Sozialversicherungspflicht einer ärztlichen Vertretungstätigkeit in einer Gemeinschaftspraxis
Abgrenzung zwischen abhängiger Beschäftigung und selbständiger Tätigkeit
Anforderungen an eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation bei der Erbringung ärztlicher Leistungen ohne eine Vertretung
in der Rechtsstellung der Mitglieder der Gemeinschaftspraxis
Gründe:
I
Streitig ist, ob die Klägerin zu 2. in ihrer Vertretungstätigkeit als Ärztin bei der Klägerin zu 1. an einzelnen Tagen in
der Zeit von Januar 2013 bis Dezember 2014 aufgrund Beschäftigung der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung
(GRV) sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung unterlag.
Die Klägerin zu 1. ist eine gastroenterologische Gemeinschaftspraxis mit mehreren Ärzten als Gesellschafter. Die Klägerin
zu 2. ist als Oberärztin in einem Krankenhaus angestellt. Im Fall der Abwesenheit eines Gesellschafters wegen Urlaubs oder
Krankheit übernahm die Klägerin zu 2. aufgrund (kurzfristiger) Absprache die jeweilige Vertretung in den Räumen der Gemeinschaftspraxis.
Sie führte mit den dort befindlichen Geräten insbesondere endoskopische Untersuchungen durch, schrieb Befundberichte und gab
Therapieempfehlungen. Die Patienten wurden durch die Klägerin zu 1. bestimmt. Bei den Untersuchungen wurde die Klägerin zu
2. von medizinischen Angestellten der Gemeinschaftspraxis unterstützt, gegenüber denen sie weisungsbefugt war. Sie selbst
unterlag hinsichtlich ihrer ärztlichen Berufsausübung keinen Weisungen. Die Gemeinschaftspraxis stellte ihr alle Arbeitsmittel
einschließlich besonderer Schutzkleidung für die Endoskopie kostenfrei zur Verfügung; darüber hinaus verwendete die Klägerin
zu 2. eigene Arbeitskleidung. Sie erhielt eine Vergütung in Höhe von 80 Euro je Einsatzstunde und rechnete diese gegenüber
der Gemeinschaftspraxis ab.
Im März 2015 stellten die Klägerinnen bei der Beklagten jeweils einen Antrag auf Statusfeststellung. Nach Anhörung stellte
die Beklagte fest, dass die Tätigkeit der Klägerin zu 2. als Vertretungsärztin bei der Klägerin zu 1. vom 25.1. bis 19.8.2013,
am 22.10.2013, vom 6.1.2014 bis 1.8.2014 und vom 28.11. bis 5.12.2014 im Rahmen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses
ausgeübt werde und ab 25.1.2013 Versicherungspflicht in der GRV sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung bestehe (Bescheide
vom 28.9.2015; Widerspruchsbescheide vom 8.2.2016).
Das SG Frankfurt am Main hat die Bescheide aufgehoben und festgestellt, dass die Tätigkeit der Klägerin zu 2. für die Klägerin
zu 1. nicht als sozialversicherungspflichtige Beschäftigung ausgeübt werde. Da der Tätigkeit kein schriftlicher Vertrag zugrunde
gelegen habe, sei die Bewertung anhand der gelebten rechtlichen Beziehung vorzunehmen. Die für eine selbstständige Tätigkeit
sprechenden Indizien würden dabei überwiegen. Bei ihren Untersuchungen habe die Klägerin zu 2. keinen Weisungen, sondern lediglich
facharztspezifischen Standards bei der Diagnostik unterlegen. Sie sei in ihrer Zeiteinteilung frei gewesen. Es habe ihr frei
gestanden, für weitere Auftraggeber tätig zu werden. Sie habe keinen Anspruch auf Lohnfortzahlung bei Krankheit oder Unfall
oder auf bezahlten Urlaub gehabt. Zudem habe sie ein wirtschaftliches Risiko getragen, weil sie über eine eigene Berufshaftpflichtversicherung
verfüge (Urteil vom 2.11.2020).
