Rente wegen Erwerbsminderung
Verfahrensrüge im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren
Gründe
I
Mit Urteil vom 3.7.2018 hat das Sächsische LSG einen Anspruch des Klägers auf Rente wegen voller, hilfsweise wegen teilweiser
Erwerbsminderung verneint.
Gegen die Nichtzulassung der Revision in dieser Entscheidung hat der Kläger Beschwerde beim BSG eingelegt. Er beruft sich ausschließlich auf Verfahrensmängel (Zulassungsgründe nach §
160 Abs
2 Nr
3 SGG). Mit der Beschwerdebegründung hat er zudem die Bewilligung von Prozesskostenhilfe (PKH) unter Beiordnung seines Prozessbevollmächtigten
beantragt.
II
1. Der Antrag des Klägers auf Gewährung von PKH zur Durchführung des Verfahrens der Nichtzulassungsbeschwerde gegen das Urteil
des Sächsischen LSG vom 3.7.2018 ist abzulehnen.
Nach §
73a Abs
1 Satz 1
SGG iVm §§
114,
121 ZPO kann einem bedürftigen Beteiligten für das Beschwerdeverfahren vor dem BSG ua nur dann PKH bewilligt und ein Rechtsanwalt beigeordnet werden, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht
auf Erfolg bietet. Diese Voraussetzungen liegen nicht vor, weil die vom Kläger eingelegte Beschwerde gegen die Nichtzulassung
der Revision im Urteil des LSG nicht erfolgreich sein kann. Der Kläger hat PKH für eine von einem beim BSG zugelassenen Prozessbevollmächtigten bereits eingelegte und bis zum Ablauf der Begründungsfrist am 9.10.2018 bereits begründete
Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision beantragt. Die Revision wäre daher nur zuzulassen, wenn mit dieser Beschwerde
einer der in §
160 Abs
2 Nr
1 bis
3 SGG genannten Zulassungsgründe in der gemäß §
160a Abs
2 Satz 3
SGG vorgeschriebenen Form dargelegt wäre. Solche Erfolgsaussicht besteht hier nicht, weil die Beschwerde unzulässig ist (dazu unten 2.).
Mit der Ablehnung des Antrags auf Bewilligung von PKH entfällt zugleich die Möglichkeit der Beiordnung eines Rechtsanwalts
im Rahmen der PKH (§
73a Abs
1 SGG iVm §
121 Abs
1 ZPO).
2. Die Beschwerde des Klägers ist als unzulässig zu verwerfen. Der Kläger hat in der Begründung des Rechtsmittels entgegen
§
160a Abs
2 Satz 3
SGG den von ihm allein geltend gemachten Zulassungsgrund des Vorliegens von Verfahrensmängeln nicht hinreichend bezeichnet.
Ein Verfahrensmangel iS von §
160 Abs
2 Nr
3 SGG ist der Verstoß des Gerichts im Rahmen des prozessualen Vorgehens im unmittelbar vorangehenden Rechtszug (vgl zB BSG Urteil vom 29.11.1955 - 1 RA 15/54 - BSGE 2, 81 - juris RdNr 4; BSG Urteil vom 24.10.1961 - 6 RKa 19/60 - BSGE 15, 169 = SozR Nr 3 zu § 52
SGG - juris RdNr 29). Neben der Geltendmachung des Vorliegens eines Verstoßes gegen das Verfahrensrecht ist mit der Beschwerdebegründung darzulegen,
dass die angefochtene Entscheidung auf diesem Verstoß beruhen kann. Zugrunde zu legen ist die materiell-rechtliche Rechtsauffassung
des LSG (BSG Urteil vom 28.5.1957 - 3 RJ 219/56 - SozR Nr 79 zu §
162 SGG; BSG Beschluss vom 31.1.1979 - 11 BA 166/78 - SozR 1500 § 160 Nr 33; BSG Beschluss vom 16.11.2000 - B 4 RA 122/99 B - SozR 3-1500 §
160 Nr
33 - juris RdNr
23). Gemäß §
160 Abs
2 Nr
3 Halbsatz 2
SGG kann der geltend gemachte Verfahrensmangel allerdings nicht auf eine Verletzung der §§
109 und
128 Abs
1 Satz 1
SGG und auf eine Verletzung des §
103 SGG nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt
ist. Ein entscheidungserheblicher Mangel des Berufungsverfahrens wird nur dann substantiiert bezeichnet, wenn der Beschwerdeführer
diesen hinsichtlich aller ihn (vermeintlich) begründenden Tatsachen darlegt, sodass das Beschwerdegericht allein anhand dieser
Begründung darüber befinden kann, ob die angegriffene Entscheidung des LSG möglicherweise auf dem geltend gemachten Verfahrensmangel
beruht (vgl zB BSG Beschluss vom 16.11.2000 - B 4 RA 122/99 B - SozR 3-1500 § 160 Nr 33 - juris RdNr 16 mwN; BSG Beschluss vom 31.7.2017 - B 1 KR 47/16 B - SozR 4-1500 § 160 Nr 30 RdNr 16 mwN). Daran fehlt es.
