Auf die Beschwerde der Klägerin wird der Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 27. November 2009 aufgehoben.
Der Klägerin wird für das Klageverfahren vor dem Sozialgericht mit Wirkung vom 3. Juli 2009 Prozesskostenhilfe unter Beiordnung
ihrer Prozessbevollmächtigten gewährt.
Monatsraten oder Beträge aus dem Vermögen sind nicht zu leisten.
Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.
Gründe:
Die Beschwerde der Klägerin ist statthaft (§
172 SGG) und auch im Übrigen zulässig. Sie ist auch begründet, denn das Sozialgericht hat zu Unrecht die hinreichende Erfolgsaussicht
des Prozesskostenhilfegesuchs der Klägerin nach §§ 73a
SGG, 114
ZPO verneint; die wirtschaftlichen Voraussetzungen der §§
114 ff
ZPO liegen vor.
1. Der unbestimmte Rechtsbegriff der hinreichenden Erfolgsaussicht ist nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts
(BVerfG) verfassungskonform auszulegen. Art
3 Abs
1 GG gebietet i V m dem u. a. in Art
20 Abs
3 GG zum Ausdruck gebrachten Rechtsstaatsprinzip und dem aus Art
19 Abs
4 Satz 1
GG folgenden Gebot effektiven Rechtsschutzes eine weitergehende Angleichung der Situation von Bemittelten und Unbemittelten
bei der Verwirklichung des Rechtsschutzes. Hierbei braucht der Unbemittelte allerdings nur einem solchen Bemittelten gleichgestellt
zu werden, der seine Prozessaussichten vernünftig abwägt und dabei auch das Kostenrisiko berücksichtigt. Dementsprechend darf
die Prüfung der Erfolgsaussichten jedenfalls nicht dazu führen, über die Vorverlagerung der Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung
in das Nebenverfahren der Prozesskostenhilfe eben dieses Nebenverfahren an die Stelle des Hauptsacheverfahrens treten zu lassen
(vgl BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 28.11.2007, 1 BvR 68/07). Deshalb dürfen insbesondere schwierige, bislang nicht geklärte Rechts- und Tatfragen im Prozesskostenhilfeverfahren nicht
entschieden werden, sondern müssen über die Gewährung von Prozesskostenhilfe auch von Unbemittelten einer prozessualen Klärung
im Hauptsacheverfahren zugeführt werden können (BVerfG, aaO., und Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 04.07.1993,
1 BvR 1523/92). Demnach ist ausgehend von dem für das Hauptsacheverfahren zugrunde zu legenden Sachantrag eine hinreichende Erfolgsaussicht
bereits dann gegeben, wenn zum rechtlich maßgeblichen Zeitpunkt entweder noch Beweis zu erheben ist oder wenn das Gericht
den klägerischen Rechtsstandpunkt aufgrund eines geklärten Sachverhalts für zutreffend oder für zumindest vertretbar und klärungsbedürftig
hält.
2. Nach diesen Maßstäben war zum hier maßgeblichen Entscheidungszeitpunkt der erstmaligen Entscheidungsreife des Prozesskostenhilfeantrags
am 3. Juli 2009 (vollständige Einreichung der Unterlagen zu der Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse)
die hinreichende Erfolgsaussicht nicht zu verneinen.
Die im vorliegenden Rechtsstreit zu klärenden Rechts- und Tatsachenfragen sind nicht in solchem Maße abschließend beantwortet,
dass nach den unter 1. genannten Maßstäben von jeglicher weiterer Beweiserhebung abzusehen wäre. Das gilt insbesondere für
die vom Kläger geschilderten Beeinträchtigungen im psychischen Bereich und deren Einfluss auf die Bildung des Gesamt-GdB.
Dies erscheint im Falle der Klägerin wegen der möglichen Wechselwirkung zwischen den Leiden der verschiedenen medizinischen
Fachbereiche als eine kompliziertere Frage, deren Klärung nicht von vornherein im Sinne der Entscheidung der Beklagten geklärt
erscheint. Dabei dürfte auch zu berücksichtigen sein, dass häufig psychische Erkrankungen von fehlender Krankheitseinsicht
geprägt sind und deshalb die nötige fachärztliche Behandlung nicht abgerufen wird. Dies kann jedoch keinen Einfluss auf die
von Amts wegen zu betreibenden Ermittlungen haben. Das klägerische Vorbringen ist im Übrigen nicht derart substanzlos, dass
keine weiteren Ermittlungen, wie etwa die Anforderung aktueller Befundberichte der die Klägerin behandelnden Fachärzte und
ggf eine psychiatrische/psychosomatische Begutachtung, sinnvoll erscheinen würden.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf §
127 Abs
4 ZPO.
Dieser Beschluss kann nicht angefochten werden (§
177 SGG).