Mit ihrer Sprungrevision rügt die Beklagte eine Verletzung von §
7 Abs
1 SGB IV. Auch wenn die Klägerin zu 2. in ihrer fachlichen Tätigkeit keinen Weisungen unterlegen habe, habe sie dennoch funktionsgerecht
dienend am Arbeitsprozess teilgenommen. Sie habe Räumlichkeiten, Geräte und Personal der Gemeinschaftspraxis genutzt. Welche
Patienten zu befunden gewesen seien, sei von der Gemeinschaftspraxis vorgegeben worden. Bei der Ausübung der Tätigkeit sei
die Klägerin zu 2. auf die Assistenz des medizinischen Personals der Gemeinschaftspraxis angewiesen gewesen. Über eigene Betriebsmittel
habe die Klägerin zu 2. nicht verfügt. Da sie einen festen Lohn für geleistete Stunden erhalten und keinen Lohnausfall zu
befürchten gehabt habe, habe sie trotz der abgeschlossenen eigenen Berufshaftpflichtversicherung kein nennenswertes Unternehmerrisiko
getragen. Aus der Vertretung eines der Gesellschafter der Gemeinschaftspraxis folge keine Selbstständigkeit; dafür hätte sie
als Arztvertreter die Stelle des Praxisinhabers einnehmen und zeitweilig dessen Arbeitgeberfunktion wahrnehmen müssen. Praxisinhaber
sei hier aber die Gemeinschaftspraxis, die eine Berufsausübungsgemeinschaft darstelle, sodass deren Betrieb von den weiteren
Gesellschaftern fortgeführt werde und gerade nicht von der Klägerin zu 2. Diese sei vielmehr weisungsgebunden in die fremde
Praxisorganisation eingebunden gewesen und unterscheide sich insofern in keiner Weise von in niedergelassenen Praxen "regulär"
angestellten Ärzten oder Honorarärzten im Krankenhaus.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 2. November 2020 aufzuheben und die Klagen abzuweisen.
Die Klägerinnen beantragen,
die Revision der Beklagten zurückzuweisen.
Sie halten die angefochtene Entscheidung für zutreffend. Die Klägerin zu 2. sei nach § 32 Zulassungsverordnung für Vertragsärzte (Ärzte-ZV) tätig geworden und danach an die Stelle einer selbstständig tätigen Person getreten. Die Vertretung eines Vertragsarztes
nach dieser Bestimmung sei eine selbstständige Tätigkeit, da andernfalls nach §
95 Abs
9 SGB V die Genehmigung des Zulassungsausschusses erforderlich gewesen wäre.
Die Beigeladene hat keinen Antrag gestellt.
II
Die zulässige Sprungrevision (§
161 Abs
1 SGG) der Beklagten ist begründet (§
170 Abs
2 Satz 1
SGG). Das SG hat zu Unrecht der Klage stattgegeben. Die angefochtenen Bescheide der Beklagten vom 28.9.2015 in der Gestalt der Widerspruchsbescheide
vom 8.2.2016 (§
95 SGG) sind rechtmäßig und verletzen die Klägerinnen nicht in ihren Rechten. Das Urteil war nicht bereits wegen einer unzulässigen
Elementenfeststellung aufzuheben (dazu 1.). Nach den für die Statusbeurteilung geltenden Maßstäben (dazu 2.) war die Klägerin
zu 2. in ihren einzelnen Einsätzen als Ärztin bei der Klägerin zu 1. ab 25.1.2013 bis Dezember 2014 beschäftigt und deshalb
in der GRV und nach dem Recht der Arbeitsförderung versicherungspflichtig (dazu 3).
1. §
7a SGB IV ermächtigt nicht zur bloßen Elementenfeststellung einer abhängigen Beschäftigung, sondern verpflichtet nach ständiger Rechtsprechung
zur Feststellung der Versicherungspflicht. Auch im gerichtlichen Verfahren ist nach derzeitiger Rechtslage eine isolierte
Feststellung von Beschäftigung nach §
55 Abs
1 SGG nicht möglich (vgl BSG Urteil vom 26.2.2019 - B 12 R 8/18 R - juris RdNr 21 ff mwN). Hier hat das SG tenoriert, dass die Tätigkeit nicht als "sozialversicherungspflichtige Beschäftigung ausgeübt" werde. Durch den Bezug auf
die Sozialversicherungspflicht ist noch ausreichend deutlich, dass nicht isoliert das (Nicht-)Vorliegen von abhängiger Beschäftigung,
sondern die damit zusammenhängende Sozialversicherungspflicht festgestellt wurde.
