Rechtmäßigkeit eines Arzneimittelregresses
Ausschluss des Vorverfahrens vor dem Beschwerdeausschuss
Ausnahmeindikation und Begründungspflicht
Ärztliche Dokumentationsobliegenheit
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit eines Arzneimittelregresses im Quartal 2/11.
Die Klägerin ist eine überörtliche Gemeinschaftspraxis in A-Stadt. Am 12.3.2012 beantragte die AOK wegen unzulässig verordneter
Arzneimittel nach § 18 Prüfvereinbarung bezogen auf das Arzneimittel Tandemact bei der Patientin K.R. einen Arzneimittelregress
in Höhe von 160,90 EUR. Beanstandet wurde die Verordnung von Tandemact zur Behandlung von Typ 2 Diabetes mellitus-Patienten.
Zur Begründung berief sich die Beklagte auf Anlage III Ziff. 49 der Arzneimittel-Richtlinien (AM-RL; in Kraft seit 01.04.2011).
Mit Schreiben vom 3.9.2012 informierte die Prüfstelle die Klägerin über den Antrag der AOK mit der Bitte um Einspruch, falls
der Regress nicht berechtigt sei. Das Verfahren erfolge im Rahmen eines schriftlichen Verfahrens. Mit Schreiben vom 10.9.2012
erhob die Klägerin "Widerspruch" gegen den Rückforderungsantrag und begründete diesen bezogen auf Tandemact wie folgt: Der
Einsatz eines zugelassenen und verschreibungspflichtigen Medikaments unterliege ausschließlich der Kompetenz und Verantwortung
des Arztes. Dies treffe beides auf Tandemact zu.
Mit dem streitgegenständlichen Prüfbescheid vom 21.6.2013 gab die Beklagte dem Antrag der AOK statt und führte aus, Tandemact
sei seit dem 1.4.2011 nach Anlage III der Arzneimittel-Richtlinien von der Erstattung durch die gesetzlichen Krankenkassen
ausgeschlossen. Tandemact sei zugelassen zur Behandlung des Typ 2 Diabetes mellitus bei Patienten , die eine Unverträglichkeit
gegenüber Metformin aufweisen oder bei denen Metformin kontraindiziert sei und die bereits mit einer Kombination von Pioglitazon
und Glimepirid behandelt würden. Es enthalte Glimepirid und Pioglitazon (Warengruppe AA 10 BD Ziffer 06). Nach der Anlage
III AM-RL - Ziffer 49 sei Glitazone zur Behandlung des Diabetes mellitus Typ 2 ausgeschlossen. Hierzu zählen Pioglitazon und
Rosoglitazon. Der Verordnungsausschluss sei am 18.11.2010 im Bundesanzeiger erschienen und die Information durch die Kassenärztliche
Vereinigung Bayerns (KVB) in der Publikation "Verordnung aktuell" am 29.11.2010 mit Wirkung zum 1.4.2011 veröffentlicht worden.
Hiergegen legte die Klägerin mit Schreiben vom 1.7.2013 nochmals "Widerspruch" ein und führte aus, im Einzelfall sei eine
Verordnung eines pioglitazonhaltigen Präparats zulasten der GKV weiter zulässig. Dies gelte insbesondere, wenn sich unter
Führung und Überwachung des Patienten deutliche Hinweise ergäben, dass eine nachhaltige Verletzung der in den Leitlinien festgelegten
Therapieziele drohe. Im Fall seiner Patientin, die schon seit langem in seiner Behandlung wegen ihres Typ 2 Diabetes stehe,
liege ein nahezu klassischer Verlauf der Erkrankung vor, wie er im Anhang dokumentiert werde. Beigelegt wurden ein Laufzettel
vom 1.7.2013 über die Verordnung von Arzneimitteln für die Patientin K. R. sowie ein Laborbogen mit deren HbA1c-Werten beginnend
im Jahr 2007 bis 30.1.2013.
