Feststellung der aufschiebenden Wirkung im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes im Falle des Vollzugs durch die Verwaltung
Gründe:
I. Streitig zwischen den Beteiligten ist die Rückforderung einer überzahlten Altersrente. Wegen Überschreitens der Hinzuverdienstgrenzen
stellte die Antragsgegnerin (Ag) mit Bescheid vom 27.06.2008 und Widerspruchsbescheid vom 17.10.2008 eine Überzahlung in Höhe
von 450,87 EUR fest und forderte diesen Betrag von der Antragstellerin (ASt) zurück. Im nachfolgenden Klageverfahren vor dem
Sozialgericht (SG) Würzburg hat die ASt beantragt, den Bescheid vom 27.06.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides insoweit aufzuheben,
als die Rückforderung den Hinzuverdienst übersteigt. Das SG hat mit Gerichtsbescheid vom 20.08.2009 die Klage abgewiesen und die Berufung nicht zugelassen.
Gegen die Nichtzulassung der Berufung hat die ASt mit Schriftsatz vom 19.09.2009 am 21.09.2009 Beschwerde beim Bayer. Landessozialgericht
eingelegt (L 20 R 841/09 NZB). Gleichzeitig hat sie vorgebracht, der Beschwerde komme aufschiebende Wirkung zu. Der Gerichtsbescheid dürfe von der
Ag nicht mittels eines Rückforderungsbescheides vollzogen werden. Ggf. beantrage sie, die Herstellung der aufschiebenden Wirkung
im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes anzuordnen.
Mit Schriftsatz vom 23.09.2009 hat die ASt auf ein ihrem Prozessbevollmächtigten am 23.09.2009 zugegangenes Schreiben der
Ag vom 15.09.2009 Bezug genommen, mit dem diese die mit Bescheid vom 27.06.2008 festgestellte Überzahlung zurückgefordert
und auf die Möglichkeit des zwangsweisen Einzugs der Überzahlung hingewiesen habe. Die Rückforderung widerspreche der aufschiebenden
Wirkung infolge der Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde. Daher beantrage sie, den Vollzug aus dem Gerichtsbescheid vom
20.09.2009 bis zur Entscheidung über die Nichtzulassungsbeschwerde einstweilen auszusetzen, respektive die aufschiebende Wirkung
der Nichtzulassungsbeschwerde festzustellen. Zusätzlich begehre sie die Aussetzung des Vollzuges des Gerichtsbescheides durch
den Rückforderungsbescheid vom 15.09.2009. Des Weiteren erhebe sie eine Feststellungsklage und beantrage festzustellen, dass
zwischen den Beteiligten kein materielles Forderungsverhältnis für die Dauer des Beschwerdeverfahrens bestehe. Hilfsweise
werde eine Vollstreckungsabwehrklage erhoben, da mit der Hemmung der Rechtskraft infolge der Einlegung der Beschwerde ein
Vollstreckungshemmnis bestehe.
Die Ag beantragt, den Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz aufgrund der aufschiebenden Wirkung der Nichtzulassungsbeschwerde
mangels Erfordernis abzuweisen (Schriftsatz vom 16.10.2009).
Zur Ergänzung wird auf den Inhalt der beigezogenen Akten der Ag und der Gerichtsakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.
II. Der Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz ist unzulässig. Denn der ASt fehlt es zum maßgebenden Zeitpunkt für die Beurteilung
der Sach- und Rechtslage, dem Zeitpunkt der Entscheidung des Senats über den Antrag (vgl. Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer,
SGG, 9. Aufl., §
86b Rdnr 18), am Rechtsschutzbedürfnis für die Erlangung einstweiligen Rechtsschutzes.
Zunächst ist klarzustellen, dass die von der ASt begehrte Aussetzung des "Vollzuges" aus dem Gerichtsbescheid vom 20.09.2009
nicht im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes erreicht werden kann, da - wie hier - klageabweisende Urteile oder Gerichtsbescheide
nicht der Vollstreckung fähig sind. Vollstreckungsmaßnahmen können nur auf den angefochtenen Bescheid vom 27.06.2008 gestützt
werden. Die Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde hemmt allerdings nicht nur die Rechtskraft des Gerichtsbescheides vom
20.08.2009, die Beschwerde hat auch aufschiebende Wirkung (§§
145 Abs
3,
154 Abs
1 Sozialgerichtsgesetz -
SGG-). Es liegt insoweit auch ein Anwendungsfall des §
154 Abs
1 SGG vor, da die erstinstanzlich erhobene Anfechtungsklage nach §
86a Abs
1 S 1
SGG Aufschub bewirkt. Die aufschiebende Wirkung der Beschwerde bedeutet, dass der angefochtene Bescheid vom 27.06.2008 nicht
umgesetzt werden darf, mithin die Ag alles zu unterlassen hat, was eine Vollziehung des Bescheides darstellen würde.
Soweit sich die Verwaltung nicht an die aufschiebende Wirkung hält, sondern - wie vorliegend die Ag mittels erneuter Rückforderung
vom 15.09.2009 - trotzdem vollzieht, ist ein Antrag auf gerichtliche Feststellung der aufschiebenden Wirkung möglich. Das
Gericht der Hauptsache kann auf Antrag in den Fällen, in denen Widerspruch oder Anfechtungsklage keine aufschiebende Wirkung
haben, die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise anordnen (§
86b Abs
1 S 1 Ziff 2
SGG). Entsprechendes gilt, wenn die aufschiebende Wirkung eines Rechtsmittels von der Verwaltung nicht anerkannt wird (vgl. Keller,
aaO. Rdnr 15).
Dies zugrunde gelegt ist der Antrag der ASt insgesamt dahin auszulegen, dass die Feststellung der aufschiebenden Wirkung der
Nichtzulassungsbeschwerde begehrt wird. Von einer Feststellungsklage ist schon deshalb nicht auszugehen, weil nach dem geltenden
Verfahrensrecht eine selbständige Klage auf gerichtliche Feststellung der aufschiebenden Wirkung einer früher erhobenen Klage
bzw. eines Rechtsmittels unzulässig ist (vgl. BSG Beschluss vom 26.03.1962 - 6 Rka 9/61 = SozR Nr 34 zu §
55 SGG). Die von der ASt (hilfsweise) in Betracht gezogene Vollstreckungsgegenklage ist vor dem SG zu erheben (§§
202 SGG,
767 Abs
1 Zivilprozessordnung). Im Übrigen ist einstweiliger Rechtsschutz gegenüber der erneuten Rückforderung vom 15.09.2009 ebenfalls vor dem SG zu beantragen, da insoweit der bisherige Bescheid vom 27.06.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17.10.2008
nicht abgeändert oder ersetzt wird (§
96 Abs
1 SGG).
Allerdings hat sich die Ag dahin geäußert und klargestellt, dass der Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz aufgrund der aufschiebenden
Wirkung der Nichtzulassungsbeschwerde mangels Erfordernis abzuweisen ist. Streit zwischen den Beteiligten darüber, ob die
aufschiebende Wirkung eingetreten ist, besteht demnach nicht mehr, so dass es einer gerichtlichen Entscheidung nicht bedarf
und das Rechtsschutzbedürfnis der ASt entfallen ist.
Die Kostenentscheidung beruht auf §
193 SGG. Neben der Erfolglosigkeit des Antrages ist zu berücksichtigen, dass die Ag durch die Rückforderung vom 15.09.2009 die Ast
zum Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz veranlasst hat, so dass eine hälftige Kostenteilung als angemessen erscheint.
Dieser Beschluss ist nicht anfechtbar (§
177 SGG).