2. Im streitigen Zeitraum unterlagen Personen, die gegen Arbeitsentgelt beschäftigt waren, der Versicherungspflicht in der
GRV sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung (§
1 Satz 1 Nr
1 SGB VI und §
25 Abs
1 Satz 1
SGB III).
a) Beschäftigung ist gemäß §
7 Abs
1 SGB IV die nichtselbstständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis (Satz 1). Anhaltspunkte für eine Beschäftigung sind
eine Tätigkeit nach Weisungen und eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers (Satz 2). Nach der ständigen
Rechtsprechung des BSG setzt eine abhängige Beschäftigung voraus, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Bei einer Beschäftigung
in einem fremden Betrieb ist dies der Fall, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und dabei einem Zeit, Dauer,
Ort und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt. Diese Weisungsgebundenheit kann - vornehmlich
bei Diensten höherer Art - eingeschränkt und zur "funktionsgerecht dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess" verfeinert sein.
Demgegenüber ist eine selbstständige Tätigkeit vornehmlich durch das eigene Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen
Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und
Arbeitszeit gekennzeichnet. Ob jemand beschäftigt oder selbstständig tätig ist, richtet sich danach, welche Umstände das Gesamtbild
der Arbeitsleistung prägen und hängt davon ab, welche Merkmale überwiegen. Die Zuordnung einer Tätigkeit nach deren Gesamtbild
zum rechtlichen Typus der Beschäftigung oder selbstständigen Tätigkeit setzt voraus, dass alle nach Lage des Einzelfalls als
Indizien in Betracht kommenden Umstände festgestellt, in ihrer Tragweite zutreffend erkannt und gewichtet, in die Gesamtschau
mit diesem Gewicht eingestellt und nachvollziehbar, dh den Gesetzen der Logik entsprechend und widerspruchsfrei gegeneinander
abgewogen werden.
b) Bei der Statusbeurteilung ist regelmäßig vom Inhalt der zwischen den Beteiligten getroffenen Vereinbarungen auszugehen,
den die Verwaltung und die Gerichte konkret festzustellen haben. Liegen schriftliche Vereinbarungen vor, so ist neben deren
Vereinbarkeit mit zwingendem Recht auch zu prüfen, ob mündliche oder konkludente Änderungen erfolgt sind. Schließlich ist
auch die Ernsthaftigkeit der dokumentierten Vereinbarungen zu prüfen. Erst auf der Grundlage der so getroffenen Feststellungen
über den (wahren) Inhalt der Vereinbarungen ist eine wertende Zuordnung des Rechtsverhältnisses zum Typus der Beschäftigung
oder selbstständigen Tätigkeit vorzunehmen (stRspr; vgl zum Ganzen BSG Urteil vom 4.6.2019 - B 12 R 12/18 R - juris RdNr 17 f mwN). Diese wertende Zuordnung kann nicht mit bindender Wirkung für die Sozialversicherung durch die
Vertragsparteien vorgegeben werden, indem sie zB vereinbaren, eine selbstständige Tätigkeit zu wollen. Denn der besondere
Schutzzweck der Sozialversicherung schließt es aus, dass über die rechtliche Einordnung einer Person - als selbstständig oder
beschäftigt - allein die Vertragsschließenden entscheiden. Über zwingende Normen kann nicht im Wege der Privatautonomie verfügt
werden. Vielmehr kommt es entscheidend auf die tatsächliche Ausgestaltung und Durchführung der Vertragsverhältnisse an (vgl
BSG Urteil vom 4.6.2019 - B 12 R 11/18 R - BSGE 128, 191 = SozR 4-2400 § 7 Nr 42, RdNr 24; BSG Urteil vom 29.1.1981 - 12 RK 63/79 - BSGE 51, 164 = SozR 2400 § 2 Nr 16 = juris RdNr 24).
c) Bei Vertragsgestaltungen, in denen - wie hier - die Übernahme einzelner Dienste individuell vereinbart wird und insbesondere
kein Dauerschuldverhältnis mit Leistungen auf Abruf vorliegt, ist für die Frage der Versicherungspflicht allein auf die Verhältnisse
abzustellen, die während der Ausführung der jeweiligen Einzelaufträge bestehen. Außerhalb der Einzeleinsätze liegt schon deshalb
keine die Versicherungspflicht begründende "entgeltliche" Beschäftigung iS des §
7 Abs
1 SGB IV vor, weil keine latente Verpflichtung der Klägerin zu 2. bestand, Tätigkeiten für die Klägerin zu 1. auszuüben, und diese
umgekehrt auch kein Entgelt zu leisten hatte (vgl BSG Urteil vom 4.6.2019 - B 12 R 11/18 R - BSGE 128, 191 = SozR 4-2400 § 7 Nr 42, RdNr 21 mwN; BSG Urteil vom 18.11.2015 - B 12 KR 16/13 R - BSGE 120, 99 = SozR 4-2400 § 7 Nr 25, RdNr 19 mwN).