a) Die vom Kläger in der Beschwerdebegründung vom 9.10.2018 geltend gemachte Rüge der Verletzung der Amtsermittlungspflicht
(§
103 SGG) genügt den dargestellten Anforderungen nicht, soweit es die unterlassene Beiziehung eines augenärztlichen und eines HNO-ärztlichen
Gutachtens sowie einer berufskundlichen Stellungnahme betrifft.
Die Geltendmachung eines Verfahrensmangels wegen Verletzung des §
103 SGG (Amtsermittlungsprinzip) kann - wie oben ausgeführt - gemäß §
160 Abs
2 Nr
3 Halbsatz 2
SGG nur darauf gestützt werden, dass das LSG einem Beweisantrag ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist (stRspr; vgl BSG Beschluss vom 29.3.2007 - B 9a VJ 5/06 B - SozR 4-1500 §
160 Nr 13 RdNr 11 mwN; ferner Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt,
SGG, 12. Aufl 2017, §
160 RdNr 18c mwN). Die Rüge der unzureichenden Sachaufklärung durch das LSG muss dabei folgende Punkte enthalten: (1) Bezeichnung eines für
das Revisionsgericht ohne Weiteres auffindbaren Beweisantrags, dem das LSG nicht gefolgt ist, (2) Wiedergabe der Rechtsauffassung
des LSG, aufgrund derer bestimmte Tatfragen als klärungsbedürftig hätten erscheinen und zu weiterer Sachaufklärung drängen
müssen, (3) Angabe des voraussichtlichen Ergebnisses der unterbliebenen Beweisaufnahme und (4) Schilderung, dass und warum
die Entscheidung des LSG auf der angeblich fehlerhaft unterlassenen Beweisaufnahme beruhen kann, das LSG mithin bei Kenntnis
des behaupteten Ergebnisses der Beweisaufnahme von seinem Rechtsstandpunkt aus zu einem anderen, dem Beschwerdeführer günstigeren
Ergebnis hätte gelangen können (stRspr; vgl BSG Beschluss vom 19.11.2007 - B 5a/5 R 382/06 B - SozR 4-1500 § 160a Nr 21 RdNr 5; BSG Beschluss vom 28.2.2018 - B 13 R 73/16 B - juris RdNr 9 mwN).
