Sozialversicherungsbeitragspflicht für eine Tätigkeit als Mitarbeiterin einer Steuerkanzlei
Unzulässigkeit eines Ablehnungsgesuchs
Gründe
I
Die Beteiligten streiten im zugrunde liegenden Rechtsstreit darüber, ob die Beigeladene in ihrer Tätigkeit als Mitarbeiterin
der Steuerkanzlei der Klägerin der Versicherungspflicht in den Zweigen der Sozialversicherung unterlag.
Die Klägerin ist Steuerberaterin. Die Beigeladene - selbst nicht als Steuerberaterin zugelassen - prüfte für sie Steuerbescheide
und bearbeitete Einsprüche gegen Steuerbescheide sowie Jahresabschlüsse. Hierfür erhielt sie eine Umsatzbeteiligung oder eine
Stundenvergütung. Sie entschied selbst, welche der ihr zugeteilten Fälle sie wann bearbeitete, nutzte die EDV der Klägerin
und bestimmte ihre Tätigkeitszeiten frei.
Die gegen die Feststellung der Versicherungspflicht der Beigeladenen in dieser Tätigkeit in den Zweigen der Sozialversicherung
(Bescheide vom 8.2.2018, Widerspruchsbescheid vom 22.8.2018) gerichtete Klage hat keinen Erfolg gehabt (Urteil des SG Heilbronn vom 17.7.2020). Auf die Berufung der Klägerin hat das LSG die angefochtenen Bescheide und das Urteil des SG aufgehoben (Urteil vom 26.5.2021). Zur Begründung hat es ausgeführt, die Beigeladene sei nicht sozialversicherungspflichtig beschäftigt gewesen. Sie sei weder
weisungsgebunden noch in den Betrieb der Klägerin eingegliedert gewesen.
Die Beigeladene hat am 2.7.2021 die Bewilligung von Prozesskostenhilfe (PKH) zur Durchführung des Verfahrens der Beschwerde
gegen die Nichtzulassung der Revision in dem ihr am 19.6.2021 zugestellten Urteil des LSG beantragt. In der beigefügten Erklärung
über ihre persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse (im Folgenden: Erklärung) hat sie die Frage nach einer Rechtsschutzversicherung
mit nein beantwortet und auf verschiedene Anlagen verwiesen. Unter anderem hat sie eine Kostenzusage ihrer Rechtsschutzversicherung
in Sachen "L/DRV (J)" für den Bereich des "Sozial-Rechtsschutzes… 1. und 2. Instanz" sowie den Bescheid des Jobcenters Landkreis
Heilbronn vorgelegt, mit dem Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts ab 1.8.2021 wegen Überschreitens der Altersgrenze
nach § 7a SGB II abgelehnt werden.
Der Senat hat die Beigeladene aufgefordert, die Erklärung vollständig auszufüllen und einen Nachweis zur fehlenden Kostenübernahme
der Rechtsschutzversicherung für das angestrebte Beschwerdeverfahren bis 31.8.2021 vorzulegen (Schreiben der Berichterstatterin vom 10.8.2021). Am 15.8.2021 hat sie per Mail mitgeteilt, das Jobcenter verweigere ihr Leistungen, weil sie einen Rentenantrag stellen müsse.
Mit weiterer Mail vom 22.8.2021 hat sie darauf hin- gewiesen, dass die Rechtschutzversicherung nicht die selbstständige Tätigkeit
betreffende Angelegenheit erfasse. Mit Mail vom 2.9.2021 hat sie die Berichterstatterin wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt.
II
1. Das Ablehnungsgesuch ist offensichtlich unzulässig und damit unbeachtlich. Es ist bereits nicht in der gesetzlich vorgesehenen
Form angebracht worden. Weder sind die Voraussetzungen des §
65a SGG zur Einreichung elektronischer Dokumente erfüllt noch ist die Ablehnung schriftlich oder zu Protokoll der Geschäftsstelle
geltend gemacht worden. Die hier genutzte Mail ist kein zugelassener Übermittlungsweg, denn es fehlt an der Möglichkeit eines
hinreichend sicheren Rückschlusses auf die Identität des Absenders (Müller, KrV 2019, 99, 101).
