Kostenerstattung der gesetzlichen Krankenversicherung für selbstbeschaffte Leistung nur nach vorheriger Entscheidung der Krankenkasse
Gründe:
I
Die 1951 geborene, bei der beklagten Krankenkasse (KK) versicherte Klägerin ist mit ihrem Begehren, die Beklagte möge ihr
die Kosten der wegen eines Fibromyalgie-Syndroms in der Schweiz ambulant durchgeführten Quadranteninterventionsoperation erstatten,
in den Vorinstanzen ohne Erfolg geblieben. Das Landessozialgericht (LSG) hat im Wesentlichen auf die Entscheidungsgründe des
Gerichtsbescheids des Sozialgerichts Bezug genommen, nach denen ein Kostenerstattungsanspruch ausgeschlossen ist, weil eine
unaufschiebbare Leistung im Sinne des §
13 Abs
3 Satz 1 Alt 1
SGB V und der im Rahmen der 2. Alt dieser Vorschrift notwendige Kausalzusammenhang zwischen ablehnender Entscheidung der KK und
Selbstbeschaffung der Leistung nicht vorgelegen hätten. Auf die Frage, ob die Klägerin einen verfassungsrechtlich begründeten
Anspruch auf die Gewährung der Operation gehabt habe, komme es nicht an. Die Grundrechte geböten es auch nicht, von dem Kausalitätserfordernis
abzusehen, zumal dieses gerade auch dem Schutz des Versicherten diene (Urteil vom 22.7.2009).
Mit ihrer Beschwerde wendet sich die Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im Beschluss des LSG. Sie beruft sich
auf die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache.
II
Die Beschwerde der Klägerin ist unzulässig und daher gemäß §
160a Abs
4 Satz 1 Halbsatz 2 iVm §
169 Satz 3
SGG zu verwerfen. Ihre Begründung entspricht nicht den Anforderungen an die Darlegung des geltend gemachten Revisionszulassungsgrundes
nach §
160 Abs
2 Nr
1 SGG.
1. Wer sich auf diesen Zulassungsgrund beruft, muss gemäß §
160a Abs
2 Satz 3
SGG eine Rechtsfrage klar formulieren und ausführen, inwiefern diese Frage im angestrebten Revisionsverfahren entscheidungserheblich
sowie klärungsbedürftig und über den Einzelfall hinaus von Bedeutung ist (vgl zB BSG SozR 3-1500 § 160a Nr 21 S 38; BSG SozR
3-4100 § 111 Nr 1 S 2 f; s auch BSG SozR 3-2500 § 240 Nr 33 S 151 f mwN). Eine Rechtsfrage ist grundsätzlich nicht mehr klärungsbedürftig,
wenn sie bereits von der höchstrichterlichen Rechtsprechung entschieden worden ist (vgl BSG SozR 3-1500 § 160 Nr 8 S 17; BSG
SozR 1500 § 160 Nr 51 S 52 mwN). In diesem Fall muss deshalb dargetan werden, dass für die Frage - zB mit Blick auf einschlägige
Kritik im Schrifttum oder bei den Instanzgerichten - erneut Klärungsbedarf entstanden ist (vgl zB BSG SozR 3-1500 § 160a Nr
21 S 38; BSG SozR 3-4100 § 111 Nr 1 S 2 f).
Die Klägerin formuliert zwar folgende Rechtsfragen:
"Ist in Fällen, in denen aus dem Grundrecht auf Leben und körperliche Unversehrtheit 1. ein Kostenerstattungsanspruch gegen
die Krankenkasse folgt, Voraussetzung für diesen Kostenerstattungsanspruch, dass die Krankenkasse zuvor die entsprechende
Leistung zu Unrecht abgelehnt hat und dem Versicherten in Folge dessen für die selbstbeschaffte Leistung Kosten entstanden
sind?"
"Ist es verfassungsrechtlich (Art.
2 Abs.
2 Satz 1
GG in Verbindung mit dem Sozialstaats2. prinzip) unzulässig, einem zwangsweise in die gesetzliche Krankenversicherung eingetretenen
Krankenversicherten bei schweren chronischen Krankheiten, für die keine allgemein anerkannte Heilmethode zur Verfügung steht,
eine experimentelle Therapie, die eine nicht ganz entfernt liegende Aussicht auf Heilung oder auf eine spürbare positive Einwirkung
auf den Krankheitsverlauf hat, nicht zur Verfügung zu stellen?"
3. "Ist es verfassungsrechtlich (Art.
3 Abs.
1 GG, Art.
20 Abs.
1 GG, Art.
2 Abs.
1 GG und Art.
12 Abs.
1 GG) unzulässig, einem zwangsweise in die gesetzliche Krankenversicherung eingetretenen Krankenversicherten bei schweren chronischen
Krankheiten, für die keine allgemein anerkannte Heilmethode zur Verfügung steht, eine experimentelle Therapie nicht zur Verfügung
zu stellen, wenn er diese Therapie als privat Krankversicherter erhalten würde?"
