Anrechnung des Kindergeldes auf die Unterhaltsschuld eines im Ausland lebenden barunterhaltspflichtigen Elternteils
Tatbestand:
Der Kläger ist der Sohn des Beklagten, eines niederländischen Staatsangehörigen, der in den Niederlanden lebt und arbeitet.
Die Parteien streiten, ob auf den vom Beklagten geschuldeten Unterhalt das Kindergeld hälftig anzurechnen ist, das die in
Deutschland berufstätige Mutter des Klägers, die mit dem Beklagten weder verheiratet ist noch war, in Deutschland bezieht.
Nach der Urkunde des Jugendamtes der Stadt Köln vom 17. November 1995 schuldet der Beklagte dem Kläger den Regelunterhalt
zuzüglich eines Zuschlags von 13 % des Regelbedarfs. Mit seiner Abänderungsklage begehrte der Kläger eine Erhöhung des Unterhalts
auf zunächst 128 % des jeweiligen Regelbetrags der jeweiligen Altersstufe ab dem 1. Juli 1999.
Nach Zustellung der Klage hat der Beklagte in der Urkunde des Generalkonsulats der Bundesrepublik Deutschland in Amsterdam
vom 13. Juli 1999 eine Unterhaltsverpflichtung ab dem 1. Juli 1998 in Höhe von 114 % des Regelbetrags der jeweiligen Altersstufe,
abzüglich des hälftigen Kindergelds, anerkannt. Ausgehend von einem bereinigten Nettoeinkommen des Beklagten von 2.790 DM
hat das Amtsgericht - Familiengericht - diesen verurteilt, an den Kläger ab dem 1. Juli 1999 Unterhalt in Höhe von 128 % des
Regelbetrags der jeweiligen Altersstufe abzüglich des hälftigen Kindergeldes zu zahlen; im übrigen hat es die Klage abgewiesen.
Die Berufung des Klägers hat das Oberlandesgericht durch Versäumnisurteil vom 4. Dezember 2000 zurückgewiesen. Nach Einspruch
des Klägers hat der Beklagte in der mündlichen Verhandlung vor dem Oberlandesgericht wegen der geänderten Rechtslage (§
1612 b Abs.
5 BGB) anerkannt, ab dem 1. Januar 2001 Unterhalt in Höhe von 135 % des Regelbetrags abzüglich des hälftigen Kindergelds zu schulden.
Das Oberlandesgericht hat daraufhin das Versäumnisurteil antragsgemäß mit der Maßgabe aufrechterhalten, daß der Beklagte ab
dem 1. Januar 2001 einen monatlichen Unterhalt in Höhe von 135 % des Regelbetrags der jeweiligen Altersstufe abzüglich des
hälftigen Kindergeldes zu zahlen hat. Hiergegen wendet sich der Kläger mit der vom Oberlandesgericht zugelassenen Revision.
Entscheidungsgründe:
Das Rechtsmittel hat keinen Erfolg.
I. Der Beklagte war zwar in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat nicht vertreten. Gleichwohl ist über die Revision des
Klägers nicht durch Versäumnisurteil, sondern durch Endurteil (unechtes Versäumnisurteil) zu entscheiden, da sie sich auf
der Grundlage des vom Berufungsgericht festgestellten Sachverhalts als unbegründet erweist (Senatsurteil vom 10. Februar 1993
- XII ZR 239/91 - NJW 1993, 1788).
II. 1. Nach Auffassung des Oberlandesgerichts, dessen Entscheidung in FamRZ 2002, 845 veröffentlicht ist, ist das an die Mutter des Klägers ausgezahlte Kindergeld hälftig auf den Unterhaltsanspruch des Klägers
gegen den Beklagten anzurechnen. Zwar setze §
1612 b Abs.
1 BGB bei wörtlicher Auslegung voraus, daß auch der barunterhaltspflichtige Elternteil grundsätzlich kindergeldberechtigt sein
müsse, weil anderenfalls der andere Elternteil nicht - wie von §
1612 b Abs.