Das Ablehnungsgesuch gegen die Berichterstatterin ist auch im Übrigen gemäß §
60 SGG offensichtlich unzulässig. Nach §
60 Abs
1 SGG iVm §
42 Abs
2 ZPO findet die Ablehnung einer Richterin wegen Besorgnis der Befangenheit statt, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen
gegen ihre Unparteilichkeit zu rechtfertigen. Eine solche Besorgnis ist anzunehmen, wenn ein objektiv vernünftiger Grund gegeben
ist, der eine Verfahrensbeteiligte von ihrem Standpunkt aus befürchten lassen kann, die Richterin werde nicht unparteilich
sachlich entscheiden. Maßgebend ist, ob eine am Verfahren Beteiligte bei vernünftiger, objektiver Würdigung aller Umstände
Anlass hat, an der Unvoreingenommenheit der Richterin zu zweifeln (vgl BVerfG Beschluss vom 5.4.1990 - 2 BvR 413/88 - BVerfGE 82, 30, 38; BVerfG Beschluss vom 12.7.1986 - 1 BvR 713/83 ua - BVerfGE 73, 330, 335; BSG Beschluss vom 19.1.2010 - B 11 AL 13/09 C - SozR 4-1500 § 60 Nr 7 RdNr 10; BSG Beschluss vom 29.3.2007 - B 9a SB 18/06 B - SozR 4-1500 § 60 Nr 4 RdNr 13; BSG Beschluss vom 1.3.1993 - 12 RK 45/92 - SozR 3-1500 § 60 Nr 1 S 2 f). Ein solcher Anlass ist von der Ablehnenden darzutun. Ein Ablehnungsgesuch, das keine Begründung oder lediglich Ausführungen
enthält, die zur Begründung der Besorgnis der Befangenheit gänzlich ungeeignet sind, ist hingegen offensichtlich unzulässig
(vgl BVerfG Beschluss vom 19.6.2012 - 2 BvR 1397/09 - BVerfGE 131, 239, 252; BVerfG Beschluss vom 12.1.2021 - 2 BvR 2006/15 - BVerfGE 156, 340 RdNr 15; BVerfG Beschluss vom 20.7.2021 - 2 BvE 4/20 - juris RdNr 13 mwN).
Gemessen daran, vermag der Vortrag der Beigeladenen die Besorgnis der Befangenheit der abgelehnten Richterin offensichtlich
nicht zu begründen. Das Ablehnungsgesuch erschöpft sich darin, auf das Schreiben der abgelehnten Richterin vom 10.8.2021 sowie
darauf hinzuweisen, bereits auch andere Personen wegen Befangenheit abgelehnt zu haben. Damit wird auch nicht im Ansatz deutlich,
woraus sich die fehlende Unvoreingenommenheit der Richterin ergeben soll.
Bei offensichtlicher Unzulässigkeit bedarf es keiner dienstlichen Stellungnahme der abgelehnten Richterin; diese ist auch
von der Entscheidung über das offensichtlich unzulässige Ablehnungsgesuch nicht ausgeschlossen (vgl BVerfG Beschluss vom 20.7.2021 - 2 BvE 4/20 - juris RdNr 35 mwN).
2. Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe ist unbegründet.
a) Voraussetzung für die Bewilligung von PKH und die damit verbundene Beiordnung eines Rechtsanwalts ist nach der Rechtsprechung
sowohl des BSG als auch der anderen obersten Gerichtshöfe des Bundes, dass nicht nur der (grundsätzlich formlose) Antrag auf PKH, sondern
auch die vollständig ausgefüllte Erklärung in der für diese gesetzlich vorgeschriebenen Form (§
73a Abs
1 Satz 1
SGG iVm §
117 Abs
2 und
4 ZPO), dh mit dem gemäß §
117 Abs
3 ZPO durch die Prozesskostenhilfeformularverordnung (PKHFV) vom 6.1.2014 (BGBl I 34) in neuer Fassung eingeführten Formular, bis zum Ablauf der Beschwerdefrist eingereicht wird (vgl BSG Beschluss vom 13.4.1981 - 11 BA 46/81 - SozR 1750 § 117 Nr 1 S 2 und Beschluss vom 30.4.1982 - 7 BH 10/82 - SozR 1750 § 117 Nr 3 S 4 f; BVerfG Beschluss vom 20.10.1981 - 2 BvR 1058/81 - SozR 1750 § 117 Nr 2, Beschluss vom 13.4.1988 - 1 BvR 392/88 - SozR 1750 § 117 Nr 6 S 11 und Beschluss vom 7.2.2000 - 1 BvR 106/00 - NJW 2000, 3344). Daran fehlt es hier. Die Beigeladene hat die am 2.7.2021 vorgelegte Erklärung nicht vollständig ausgefüllt. Ihr Verweis
auf einzelne Anlagen genügt nicht. Denn Sinn und Zweck der Erklärung nach §
117 Abs
2 ZPO ist es, durch eine aufgegliederte und substantiierte Aufstellung den Gerichten eine Überprüfung der - derzeitigen - wirtschaftlichen
Verhältnisse des Antragstellers zu ermöglichen (vgl BSG Beschluss vom 14.11.2000 - B 7 AL 136/00 B - juris RdNr 6). Nähere und vollständige Angaben waren auch nicht wegen des vorgelegten Bescheids des Jobcenters Landkreis Heilbronn entbehrlich.
Das Jobcenter hat im Hinblick auf eine selbstständige Tätigkeit nur vorläufige Leistungen bis zum 31.7.2021 bewilligt und
einen Leistungsanspruch für die Zeit danach abgelehnt, sodass unklar bleibt, mit welchen Mitteln die Beigeladene seit 1.8.2021
ihren Lebensunterhalt bestreitet.
b) Unabhängig davon kann nach §
73a SGG iVm §
114 ZPO PKH nur dann bewilligt werden, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet. Auch das
ist nicht der Fall.