3. Unter Zugrundelegung dieser Maßstäbe überwiegen die Indizien für das Vorliegen einer Beschäftigung, sodass die Klägerin
zu 2. in der streitigen Tätigkeit in der GRV und nach dem Recht der Arbeitsförderung versicherungspflichtig war.
a) Bei der Würdigung der Vertragsbeziehungen zwischen den Klägerinnen und deren Umsetzung in der Praxis hat das SG im Ausgangspunkt zutreffend festgestellt, dass mangels einer schriftlichen Vereinbarung die Bewertung anhand der mündlichen
Abreden und der konkludenten Ausgestaltung der vertraglichen Grundlagen in ihrer gelebten Praxis vorzunehmen ist (vgl BSG Urteil vom 4.6.2019 - B 12 R 11/18 R - BSGE 128, 191 = SozR 4-2400 § 7 Nr 42, RdNr 18).
b) Dabei ist auf die jeweiligen Einzeleinsätze abzustellen. Die Klägerin zu 2. hatte keine Verpflichtung zur Übernahme einer
bestimmten Anzahl von Vertretungen, sie konnte vielmehr über jede Anfrage frei und eigenständig entscheiden. Erst durch die
jeweilige Zusage entstand die rechtliche Verpflichtung gegenüber der Gemeinschaftspraxis, die Vertretung zu leisten.
Diese Bewertung kommt auch zutreffend in dem angefochtenen Bescheid der Beklagten zum Ausdruck. Grundsätzlich hält der Senat
eine Feststellung im Statusfeststellungsverfahren schon dann für hinreichend bestimmt (§ 33 Abs 1 SGB X), wenn sie ausreichend erkennen lässt, dass sie sich auf die Durchführung von Einzelaufträgen zwischen den Beteiligten -
beginnend mit dem ersten Tätigwerden - unter gleichbleibenden Bedingungen bezieht und kein Dauerschuldverhältnis vorliegt
(vgl BSG Urteil vom 19.10.2021 - B 12 KR 29/19 R - zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen). Dem Bestimmtheitsgrundsatz genügt die Beklagte hier jedenfalls durch die Angabe
einzelner Zeiträume, in denen die Einzelaufträge durchgeführt worden sind. Daraus und aus dem Hinweis in der Begründung auf
die stundenweise Vertretung wird deutlich, dass sie nicht von einem Dauerschuldverhältnis ausgegangen ist. Unschädlich ist,
dass die Zeitabschnitte ggf monatsübergreifend zusammengefasst wurden, auch wenn die Tätigkeit nur an einzelnen Tagen in einem
Monat erfolgt ist.
c) Die Klägerin zu 2. unterlag zumindest einem rudimentären Weisungsrecht der Klägerin zu 1. und war in einer ihre Tätigkeit
prägenden Weise in deren Betriebsablauf eingegliedert. Die in §
7 Abs
1 Satz 2
SGB IV genannten Anhaltspunkte der Weisungsgebundenheit und der Eingliederung stehen weder in einem Rangverhältnis zueinander noch
müssen sie stets kumulativ vorliegen.
Die ärztliche Tätigkeit der Klägerin zu 2. in der Gemeinschaftspraxis weist Gemeinsamkeiten mit derjenigen von sog Honorarärzten
im Krankenhaus auf. So agieren Ärzte bei medizinischen Heilbehandlungen und Therapien in der Regel frei und eigenverantwortlich.