Der Widerspruch wurde als Klage zum Sozialgericht München gewertet. Der Prozessbevollmächtigte der Klägerin bezog sich auf
die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 06.12.2005 (Az. 1 BvR 347/98, "Nikolausbeschluss"), aber auch auf das Urteil des Sozialgerichts Marburg vom 05.06.2013 (SG Marburg, Az. S 12 KA 3/12). Nach der letztgenannten Entscheidung sei trotz Ausschlusses die Verordnung in begründeten Einzelfällen nach § 16 Abs. 5
AM-RL erlaubt. Eine Ausnahmeindikation habe hier vorgelegen. Die Klägerin sei ihrer Mitwirkungspflicht im Vorverfahren auch
nachgekommen, da sie die medizinische Notwendigkeit im Ausnahmefall begründet habe. Die Beklagte sei deshalb im Vorverfahren
"rechtzeitig" und "ausführlich" informiert worden. Außerdem sei der Grundsatz "Beratung vor Regress" zu beachten. In diesem
Zusammenhang werde auf §
106 Abs.
5e S. 2
SGB V verwiesen. Letztendlich handle es sich auch um eine unzulässige Verkürzung des Rechtsweges. Insbesondere hätte die Klägerin
ausdrücklich darauf hingewiesen werden müssen, dass eine Stufe des Vorverfahrens wegfalle.
In ihrer Klageerwiderung führte die Beklagte aus, eine Ausnahmeindikation sei klägerseits erst im Rahmen des Gerichtsverfahrens
behauptet worden. Im Vorverfahren habe die Klägerin lediglich auf die Therapiefreiheit des Arztes verwiesen, so dass keine
Überprüfung des Vorbringens durch die Prüfungsstelle möglich gewesen sei. Entgegen der Auffassung der Klägerseite liege auch
keine Verkürzung des Rechtsweges vor. Ferner gebe es keinen allgemeinen Grundsatz des Inhalts, dass stets eine Beratung einem
Regress vorausgehen müsse.
Das SG hat die Klage mit Urteil vom 30.4.2014 abgewiesen. Der Ausschluss des Vorverfahrens sei bei einem Verstoß gegen Verordnungsausschlüsse
rechtmäßig, insoweit schließe sich die Kammer dem Sozialgericht Dresden (Urteil vom 27.02.2013, Az. S 13 KA 141/11, beim Bundessozialgericht anhängig unter dem Aktenzeichen B 6 KA 25/13 R) an. Während im Verfahren vor dem Sozialgericht Dresden aus der Stellungnahme des dortigen Klägers zumindest sinngemäß hervorgegangen
sei, dass das Medikament auf der Grundlage einer einzelfallbezogenen Indikationsstellung verordnet wurde, sei dies in dem
streitgegenständlichen Sachverhalt nicht der Fall. Die Klägerin sei mit Schreiben der Prüfungsstelle vom 03.09.2012 angeschrieben
worden, ob sie mit der Rückforderung der Krankenkasse einverstanden sei und um Mitteilung beziehungsweise schriftlichen Einspruch
gebeten. Die Klägerin habe sich wie folgt geäußert: " ... Der Einsatz eines zugelassenen und verschreibungspflichtigen Medikaments
unterliegt ausschließlich der Kompetenz und Verantwortung des Arztes ... Aus den genannten Gründen ist daher der Regressantrag
der AOK in allen Punkten zurückzuweisen." Von einer ausnahmsweise einzelfallbezogenen Vorgehensweise sei weder ausdrücklich,
noch sinngemäß die Rede. Soweit sich die Klägerin in einem Rechtsirrtum befunden habe, sie müsse keinen einzelfallbezogenen
Ausnahmefall vortragen und nachweisen, sei dies unbeachtlich. Die Beklagte habe auch keine Pflicht, die Klägerin darauf aufmerksam
zu machen und von ihr Nachweise für den Ausnahmefall einzufordern. Denn aus den Ausführungen der Klägerin ergäben sich keinerlei
Anhaltspunkte für eine Ausnahmeindikation. Nach dem sogenannten objektiven Empfängerhorizont verstehe es sich von selbst,
dass die Bitte um schriftlichen Einspruch mit Fristsetzung und Ankündigung eines schriftlichen Bescheides (der Prüfungsstelle
vom 03.09.2012) zugleich die Bitte einschließe, den Einspruch zu begründen. Einer expliziten Aufforderung durch die Beklagte
habe es nicht bedurft. Ein Unterlassen durch die Beklagte liege nicht vor. Zusammenfassend sei die Klage daher als zulässig
anzusehen. Die Klage sei aber unbegründet, da die Klägerin im Gerichtsverfahren mit ihrem Vortrag präkludiert sei. Die Grundsätze
zur Wirtschaftlichkeitsprüfung würden auch im einstufigen Verwaltungsverfahren nach §
