Gründe
I
Das LSG Baden-Württemberg hat mit Urteil vom 18.10.2019 die Einschränkung der Dispositionsbefugnis der bei der beklagten Krankenkasse
versicherten Klägerin im Hinblick auf ihren Antrag auf Rente wegen Erwerbsminderung nach §
51 Abs
1 SGB V bestätigt: Die Anfechtungsklage sei bereits unzulässig. Der angefochtene Bescheid vom 17.8.2017 habe sich auf andere Weise
erledigt (§ 39 Abs 2 SGB X). Mittlerweile sei der Klägerin eine Rente wegen voller Erwerbsminderung gewährt und der Krankengeldbezug beendet worden.
Die Klägerin habe ihren Antrag auf Erwerbsminderungsrente nicht zurückgenommen und hier sei dies auch nicht mehr möglich.
Die im angefochtenen Bescheid enthaltene Aufforderung, den Rentenantrag nur mit vorheriger Zustimmung zurückzunehmen oder
im Leistungsumfang zu ändern, sei nur noch mit einem Fortsetzungsfeststellungswiderspruch bzw einer entsprechenden -feststellungsklage
angreifbar gewesen. Ein berechtigtes Interesse an der Feststellung der Rechtswidrigkeit des erledigten Bescheids habe aber
nicht vorgelegen.
Die Klägerin hat gegen die Nichtzulassung der Revision im vorgenannten Urteil Beschwerde beim BSG eingelegt. Sie beruft sich auf Verfahrensmängel (§
160 Abs
2 Nr
3 SGG).
II
Die Nichtzulassungsbeschwerde ist unzulässig, weil die Klägerin den geltend gemachten Zulassungsgrund des Verfahrensmangels
nicht formgerecht aufgezeigt hat (§
160a Abs
2 Satz 3
SGG). Die Verwerfung der unzulässigen Beschwerde erfolgt gemäß §
160a Abs
4 Satz 1 Halbsatz 2 iVm §
169 Satz 2 und
3 SGG durch Beschluss ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter.
Wird eine Nichtzulassungsbeschwerde darauf gestützt, dass ein Verfahrensmangel iS von §
160 Abs
2 Nr
3 SGG vorliege, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen könne, müssen für die Bezeichnung des Verfahrensmangels (§
160a Abs
2 Satz 3
SGG) die den Verfahrensmangel (vermeintlich) begründenden Tatsachen substantiiert dargetan werden. Darüber hinaus ist die Darlegung
erforderlich, dass und warum die Entscheidung des LSG - ausgehend von dessen materieller Rechtsansicht - auf dem Mangel beruhen
kann, dass also die Möglichkeit einer Beeinflussung der Entscheidung besteht. Gemäß §
160 Abs
2 Nr
3 Halbsatz 2
SGG kann der geltend gemachte Verfahrensmangel allerdings nicht auf eine Verletzung der §§
109 und
128 Abs
1 Satz 1
SGG und auf eine Verletzung des §
103 SGG nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt
ist.
1. Wird - wie vorliegend - ein Verstoß gegen die tatrichterliche Sachaufklärungspflicht (§
103 SGG) gerügt, muss die Beschwerdebegründung hierzu folgende Punkte enthalten: (1) Bezeichnung eines für das Revisionsgericht ohne
Weiteres auffindbaren Beweisantrags, dem das LSG nicht gefolgt ist, (2) Wiedergabe der Rechtsauffassung des LSG, aufgrund
derer bestimmte Tatfragen als klärungsbedürftig hätten erscheinen und zur weiteren Sachaufklärung drängen müssen, (3) Angabe
des voraussichtlichen Ergebnisses der unterbliebenen Beweisaufnahme und (4) Schilderung, dass und warum die Entscheidung des
LSG auf einer angeblich fehlerhaft unterlassenen Beweisaufnahme beruhen kann, das LSG mithin bei Kenntnis des behaupteten
Ergebnisses der unterbliebenen Beweisaufnahme von seinem Standpunkt aus zu einem anderen, dem Beschwerdeführer günstigeren
Ergebnis hätte gelangen können (zum Ganzen s BSG Beschluss vom 12.12.2003 - SozR 4-1500 § 160a Nr 3 RdNr 5 mwN).