Aus der fachlichen Unabhängigkeit, die grundsätzlich allen sog freien Berufen eigentümlich ist, kann aber nicht ohne Weiteres
auf eine selbstständige Tätigkeit geschlossen werden (vgl BSG Urteil vom 4.6.2019 - B 12 R 11/18 R - BSGE 128, 191 = SozR 4-2400 § 7 Nr 42, RdNr 25; BSG Urteil vom 7.7.2020 - B 12 R 17/18 R - SozR 4-2400 § 7 Nr 49 RdNr 36). Insbesondere bei Hochqualifizierten oder Spezialisten (sog Diensten höherer Art) kann
das Weisungsrecht aufs Stärkste eingeschränkt sein. Dennoch kann die Dienstleistung in solchen Fällen fremdbestimmt sein,
wenn sie ihr Gepräge von der Ordnung des Betriebes erhält, in deren Dienst die Arbeit verrichtet wird. Die Weisungsgebundenheit
des Arbeitnehmers verfeinert sich in solchen Fällen "zur funktionsgerechten, dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess" (BSG Urteil vom 4.6.2019 - B 12 R 11/18 R - BSGE 128, 191 = SozR 4-2400 § 7 Nr 42, RdNr 29 mwN). Dies zeigt sich etwa bei der Einordnung von Chefärzten, die nach ganz herrschender
Meinung als Arbeitnehmer zu qualifizieren sind (BAG Urteil vom 27.7.1961 - 2 AZR 255/60 - BAGE 11, 225; BSG Urteil vom 29.9.1965 - 2 RU 169/63 - BSGE 24, 29 = SozR Nr 1 zu § 539
RVO; BGH Beschluss vom 26.2.1998 - III ZB 25/97 - NJW 1998, 2745). Ausschlaggebend sind die Umstände des Einzelfalls.
Ein Weisungsrecht der Gemeinschaftspraxis bestand zumindest hinsichtlich ihrer Räumlichkeiten und Geräte. Die Klägerin zu
1. bestimmte insbesondere auch die zu Untersuchenden. An diese Feststellung des SG ist der Senat gebunden (§
163 SGG).
Die Klägerin zu 2. war in die Arbeitsabläufe der Gemeinschaftspraxis in "funktionsgerecht dienender Teilhabe" eingegliedert.
Sie arbeitete arbeitsteilig mit dem Praxispersonal zusammen, war auf dessen Hilfestellung zwingend angewiesen und konnte diesem
insoweit fachliche Weisungen erteilen. Darüber hinaus nutzte die Klägerin zu 2. die Einrichtungen und Betriebsmittel der Gemeinschaftspraxis
kostenfrei. Ihre Vergütung erhielt sie direkt von der Klägerin zu 1. Eine Abrechnung gegenüber den behandelten Patienten oder
deren Kostenträgern nahm nicht sie, sondern nur die Gemeinschaftspraxis vor.
d) Dieser Bewertung steht nicht entgegen, dass die Klägerin zu 2. ausschließlich in einer Vertretungssituation tätig wurde.
Der 3. Senat des BSG hat eine Eingliederung des Arztvertreters in den fremden "Arztbetrieb" abgelehnt, wenn der Arztvertreter für die Dauer seiner
Tätigkeit die Stelle des Praxisinhabers einnimmt und zeitweilig selbst dessen Arbeitgeberfunktionen erfüllt, soweit in der
Arztpraxis Arbeitnehmer tätig sind. Dieser Umstand schließt es aus, ihn zugleich als in den Betrieb des Praxisinhabers "eingegliedert"
anzusehen (vgl BSG Urteil vom 27.5.1959 - 3 RK 18/55 - BSGE 10, 41, 46 = juris RdNr 15). Das ist hier aber nicht der Fall.