1 BGB verlangt - "vorrangig" kindergeldberechtigt sein könne. Daran fehle es im vorliegenden Fall, da der Beklagte in den Niederlanden
wohne, dort steuerpflichtig und deshalb - nach Maßgabe der §§
31 ff.
EStG und des Bundeskindergeldgesetzes - in Deutschland nicht kindergeldberechtigt sei. Indes widerspreche eine solche wörtliche
Auslegung des §
1612 b Abs.
1 BGB dem Sinn und Zweck des Kindergeldes. Das Kindergeld solle die Unterhaltslast der Eltern erleichtern und ihre Leistung für
die Familie ausgleichen. Dabei stehe das Kindergeld wegen der Gleichwertigkeit von Betreuung und Barunterhalt beiden Elternteilen
jeweils zur Hälfte zu. Lediglich aus Gründen der Verwaltungsvereinfachung ordne das Gesetz an, daß das Kindergeld grundsätzlich
an den betreuenden Elternteil ausgezahlt werden soll. Dies bedeute jedoch nicht, daß die von §
1612 b Abs.
1 BGB vorgeschriebene hälftige Anrechnung des Kindergeldes, das an den betreuenden Elternteil ausgezahlt werde, zu unterbleiben
habe, wenn der barunterhaltspflichtige Elternteil im Ausland wohne und dort steuerpflichtig sei. Insoweit sei eine teleologische
Reduktion des Wortlauts des §
1612 b BGB angezeigt.
2. Diese Ausführungen halten im Ergebnis der rechtlichen Nachprüfung stand.
Auf das zwischen den Parteien bestehende Unterhaltsverhältnis ist gemäß Art. 4 Abs. 1 des Haager Übereinkommens über das auf
Unterhaltspflichten anwendbare Recht vom 2. Oktober 1973 (BGBl 1986 II S. 837) deutsches Sachrecht anzuwenden, da der Kläger als Unterhaltsberechtigter seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Inland hat. Der
Umfang des vom Beklagten geschuldeten Barunterhalts bestimmt sich deshalb grundsätzlich nach §
1612 b Abs.
1 BGB.
a) In Literatur und Rechtsprechung wird die Frage, ob §
1612 b Abs.
1 BGB eine Kindergeldberechtigung beider Elternteile voraussetzt, zum Teil unter Hinweis auf den Wortlaut der Vorschrift, die von
einer vorrangigen Berechtigung des nicht barunterhaltspflichtigen Elternteils ausgeht, bejaht (OLG Stuttgart FamRZ 2000, 907; MünchKomm/Born
BGB 4. Aufl. §
1612 b Rdn. 41; Wendl/Scholz, Das Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis 6. Aufl., §
2 Rdn. 503; Göppinger/Häußermann, Unterhaltsrecht 8. Aufl., Rdn. 790; vgl. auch Palandt/Diederichsen
BGB 63. Aufl. §
1612 b Rdn. 4 mit Hinweis auf §
1612 c BGB). Die Gegenmeinung verweist auf Sinn und Zweck der Regelung; es könne nicht angenommen werden, der Gesetzgeber habe im Ausland
lebende und dort auch steuerpflichtige Barunterhaltsschuldner von der Entlastung des §
1612 b Abs.
1 BGB ausnehmen und das gesamte Kindergeld dem anderen Elternteil allein zukommen lassen wollen (Erman/Hammermann
BGB 11. Aufl., §
1612 b Rdn. 7).
b) Nach Auffassung des Senats geht §
1612 b Abs.