106 Abs.
5 Satz 8
SGB V gelten, denn ansonsten würde die den Prüfgremien vorbehaltene Prüfung in das Gerichtsverfahren verlagert. Zwar sei einzuräumen,
dass sich die Möglichkeit für den Arzt, einen begründeten Einzelfall vortragen zu können, reduziere. Während er bei einem
zweistufigen Verfahren zweimal die Möglichkeit habe, entsprechenden Vortrag zu leisten, sei dies bei einem einstufigen Verfahren
lediglich vor der Prüfungsstelle möglich. Trotzdem müsse auch hier die Präklusion gelten. Denn ansonsten würde die Prüfung,
ob ein begründeter Ausnahmefall vorliege, in das Gerichtsverfahren verlagert. Genau das solle ausgeschlossen werden. Ferner
sei auch hier zu berücksichtigen, dass es originäre Aufgabe des Beschwerdeausschusses sei, eine im Einzelfall begründete Verordnungsweise
zu beurteilen. Die Beklagte habe den Kläger auch nicht auf seinen Irrtum hinweisen müssen, da dies der Anwendung des Wiederherstellungsanspruches
entsprechen würde, der Grundsatz jedoch im Vertragsarztrecht nicht gelte. Eine vorherige Beratung der Klägerin sei nicht notwendig
gewesen.
Hiergegen hat die Klägerin durch ihre Prozessbevollmächtigten am 20.5.2014 Berufung zum Bayerischen Landessozialgericht einlegen
lassen und diese mit Schriftsatz vom 3.7.2014 begründet. Grundsätzlich sei ein Vorverfahren notwendig. Zudem sei die medizinische
Notwendigkeit der Verordnung von Tandemact wenigstens ansatzweise im Verwaltungsverfahren dargetan worden. Die Beklagte hätte
die Klägerin auf den Wegfall des Vorverfahrens explizit hinweisen müssen, insbesondere, da aus der Äußerung der Klägerin vom
10.9.2012 hervorgegangen sei, dass die Klägerin von der Änderung der Arzneimittelrichtlinien zum 1.4.2011 keine Kenntnis gehabt
habe. Die Klägerin hätte insbesondere ohne einen entsprechenden Hinweis der Beklagten nicht auf eine mögliche Präklusion schließen
können. Zudem habe die Klägerin die ausnahmsweise zulässige Verordnung auch in den Krankenunterlagen ausreichend dokumentiert,
diese würden im Gerichtsverfahren noch nachgereicht. Außerdem sei die Klägerin vor Verhängung des Regresses nicht beraten
worden.
Die Klägerin beantragt sinngemäß,
das Urteil des Sozialgerichts München vom 30.04.2014, S 38 KA 631/14 sowie den Bescheid des Beklagten vom 21.6.2013 bezüglich des Regresses von Tandemact aufzuheben.