Arbeit- bzw Auftraggeberin ist hier eine Gemeinschaftspraxis. Eine solche zeichnet sich dadurch aus, dass mehrere Ärzte der
gleichen oder ähnlicher Fachrichtung in gemeinsamen Räumen mit gemeinsamer Praxiseinrichtung, gemeinsamer Karteiführung und
Abrechnung sowie mit gemeinsamem Personal auf gemeinsame Rechnung die ärztliche Tätigkeit gemeinsam ausüben (BSG Urteil vom 14.12.2011 - B 6 KA 31/10 R - SozR 4-2500 § 106a Nr 8 RdNr 20 mwN). Dies geschieht in der Rechtsform einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) nach
§§
705 ff
BGB (BGH Urteil vom 8.11.2005 - VI ZR 319/04 - BGHZ 165, 36, 39 f; BGH Urteil vom 25.3.1986 - VI ZR 90/85 - BGHZ 97, 273, 276 f = juris RdNr 12; BSG Urteil vom 22.4.1983 - 6 RKa 7/81 - BSGE 55, 97, 102 = SozR 5520 § 33 Nr 1 S 5 = juris RdNr 22) oder im Rahmen einer Partnerschaftsgesellschaft (§§ 1 ff Partnerschaftsgesellschaftsgesetz [PartGG]), auf die grundsätzlich auch die Vorschriften über die Gesellschaft Anwendung finden (§ 1 Abs 4 PartGG). Die von der Klägerin erbrachte Tätigkeit beschränkte sich auf den ärztlichen Einsatz im Fall der kurzfristigen Abwesenheit
eines Gesellschafters wegen Krankheit oder Urlaub. Damit wird nicht der Vertretungsfall für die Praxis als Gesamtheit umschrieben,
denn dieser tritt nicht ein, solange auch nur ein Arzt der Gemeinschaftspraxis weiterhin tätig ist (vgl BSG Urteil vom 19.8.1992 - 6 RKa 35/90 - juris RdNr 12; BSG Urteil vom 20.10.2004 - B 6 KA 15/04 R - SozR 4-1930 § 6 Nr 1 RdNr 21). Der Betrieb der Gemeinschaftspraxis kann durch die verbleibenden Partner fortgeführt und
gegenüber der Kassenärztlichen Vereinigung abgerechnet werden. Da die Klägerin zu 2. durch ihre kurzfristige Übernahme ärztlicher
Leistungen nicht in die Rechtsstellung einer Gesellschafterin der GbR eingetreten ist, hat sie mithin auch nicht die Arbeitgeberfunktion
in der Gemeinschaftspraxis übernommen. Ihre Position unterschied sich insoweit nicht wesentlich von der eines sog Honorararztes,
der vertretungsweise in einem Krankenhaus tätig wird und insoweit ebenfalls abhängig beschäftigt ist (vgl BSG Urteil vom 4.6.2019 - B 12 R 12/18 R - juris; BSG Urteil vom 4.6.2019 - B 12 R 5/19 R - juris).
Es kann dahinstehen, ob und ggf unter welchen Voraussetzungen in einer Gemeinschaftspraxis überhaupt ein Vertretungsfall iS
des § 32 Ärzte-ZV eintreten kann oder ob bei der Inanspruchnahme Dritter nur eine Anstellung mit Genehmigung des Zulassungsausschusses (§
95 Abs
9 SGB V) in Betracht kommt. Denn für die Statusfeststellung kommt es nicht darauf an, ob den berufszulassungsrechtlichen Anforderungen
Genüge getan wird. Wie der Senat zuletzt zu so genannten freien Berufen entschieden hat, werden die Abgrenzungsmaßstäbe des
§
7 Abs
1 SGB IV nicht berufsrechtlich überlagert (vgl BSG Urteil vom 7.7.2020 - B 12 R 17/18 R - SozR 4-2400 § 7 Nr 49 RdNr 35). Weder richtet sich die Statusfeststellung allein an der fachlichen (Weisungs-)Unabhängigkeit
des (Vertretungs-)Arztes aus, noch hat sie den Zweck, Regelungen des Vertragsarztrechts sicherzustellen.
e) Das SG hat keine für Selbstständigkeit sprechende Anhaltspunkte festgestellt, die ein derartiges Gewicht hätten, dass sie die Eingliederung
der Klägerin zu 2. hätten auf- oder überwiegen können. Insbesondere fehlt es an einem nennenswerten Unternehmerrisiko. Für
die Klägerin zu 2. bestand nicht die Chance, durch unternehmerisches Geschick ihre Arbeit so effizient zu gestalten, dass
sie das Verhältnis von Aufwand und Ertrag zu ihren Gunsten entscheidend hätte beeinflussen können. Vielmehr erhielt sie für
ihre Arbeit ein fest definiertes Honorar. Da es auch lediglich auf eine Betrachtung der konkreten Vertretungstätigkeit ankommt,
ist das einzig in Betracht kommende Risiko der Klägerin zu 2., von der Gemeinschaftspraxis keine weiteren Folgeaufträge zu
bekommen, für die Frage ihres Status in der konkreten Tätigkeit irrelevant. Denn aus dem (allgemeinen) Risiko, außerhalb der
Erledigung einzelner Aufträge zeitweise die eigene Arbeitskraft ggf nicht verwerten zu können, folgt kein Unternehmerrisiko
bezüglich der einzelnen Einsätze (vgl BSG Urteil vom 18.11.2015 - B 12 KR 16/13 R - BSGE 120, 99 = SozR 4-2400 § 7 Nr 25, RdNr 36 mwN).