1 BGB davon aus, daß beide Elternteile kindergeldberechtigt sind. Das folgt bereits aus dem Wortlaut der Vorschrift, die eine vorrangige
Kindergeldberechtigung des nicht barunterhaltspflichtigen Elternteils verlangt, mithin eine - wenn auch nachrangige - Kindergeldberechtigung
des barunterhaltspflichtigen Elternteils voraussetzt. Das Erfordernis einer beiderseitigen Kindergeldberechtigung ergibt sich
darüber hinaus auch aus der Entstehungsgeschichte und dem Ziel der Vorschrift. Mit ihr sollten die bisherigen von Gesetzgebung
und Rechtsprechung entwickelten Regeln über den Ausgleich des Kindergeldes unter den beiderseits kindergeldberechtigten Elternteilen
(vgl. § 1615 g Abs. 1 Satz 1
BGB a.F.) an das neue System des Familienlastenausgleichs angepaßt und vereinfacht werden. Dementsprechend bestand bei der Schaffung
des §
1612 b BGB durch das Kindesunterhaltsgesetz (vom 6. April 1998, BGBl. I S. 666) Übereinstimmung, daß eine Anrechnung von vornherein nur gerechtfertigt erscheine, wenn
zwar beide Elternteile Anspruch auf eine kindbezogene Leistung hätten, die Leistung aber nicht beiden Elternteilen zur Hälfte,
sondern aus Gründen der Verwaltungsvereinfachung in vollem Umfang nur einem Elternteil ausgezahlt werde (BT-Drucks. 13/7338
S. 27).
Daraus läßt sich indes nicht folgern, die für die Anrechnung nach §
1612 b Abs.
1 BGB erforderliche Kindergeldberechtigung beider Elternteile müsse sich allein aus den Vorschriften des nationalen Rechts herleiten
lassen. Zwar ist, wie auch die Materialien zum Kindesunterhaltsgesetz belegen (BT-Drucks. 13/7338 S. 29), die Regelung des §
1612 b BGB auf die Kindergeldbezugsberechtigung nach den Vorschriften des Einkommenssteuergesetzes (§
64 EStG) und des Bundeskindergeldgesetzes ((§ 3
BKGG) zugeschnitten. Dennoch ist die Regelung nicht auf Fälle begrenzt, in denen sich die Kindergeldberechtigung beider Elternteile
aus dem
EStG und
BKGG ergibt; sie ist vielmehr unter Berücksichtigung des Gemeinschaftsrechts auszulegen. Eine solche Auslegung führt zu dem Ergebnis,
daß sich die von §
1612 b Abs.
1 BGB vorausgesetzte Kindergeldberechtigung des barunterhaltspflichtigen Elternteils (hier: des niederländischen Beklagten) auch
aus ausländischem (hier: niederländischem) Recht oder aus Gemeinschaftsrecht ergeben kann. Dementsprechend genügt in einem
solchen Fall auch, daß sich der in §
1612 b Abs.
1 BGB vorausgesetzte Vorrang der Kindergeldberechtigung des nicht barunterhaltspflichtigen Elternteils (hier: der in Deutschland
berufstätigen Mutter des Klägers) gegenüber der auf ausländischem oder auf Gemeinschaftsrecht beruhenden Kindergeldberechtigung
des anderen Elternteils (hier: des Beklagten) aus den Vorschriften des ausländischen oder des Gemeinschaftsrechts herleitet.
Ob diese Vorschriften das Verhältnis der von ihnen begründeten Kindergeldansprüche zu dem nach deutschem Recht gegebenen Kindergeldanspruch
in eine Rangordnung stellen oder aber vorsehen, daß der sich aus ausländischem Recht oder aus Gemeinschaftsrecht ergebende
Kindergeldanspruch des barunterhaltspflichtigen Elternteils im Hinblick auf den sich aus dem deutschen Recht ergebenden Kindergeldanspruch
des anderen Elternteils ruht, ist lediglich ein rechtskonstruktiver Unterschied, der die grundsätzliche Anwendbarkeit des
§
1612 b Abs.