Der Vertreter der Beklagten stellt den Antrag,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagte ist der Auffassung, die Klägerin sei ihrer Darlegungspflicht im Verwaltungsverfahren nicht nachgekommen, da aus
ihrer Einlassung keine Anhaltspunkte für das Vorliegen eines Ausnahmefalls erkennbar gewesen seien. Sie sei mit ihrem Vortrag
im Gerichtsverfahren präkludiert, da ein Arzt nicht berechtigt sei, das Prüfverfahren zu unterlaufen und die den Prüfgremien
vorbehaltene Prüfung in das gerichtliche Verfahren zu verlagern. Das einstufige Verwaltungsverfahren sei hier zulässig, insbesondere
habe die Klägerin ausreichend Gelegenheit gehabt, im Verwaltungsverfahren vorzutragen.
Die Beigeladene zu 2) hält - ohne einen eigenen Antrag zu stellen - das Urteil des Sozialgerichts München ebenfalls für zutreffend
und verweist auf die zwischenzeitlich ergangene Entscheidung des Bundessozialgerichts im Verfahren B 6 KA 25/13 R, wonach das einstufige Verwaltungsverfahren nach §
106 Abs.
5 Satz 8
SGB V rechtmäßig sei. Zudem habe die Klägerin gerade keine Begründung für eine medizinisch ausnahmsweise zulässige Verordnung vorgetragen.
Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts wird auf die beigezogenen Verwaltungsakten der Beklagten sowie die Verfahrensakten
beider Instanzen mit den Az.: S 38 KA 631/13 und L 12 KA 107/14 Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die nach §§ 143, 144 Abs. 3, 151 statthafte und zulässige Berufung ist nicht begründet. Das SG hat die Klage im Ergebnis zu Recht abgewiesen, denn die Klägerin hat eine ausnahmsweise zulässige Verordnung von Tandemact
für die Patientin K.R. nicht ausreichend dargelegt.
Die auch noch in der Berufungsinstanz vom Klägerbevollmächtigten vertretene Argumentation, der Ausschluss des Vorverfahrens
nach §
106 Abs.
5 Satz 8
SGB V sei eine unzulässige Verkürzung des Rechtsweges und daher rechtswidrig, geht fehl. Das Bundessozialgericht hat mit Urteil
vom 2.7.2014, B 6 KA 25/13 R entschieden, dass ein Vorverfahren vor dem Beschwerdeausschuss auch dann ausgeschlossen ist, wenn Gegenstand des Regresses
Arzneimittel sind, deren Verordnung grundsätzlich durch das Gesetz oder die Arzneimittelrichtlinien ausgeschlossen ist, die
aber in Ausnahmefällen mit Begründung verordnet werden dürfen. Zur Begründung hat das BSG ausgeführt, würde allein der Umstand, dass eine Ausnahme von einem generellen gesetzlichen oder gesetzlich ermöglichten Verordnungsausschluss
in Betracht kommen oder dass sich der Arzt auch nur hierauf berufe, die Anwendung des §
106 Abs.
5 Satz 8
SGB V ausschließen, verbliebe kaum ein sinnvoller Anwendungsbereich für diese Sonderregelung. Dies entspreche nicht der Intention
des Gesetzgebers. In der großen Mehrzahl der Konstellationen, für die der Gesetzgeber die Anrufung des Beschwerdeausschusses
aus Gründen der Vereinfachung des Verwaltungsverfahrens gerade ausschließen wollte, sind Ausnahmen unter bestimmten Voraussetzungen
möglich. Die im Gesetz oder in der AM-RL vorgesehene Möglichkeit einer ausnahmsweisen Verordnung allein hat auch nicht zur
Folge, dass die Entscheidung der Prüfungsstelle nicht mehr auf einen vergleichsweise leicht zu ermittelnden Sachverhalt -
nämlich das Eingreifen eines explizit normierten Verordnungsausschlusses - bezogen ist. In der Regel sind auch die tatbestandlichen
Voraussetzungen für den besonderen Ausnahmefalls normiert und den Diagnosen, dem Alter des Versicherten und der gegebenenfalls
erforderlichen Begründung des Arztes kann die Prüfungsstelle in den typischen Fallkonstellation ohne größeren Aufwand entnehmen,
ob ein Regress gerechtfertigt ist (BSG, aaO, RdNr. 22 ff.). Dies gilt auch dann, wenn der Ermittlungsaufwand und die notwendige medizinische Fachkunde dem entsprechen,
was auch bei einem off-label-use anfällt, für den das Bundessozialgericht das Eingreifen der Ausschlussregelung des §
106 Abs.
5 Satz 8
SGB V verneint hat. Denn der Gesetzgeber ist berechtigt, den Rechtsmittel-bzw. Rechtsbehelfszug nach dem typischen Fall auszurichten.