Auch die angeführte Berufshaftpflichtversicherung der Klägerin zu 2. begründet kein ins Gewicht fallendes Verlustrisiko. Insoweit
kann dahinstehen, dass das SG keine Feststellungen darüber getroffen hat, in welcher Höhe der Klägerin zu 2. konkrete Kosten entstanden sind und inwieweit
sich diese gerade auf die ausgeübte Tätigkeit als "Vertretungsärztin" (und nicht lediglich auf den allgemein ausgeübten Beruf
als Ärztin) bezogen haben. Denn es handelt sich bei der Versicherung ohnehin nur um einen Aspekt, der für sich genommen die
Tätigkeit nicht entscheidend prägt (vgl BSG Urteil vom 7.6.2019 - B 12 R 6/18 R - BSGE 128, 205 = SozR 4-2400 § 7 Nr 44, RdNr 31). Außer eigener Arbeitskleidung setzte die Klägerin zu 2. zudem keine eigenen Arbeitsmittel
ein, wobei gerade bei den endoskopischen Untersuchungen spezielle Schutzkleidung wiederum von der Gemeinschaftspraxis kostenfrei
gestellt wurde.
Der vereinbarte Ausschluss von Lohnfortzahlung und Urlaub ändert an der Einordnung als Beschäftigung nichts. Denn eine solche
Regelung setzt das Fehlen des Status als Beschäftigter bereits voraus (stRspr; vgl BSG Urteil vom 18.11.2015 - B 12 KR 16/13 R - BSGE 120, 99 = SozR 4-2400 § 7 Nr 25, RdNr 27 mwN). Auf die Höhe der Vergütung kommt es nur dann an, wenn die übrigen Umstände gleichermaßen
für Selbstständigkeit wie für eine Beschäftigung sprechen. Im Übrigen steht den Beteiligten nicht die Dispositionsfreiheit
zu, sich von der Sozialversicherungspflicht "freizukaufen" (BSG Urteil vom 4.6.2019 - B 12 R 12/18 R - juris RdNr 34).
Etwas anderes ergibt sich auch nicht deshalb, weil es der Klägerin zu 2. freigestanden hat, für weitere Auftraggeber tätig
zu sein. Eine Tätigkeit für mehrere Auftraggeber erhält erst in der Zusammenschau mit weiteren typischen Merkmalen einer selbstständigen
Tätigkeit Gewicht, wie zB einem werbenden Auftreten am Markt für die angebotenen Leistungen (BSG Urteil vom 18.11.2015 - B 12 KR 16/13 R - BSGE 120, 99 = SozR 4-2400 § 7 Nr 25, RdNr 28). Solche Umstände von relevantem Umfang hat das SG nicht festgestellt. Zwar hat der Senat entschieden, dass eine Tätigkeit für andere Auftraggeber ein Indiz für eine ganz erhebliche
Dispositionsfreiheit in Bezug auf die zu beurteilende Tätigkeit sein kann, wenn sie in relevantem Umfang oder sogar schwerpunktmäßig
stattfindet, weil sie dann die zeitliche Verfügbarkeit des Auftragnehmers erheblich einschränkt (BSG Urteil vom 4.9.2018 - B 12 KR 11/17 R - BSGE 126, 235 = SozR 4-2400 § 7a Nr 10, RdNr 23). Das gilt aber nicht, wenn - wie hier - die Dispositionsfreiheit des Auftragnehmers schon
insoweit berücksichtigt wird, als für die Beurteilung auf den jeweiligen Einzelauftrag (vgl oben b) abgestellt wird.
f) Hinweise auf Umstände, die zu einem Ausschluss der Versicherungspflicht in der GRV und nach dem Recht der Arbeitsförderung
führen könnten, sind weder erkennbar noch geltend gemacht.
4. Die Kostenentscheidung beruht auf §
193 SGG. Die Kostenprivilegierung der Klägerin zu 2. (§
183 SGG) erstreckt sich auf die grundsätzlich nicht privilegierte Klägerin zu 1. (vgl BSG Beschluss vom 29.5.2006 - B 2 U 391/05 B - SozR 4-1500 § 193 Nr 3 RdNr 17).