1 BGB nicht berührt. Im einzelnen:
aa) Das vom deutschen Recht vorgesehene Kindergeld ist - unbeschadet seiner rechtlichen Konstruktion als eine vorgezogene
Steuervergütung - eine dem europäischen Sozialrecht unterliegende Familienleistung; für das deutsche Kindergeld gelten deshalb
die das europäische Sozialrecht maßgebend regelnden Verordnungen (EWG) Nr. 1408/71 und 574/72, beide zuletzt geändert durch
VO (EWG) 1399/99 vom 29. April 1999. Nach Art. 5 VO (EWG) Nr. 1408/71 geben die Mitgliedstaaten in Erklärungen die Rechtsvorschriften
und Systeme an, die unter Art. 4 Abs. 1 und 2 dieser Verordnung fallen; die Bundesrepublik Deutschland hat deshalb die Leistungen nach dem
Bundeskindergeldgesetz in der jeweils geltenden Fassung zu Familienleistungen im Sinne des Art. 4 Abs. 1 VO (EWG) Nr. 1408/71 erklärt (vgl. Mitteilung AblEG 1980 Nr. C 139/6 und 1983 Nr. C 351/1). Auch das seit dem 1. Januar
1996 nach §
31 Satz 3
EStG als Steuervergütung gezahlte Kindergeld ist, wie auch der Bundesfinanzhof dargelegt hat, eine Familienleistung im Sinne des
Art. 4 Abs. 1 lit. h VO (EWG) Nr. 1408/71 (Urteil vom 13. August 2002 - VIII R 54/00 - BFH/NV 2002, 1581; vgl. auch Eichenhofer StuW 1997, 341 f.). Es dient, soweit es nicht die steuerliche Freistellung des Existenzminimums eines Kindes bewirkt, der Förderung der
Familie (§
31 Sätze 1 und 2
EStG).
Nach Art. 73 VO (EWG) Nr. 1408/71 kann ein Elternteil, der in einem Mitgliedstaat sozialversichert ist (Art. 1 lit.a VO (EWG)
Nr. 1408/71), nach den für ihn maßgebenden Rechtsvorschriften (Art. 13 VO (EWG) Nr. 1408/71) Familienleistungen - wie hier
das Kindergeld - auch dann beanspruchen, wenn diese Rechtsvorschriften eine Leistungsberechtigung für außerhalb ihres Geltungsbereichs
wohnende Kinder nicht vorsehen. Allerdings sollen Familienleistungen für ein Kind nicht mehrfach von verschiedenen Mitgliedstaaten
gezahlt werden. Die "Antikumulierungsregeln" der Art. 76 Abs. 1 VO (EWG) Nr. 1408/71, Art. 10 Abs. 1 VO (EWG) Nr. 574/72 normieren
deshalb für den Fall, daß für dasselbe Kind in mehr als einem Mitgliedstaat ein Kindergeldanspruch begründet ist, eine Rangfolge
dieser Ansprüche, wobei der jeweils nachrangige Anspruch - im Umfang der vom vorrangig verpflichteten Mitgliedstaat zu erbringenden
Leistungen - ruht. Ausgangspunkt ist dabei die Unterscheidung von Kindergeld, das aufgrund der Ausübung einer Erwerbstätigkeit
gewährt wird, und sonstigem - nicht erwerbsbezogen gewährtem - Kindergeld. Nach Art. 76 Abs. 1 VO (EWG) Nr. 1408/71 ruht ein
in einem Mitgliedstaat begründeter Anspruch auf - erwerbsbezogenes oder nicht erwerbsbezogenes - Kindergeld, wenn und soweit
im Wohnstaat des Kindes ein Anspruch auf erwerbsbezogenes Kindergeld begründet ist - und zwar gleichgültig, ob sich dieser
Anspruch aus den Vorschriften dieses Mitgliedstaates oder aus Gemeinschaftsrecht ergibt (Vorrang des Wohnstaates des Kindes,
wenn dieser erwerbsbezogenes Kindergeld gewährt). Wird im Wohnstaat des Kindes Kindergeld überhaupt nicht oder nicht erwerbsbezogen
gewährt, greift Art. 10 Abs. 1 VO (EWG) 574/72 ein: Nach dessen Abs. 1 lit. a) ruht ein in einem Mitgliedstaat begründeter
Anspruch auf nicht erwerbsbezogenes Kindergeld, wenn und soweit in einem anderen Mitgliedstaat für dasselbe Kind ein Anspruch
auf erwerbsbezogenes Kindergeld begründet ist (Vorrang des Staates, der für das Kind erwerbsbezogenes Kindergeld gewährt,
aber nicht Wohnstaat des Kindes ist; ist er zugleich Wohnstaat, gilt der Vorrang nach Art. 76 VO (EWG) 574/72). Dieser vom
Wohnort des Kindes unabhängige Vorrang des erwerbsbezogen gewährten Kindergelds gilt jedoch nach Abs. 1 lit. b) (i) des Art.