aa) Soweit es die weiteren medizinischen Begutachtungen angeht, hat der Kläger bereits keine ordnungsgemäßen Beweisanträge
iS des §
118 Abs
1 Satz 1
SGG, §
403 ZPO bezeichnet. Ein solcher Antrag muss grundsätzlich in prozessordnungsgerechter Weise formuliert sein, sich regelmäßig auf
ein Beweismittel der
ZPO beziehen, das Beweisthema möglichst konkret angeben und insoweit wenigstens umreißen, was die Beweisaufnahme ergeben soll
(BSG Beschluss vom 15.8.2018 - B 13 R 387/16 B - juris RdNr 6; Leitherer in Meyer- Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt,
SGG, 12. Aufl 2017, §
160 RdNr 18a mwN). Der mit Schriftsatz vom 8.6.2018 gestellte Antrag des Klägers enthält mit der Formulierung
"1. Beiziehen eines augenärztlichen Sachverständigengutachtens
2. Beiziehen eines HNO-Sachverständigengutachtens"
kein aus sich heraus verständliches Beweisthema. Dieses bleibt auch nach den vom Kläger in der Beschwerdebegründung zitierten
nachfolgenden weiteren Ausführungen in diesem Schriftsatz offen, denn der Formulierung, "der Auffassung des Senats, wonach
es dem Kläger noch möglich sein soll, körperlich leichte Arbeiten in wechselnder Körperhaltung" zu verrichten, könne nicht
gefolgt werden, lässt sich nicht entnehmen, ob es sich hierbei um das voraussichtliche Ergebnis der weiteren Begutachtung
oder eine Bewertung der Ergebnisse der vier bereits vorliegenden Gutachten handelt. Daher lag schon nach dem Beschwerdevorbringen
des Klägers kein formgerechter Beweisantrag vor, sodass das LSG - dies zugrunde gelegt - zu Recht von einer bloßen Beweisanregung
ausgegangen ist. Denn anders als eine Beweisanregung hat nur ein echter Beweisantrag die Warnfunktion, die es rechtfertigt,
einen Revisionszulassungsgrund anzunehmen (vgl nur BSG Beschluss vom 28.2.2018 - B 13 R 279/16 B - juris RdNr 20 unter Hinweis auf BSG Beschluss vom 24.5.1993 - 9 BV 26/93 - SozR 3-1500 § 160 Nr 9 - juris RdNr 6). Auf die Frage, ob das LSG dieser Anregung zu Unrecht nicht gefolgt ist, kommt es somit nicht mehr an. Im Übrigen fehlen
in der Beschwerdebegründung Angaben dazu, welche weiteren bisher nicht festgestellten Leistungseinschränkungen aufgrund zusätzlicher
Begutachtungen voraussichtlich festgestellt worden wären und wieso diese das LSG von seinem Rechtsstandpunkt aus zu einem
anderen Ergebnis geführt hätten.
bb) Es kann dahinstehen, ob der Antrag des Klägers auf Beiziehung einer berufskundlichen Stellungnahme im Kontext mit den
weiteren Ausführungen des damaligen Schriftsatzes (noch) einen ordnungsgemäßen Beweisantrag darstellt. Jedenfalls hat der
Kläger - anders als erforderlich - nicht schlüssig dargelegt, dass es ausgehend von der materiell-rechtlichen Rechtsauffassung
des LSG auf die unter Beweis gestellten Tatsachen ankam, die angefochtene Entscheidung also auf der unterbliebenen Beweiserhebung
beruhen kann. Zwar trägt der Kläger auf Seite 8 seiner Begründung vor, er habe das Beiziehen einer berufskundlichen Stellungnahme
zum Beweis der Tatsache beantragt, dass schlichtweg keine Tätigkeit denkbar sei, die er noch verrichten könne. Jedoch steht
dies im Widerspruch zu dem auf Seite 6 dieser Begründung wiedergegebenen Wortlaut des Schriftsatzes vom 8.6.2018. Dort heißt
es in Bezug auf die zuvor ausführlich beschriebene Tätigkeit eines Versandfertigmachers: "Diese Tätigkeit ist dem Kläger auf
Grund der oben beschriebenen qualitativen Leistungseinschränkungen nicht mehr möglich. Beweis: Beizuziehende berufskundliche
Stellungnahme". Zugleich trägt der Kläger auf Seite 9 vor, das LSG habe festgestellt, dass er "gesundheitlich zumutbar allgemeine
Verrichtungen oder Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt, die in ungelernten Tätigkeiten üblicherweise gefordert werden
(wie z.B. Zureichen, Abnehmen, Transportieren, Reinigen, Bedienen von Maschinen, Kleben, Sortieren, Verpacken, Zusammensetzen
von Teilen usw.) mindestens sechs Stunden arbeitstäglich verrichten kann". Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG zu Erwerbsminderungsrenten bedarf es in einem solchen Fall weder einer Prüfung des Vorliegens einer schweren spezifischen
Leistungsbehinderung noch einer Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen und somit auch nicht der Benennung einer
Verweisungstätigkeit (vgl zB BSG Beschluss vom 19.12.1996 - GS 2/95 - BSGE 80, 24 = SozR 3-2600 § 44 Nr 8; BSG Urteil vom 19.10.2011 - B 13 R 78/09 R - BSGE 109, 189 = SozR 4-2600 § 43 Nr 16; BSG Urteil vom 9.5.2012 - B 5 R 68/11 R - SozR 4-2600 § 43 Nr 18; jüngst BSG Urteil vom 11.12.2019 - B 13 R 7/18 R - zur Veröffentlichung in BSGE und SozR vorgesehen). Dass es aus anderen in der Rechtsauffassung des LSG liegenden Gründen dennoch auf die Frage der Eignung des Klägers für
die Tätigkeit eines Versandfertigmachers angekommen wäre, hat der Kläger nicht dargelegt.