Das BSG darf gemäß §
160 Abs
2 SGG die Revision gegen eine Entscheidung des LSG nur dann zulassen, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (Nr 1) oder das angefochtene Urteil von der höchstrichterlichen Rechtsprechung abweicht und auf dieser Abweichung beruht (Nr 2) oder ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die Entscheidung beruhen kann (Nr 3). Die Behauptung, das Berufungsurteil sei inhaltlich unrichtig, kann demgegenüber nicht zur Zulassung der Revision führen
(vgl BSG Beschluss vom 26.6.1975 - 12 BJ 12/75 - SozR 1500 § 160a Nr 7 S 10). Das Vorbringen der Beigeladenen und die Durchsicht der Akten haben bei der gebotenen summarischen Prüfung keinen Hinweis
auf das Vorliegen eines der vorgenannten Gründe ergeben. Es ist nicht ersichtlich, dass ein beizuordnender Prozessbevollmächtigter
einen der genannten Zulassungsgründe im Rahmen einer Nichtzulassungsbeschwerde geltend machen könnte.
Grundsätzliche Bedeutung hat eine Rechtssache nur dann, wenn sie eine abstrakt generelle Rechtsfrage aufwirft, deren Klärung
über den zu entscheidenden Fall hinaus aus Gründen der Rechtseinheit und Rechtsfortbildung im allgemeinen Interesse erforderlich
(Klärungsbedürftigkeit) und durch das Revisionsgericht zu erwarten (Klärungsfähigkeit) ist (stRspr; vgl nur BSG Beschluss vom 17.4.2012 - B 13 R 347/11 B - SozR 4-2600 § 72 Nr 5 RdNr 17 mwN). Eine solche Rechtsfrage ist vorliegend nicht ersichtlich. Insbesondere fehlt es vor dem Hintergrund der Rechtsprechung des
BSG (vgl BSG Urteil vom 7.7.2020 - B 12 R 17/18 R - SozR 4-2400 § 7 Nr 49; BSG Urteil vom 27.4.2021 - B 12 KR 27/19 R; BSG Urteil vom 4.6.2019 - B 12 R 11/18 R - BSGE 128, 191 = SozR 4-2400 § 7 Nr 42 mwN) zur Abgrenzung von selbstständiger Tätigkeit und abhängiger, sozialversicherungspflichtiger Beschäftigung insbesondere auch
bei freiberuflich Tätigen an der Klärungsbedürftigkeit der Kriterien für die statusrechtliche Einordnung der Tätigkeit der
Beigeladenen für die klagende Steuerberaterin nach §§
7,
7a SGB IV.
Eine Divergenz kann nur dann zur Revisionszulassung führen, wenn die mit der Beschwerde angegriffene Entscheidung auf einem
abstrakten Rechtssatz beruht, der von einem abstrakten Rechtssatz in einer (anderen) Entscheidung des BSG, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des BVerfG abweicht (vgl BSG Beschluss vom 12.5.2005 - B 3 P 13/04 B - SozR 4-1500 § 160 Nr 6 RdNr 5 und BSG Beschluss vom 16.7.2004 - B 2 U 41/04 B - SozR 4-1500 § 160a Nr 4 RdNr 6, jeweils mwN). Auch hierfür ist unabhängig davon nichts ersichtlich, ob das LSG die vom BSG in seiner Rechtsprechung aufgestellten Grundsätze zutreffend angewandt hat. Die Behauptung, das Berufungsurteil sei inhaltlich
unrichtig, kann nicht zur Zulassung der Revision wegen Divergenz führen (vgl BSG Beschluss vom 4.4.2018 - B 12 R 38/17 B - RdNr 10 mwN).
Schließlich fehlen Anhaltspunkte dafür, dass gegen die Entscheidung des LSG durchgreifende Verfahrensrügen erhoben werden
könnten. Eine wesentliche Änderung der Prozesslage, durch die das nach einem Erörterungstermin erteilte Einverständnis zur
Entscheidung ohne mündliche Verhandlung wirkungslos würde, ist mit dem Hinweis des Vorsitzenden auf den offenen Ausgang des
Berufungsverfahrens nicht herbeigeführt worden. Abgesehen davon, dass die im Er- örterungstermin von dem Berichterstatter
geäußerte Rechtsansicht hier tatsächlich auch im Urteil vertreten wird, ist die Äußerung von nur einem Mitglied des Spruchkörpers
grundsätzlich unverbindlich (vgl BSG Beschluss vom 12.4.2005 - B 2 U 135/04 B - SozR 4-1500 § 124 Nr 1 RdNr 8).
3. Damit entfällt zugleich die Möglichkeit der Beiordnung eines Rechtsanwalts im Rahmen der PKH (§ 73a Abs 1 Satz 1 iVm §
121 Abs
1 ZPO).