Die Beteiligten müssen wissen, ob gegen die Entscheidung der Prüfungsstelle unmittelbar Klage zu erheben ist oder ob es zur
Durchführung eines Verwaltungsverfahrens in zweiter Instanz kommt. Die Argumentation des Klägerbevollmächtigten ist daher
überholt. Die Klage war - wie das SG zutreffend festgestellt hat - auch ohne Durchführung eines Verwaltungsverfahrens in zweiter Instanz zulässig.
Der streitgegenständliche Prüfbescheid ist aber auch materiellrechtlich nicht zu beanstanden. Zu Recht hat die Beigeladene
zu 2) zunächst die Verordnung des Arzneimittels Tandemact zum Anlass genommen, eine Prüfung auf einen evtl. Verstoß gegen
den Verordnungsausschluss gemäß § 16 Abs. 1 und Abs. 3 sowie Anlage III Nr. 49 AM-RL einzuleiten. Der Ausschlusstatbestand
für Glitazone, zu denen auch Pioglitazone gehört, greift hier grundsätzlich ein.
Die Klägerin beruft sich hinsichtlich der Verordnung vom 27.05.2011 auch nicht mit Erfolg auf ihre Verordnungsbefugnis nach
§
31 Abs.
1 Satz 4
SGB V. Danach kann der Vertragsarzt Arzneimittel, die auf Grund der Richtlinien nach §
92 Abs.
1 Satz 2 Nr.
6 SGB V von der Versorgung ausgeschlossen sind, ausnahmsweise in medizinisch begründeten Einzelfällen mit Begründung verordnen.
Einen solchen medizinisch begründeten Einzelfall, in dem abweichend vom grundsätzlichen Verordnungsausschluss die Verschreibung
des Kombipräparates ausnahmsweise gerechtfertigt ist, hat die Klägerin weder im Verwaltungsverfahren noch im Gerichtsverfahren
nachvollziehbar dargelegt. Ihrer Begründungspflicht ist sie daher nicht nachgekommen. Das Vorliegen einer Ausnahmeindikation
im Sinne des §
31 Abs.
1 Satz 4
SGB V ist mit der Begründungspflicht untrennbar verknüpft. Als Ausnahmeindikation können im Prüfungsverfahren und ggf. vor Gericht
nur Umstände berücksichtigt werden, die von der Begründung umfasst sind. Aus dem Begründungserfordernis des §
31 Abs.
1 Satz 4
SGB V resultiert für den Arzt eine Dokumentationsobliegenheit. Zu dokumentieren sind die Umstände, aus denen der Arzt den Schluss
zieht, dass die für den Verordnungsausschluss auf Grund der Arzneimittel-Richtlinie tragenden Erwägungen im konkreten Einzelfall
nicht eingreifen. Gemäß § 10 Abs. 2 AM-RL erfolgt die Dokumentation im Sinne von § 10 (Muster-)Berufsordnung für die deutschen
Ärztinnen und Ärzte. Im Regelfall genügen die Angabe der Indikation und gegebenenfalls die Benennung der Ausschlusskriterien
für die Anwendung wirtschaftlicher Therapiealternativen, soweit sich aus den Bestimmungen der Richtlinie nichts anderes ergibt.