b) Ein Verfahrensmangel wird ebenfalls nicht formgerecht bezeichnet, soweit der Kläger das vermeintliche Fehlen von Entscheidungsgründen
(§
136 Abs
1 Nr
6 SGG)rügt.
Nach §
128 Abs
1 Satz 2
SGG sind in dem Urteil die Gründe anzugeben, die für die richterliche Überzeugung leitend gewesen sind. Das bedeutet, aus den
Entscheidungsgründen muss ersichtlich sein, auf welchen Erwägungen in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht die Entscheidung
beruht. Dafür muss das Gericht aber nicht jeden Gesichtspunkt, der erwähnt werden könnte, abhandeln (vgl BVerfG Beschluss vom 1.8.1984 - 1 BvR 1387/83 - SozR 1500 § 62 Nr 16; BVerfG <Kammer> Beschluss vom 25.3.2010 - 1 BvR 2446/09 - juris RdNr 11). Auch braucht es nicht zu Fragen Stellung nehmen, auf die es nach seiner Auffassung nicht ankommt. Eine Entscheidung ist
deshalb nicht schon dann nicht mit Gründen versehen, wenn das Gericht sich unter Beschränkung auf den Gegenstand der Entscheidung
kurz gefasst und nicht jeden Gesichtspunkt, der möglicherweise hätte erwähnt werden können, behandelt hat. Zugleich wäre die
Begründungspflicht selbst dann nicht verletzt, wenn die Ausführungen des Gerichts zu den rechtlichen Voraussetzungen und tatsächlichen
Gegebenheiten falsch, oberflächlich oder wenig überzeugend sein sollten (BSG Beschluss vom 22.1.2008 - B 13 R 144/07 B - juris RdNr 7 mwN).
Seine Rüge stützt der Kläger auf das Fehlen von Ausführungen des LSG zur Frage des Vorliegens einer Summierung ungewöhnlicher
Leistungseinschränkungen. Dies belegt er durch eine detaillierte Zusammenfassung der Entscheidungsgründe des angefochtenen
Urteils. Er versäumt es jedoch schlüssig darzulegen, dass es nach der Rechtsauffassung des LSG auf diese Frage ankam. Hierzu
hätte besonders deshalb Anlass bestanden, weil - wie oben unter 1.b) ausgeführt - der Kläger nach Ansicht des LSG gesundheitlich
noch in der Lage war, allgemeine Verrichtungen oder Tätigkeiten auszuüben, wie sie bei ungelernten Tätigkeiten üblicherweise
gefordert werden. In diesem Fall kam es - ausgehend von der ständigen Rechtsprechung des BSG - auf die Frage des Vorliegens einer schweren spezifischen Leistungsbehinderung oder einer Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen
nicht an. Dass das LSG hierzu eine abweichende Rechtsauffassung vertreten hätte, hat der Kläger - wie ebenfalls schon ausgeführt
- nicht dargelegt. Dass der Kläger eine andere Rechtsauffassung vertritt und das Berufungsurteil inhaltlich für unrichtig
hält, kann als solches nicht zur Zulassung der Revision führen (stRspr; vgl zB BSG Beschluss vom 25.7.2011 - B 12 KR 114/10 B - SozR 4-1500 § 160 Nr 22 RdNr 4; BVerfG Beschluss vom 6.5.2010 - 1 BvR 96/10 - SozR 4-1500 § 178a Nr 11 RdNr 28 mwN).
3. Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab, weil sie nicht geeignet ist, zur Klärung der Voraussetzungen der Revisionszulassung
beizutragen (§
160a Abs
4 Satz 2 Halbsatz 2
SGG).
Die Verwerfung der unzulässigen Beschwerde erfolgt gemäß §
160a Abs
4 Satz 1 Halbsatz 2 iVm §
169 Satz 2 und
3 SGG durch Beschluss ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter.
Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung von §
193 SGG.