der Antrag auf Bewilligung von PKH unter Beiordnung der Prozessbevollmächtigten ist abzulehnen. Das Rechtsmittel der Nichtzulassungsbeschwerde
bietet - wie bereits ausgeführt - keine hinreichende Aussicht auf Erfolg (§
73a Abs
1 Satz 1
SGG iVm §
114 Abs
1 Satz 1, §
121 Abs
1 ZPO).
3. Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des §
193 Abs
1 und 4
SGG.