Entscheidet das LSG - wie hier - ohne mündliche Verhandlung (§
124 Abs
2 SGG) muss der Beweisantrag zumindest in dem Schriftsatz aufrechterhalten oder wiederholt werden, indem der Beteiligte sein Einverständnis
zu diesem Verfahren erklärt (stRspr; vgl nur BSG SozR 3-1500 § 124 Nr 3 mwN).
Nach Sinn und Zweck des §
160 Abs
2 Nr
3 Halbsatz 2
SGG soll die Sachaufklärungsrüge die Revisionsinstanz nur dann eröffnen, wenn das Tatsachengericht vor seiner Entscheidung durch
einen Beweisantrag ausdrücklich darauf hingewiesen worden ist, dass ein Beteiligter die Sachaufklärungspflicht des Gerichts
(§
103 SGG) noch nicht als erfüllt ansieht (vgl BSG SozR 3-1500 § 160 Nr 9 S 21; Nr 31 S 52).
Die Klägerin rügt die fehlende Sachverhaltsermittlung, weil das LSG aufgrund eigener Rechtsauffassung hätte ermitteln müssen,
ob sich der angefochtene Bescheid vom 17.8.2017 tatsächlich erledigt habe. Dies sei nicht geschehen. Das Berufungsgericht
habe aber feststellen müssen, ob die Vollstreckung dieses Bescheides seitens der Beklagten noch eine sinnvolle Rechtsfolge
hätte haben können. Jedenfalls habe sich der angefochtene Verwaltungsakt in der Hauptsache nicht erledigt. Hierzu habe das
LSG den Sachverhalt komplett ausermitteln müssen.
Mit diesem Vorbringen trägt die Klägerin aber nicht vor, einen auf diese Sachverhaltsermittlung gerichteten Beweisantrag gestellt
und bis zum maßgeblichen Zeitpunkt aufrechterhalten zu haben. Denn einem rechtskundig vertretenen Beteiligten, der vorbehaltslos
sein Einverständnis zur Entscheidung ohne mündliche Verhandlung gemäß §
124 Abs
2 SGG erklärt (vgl Urteil des LSG S 5 letzter Abs), muss aufgrund der entsprechenden Anfrage klar sein, dass das Gericht ohne weitere Sachverhaltsaufklärung entscheiden wird.
Will ein Beteiligter dies vermeiden, muss er das Einverständnis verweigern oder auf der Durchführung der beantragten Beweisaufnahme
beharren (stRspr, vgl BSG SozR 3-1500 § 124 Nr 3 mwN). Dass die Klägerin solche Einwände erhoben hätte, hat sie nicht vorgetragen.
2. Die Klägerin hat auch keine Gehörsrüge gemäß §
62 SGG formgerecht aufgezeigt, wenn sie der Meinung ist, die fehlerhafte Anwendung von § 39 Abs 2 SGB X habe ihr rechtliches Gehör verletzt. Die Verletzung liege darin, dass beide Instanzen ihr Vorbringen aus dem gesamten Inbegriff
des Verwaltungs- und Gerichtsverfahrens nicht berücksichtigt hätten, weil im Hinblick auf die Erledigung des Verwaltungsakts
nichts aufgeklärt worden sei.
Sofern die Klägerin die unter 1. genannte unzulässige Rüge der Verletzung der Amtsermittlungspflicht nach §
103 SGG damit in das Gewand der Gehörsrüge kleidet, ist dadurch ein Verfahrensmangel ebenso wenig formgerecht aufgezeigt.
Das LSG war auch nicht verpflichtet, sich mit jedem Vorbringen der Klägerin in den Entscheidungsgründen ausdrücklich zu befassen.
Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass ein Gericht das Vorbringen der Beteiligten zur Kenntnis genommen und in Erwägung
gezogen hat (vgl nur BVerfGE 25, 137, 140). Für die Darlegung einer Gehörsrüge müssen im Einzelfall besondere Umstände deutlich gemacht werden, dass tatsächliches Vorbringen
eines Beteiligten entweder überhaupt nicht zur Kenntnis genommen oder doch bei der Entscheidung nicht erwogen worden ist (stRspr vgl BVerfGE 65, 293, 295 f = SozR 1100 Art 103 Nr 5 S 3 f; 70, 288 293, vgl auch BSG Beschluss vom 15.4.2019 - B 13 R 233/17 B - juris RdNr 18 mwN). Dass das LSG nicht den Argumenten der Klägerin gefolgt ist, führt nicht zur Darlegung einer formgerechten Gehörsrüge. Denn
das Recht auf rechtliches Gehör gebietet nur, dass die Gerichte die Ausführungen der Prozessbeteiligten zur Kenntnis nehmen
und in Erwägung ziehen, es verpflichtet aber nicht, der Rechtsansicht eines Beteiligten zu folgen (vgl nur BVerfG Beschluss vom 8.4.2014 - 1 BvR 2933/13, NZS 2014, 539 RdNr 13 mwN).
Eine Verletzung rechtlichen Gehörs ist auch nicht durch den Vortrag der "Voreingenommenheit" des Berufungsgerichts hinreichend
aufgezeigt, wenn die Klägerin bemängelt, dass die ihr gesetzte Frist zur Stellungnahme zum richterlichen Hinweis in Bezug
auf die Unzulässigkeit der Klage zu kurz, bemessen gewesen sei (Zugang des Schreibens am 11.10.2019, Frist bis 15.10.2019, "mündliche Verhandlung" bereits am 18.10.2019), so dass das darauf gestützte Urteil eine Überraschungsentscheidung gewesen sei.
Ein Urteil darf nicht auf Tatsachen und Beweisergebnisse gestützt werden, zu denen sich die Beteiligten nicht ausreichend
haben äußern können (vgl nur BSG SozR 3-1500 § 62 Nr 12 S 19 mwN). Ein Urteil darf daher auch nicht auf tatsächliche oder rechtliche Grundlagen gestützt werden, die bisher nicht erörtert
worden sind, wenn der Rechtsstreit eine unerwartete Wendung nimmt. Dementsprechend sind insbesondere Überraschungsentscheidungen
verboten. Zur Begründung eines entsprechenden Revisionszulassungsgrundes ist auch darzutun, welches Vorbringen dadurch ggf
verhindert worden ist und inwieweit die angefochtene Entscheidung darauf beruhen kann (vgl BSG SozR 1500 § 160a Nr 36). Darüber hinaus ist für den Erfolg einer entsprechenden Rüge Voraussetzung, dass der Beschwerdeführer darlegt, seinerseits
alles getan zu haben, um sich rechtliches Gehör zu verschaffen (vgl nur BSG Beschlüsse vom 4.8.2004 - B 13 RJ 167/03 B und vom 20.8.2008 - B 13 R 217/08 B - juris RdNr 5).
Das Vorbringen der Klägerin genügt nicht den vorgenannten Maßgaben. Wenn, wie unter 1. bereits ausgeführt, das LSG aufgrund
einer vom Prozessbevollmächtigten der Klägerin vorbehaltslos erteilten Einverständniserklärung zur Entscheidung ohne mündliche
Verhandlung nach §
124 Abs
2 SGG über die Berufung entschieden hat, fehlt es für eine Gehörsverletzung am Aufzeigen, dass sie alles Erforderliche getan habe,
um sich zum Beispiel durch die Beantragung einer weiteren Frist zur Stellungnahme zeitlichen Aufschub zu verschaffen. Da die
Frage der Zulässigkeit der Klage - den Darlegungen der Klägerin entsprechend - bereits Gegenstand eines richterlichen Hinweises
im Vorfeld der Entscheidung gewesen ist, ist auch keine Überraschungsentscheidung hinreichend dargetan.
Dass die Klägerin das Ergebnis des angefochtenen Berufungsurteils für unzutreffend hält, ist im Übrigen nicht von Relevanz,
da ein zulässiger Revisionsgrund hierauf von vornherein nicht gestützt werden kann (vgl §
160 Abs
2 Nr
1 bis
3 SGG).
Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab (§
160a Abs
4 Satz 2 Halbsatz 2
SGG).
Die Kostenentscheidung beruht auf entsprechender Anwendung von §
193 SGG.