Das BSG hat in seinen Urteilen vom 02.07.2014, Az. B 6 KA 25/13 R und B 6 KA 26/13 R, die Auffassung des SG Dresden gebilligt, dass es für die Begründung einer Ausnahmeindikation im Sinne von §
31 Abs.
1 Satz 4
SGB V auf die Dokumentation in den Patientenunterlagen ankommt. Die Begründung muss im zeitlichen Zusammenhang mit der Therapieentscheidung
dokumentiert sein; anderenfalls liefe das Begründungserfordernis leer. Wann eine Verordnung ausnahmsweise gerechtfertigt sein
kann, hängt in den Fällen des §
31 Abs.
1 Satz 4
SGB V von den Gründen des jeweiligen Ausschlusses von der Leistungspflicht ab. Zu dokumentieren sind deshalb die Umstände, die
im Einzelfall eine relevante Abweichung von der dem Ausschlusstatbestand zu Grunde liegenden typischen Konstellation belegen
und erkennen lassen, dass die für den Ausschluss aus der Leistungspflicht maßgebenden Gründe im Einzelfall nicht eingreifen.
Die Begründung muss sich insbesondere auf die Auswahl des grundsätzlich ausgeschlossenen Arzneimittels unter den in Betracht
kommenden Behandlungsalternativen erstrecken, wenn auch verordnungsfähige oder von vornherein nicht verschreibungspflichtige
Arzneimittel in Betracht kommen.
Dieser Begründungspflicht ist die Klägerin in keinster Weise nachgekommen. Im Verwaltungsverfahren hat sie lediglich auf die
Therapieentscheidung des Arztes verwiesen. Dass diese Argumentation auch nicht ansatzweise der Begründung einer Ausnahmeindikation
entspricht, versteht sich von selbst und wird letztlich auch von der Klägerin nicht ernsthaft bestritten. Streitig ist nur,
ob die im Gerichtsverfahren vorgelegten Unterlagen eine Ausnahmeindikation ausreichend begründen. Zur festen Überzeugung des
mit einem Arzt fachkundig besetzten Senats reichen die von der Klägerin vorgelegten Verordnungs- und Laborbögen nicht, um
eine Ausnahmeindikation ausreichend zu begründen. Es wurden keine Therapiealternativen aufgezeigt und die mit klägerischem
Schriftsatz vom 1.7.2014 angekündigten Patientenunterlagen mit Dokumentationen ebenfalls nicht vorgelegt. Die Klägerin, die
sich zum Zeitpunkt der Verordnung des Verordnungsausschlusses nicht bewusst war, hat zur Untermauerung ihres Vortrages bezüglich
der Indikation zur Therapie mit Pioglitazon lediglich auf die Stellungnahme des "Vorstands der sächsischen Gesellschaft für
Stoffwechselerkrankungen und Endokrinologie" verwiesen, ohne darauf einzugehen, inwieweit und welche der dort genannten Indikationen
bei der betroffenen Patientin vorgelegen haben. Eine ausreichende Dokumentation ist darin nicht zu sehen.
Da die Klägerin damit auch im Gerichtsverfahren keine ausreichende Dokumentation der Ausnahmeindikation nachgewiesen hat,
kommt es auf die Rechtsfrage, ob die Klägerin mit ihrem Vortrag im Gerichtsverfahren präkludiert war, nicht an. Insofern neigt
der Senat jedoch der Auffassung zu, eine Präklusion in Fällen der alleinigen Entscheidung der Prüfstelle bei Verordnungsausschlüssen
nach AM-RL nicht anzunehmen.
Die Argumentation des Klägerbevollmächtigten, die Klägerin hätte vor Verhängung des Regresses beraten werden müsse, trifft
nicht zu. Hier wird auf die zutreffenden Ausführungen des Sozialgerichts München verwiesen, denen sich der Senat anschließt,
§
153 Abs.
2 SGG.
Die Berufung war daher zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung stützt sich auf §
197a SGG i.V.m. §
154 Abs.
2 VwGO.
Gründe für die Zulassung der Revision sind nicht erkennbar (§
160 Abs.
2 Nrn. 1 und 2
SGG).