10 VO (EWG) 574/72 nicht, wenn ein Elternteil in einem anderen Mitgliedstaat ein nicht erwerbsbezogenes Kindergeld beanspruchen
könnte und der Elternteil in diesem Mitgliedstaat berufstätig ist (Vorrang des Staates der Berufstätigkeit, wenn dieser ein
nicht erwerbsbezogenes Kindergeld gewährt). Daraus ergibt sich zusammenfassend folgende Stufung: (1.) Vorrang des Wohnstaates
des Kindes, wenn dieser einem Elternteil ein erwerbsbezogenes Kindergeld gewährt. (2.) Vorrang des Staates der Berufstätigkeit,
wenn dieser dem dort berufstätigen Elternteil ein nicht erwerbsbezogenes Kindergeld gewährt. (3.) Vorrang eines anderen Mitgliedstaates
als des Wohnstaates des Kindes, wenn dieser andere Staat einem Elternteil ein erwerbsbezogenes Kindergeld gewährt (zum ganzen
Eichenhofer, Sozialrecht der Europäischen Union 2. Aufl., Rdn. 274 ff.).
bb) Aus der Zusammenschau des Gemeinschaftsrechts und der die Kindergeldbezugsberechtigung regelnden Vorschriften des
EStG (§ 64) und des
BKGG (§ 3) kann sich damit eine der Normsituation des §
1612 b Abs.
1 BGB vergleichbare Rechtslage ergeben: Beide Elternteile können nach den für sie maßgebenden nationalen Regelungen oder aufgrund
des Gemeinschaftsrechts "an sich" kindergeldberechtigt sein; das Kindergeld gelangt jedoch - aufgrund der dargestellten Antikumulierungsregeln
- nur an einen Elternteil zur Auszahlung, weil der Kindergeldanspruch des anderen Ehegatten ruht. Diese Situation ist der
von §
1612 b Abs.
1 BGB vorausgesetzten Lage nach deutschem Kindergeldrecht vergleichbar. In einer das Gemeinschaftsrecht berücksichtigenden Auslegung
des §
1612 b Abs.
1 BGB muß deshalb dem barunterhaltspflichtigen Elternteil, der wegen des Kindergeldbezugs des anderen Elternteils selbst kein Kindergeld
bezieht, das dem anderen Elternteil gewährte Kindergeld jedenfalls dann hälftig zugute kommen, wenn dieses Kindergeld dem
anderen Elternteil nach deutschem Recht - d.h. nach Maßgabe der in §
66 EStG, § 6
BKGG geregelten Kindergeldsätze von der zuständigen deutschen Familienkasse - gutgebracht wird. Insoweit bleibt die vom deutschen
Recht vorgegebene Zweckbestimmung des deutschen Kindergelds, beiden "an sich" kindergeldberechtigten Elternteilen zugute zu
kommen, realisierbar. Diesem vom deutschen Recht verfolgten Zweck des Kindergelds ist mit Hilfe des §
1612 b Abs.