Sie hat jedoch nicht hinreichend dargetan, dass diese Rechtsfragen trotz der bereits vorliegenden Rechtsprechung des Bundessozialgerichts
(BSG) noch klärungsbedürftig und dass sie entscheidungserheblich sind.
a) In Bezug auf die erste Rechtsfrage wird schon nicht hinreichend dargelegt, dass - ausgehend von den für den Senat bindenden
Feststellungen des LSG (vgl §
163 SGG) - die angesprochene Fallkonstellation, das Vorliegen eines "aus dem Grundrecht auf Leben und körperliche Unversehrtheit"
ableitbaren Leistungsanspruchs, im Falle der Klägerin überhaupt besteht. Zudem wird die Klärungsbedürftigkeit der Rechtsfrage
nicht in ausreichendem Maße dargelegt. Die Beschwerdebegründung geht nicht ein auf die umfangreiche Rechtsprechung des BSG
zur Notwendigkeit der vorherigen Befassung der KK mit dem Leistungsbegehren des Versicherten im Rahmen des Anspruchs aus §
13 Abs
3 Satz 1 Alt 2
SGB V (vgl die stRspr, zuletzt Urteil vom 30.6.2009 - B 1 KR 5/09 R - RdNr 15 mwN, zur Veröffentlichung in SozR 4-2500 § 31 Nr 15 vorgesehen). Das BSG hat dazu bereits entschieden, dass eine
vorherige Entscheidung der KK auch dann nicht entbehrlich ist, wenn die Ablehnung des Leistungsbegehrens - etwa aufgrund von
Erfahrungen aus anderen Fällen - von vornherein feststeht. Es hat dies gerade damit begründet, dass auch in den Fällen, in
denen die Leistung (in der Regel) nach dem Gesetz ausgeschlossen ist, sich ein aus dem Verfassungsrecht abzuleitender Leistungsanspruch
ergeben könnte (BSGE 98, 26 = SozR 4-2500 § 13 Nr 12, jeweils RdNr 13). Die Klägerin geht auch nicht darauf ein, dass - wie auch das LSG ausgeführt hat
- nur bei einer Vorab-Prüfung die mit der Selbstbeschaffung von Leistungen verbundenen Gesundheitsgefahren und wirtschaftlichen
Risiken verhindert werden und Behandlungsalternativen aufgezeigt werden können (BSG, ebenda, RdNr 18).
b) Dahingestellt bleiben kann bezogen auf die zweite gestellte Rechtsfrage, ob die Darlegungen der Klägerin insoweit zur Klärungsbedürftigkeit
hinreichen angesichts der umfangreichen Rechtsprechung des BSG zu den Voraussetzungen eines auf Verfassungsrecht gestützten
Leistungsanspruchs und der Notwendigkeit des Vorliegens einer lebensbedrohlichen oder einer lebensbedrohlichen oder regelmäßig
tödlich verlaufenden oder eine zumindest wertungsmäßig damit vergleichbaren Erkrankung (vgl nur zuletzt Urteil vom 30.6.2009
- B 1 KR 5/09 R - RdNr 45 f mwN, zur Veröffentlichung in SozR 4-2500 § 31 Nr 15 vorgesehen). Jedenfalls ist der Beschwerdebegründung nicht
zu entnehmen, dass es auf die Beantwortung dieser Frage im Revisionsverfahren ankommen wird, mithin, dass die Rechtsfrage
im konkreten Rechtsstreit auch entscheidungserheblich ist. Bei einem geltend gemachten Anspruch, der - wie hier derjenige
aus §
13 Abs
3 Satz 1 Alt 2
SGB V - mehrere Voraussetzungen hat, muss dargelegt werden, dass auch die weiteren Voraussetzungen erfüllt sind. Denn andernfalls
ist der Beschwerdebegründung nicht zu entnehmen, dass die Entscheidung über die aufgeworfene Rechtsfrage Konsequenzen für
den Ausgang des Rechtsstreits hat (vgl zum Ganzen: BSG SozR 4-1500 § 160a Nr 5 RdNr 3; BSG SozR 3-1500 § 160a Nr 16). Eine Voraussetzung des Anspruchs nach §
13 Abs
3 Satz 1 Alt 2
SGB V ist der notwendige Kausalzusammenhang zwischen der Entscheidung der KK und der Selbstbeschaffung, zu dessen Vorliegen die
Beschwerdebegründung keine hinreichenden Ausführungen enthält (vgl dazu auch 1a).
c) Dahingestellt bleiben kann, ob der Kläger die Klärungsbedürftigkeit der dritten gestellten Rechtsfrage hinreichend darlegt.
Jedenfalls fehlen aus den bereits unter 1 a) und b) genannten Gründen ausreichende Ausführungen zur Entscheidungserheblichkeit
dieser Frage.
2. Der Senat sieht von einer weiteren Begründung ab (§
160a Abs
4 Satz 2 Halbsatz 2
SGG).
3. Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung von §
193 SGG.