1 BGB auch im Kontext des europäischen Sozialrechts Geltung zu verschaffen.
cc) Das gilt auch für den vorliegenden Fall. Die Mutter des Klägers bezieht nach deutschem Recht für den Kläger Kindergeld.
Der Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen der niederländische Beklagte nach dem für ihn maßgebenden Recht seinerseits
kindergeldberechtigt wäre, wenn nicht bereits die Mutter des Klägers für diesen Kindergeld bezöge, ist das Oberlandesgericht
nicht nachgegangen. Da das Oberlandesgericht zu dem - wegen des Beschäftigungs- und Wohnortes des Beklagten in den Niederlanden
- maßgebenden niederländischen Recht (vgl. Art. 13 Abs. 2 lit. a), f) VO (EWG) Nr. 1408/71) keine Feststellungen getroffen
hat, kann der Bundesgerichtshof diese Feststellungen nachholen; denn insoweit handelt es sich nicht um eine Nachprüfung irrevisiblen
Rechts, die dem Revisionsgericht verwehrt ist (vgl. etwa BGHZ 40, 197, 201). Das niederländische Recht gewährt den in den Niederlanden wohnenden Personen für deren unter 16 Jahre alte Kinder
ein Recht auf das vierteljährlich gezahlte Kindergeld, ebenso für ältere Kinder unter zusätzlichen Voraussetzungen (Algemene
Kinderbijslagwet vom 26. April 1962, Stb. 1990, 128). Nach dem durch Art. VI. des Gesetzes vom 27. Mai 1999 (Stb. 1999, 250)
eingefügten Art. 7 b Abs. 1 Algemene Kinderbijslagwet gilt die Kindergeldberechtigung zwar grundsätzlich nicht in Ansehung
solcher Kinder, die am ersten Tag des Kalendervierteljahrs nicht in den Niederlanden wohnen. Allerdings sieht Art. 7 b Abs.
2 Algemene Kinderbijslagwet eine weitergehende Kindergeldberechtigung vor, die grundsätzlich auch die aus Art. 73 VO (EWG)
1408/71 herleitbaren Kindergeldansprüche umfaßt, hier jedoch - aufgrund der dargestellten Antikumulierungsvorschriften - ruht:
Dabei kann dahinstehen, ob das der Mutter der Klägers gezahlte deutsche Kindergeld - im Hinblick auf seinen Charakter als
vorgezogene Steuervergütung zumindest auch - "aufgrund der Ausübung einer Erwerbstätigkeit" gewährt wird. Bejaht man diese
Frage, ergibt sich der Vorrang des nach deutschem Recht begründeten Kindergeldanspruchs aus Art. 76 Abs. 1 VO (EWG) Nr. 1408/71,
da die Bundesrepublik Deutschland der Wohnstaat des Klägers ist. Verneint man eine Erwerbsbezogenheit des deutschen Kindergelds,
ruht der niederländische Kindergeldanspruch nach Art. 10 Abs. 1 lit. b) (i) VO (EWG) Nr. 574/72, weil das - nach Abs. 1 lit.
a) dieser Verordnung an sich nachrangige, weil nicht erwerbsbezogene - Kindergeld in der Bundesrepublik Deutschland an die
Mutter des Klägers ausgezahlt wird und diese hier berufstätig ist.
c) Im Ergebnis ist danach der Beklagte grundsätzlich kindergeldberechtigt; sein Kindergeldanspruch ruht jedoch. Als Ausgleich
steht ihm - entsprechend der Zweckbestimmung des deutschen Kindergelds - die Hälfte des der Mutter des Klägers gewährten Kindergeldes
zu, das er deshalb nach §
1612 b Abs.
1 BGB von dem von ihm geschuldeten Kindesunterhalt in Abzug bringen darf.